Editorial

In Zeiten, in denen der Markt für herkömmliche Werbemittel wie Fernsehspots oder Plakatwerbung längst gesättigt ist, bedienen sich Firmen zusätzlicher Strategien und Methoden, um Kunden zu erreichen und an sich zu binden. Erlebniswelten aller Art werden geschaffen, in denen der Besucher und potenzielle Kunde eher unterschwellig mit der jeweiligen Marke und dem Produkt in Berührung kommt. Dabei ist die physische Komponente besonders entscheidend: Der Besucher soll durch mannigfaltige Reize und Erlebnisse, die er erfährt und mit der Marke verbindet, langfristig beeinflusst werden. Innerhalb dieses »Brandings« spielen die Aspekte Bespielung des öffentlichen Raums, Architektur und Innenarchitektur eine immer wichtigere Rolle. Ulrike Kunkel

Technik

Die in der db-Bauschadensreihe regelmäßig erscheinenden Beiträge von Rainer Oswald sind so zahlreich und selbstverständlich, dass sie an dieser Stelle nur selten einer Einleitung bedürfen. Zur hundertsten »Schwachstelle« dieses Mal aber einige Anmerkungen zur Intention der Artikelserie, wie sie Rainer Oswald in seinem ersten Beitrag für die Januarausgabe 1990 deutlich machte: »Es ist wichtig, über Bauschäden zu berichten. Die Schadenfreude bei der Lektüre von Fehlleistungen der Berufskollegen hebt zwar unbestreitbar den Unterhaltungswert; Sensationsmache darf aber nicht Zweck von Bauschadensberichten sein. Das sieht jeder ein, der sich in die Lage der Betroffenen versetzen kann, und (...) welcher selbstkritische Praktiker ist sicher, nicht vielleicht schon morgen selbst in Bauschadensprobleme verwickelt zu sein?« In diesem Sinne ist die Lektüre für alle Planer und Sachverständigen natürlich ein Muss, für alle anderen – seien es Studenten, Produkthersteller oder gar Redakteure –, ein lehrreicher, spannender sowie, zugegeben, auch dieses Mal dennoch wieder unterhaltsamer Bericht ...? Christine Fritzenwallner

Inhalt

Magazin
03 Kommentar | Barbara Schönig
06 Kaleidoskop
09 Ortstermin: Stuttgart, Mercedez-Benz Museum

Neu in ...
12 ... Frankfurt / Main, Leidsche Rijn (NL), Rotterdam (NL)

Ausstellungen
14 Herzog & de Meuron in München | Ira Mazzoni
Archit-Action! in Leipzig | Annette Menting
16 Bücher

Aktuell
17 Ideenwettbewerb: Rund um das Schloss – die Gewinner! | Ulrike Kunkel
18 Literaturmuseum Marbach | Elisabeth Plessen

Studenten-Werk
20 Wohnhochhaus am Volkspark Mainz | Tobias von Pastau, FH Mainz

Branding
22 Zu diesem Heft / uk
23 Zum Thema: Branding Centers von VW in Wolfsburg und Dresden | Frank Roost
28 Architektur für das Auto in Stuttgart und München, UN Studio; HG Merz; Delugan Meissl; Coop Himmelb(l)au | Christian Holl
34 Q110 – Die Deutsche Bank der Zukunft in Berlin, Schwitzke & Partner | Friedrich v. Borries, Matthias Böttger
39 TÜV »Prüfstellensatellit« bei Augsburg, terrain: loenhart&mayr | Ulrike Kunkel
44 Marketingkonzept der Tiroler Supermarktkette MPreis,
Giner + Wucherer; tatanka ideenvertriebsgesellschaft m.b.h.; Rainer Köberl und Michael Steinlechner | Gretl Köfler
50 ... in die Jahre gekommen
Vitra-Firmenareal in Weil am Rhein | Kerstin Hoeger

Technik
56 Zu den Themen / cf
57 Tragende Glaskonstruktionen und deren Verbindungstechniken | Jens Schneider
64 Schwachstellen
Der Wärmeschutz erdberührter Bauteile | Rainer Oswald
70 Recht
Mediation in der Baupraxis | Jan Scheube
72 EDV
3D-Animationen | Jürgen Roth
78 Produkte
Trockenbau, Akustik, Brandschutz
84 Schaufenster: Türen | Rolf Mauer

Rubriken
88 Bildnachweis
89 Beteiligte Firmen
90 Autoren
91 Kalender
92 Vorschau; Impressum

Vielfalt als Corporate Design

(SUBTITLE) Marketingkonzept der Tiroler Supermarktkette MPreis

Mit ihren jeweils individuell und dabei stets mit hohem architektonischen Anspruch gestalteten Filialen erzielt die Tiroler Supermarktkette MPreis einen hohen Wiedererkennungswert ohne dabei in Gleichförmigkeit zu verfallen. Ihr Anliegen ist es, dem Kunden nicht nur eine attraktive Produktauswahl, sondern ein räumliches Kauferlebnis zu bieten.

