Editorial

Hinter Glas

Wenn ein Gebäude heute repräsentativ oder speziell wirken soll, greift die Architektur nicht mehr zwangsläufig auf die traditionellen Materialien wie Marmor oder Granit, Beton und Stahl zurück, sondern immer häufiger zum Werkstoff Glas. Mit neuen filigranen Kristallpalästen wollen auch traditionsbewusste Unternehmen Offenheit und Transparenz demonstrieren, und bei jeder Gelegenheit folgen ambitionierte Investoren und stilbewusste private Bauherrschaften dem Trend zur Glasfassade.

Die aktuelle Bedeutung des Bauens mit Glas wäre undenkbar ohne die materialtechnologische Forschungs- und Entwicklungsarbeit der letzten Jahrzehnte. Aus dem von Natur aus spröden, bruchgefährdeten und mechanisch wenig belastbaren Werkstoff Glas ist ein vielseitiger Baustoff entstanden. Er überspannt – ohne stützenden Metallrahmen, an wenigen Punkten fixiert – grosse Flächen, widersteht den Umwelteinflüssen, vermag beachtliche mechanische Beanspruchungen aufzunehmen und bleibt transparent: ein eindrückliches Beispiel für die Evolution altbekannter Werkstoffe in den letzten 50 Jahren. Die zweite Grundlage für die Realisierbarkeit anspruchsvoller Glaskonstruktionen sind leistungsfähige, für die spezifischen konstruktiven Aufgaben optimierte Informatikwerkzeuge. Die Konstruktion einer grösseren, seilverspannten und rahmenlosen Verglasung wäre ohne Rechnerunterstützung kaum möglich.

Im ersten Beitrag werden am Beispiel der repräsentativen Eingangsfassade eines Bürogebäudes die ausgeklügelte Ingenieurbaukunst und die umfangreichen Computermodellierungen vorgestellt, die den schwerelosen Eindruck des vorgehängten Glaskörpers ermöglichen. Dass innovative Fassadengestaltung mit Glas auch mit minimalen Mitteln möglich ist, zeigt der zweite Beitrag über die Sanierung eines Bürohauses in Zürich. Durch die schlichte Einfassung der Fensterlaibungen mit farbigem Glas entsteht je nach Lichteinfall ein dreidimensionaler Umraum mit perspektivischer Tiefe um jedes Fenster, im kleinen Rahmen vergleichbar der Wirkung einer vorgehängten Glasfassade vor einem Gebäude.
Eine dritte Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung verglaster Bauwerke betrifft weniger die Verglasung selbst als den Raum dahinter, genauer dessen Klima. Seit Joseph
Paxtons Crystal Palace für die Londoner Weltausstellung 1851 ist das Innenraumklima ein Hauptproblem grosser verglaster Gebäude. Es hat sich immer wieder gezeigt, dass es nicht ausreicht, den verglasten Raum mit grossem Energieaufwand einfach zu heizen oder zu kühlen. Erst in den letzten Jahren sind intelligente, effiziente und energetisch optimierte integrale Konzepte für die Kontrolle des Klimas in grossen, verglasten Gebäudevolumen verfügbar geworden. Dank ihnen sind «Glaspaläste» heute eine ökonomisch valable und auf Grund ihrer verbesserten Energiebilanz ökologisch akzeptable Option für grosse Bauvolumen.

Wege zur weiteren energetischen Optimierung von Gebäuden zeigt der im letzten Beitrag vorgestellte neue «Effizienzpfad Energie» des SIA auf. Insbesondere für Bauten mit verglasten Fassaden sind von der im «Effizienzpfad» postulierten energetischen Gesamtbetrachtung mit Berücksichtigung der Grauen Energie der Baumaterialien interessante Ergebnisse zu erwarten.
Aldo Rota

Inhalt

Filigrane Konstruktion
Daniel Meyer
Die Eingangsfassade des von Richard Rogers gebauten Bürogebäudes K2 am St Katherine¹s Dock in London ist eine vorgespannte Seilfassade mit punktbefestigten Gläsern, deren Konstruktion aufgrund der unregelmässigen Windlasten eine besondere Herausforderung darstellte.

