Editorial

Beispielhaft?

Als das stolze Badener Weltunternehmen BBC Mitte 1988 überraschend mit der kleineren, agileren, schwedischen ASEA fusionierte, war die Region Baden in ihrem Selbstverständnis erschüttert: In der neuen Firma ABB wurden Firmentraditionen radikal entrümpelt, Strukturen massiv gestrafft, Doppelspurigkeiten eliminiert und Abläufe effizienter gestaltet, der Hauptsitz wurde nach Zürich Oerlikon verlegt. Dadurch brachen in Baden innert vier Jahren fast ein Drittel der ABB-Arbeitsplätze weg. Fast die Hälfte der Fabrikhallen, Prüfstände und Labors standen leer. Die Unternehmensleitung teilte der Stadtregierung mit, dass wesentliche Teile ihres 24 ha grossen Areals künftig nicht mehr für die Produktion benötigt würden. Der kurz zuvor gewählte Stadtpräsident Josef Bürge nahm den Ball auf. 1989 wurde eine gemeinsame Projektorganisation «Chance Baden Nord 2005» geschaffen. Sie klärte in den folgenden Jahren im kleinen Kreis, welche Nutzungsperspektiven für die ABB flexibel genug und für die Stadt akzeptabel wären – kritisch begleitet vom Verein BadeNordStadt und vom Stadtforum Baden. 1993 fixierte das Stadtparlament einen generellen Rahmen mit einer Ausnützungsziffer von 1.7 und 25% Wohnanteil im Zonenplan. 1994 wurde das von Diener Diener entworfene städtebauliche Muster im Entwicklungsrichtplan festgesetzt.

18 Jahre nach der Fusion und 12 Jahre nach den wesentlichen Planungsschritten hat sich das ABB-Areal stark verändert. Die einst «verbotene Stadt» ist zu einem der urbansten und dichtesten Räume Badens geworden, nebst einer Vielzahl von ABB-Tochterfirmen und -ablegern haben sich auch verschiedenste KMU hier angesiedelt. Die bauliche Dynamik übertrifft alle Prognosen: Vor allem die ABB selbst benötigt wesentlich mehr Nutzfläche als erwartet. Bereits 1993, noch vor Klärung der städtebaulichen Struktur, wurden die Gründungsfabrikhallen abgebrochen, um für den Büroneubau der ABB Kraftwerke (Theo Hotz) Platz zu machen. Ab 1996 folgten in kurzen Abständen neue Prüfstände, die «Jumbo»-Fertigungshalle, der Büroneubau «Power Tower» (Diener Diener) sowie der ABB-Engineering-Neubau «Quadro» (Burkard Meyer). Auch öffentliche Nutzungen wurden realisiert. Der «Trafo»-Komplex im ehemaligen Hochspannungslabor (Roland Rohn / Burkard Meyer) brachte 2002 grössere Freizeit- und Entertainmentnutzungen ins Areal. Vor kurzem wurde das in diesem Heft vorgestellte Berufsbildungzentrum Baden (Burkard Meyer) in Betrieb genommen – als letzter Schachzug des nach über zwei Jahrzehnten zurückgetretenen Stadtpräsidenten.

Ist Baden Nord also eine beispielhafte Arealumnutzung? Gemessen an der baulichen Dynamik sicher. Ein Musterbeispiel jedenfalls, was die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Privaten betrifft und auch darin, wie ABB und Stadt ihre Investitionen auf das Areal konzentrierten. Misst man die Umnutzung allerdings an ihrem Ziel des «durchmischten lebendigen Stadtquartiers», ist die Bilanz durchzogen. Arbeitsplätze, Schulen und Freizeiteinrichtungen sorgen zwar für Geschäftigkeit, aber Wohnen und Einkaufen fehlen noch. Obwohl an entsprechenden Projekten seit einem Jahrzehnt geübt wird, hat sich noch kein grosser Investor auf Baden Nord eingelassen. Für diesen Herbst ist nun der Baubeginn von 175 Wohnungen «Am Martinsberg» angekündigt, für die mit Fugazza Steinmann & Partner ein weiteres Architekturbüro zum Zug kommt.
Andreas Schneider

Inhalt

Aufpolierte Stadtkrone
Axel Simon
Das Gemeinschaftshaus der Brown, Boveri & Cie. wurde 1954 von Armin Meili in Baden gebaut. Das Architekturbüro Burkard Meyer sanierte von 2004 bis 2006 den Altbau behutsam für die Berufsschule Baden und interpretierte selbstbewusst einzelne Teile neu.