Italienische Antipasti und Serranoschinken, Couscous, Kokosmilch und Trüffelleberwurst - solche kulinarischen Köstlichkeiten gibt es in Tirol nicht nur in den städtischen Zentren, sondern auch in vielen Dörfern, von Elbigenalp bis Ebbs, von Nauders bis Sillian. Selbst die Urlauber halten inzwischen Ausschau nach dem oft spielerisch verformten roten Würfellogo mit dem silbernen „M“. Statt auf öde Einkaufskisten treffen sie auf Orte, wo mit modernen Materialien, mit Licht und Weite der alltägliche Einkauf zum Erlebnis wird. An die 140 „MPreis-Filialen“ gibt es inzwischen und fast jeden Monat eröffnet irgendwo ein neuer, wobei die Landesgrenzen nur selten überschritten werden.

MPreis sieht sich selbst als Lebensmittelnahversorger, nicht als Architekturprojekt. Gründerin ist die legendäre Stammmutter Therese Mölk. Sie legte in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit einer Gemischtwarenhandlung, einer Bäckerei und einer Molkerei in Innsbruck den Grundstein für den Erfolg des Familienunternehmens. Zusammen mit ihrem Ehemann und acht Kindern betrieb sie bereits 1929 elf Verkaufsläden in Innsbruck und Hall. Seit den siebziger Jahren ist die dritte Generation am Ruder. Die Cousins Hansjörg und Anton Mölk formten aus etwa 30 stagnierenden Tante-Emma-Läden eine äußerst erfolgreiche Lebensmittelkette, die ihren Marktanteil von 2,5 Prozent auf derzeit 35 steigern konnte. Sie ist mit 3800 Mitarbeitern und einem Umsatz von 430 Millionen Euro (Zahlen von Juni 2006) der zweitgrößte Nahversorger des Landes. Die Strategie ist ebenso einfach wie wirkungsvoll. Ein zeitgemäßes, vollständiges Angebot - derzeit fast 11000 Waren - wird möglichst nahe an den Kunden herangebracht und die Preise sind überall gleich. Die starke Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft in Nord- und Südtirol ermöglicht neben internationalen Marken auch regionalen Klein- und Mittelbetrieben ihre Produkte landesweit anzubieten, Bio vom Berg und Fair Trade haben ihren fixen Platz. Die Kunden außerhalb der zentralen Orte fühlen sich ernst genommen und werden nicht mit einem lückenhaften Angebot zweiter Wahl zu überhöhten Preisen abgefertigt. Teil der Erfolgsstory sind die integrierten „Baguettes“, sonnendurchflutete Cafés mit Ausblick und hauseigenem Gebäck, die sich zu kommunikativen Zentren entwickelten. Wo der Dorfladen und das Wirtshaus den Betrieb eingestellt haben, trifft man sich zum Plausch bei MPreis und in den gesichtslosen Gewerbegebieten können die Hausfrauen auf Einkaufstour und die Angestellten in der Mittagspause einen erholsamen Stopp einlegen.

MPreis füllt die Lücke zwischen Greißlerei (Ausschank mit Verkauf, Anmerkung der Redaktion) und Einkaufszentrum, Architektur dient dabei als wichtiges, aber nicht einziges Mittel zum Zweck. „Gerade in einem Land, in dem eine solche Vielfalt an landschaftlichen Besonderheiten, kulturellen Traditionen und Dialekten herrscht, ist die Verantwortung diesem Umstand gegenüber groß“ meint Hansjörg Mölk. Das Ergebnis ist das Produkt eines über Jahrzehnte fortlaufenden Diskussionsprozesses zwischen Bauherren und Architekten mit viel Lust am Experiment. Am Anfang, als Corporate Identity (CI) im deutschsprachigen Raum zum flächendeckenden Siegeszug ansetzte, traf Anton Mölk auf den Innsbrucker Architekten Heinz Planatscher. Er entwickelte Mitte der achtziger Jahre ein dezidiert architektonisches Gestaltungskonzept und das Logo für die bis dahin farblosen Märkte; die horizontalen Putzfaschen und die blauen Fenster sind noch heute kennzeichnendes Merkmal mehrerer Innsbrucker Filialen. Der Erfolg gab ihm Recht und die Sensibilität der beiden Unternehmer für Architektur war geweckt, sie entsprang nicht vordergründig marktstrategischen Überlegungen, sondern echtem Interesse und Leidenschaft.