Schattenriss
Lilian Pfaff
Der Umbau des 1970er-Jahre-Gebäudes an der Mühlebachstrasse in Zürich besticht durch seine sich verändernde Fassadenwirkung und die städtebauliche Präzisierung und Vervollständigung der Strassenzeile.

Energieeffizienz
Hansruedi Preisig, Katrin Pfäffli
Das neue Instrument «SIA Effizienzpfad Energie» hilft die energetischen Ziele umzusetzen und löst den «Absenkpfad Energie» von 1996 ab.

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Schattenriss

Das Bauvolumen der in die Jahre gekommenen Gebäude ist gross. Vor allem die 1970er-Jahre-Architektur genügt heute den technischen Anforderungen nicht mehr, ebenso wenig wie jenen an die Innenaumstrukturen für Büroräume. Wie aus einer Sanierung eine städtebauliche Präzisierung entstehen kann, zeigt der «fast selbstverständlich wirkende» Eingriff an der Mühlebachstrasse 7, Zürich.

Die Mühlebachstrasse beim Bahnhof Stadelhofen erinnert im Namen noch an die Eindolung des Mühlebachs, der hier das Gebiet Riesbach von der Altstadt Ende des 19. Jahrhunderts abgrenzte. Die meist zu Wohn- oder Gewerbezwecken genutzten Gebäude standen als Einzelgebäude in einem lockeren Verband und wurden in den 1960er-Jahren zunehmend verdichtet. Mit dem Umbau von Dolenc Scheiwiller Architekten AG, der die 1970er-Jahre-Erscheinung des Gebäudes vollständig verändert, wird der Strassenzug der Mühlebachstrasse ergänzt und der südliche Abschluss des Platzes am Bahnhof Stadel-hofen präzisiert. Obwohl eigentlich nur die Fenster, kaum das Volumen tangiert wurden, ergibt sich heute eine neue städtebauliche Situation. Zusammen mit dem Ensemble von Wohnhäusern aus den 1920er-Jahren, die von Romero&Schaefle 1994 und 1999 als Bürohaus für das Ingenieurbüro Ernst Basler&Partner umgebaut wurden, reparieren sie die Stadt und lassen die 80 m lange Strassenfront in ihrer Länge erlebbar werden. Das Haus Nr. 7 bildet nun in der Verlängerung einen neuen Kopfbau zum Bahnhof Stadelhofen aus. Der Vorgängerbau war 1971 mit einer Rasterfassade «curtain wall» im internationalen Stil der Nachkriegsmoderne errichtet worden und wurde bis auf die Tragkonstruktion abgerissen. Die Intervention umfasst zum einen die Schliessung der Baulücke mit einem neuen Anbau zum Nachbargebäude von Romero&Schaefle, zum anderen die vollständige Sanierung der Fassade und das Aufsetzen eines zusätzlichen Geschosses auf dem Dach.

Haus auf dem Haus

Das neue Attikageschoss auf dem fünfgeschossigen Gebäude dient mit einer grossen umlaufenden Terrasse als Sitzungszimmer. Es ist ein gestaffeltes Volumen (mit integriertem Liftturm), das in seiner Form den im Baugesetz vorgesehenen Richtlinien und Begrenzungen folgt und dadurch eine skulpturale Gestalt erhält, die noch deutlicher von der Terrasse zwischen den beiden Häusern ins Auge sticht. Denn hier wird die Häuserzeile unterbrochen, und das Attikageschoss präsentiert sich als aufgesetztes Haus, dessen Hauptfassade dem Platz zugeneigt ist – während der Terrasse die Eingangsfassade mit drei unterschiedlich tiefen und grossen Fenstern zugewandt ist. Die eigentliche Sanierung fand vor allem an der Fassade statt – nicht nur optisch, sondern auch die Technik wurde an ihrer Innenseite implementiert.