Elementbau-Kasten
Katinka Corts
Das neu gebaute Schulhaus an der Bruggerstrasse ist der architektonische Auftakt für das Schulareal am Martinsberg. Mehr als 3100 einzelne Elementbauteile in 200 verschiedenen Typen wurden in dem vorfabrizierten Gebäude verarbeitet.

Wettbewerbe
Neue Ausschreibungen und Preise | Vier neue Kunstbauten für die Verbindungstrasse H144 im Wallis | 112 Arbeitsplätze: neue Werkstatt in Stein | 32 Betten: Erneuerung des Weissenheims in Bern | 60 Wohnungen: Erweiterung Alters- und Pflegeheim der Stadt Frauenfeld | Der «beste» Umbau

Magazin
Stadtnatur in den Augen türkischer Migranten | Migrationsbewegungen weltweit | Publikation: Migration in der Schweiz | Entschädigung für Grundbesitzer | Bildungsoffensive gegen Ingenieurmangel | Technik-Infos im Internet | Sozialstaat: kein Auslaufmodell | In Kürze

Aus dem SIA
Direktion: Energie, Bildung, Normen und Urheberrechte | Absturzsicherung: sicher ist sicherer | contractworld.award 2007: vier Schweizer Preisträger

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Aufpolierte Stadtkrone

Mit einem dreiteiligen Projekt gewannen Burkard Meyer Architekten 2003 den Studienauftrag um die Gebäude der Berufsschule Baden. Das 1954 von Armin Meili gebaute Wohlfahrtsgebäude wurde mit einem Turnhallentrakt erweitert und durch ein neues Schulhaus an der Bruggerstrasse ergänzt. Beginnen die beiden Neubauten das ehemalige BBC-Areal und damit den Kontext des Meili-Baus grundlegend umzudeuten, lässt sein Umbau ihn in neuem Glanz erstrahlen.

Das Gemeinschaftsgebäude der Brown, Boveri & Cie. (BBC) thront seit 1954 auf dem Martinsberg oberhalb des Werkgeländes (Bild 3). Einer Stadtkrone gleicht nicht nur seine Lage, sondern auch das «neuartige, aus hohem sozialem Verantwortungsgefühl entstandene Bauprogramm», so der Architekt Armin Meili. Er wurde Anfang der 1950er-Jahre von der BBC beauftragt, Räume für einen «fröhlichen und beschaulichen Feierabend» und für die Pflege von «Gemeinschaft und Weiterbildung» zu schaffen. So entstanden Freizeitwerkstätten, Kegelbahnen und ein Festsaal, dessen «Lichtspielanlage» Vorträgen «belehrender oder unterhaltender Art» diente. Ein weiterer Programmpunkt war die Bewirtung von 3000 Arbeitern zur Mittagszeit.
Der bauliche Ausdruck des Hauses entspricht sowohl seiner patriarchalischen Programmatik als auch der Monumentalität einer Stadtkrone: Zwar thront es quer zum Hang, doch schwächt es die Wucht seiner Erscheinung mittels ornamentaler Gliederung der Fassade. Im Aufbau des Gebäudes lässt sich die direkte Umsetzung des Programms auf dem schwierigen Bauplatz ablesen: Das Hauptgeschoss ist so ausgedehnt, dass die Räume der Bewirtung (Mensa und Aula) auf einer Ebene um die Küche herum gruppiert sind. Eine Pfeilerreihe stemmt diese Ebene mit der darunter liegenden in die Höhe – die unteren Geschosse sind um mehr als die Hälfte schmaler und liegen daher hinter der grossen Auskragung der Obergeschosse. Die monumentalen Elemente der Erschliessung machen die ehemalige Nutzung des Hauses ablesbar: Die Arbeiter überwanden auf einer gedeckten Kaskadentreppe die Höhe der Pfeiler und gelangten nach einer Wendung und einer weiteren Treppe auf die Hauptebene. An ihrem hinteren Ende verliessen sie über eine grosse Wendeltreppe die Speisehalle und befanden sich nun unterhalb der Auskragung wieder im Freien (Bilder 4, 5).