Fassadenspiel

Die einstigen eng aneinandergereihten Fenster wurden zu grossen hochrechteckigen Fenstern mit Massen von 2.3031.60 m, die durch ihre Grösse und klare Unterteilung ohne Brüstungen an Wohnhäuser erinnern und sich in das bestehende Stützenraster von 1.35 m einpassen. Die zweiflügligen Fenster sind wegen der Akustik und der Klimatisierung als dreifach verglaste Strukturgläser ausgeführt. Die Fensterlaibungen wurden mit gelbem Glas eingefasst, das asymmetrisch um 8–22 cm hervorsteht und gleichsam einen rechteckigen Guckkasten – also ein Gehäuse – um das flache Fenster zieht. Dieses verändert die Fassadenoberfläche je nach Lichteinfall einerseits zum Schattenriss des Fensters, andererseits durch die transparenten überlagernden Schatten zu einem dreidimensionalen Umraum mit perspektivischer Tiefe. Die goldfarbenen aussen liegenden Storen geben dem Haus in geschlossener Form wiederum ein anderes Gesicht. Der gesamte Fassadenaufbau besteht aus Holzrahmen in vorfabrizierten Elementen, auf denen der Kratzputz aufgetragen wurde.

Haustechnik

Das Gebäude ist mit energieschonenden Heizungs- und Lüftungssystemen ausgerüstet. Die neue Apparatetechnik befindet sich auf dem Dach im zusätzlichen Technikgeschoss. Alle Büroräume werden von dort mit konditionierter Aussenluft versorgt, die auf dem Niveau der Raumlufttemperatur in die Büros gelangt. Die verbrauchte und erwärmte Abluft strömt zur Zentrale, wo sie über Wärmetauscher geführt die Aussenluft aufwärmen kann. Geheizt und gekühlt wird mit der Brüstungs-technik. Stromsparende Umluftventilatoren führen die Raumluft über grossflächig dimensionierte Wärmetauscher, die entweder Wärme abgeben oder im Sommer Wärme übernehmen können. Jeder Benützer kann seinen Bedürfnissen entsprechend sowohl die Raumlufttemperatur als auch die Ventilatordrehzahl wählen. Automatische Aussenstoren reduzieren den Lichteinfall, weitgehend frei liegende Massivdecken ermöglichen die Massenbewirtschaftung, und zusammen mit dem eingerichteten Nachtauskühlbetrieb wird der Stromaufwand bei der Kältemaschine auf ein Minimalmass reduziert.

Büronutzung

Um die Dachaufbauten tragen zu können, wurde die zentrale Stütze verstärkt und in der Höhe erweitert. Auf ihr liegt im Dachbereich ein grosses Stahlkreuz, an dem die neuen Aufbauten hängen. Das vorhandene Stützen-raster im Abstand von 1.35 m wurde beibehalten. Obwohl es vornehmlich immer noch Einzelbüros sind, liegen diese an einem grosszügigen offenen inneren Gangsystem, von dem sie nur über Glastüren abgetrennt sind. Im Erdgeschoss führt ein schräger Dachvorsprung, auf dem in grossen Buchstaben die Strasse angeschrieben ist, die Bewegung vom Platz in Richtung Eingang. Im Unterschied jedoch zum Vorgängerbau, bei dem eine leichte Gebäudeauskragung den Strassenverlauf nachzeichnete, wird diese nun zu einem eigenständigen Vordach entwickelt.

TEC21, Mo., 2006.08.21

21. August 2006 Lilian Pfaff

Filigrane Konstruktion

Die gläserne Eingangsfassade des Londoner Bürogebäudes K 2 von Richard Rogers wird durch ihre vorgespannte Seilfassade mit punktbefestigten Gläsern zu einem eigenen gläsernen Volumen. Aufgrund der unregelmässigen Windlasten war die Konstruktion der Fassadenecke eine besondere Herausforderung.