Der Umbau

Im Laufe seiner über fünfzigjährigen Geschichte wurde das Gemeinschaftshaus immer wieder an die sich wandelnden Bedürfnisse seiner Nutzer angepasst. Bereits im Gutachten der Denkmalpflege vor dem Umbau durch das Architekturbüro Burkard Meyer findet sich das übergeordnete Ziel, das auch diesem zugrunde lag: Der Entwurf von Armin Meili solle «weitergedacht» werden. Weniger «die detailtreue Rekonstruktion des Originals» sollte man anstreben «als das Wiedererstellen der ursprünglichen Atmosphäre und des Charakters des Hauses». Schwer genug beim Umfang der nötigen baulichen Eingriffe.
Da wäre zunächst einmal die unmittelbare Umgebung, die durch den Bau des benachbarten Sporthallenkomplexes der gleichen Architekten praktisch vollständig umgedeutet wird (Bild 2). Stand das Gemeinschaftshaus in einem leicht abgetreppten, parkartig gestalteten Hang, so ist das Schulhaus nun Teil einer von hohen Stützmauern geprägten Kunstlandschaft. Diese neue Rolle mag der von Meili angestrebten «erholsamen, heiteren Note» zunächst widersprechen. Andererseits passt sich das Gebäude durch seine strukturelle Erscheinung gut in den veränderten Ort ein. Die unsichtbare Seite des Hauses – die enormen Hangsicherungs- und Fundierungsmassnahmen, denen die «Schweizerische Bauzeitung» im März 1955 allein mehrere Seiten widmete – tritt so zu Tage, und die Stadtkrone erhält mit den Sporthallen ihr Postament – auch wenn es daneben steht.

Fassadensanierung

Äusserlich gleicht das Haus nun wieder mehr seiner ursprünglichen Erscheinung, trotz umfangreicher, energetisch und programmatisch bedingter Eingriffe. Die prägnant strukturierten Süd- und Ostfassaden – von den ersten Curtain-Walls der Schweiz – waren ursprünglich in Holz ausgeführt (Bild 1). Sie wurden bis auf ein Teilstück durch eine Holzmetallkonstruktion ersetzt. Die übrigen doppelverglasten Holzfenster der Hauptfassaden blieben erhalten, wurden sorgfältig saniert, teilweise mit Isoliergläsern ergänzt und wieder eingesetzt. Zudem konnten die einst entfernten blauen Sonnenstoren rekonstruiert und der noch vorhandene Reinigungslift überholt werden.
Die erforderliche neue Dämmung beschränkt sich in der Hauptsache auf die Nordfassade, die vom Schulgelände nur wenig zu sehen ist. Deren Aussendämmung ermöglicht es nun in der Gesamtenergiebilanz, die Sichtbetonfassaden der Süd- und der Ostseite lediglich minimal im Inneren zu dämmen und so zu erhalten.

Innere Eingriffe

Auch die inneren Eingriffe wollen die Architekten nicht als neu erkannt wissen. Stattdessen schälen sie die Substanz des Meili-Baus aus zahlreichen Um- und Einbauten heraus und bemühen sich bei neuen Einbauten, analog zum eingangs genannten Ziel, seine Stimmung zu treffen. So wird zum Beispiel der auffällig gemusterte Boden des Foyers, Gartensaal genannt, erhalten und mit neuen keramischen Platten ergänzt (Bild 7). Ein kleiner Teil der alten Garderobenstangen konnte erhalten werden. Die gesamte hintere Hälfte des Foyers wurde allerdings als Mediathek umgenutzt und durch eine Holz-Glas-Wand abgetrennt. Auch wenn der Bodenbelag und die der alten Decke nachempfundene Akustikdecke die beiden Raumteile zusammenbinden – bei der neuen Trennwand steht nicht die Transparenz im Vordergrund. Stattdessen kokettiert sie, gelblich gestrichen, mit dem Baustil des Hauses.
Auch die enormen Abmessungen der anderen Haupträume – einst das Hauptcharakteristikum des Hauses – mussten für die neue Schulnutzung leider verringert werden. Da die Täfer aus Lärchensperrholz und das Eichenparkett in Aula und Mensa in schlechtem Zustand waren, mussten die originalen Oberflächen ersetzt werden. In der Aula im bergseitigen Quertrakt wurden die in den 1970er-Jahren hinzugekommene Quergalerie entfernt und die Wände neu mit Holz verkleidet (Bild 8). Lediglich die neue Technik verlangte ihren Tribut, am sichtbarsten in Form von Leuchtschienen, die über der originalen schlangenförmigen Lampenstange hängen. Ausserdem wurde der Raum um eine Fensterachse gekürzt, um so zwischen heraufkommender Treppe und Aula einen Stichgang zur Dachterrasse anlegen zu können.
Die eindrucksvolle Länge der Mensa musste leider gekappt werden (Bild 9). Wie im Gartensaal betritt man nunmehr knapp die Hälfte des ehemaligen Raumes, der mit seiner Doppelgeschossigkeit und der zur ornamentierten Fensterwand hin hochklappenden Decke jedoch noch immer grosszügig ist. Die Wände sind nicht mehr mit Holz, sondern mit einer weiss gestrichenen Plattenstruktur verkleidet, und die überdimensionierten weissen Lampenschirme zitieren Meilis verschwundene Originale, die einst den «Eindruck einer grossen Stube» vermitteln sollten.