Gegenüber dem Tower of London, im Gebiet des St Katherine’s Dock, entstand zwischen 2002 und 2005 nach einem Entwurf des Architekturbüros Richard Rogers Partnership das neue Bürogebäude K 2. Ein U-förmiger Glaskörper bildet den strassenseitigen, grosszügigen Eingangsbereich des Gebäudes. Das im Grundriss trapezförmige Volumen hat eine Höhe von 32 m und eine Länge von 27 m. Auf der Südseite misst die Breite 4 m und auf der Nordseite 13 m. Sämtliche vertikalen und horizontalen Flächen sind mit punktgehaltenen Glasscheiben verglast (Bilder 2 und 3).
Beim Entwurf des Tragwerks wurde grosser Wert auf eine transparente und filigrane Konstruktion gelegt. Um den angestrebten Eindruck von Leichtigkeit möglichst anschaulich zu vermitteln, fiel die Wahl des Tragsystems auf eine vorgespannte Seilfassade mit punktbefestigten Gläsern.

Das Haupttragwerk (Bild 1) des oberen Fassadenteils (Ebene 2 bis Ebene 8) bilden vier in einem horizontalen Abstand von 9 m vertikal angeordnete Konsolenkonstruktionen. Diese Konsolen sind direkt an der Tragkonstruktion des Gebäudes angehängt und in zwei Achsen zusätzlich an durchgehenden Stützen befestigt. Die vier Konsolen sind alle 7.80 m horizontal verbunden. In der Dachebene und in der Ebene 2 sind unterspannte bzw. überspannte Träger eingebaut. Diese leiten die hohen Vorspannkräfte der Seilfassade zu den Konsolen hin weiter. Das Haupttragwerk ist derart konzipiert, dass sich infolge der Vorspannkräfte ein Kraftschluss ausbildet. Für die Aussteifung sind horizontale und vertikale Verbände eingebaut.
Der untere Bereich der Fassade (Strassenebene) ist als unten abgestellte Pfostenkonstruktion, die mit dem oberen Teil der Fassade lediglich horizontal gekoppelt ist, ausgebildet. Das ganze Tragwerk wurde in dickwandigen Stahlrohren und geschweissten Kastenprofilen in der Stahlgüte S355 ausgeführt. Die einzelnen Elemente des Stahltragwerkes sind hauptsächlich mit den in England häufig verwendeten Bolzen und Augenstäben gelenkig verbunden worden.

Die Sekundärkonstruktion der Fassade bilden vertikal verlaufende vorgespannte Seilpaare im Abstand von 3 m. Die Edelstahlseile mit einer Länge von ca. 24 m haben einen Nenndurchmesser von 26mm. An die Seilpaare sind die so genannten Fassadenspider, welche die Gläser tragen, geklemmt.

Statische Berechnung

Die generellen statischen Berechnungen und die Ermittlung der Beanspruchungen erfolgten an einem räumlichen Stabsystem. Die Bemessung richtete sich nach den Regeln des British Standard 5950 «Structural use of steelwork in building». Die Lasten wurden gemäss British Standard 6399 «Loads for Buildings» angesetzt. Neben den Eigenlasten und Vorspannlasten wurden Windlasten (Druck 1.2 kN/m2/Sog 1.4 kN/m2), Schneelasten (0.6 kN/m2) und Temperaturdifferenzen (±30K) berücksichtigt. Des Weiteren mussten auch Lasten für Reinigungszwecke in die Berechnungen einbezogen werden. Die Berechnungen wurden für die Stäbe nach der Theorie 2. Ordnung unter Berücksichtigung von Vorverformungen und für die Seile nach der Theorie 3. Ordnung durchgeführt (Bild 4).