Veränderte Raumfolge

Die heimelige Mensa und die festliche Aula standen ursprünglich in einem unmittelbaren funktionalen wie räumlichen Zusammenhang: Lediglich eine grosse Faltwand trennte die beiden Säle. Beim mittäglichen Mahl stand sie offen und ermöglichte so einen durchgehend möblierten Raum, der die Küche an drei Seiten umschloss. Hier fügten die Architekten nun einen Vorraum ein, links und rechts von geschlossenen Wänden gebildet. Beim Gang die Treppe hinauf blickt man heute daher nicht mehr in die Weite des Speisesaales, sondern an eine geschlossene Wand und wendet sich oben nach links, um Aula oder Mensa durch neue Türen zu betreten. Dies ist der wohl grösste Eingriff der Architekten, verändert er doch die Hauptwegführung massiv. Trotzdem: Die neue Raumfolge ist selbstverständlich und logisch und gibt auch im Detail nur dem genauen Beobachter einen Hinweis auf ihr Baujahr.
Das gilt auch für die Eingriffe im hinteren Teil des Hauptgeschosses und in allen darunter liegenden, die nun vor allem klassischen Schulzwecken dienen. Die nicht tragenden Wände bilden eine klare Folge von Räumen – klarer als selbst im Urzustand des Hauses. Lediglich die ungewohnte, aber nicht störende Gedrungenheit der Klassenräume zeugt von der Enge des gegebenen Rahmens – nicht zuletzt gewannen Burkard Meyer den Wettbewerb, weil es ihnen gelang, alle geforderten Nutzungen im Altbau unterzubringen und auf störende Anbauten zu verzichten. Insgesamt ist der Umbau des ehemaligen Gemeinschaftshauses ein gelungenes Beispiel dafür, dass sich ein behutsamer Umgang mit einem Baudenkmal und dessen selbstbewusste Neuinterpretation nicht widersprechen müssen.

TEC21, Mo., 2006.09.18

18. September 2006 Axel Simon



verknüpfte Bauwerke
Berufsschule Baden - Umbau ehem. Wohlfahrtsgebäude

Elementbau-Kasten

Für die Berufsschule Baden erweiterten Burkard Meyer Architekten den bestehenden Armin-Meili-Bau mit einem sechsgeschossigen Schulhaus und einem Sportkomplex. Besonders beeindruckend ist die grosse planerische Leistung, die der Einsatz vorfabrizierter Betonelemente im Schulhaus forderte.