Verglasung

Die in der Regel 3¥2 m grossen Fassadengläser bestehen aus Verbundsicherheitsglas (VSG) aus zweimal 12mm Einscheibensicherheitsglas (ESG) mit einer 1.52mm starken dazwischen liegenden Verbundfolie. Die Gläser sind jeweils an vier Punkten zwängungsfrei an den Spidern befestigt. Die Spannungen der punktgestützten Gläser wurden mit einem FE-Programm, das auf der Grundlage der Sandwich-Theorie rechnet, ermittelt. Die Bemessung erfolgte nach dem heute im Glasbau noch üblichen deterministischen Verfahren der zulässigen Spannungen. Für den Nachweis der Tragsicherheit wurde keine Verbundwirkung der Folie berücksichtigt, d.h., jede der 12-mm-Scheiben übernimmt 50% der Windlast. Für die Durchbiegungsberechungen dagegen wurde auf Grund der Kurzfristigkeit der Windeinwirkung ein Vollverbund des Scheibenpakets eingesetzt. Die Punkthalter sind mit einem Rotationsgelenk, das in der Scheibenebene liegt, ausgebildet. So können einerseits ungünstig wirkende Lochspannungen wirksam re-duziert und anderseits differenzielle Seilverformungen aufgenommen werden. Die ca. 20mm breiten Fugen zwischen den Gläsern sind mit Silikon geschlossen.

Die Dachverglasung besteht aus bis zu 3.3¥2 m grossen Isoliergläsern. Das untere Glas der Isolierscheibe ist ein Verbundsicherheitsglas aus zweimal 12mm teilvorgespanntem Glas (TVG), das obere Glas ist ein ESG mit einer Stärke von 8mm. Die Scheiben lagern auf jeweils sechs Punkthaltern, wobei aber nur das untere VSG an diesen mechanisch befestigt ist. Die obere ESG-Scheibe ist nur über den Luftzwischenraum und den Randverbund mit der unteren Scheibe gekoppelt.
Die zumeist vierarmigen Spider, an denen die Punkthalter der Glasscheiben befestigt sind, wurden als Guss-teile in Edelstahl (1.4317) hergestellt. Die Optimierung der Form und die statischen Berechnungen der Guss-teile erfolgten an 3-D-Modellen mit Volumenelementen (Bild 5).

Seile

Die vertikal paarweise angeordneten Spiralseile tragen in erster Linie das Eigengewicht der Gläser und die horizontal wirkenden Windkräfte ab. Je höher die Vorspannung angesetzt wird, desto geringer fallen die horizontalen Verformungen infolge Wind aus. Bei einer gewählten Vorspannung von 270kN pro Kabel und einer Temperaturdifferenz von +30K beträgt die maximale horizontale Verformung infolge Wind ca. 120mm. Bezogen auf die horizontale Befestigungslänge von 7.8 m entspricht diese Verformung einem Verhältnis von L/65. Die Verformungen sind wohl beachtlich, können aber vom Verglasungssystem problemlos aufgenommen werden. Auf vorgespannte Federn an den Enden der Seile, wie man sie ab und zu bei solchen Fassadenkonstruktionen sieht, wurde aus ästhetischen und wirtschaftlichen Gründen verzichtet (Bilder 6 und 7). Diese Federn gewährleisten, dass die Vorspannkräfte unter Temperatureinwirkung konstant bleiben. Da aber, wie die Modellierungen zeigten, die Temperaturänderungen nur einen kleinen Einfluss auf das Verformungsverhalten hatten, konnte hinsichtlich des statischen Verhaltens kein wirklicher Vorteil und Nutzen geltend gemacht werden. Die Befestigung der Spider an den Seilen erfolgte über Klemmverbindungen. Die Klemmen müssen das Gewicht der Gläser und Teile des Stahlgewichts über Reibung an die Seile abgeben. Da es im British Standard 5950 keine Bemessungsregeln für Klemmverbindungen gibt, wurden für diese Verbindungen Versuche durchgeführt (Bild 8).

Fassadenecken

Die konstruktiv grösste Herausforderung lag in der Ausbildung der beiden Fassadenecken (Bild 9). Die statischen Verhältnisse sind auf Grund der ungünstig wirkenden Windlasten komplex. Das Trennen der Längsfassade von den beiden Seitenfassaden über bewegliche Fugen mit einem dazwischen liegenden starren Teil war optisch und auch konstruktiv unbefriedigend. An Stelle einer solchen «gefugten» Konstruktion wurde die Fassadenecke als drehweiche Seilkonstruktion ausgebildet. In den Ecken sind jeweils drei untereinander horizontal gekoppelte Seile angeordnet. Diese sind in der Lage, einerseits die Windlasten abzutragen und anderseits, dank ihrer Torsionsweichheit, die Verträglichkeit der beiden Ebenen sicherzustellen und somit die auftretenden Zwängungsbeanspruchungen infolge Scheibenverwindungen in den Gläsern klein zu halten. Für die Beurteilung und die Bemessung wurden die Fassadenecken aufgrund der hohen Komplexität mit Hilfe von FE-Modellen mit Schalen- und Stabelementen modelliert (Bilder 11, 12 und 13).

Montage

Die Montage und die Vorspannung der Konstruktion stellten hohe Anforderungen sowohl an die Planung als auch an die Ausführung. In der ersten Phase wurde die Hauptstahlkonstruktion gebaut und ausgerichtet.

Anschliessend erfolgte die Vorspannung der Seile von der Dachebene aus mit hydraulischen Pressen nach einem vorgegebenen Programm (Bild 10). In einem ersten Schritt wurden alle Seile auf 25% vorgespannt und im weiteren Verlauf sukzessive von innen nach aussen auf 100% gespannt. Die Kontrolle erfolgte einerseits über die geodätische Vermessung der Stahlkonstruktion und anderseits über Druckmessdosen an den Pressen und durch Messen der Seilverkürzungen. Abschliessend wurden die Spiderhalter angebracht und die Gläser montiert.

TEC21, Mo., 2006.08.21

21. August 2006 Daniel Meyer

Effizienzpfad Energie

Das neue Instrument des SIA, das den «Absenkpfad Energie» von 1996 ablöst, bezieht sich auf fünf Themenbereiche mit dem Schwerpunkt Wohnungsbau. Es berücksichtigt erstmals auch die Graue Energie des Baumaterials sowie die Mobilität, die durch Bauvorhaben entsteht.

Im Vorwort zur neuen Dokumentation D0216SIA Effizienzpfad Energie formuliert Daniel Kündig, Präsident des SIA, Folgendes: «In seinen Statuten verpflichtet der SIA seine Mitglieder zu einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Berufsausübung. Die nachhaltige Entwicklung im Bereich des Hochbaus ist eng mit der Energiefrage verknüpft. Diese steht dabei symptomatisch für sich erschöpfende Ressourcen und die zunehmende Belastung des Lebensraums mit Abfallstoffen aller Art, insbesondere dem klimarele-vanten CO2 aus fossilen Brennstoffen.»1 Das neue Instrument hilft, die energetischen Ziele, wie sie im Kioto-Protokoll und in der Schweizer Bundesverfassung festgeschrieben sind, umzusetzen. Es ist auf Initiative der Kommission für Haustechnik und Energie (KHE) des SIA entstanden und ersetzt den «Absenkpfad Energie» von 1996.

Zielgruppen – Nutzungen – Themenbereiche

Der «SIA-Effizienzpfad» wendet sich an drei Zielgruppen: Politiker und Behörden, Bauherrschaften und Investierende sowie Planende. Für jede Zielgruppe formuliert er spezifische Anreize und Strategien. Er berücksichtigt drei Nutzungen: Wohnen, Schulen und Büro, wobei der Schwerpunkt auf Wohnbauten liegt. Betrachtet werden Neubauten wie auch Umbauten.

Die Dokumentation erweitert die Sicht innovativ auf fünf Themenbereiche. Neben den klassischen Bereichen Raumklima, Warmwasser und Licht+Apparate bezieht er erstmals den Themenbereich Baumaterial (Graue Energie) in die Betrachtung mit ein und zeigt deren grosse Bedeutung auf. Als fünfter Bereich kommt die durch Bauvorhaben induzierte Mobilität hinzu und damit eine Dimension, die über das Gebäude hinaus in das siedlungs- und städtebauliche Umfeld verweist. Die zwei neuen Bereiche Baumaterial und Mobilität haben beim SIA zur Bildung von Arbeitsgruppen geführt, die ihre Arbeit in der zweiten Hälfte 2006 aufnehmen werden.