Das Schulhaus an der Bruggerstrasse bildet den neuen architektonischen Auftakt für das Berufsbildungszentrum Baden. Burkard Meyer Architekten entwickelten ein Gebäude, in dem zeitgemässe Pädagogik und hohe Energiestandards umgesetzt werden und das gleichzeitig mit vorfabrizierten Elementbauteilen verhältnismässig schnell fertig gestellt werden konnte. Der 110 m lange, schmale Sechsgeschosser schliesst nördlich des bestehenden Fabrikgebäudes der ABB Turbo Systems AG die strassenbegleitende Bebauung bis zur Eisenbahnunterführung ab. An der südlichen Front des Gebäudes lädt der kleine, mit Zitterpappeln begrenzte Schmiedeplatz mit Sitzgelegenheiten und Trinkbrunnen zum Verweilen ein und schafft gleichzeitig als Entrée einen Durchgang zu den weiteren Gebäuden, die der Schule angegliedert sind. Das Schulhaus für 50 Mio. Franken wurde als Elementbau konzipiert, was eine anspruchsvolle Detailplanung bedingte. Es mussten beispielsweise alle gestalterischen, statischen und funktionalen Details – Lüftung, Elektro, Akustik – definiert sein, bevor die gezeichneten Elemente vorfabriziert werden konnten. Für das Schulhaus kamen insgesamt 3100 einzelne Elementbauteile in 200 verschiedenen Typen zum Einsatz. Die Treppenhäuser wurden als vertikale Elemente vor Ort betoniert. Sie bilden mit den innen liegenden, vorfabrizierten Betonstützen das statische System des Gebäudes. Neben den Anforderungen, die der nicht alltägliche Vorfabrikationsgrad mit sich brachte, musste auch die Montage sorgfältig geschehen, da die Betonoberflächen, wie zum Beispiel die mit Kanneluren versehenen Stützen und die glatten Decken in den Korridoren, im Schulhaus sichtbar bleiben sollten.

Mittig eingesetzte Cluster

Über eine parallel zur Bruggerstrasse laufende Rampe wird das Piano nobile, wie es auch im Meili-Bau zu finden ist, erschlossen (Bild 6). Hinter dem Eingang findet sich ein kleiner Festsaal (Bild 2), der zwei Geschosse hoch ist und für interne Anlässe genutzt wird. Der Boden ist hier wie im ganzen Gebäude mit hellem Fliesszement überzogen, die Deckenelemente reflektieren das Licht verstärkt, da der verwendeten Betonmischung Marmor beigefügt wurde. Die einzigen Farbakzente in diesem Raum sind die bronzenen Leuchtenunterzüge an der Decke und die rot eingefärbten Kanneluren der Betonstützen in der Gebäudemitte. Von diesem Empfangsraum gelangt man durch schmale Stützengänge und über die Treppenhäuser zu den Klassenzimmern. Für die Regelgeschosse wichen die Architekten vom üblichen Konzept ab, die Klassenzimmer entlang der Fassade aneinander zu reihen und in der Mitte des Gebäudes einen grösseren Gang oder auch einen Aufenthaltsraum zu gestalten. Für die Berufsschule entwickelten sie mittig liegende, verglaste Cluster, um die die verschiedenen Erschliessungsgänge verlaufen. Je vier miteinander verbundene und einsehbare Zimmer bilden mit einem Treppenhaus einen eigenen Brandabschnitt (Bild 5).

Aussenkorridore als Temperaturpuffer

In den Klassenzimmern liegen nahezu alle Installationsleitungen in den vorfabrizierten Decken- und Wandelementen. Das Sprinklersystem integrierten die Architekten in den unterhalb der Decke verlaufenden Leuchtenkanal. Doch nicht nur die Installationsleitungen wurden vor der Fabrikation eingeplant. In den Klassenzimmern wurde die Deckenuntersicht zusätzlich mit gerippten Vertiefungen versehen und diese mit Dämmstreifen für die bessere Raumakustik ausgelegt.
Auch die Minergie-Anforderungen konnten mit dem Konzept des Elementbaus erreicht werden. Über zentrale Steigzonen werden die Schul- und Büroräume mit Zuluft versorgt (Bild 4). Bewegungsmelder signalisieren einem elektromechanischen Konstant-Volumenstromregler die Nutzung des Raumes, wodurch die Frischluftversorgung aktiviert wird. Ist ein Raum über längere Zeit ungenutzt, sorgt eine kurze Luftspülung für eine ausreichende Luftqualität. An der Gangseite der Zimmer entweicht die Luft durch schallgedämmte Überströmungskörper in das Abluftsystem der Aussenkorridore. Diese sind nicht beheizt, sondern bilden Sommer wie Winter Temperaturpuffer zu den Klassenzimmern. Allerdings werden die Korridore von der Abluft der Klassenzimmer durchströmt und damit die Luft in den Gängen erwärmt. Im Treppenhausbereich wird die Abluft abgesaugt und gelangt durch Steigschächte zur Luftaufbereitungszentrale auf dem Dach. Mit den innen liegenden beheizten Warmräumen und den aussen verlaufenden Gängen, die als Wärmepuffer funktionieren, wurde ein energetisch kompakter Bau geschaffen.

Sonnenschutz im Glaskasten

Der im strengen Raster aufgebauten Neubaufassade ist nicht auf den ersten Blick anzusehen, dass auch hier mit vorfabrizierten Elementen gearbeitet wurde. Die Hülle aus grün schimmernden Sonnenschutzgläsern und den aus Baubronze speziell angefertigten Tragprofilen der Glasfassade wirkt im Tageslicht sehr geschlossen. Bei Nacht löst sich die Fassade optisch auf, wenn Licht durch den Glaskörper nach aussen dringt und den Blick auf die verglasten Schulzimmer freigibt. Der Stützenabstand an den südwestlichen Fassaden ist so gewählt, dass ein Grossteil der eingetragenen Sonnenwärme bereits über die Betonelemente abgefangen wird. Auf der Nordost-Seite stehen die Stützen weiter auseinander, um ausreichend Helligkeit in das Gebäude einzulassen. Die von beiden Seiten von Tageslicht erhellten Klassenzimmer müssen jedoch dank den vorgelagerten Korridoren nicht zusätzlich verschattet werden, können aber zum Beispiel für die Nutzung von Projektoren verdunkelt werden.

Integrierter Sportkomplex für die Schule

Zwischen Bruggerstrasse und dem sanierten Altbau fügten Burkhard Meyer Architekten zusätzlich über der neu erstellten Tiefgarage einen grossen Sportkomplex ein, der von Schülern und externen Vereinen genutzt wird. Bei diesem Gebäudeteil wird der fünfgeschossige Höhenversprung im Areal deutlich. Eine monumentale Treppe führt durch eine Gebäudeschlucht am betongrauen Sportbau entlang hinauf zum Eingang (Bild 8). Ein Aussensportplatz und zwei in der Höhe gegeneinander versetzte Multifunktionssporthallen ducken sich so in den Berg und den Geländeversprung, dass gegenüber dem Meili-Bau lediglich ein Eingangsgeschoss sichtbar bleibt. Die obere und hangseitig liegende Sporthalle wird über die Dachfläche aus Glas belichtet (Bild 7). Als Witterungs- und Blendschutz deckten die Architekten die Glasflächen mit in unterschiedlichen Grüntönen gefärbten glasfaserverstärkten Kunststoffgittern ab. Einen farblichen Kontrast dazu bildet die bereits im Schulhaus verwendete dunkelrote Farbe, die in den hellen, blendfreien Sporträumen für die Wände eingesetzt wurde.

Bau als Kunst statt Kunst-am-Bau

Auch für die Alte Schmiede auf dem Areal gibt es einen Nutzungsplan. Die Idee ist, die insgesamt für alle Gebäude anfallenden Kunst-am-Bau-Gelder in Höhe von 1.2 Mio. Franken nicht in die Einzelgebäude der Schule zu investieren, sondern damit die Alte Schmiede, eine filigrane Fachwerkkonstruktion aus Eisen, zum Ausstellungsraum umzunutzen. Der Backsteinbau von 1906 ist einer der letzten Industriezeugen aus der Gründerzeit der Brown, Boveri&Cie. Die Stadt übernimmt die stützenlose Halle mit Satteldach und Oberlicht von der ABB, eine Nutzung des kommunal schützenswerten Objektes für Schulräume ist aber wegen der Altlasten im Gebäude – polychlorierte Biphenyle in Mauerwerk und Boden – nicht möglich. Die dafür nötige komplette Sanierung würde etwa 3 Mio. Franken kosten und gleichzeitig grosse Eingriffe in die Substanz des Gebäudes fordern. Diesen Herbst finden genauere Bodenuntersuchungen zur Bestimmung der Kontaminationsstärke statt. Anfang 2007 fällt der politische Entscheid, ob das Vorhaben für einen Ausstellungsraum verwirklicht werden kann. In einem zweistufigen Wettbewerb mit Präqualifikation könnte dann im Frühjahr eine künstlerische Arbeit für die Ausstellung im Gebäude gewählt werden.

TEC21, Mo., 2006.09.18

18. September 2006 Katinka Corts-Münzner



verknüpfte Bauwerke
Berufsschule Baden - Schulneubau und Sportkomplex

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