Zielwerte

Die Zielwerte des «SIA-Effizienzpfads» basieren auf Primärenergie. Dies ermöglicht eine vergleichende Betrachtung der fünf Themenbereiche. Er gibt in Anlehnung an die Europäische Norm prEN 15315 Vorgaben für die Umrechnung von Primär- zu Endenergie und von der End- zur Nutzenergie. Die Zielwerte sind mit Plausibilitätsrechnungen realisierter Bauten hinterlegt. Es ist nicht einfach, aber durchaus machbar, heute Bauten zu erstellen, welche die neuen Zielwerte erreichen oder gar unterbieten.

2000-Watt-Gesellschaft

Der «SIA-Effizienzpfad» zeigt, wie das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft im Gebäudebereich erreicht werden kann. Er ermöglicht mit zwei abgestuften Zielwerten ein 2000-Watt-kompatibles und -fähiges Bauen. Michael Kaufmann sagt dazu einleitend in seinem Vorwort: «Es ist höchste Zeit, dass wir nicht nur von den Zielen der 2000-Watt-Gesellschaft sprechen, sondern auch vom Weg, wie wir zu diesen Zielen gelangen. Der ‹Effizienzpfad weist uns diesen Weg.»2

Umsetzung

Die neue Dokumentation gibt klare Hinweise für die Umsetzung. Sie ordnet konkrete Massnahmen für alle fünf Themenbereiche mit Hilfe des Leistungsmodells SIA 112 den verschiedenen Phasen des Bauablaufs zu, angefangen bei der strategischen Planung über die Vorstudien und Projektierung, Ausschreibung und Realisierung bis hin zur Inbetriebnahme, Bewirtschaftung und Nutzung. In einem alphabetisch geordneten Katalog sind die Massnahmen detailliert beschrieben und mit ausführlichen Hinweisen auf weiterführende Quellen hinterlegt.

Unsicherheiten

Der «SIA-Effizienzpfad» kann nicht alles, was wünschbar wäre, bereits abschliessend behandeln. Es bleiben insbesondere Unsicherheiten in der Betriebsphase.
Die Nutzerinnen und Nutzer sind nicht im Fokus des Effizienzpfades, obwohl sie den effektiven Energieverbrauch massgeblich beeinflussen. Hingewiesen wird aber auf bauliche Massnahmen, die helfen, den Energieverbrauch im Betrieb zu senken.

Erste Erfahrungen

Beim Studienauftrag der Wohn- und Gewerbeüberbauung Sihlbogen in Zürich Leimbach3 ist der «SIA-Effizienzpfad» bereits erfolgreich angewendet worden. Die Baugenossenschaft Zurlinden als Investorin hat im Wettbewerbsprogramm nicht nur ein attraktives Wohnen, hohe Flexibiliät und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis gefordert, sondern auch eine vorbildliche Bauweise nach den Zielen des «SIA-Effizienzpfades». Die projektierenden Teams hatten bereits in der Vorprojektphase Zielwerte für ein 2000-Watt-kompatibles Bauen zu erreichen. Das Siegerprojekt des Architekturbüros Dachtler Partner AG in Horgen vermag auf eindrückliche Weise zu zeigen, dass sich hohe funktionelle, finanzielle und energetische Anforderungen nicht widersprechen, sondern zu einem Projekt von hoher architektonischer Qualität führen können.

Interdisziplinäres Team

Im Projektteam des Effizienzpfades arbeiteten Fachleute interdisziplinär zusammen. Neben Architektinnen und Architekten auch Haustechnikplaner, Chemiker und Verkehrsplaner. Die Leitung des Teams lag bei H.R.Preisig, wissenschaftliche Mitarbeit K.Pfäffli. Fachexperten pro Bereich: Baumaterial (Graue Energie) U.Kasser, Raumklima H.Huber, Licht+Apparate J. Nipkow, Mobilität S.Schneider, Qualitätssicherung U. Schäfer, K. Viridén.

TEC21, Mo., 2006.08.21

21. August 2006 Hansruedi Preisig, Katrin Pfäffli

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