Den nächsten Entwicklungsschritt setzte mit dem Architekten Wolfgang Pöschl wiederum eine Zufallsbekanntschaft. Der damals 40-jährige, wie viele seiner Generation in partnerschaftlicher Beziehungsarbeit trainiert, wusste aus eigener Erfahrung einiges über den Frust des täglichen Lebensmitteleinkaufs, über dunkle Räume, schwere Taschen, lange Wege. Folgerichtig empfiehlt er in seiner Anleitung für Kopisten „Gehen Sie selbst regelmäßig einkaufen, erledigen Sie den Wocheneinkauf für Ihre Familie.“ Nach längeren Diskussionen mit den Bauherren und deren Aufforderung: „Machen Sie aus dem Lebensmittelmarkt ein positives Umfeld, Einkaufen gehen muss nicht wehtun“ entwarf Pöschl das Konzept eines „fiktiven MPreises“, wobei er primär Überlegungen über die Funktion anstellte. Es galt keinen „schönen Raum“ zu schaffen, in dem „leider“ Regale stehen, sondern sich mit den Funktionen und Bedürfnissen eines Lebensmittelmarktes so auseinanderzusetzen, dass sie ein logischer, wenn auch austauschbarer Bestandteil des Ganzen werden. Das Konzept gilt heute noch. Materialien, Regalstellungen, Konstruktion, Lichtlösungen und Raumkonzepte werden immer wieder hinterfragt und neue, ungewöhnliche Lösungen sind inzwischen Teil der CI. Das einzige Argument, das einen Architekten in den Augen der Bauherren disqualifiziert, ist, wenn er sich nur über die Hülle und nicht über den Inhalt den Kopf zerbricht. Sogar Dominique Perrault - als einziger auswärtiger Architekt mit drei MPreis-Filialen in Wattens und Zirl vertreten - zerbrach sich den Kopf über das richtige Licht am Wurststand.

Anfangs stießen die neuen Konzepte auf Widerstand. Bürgermeistern gefiel die Form nicht, Kammervertreter mäkelten und die anderen Lebensmittelketten sahen ihre Positionen bedroht. Pöschls erster Entwurf für Hall wurde unter fadenscheinigen Vorwänden abgewürgt. Bereits sein zweites Projekt am nördlichen Ortsrand von Lienz erhielt 1993 als erster Supermarkt die „Auszeichnung des Landes Tirol für Neues Bauen“. Die Kunden fragten sich anfangs zwar, wann die fragile Konstruktion aus Wellblech und Spanplatten zusammenbräche, doch die wechselnden Tageslichtstimmung und die Aussicht auf einen alten Nussbaum überzeugten. Die Widerborstigkeit und Fetzigkeit war nicht zufällig, sondern genau kalkuliert und Heterogenität gehörte zum Programm. Alles was „Bedeutung“ suggerierte, war dem Architekten suspekt, denn „die starrsten Firmen haben am besten das CI beherrscht“. Inzwischen haben über 30 Tiroler Architekten aus drei Generationen - viele von ihnen über die Landesgrenzen bekannt - ihre architektonische Handschrift hinterlassen und MPreis hat dafür internationale Aufmerksamkeit und viele Baupreise eingeheimst. Für jeden Ort werden die Räume im Dialog mit den Bauherren maßgeschneidert. Zwar ist der Kostenrahmen vorgegeben - er liegt angeblich um 30 Prozent niedriger als bei der Konkurrenz, doch innerhalb dieses Rahmens genießt der Architekt größtmögliche Freiheit, trifft auf wenige bürokratische Hindernisse und jeder erhält dasselbe Honorar. Kein Supermarkt gleicht dem anderen, jeder ist sorgfältig in die Landschaft komponiert, mit seiner Umgebung vernetzt und achtet die Bedürfnisse der Anrainer.

In den neunziger Jahren waren die Supermärkte vornehmlich an den Ortsrändern angesiedelt, wobei für MPreis die ideale Größe bei ca. 1300 m² lag. Die novellierte Tiroler Raumordnung hat das Wachstum außerhalb der Kernzonen gebremst und auf dem derzeitigen Stand eingefroren. Die uferlose Größe ist passé. MPreis setzt deshalb zunehmend auf Intensivierung und Verdichtung in den Zentren und an ungewöhnlichen Punkten. Bedingt durch die ständig steigenden Treibstoffpreise wird „Fußläufigkeit“ wieder zum Thema. Da in den Ortskernen die Baugründe rar sind, wird eine langfristig Planung in Kombination mit anderen Bauvorhaben sinnvoll, mit dem Gemeindezentrum oder der Arztpraxis, mit dem Kindergarten oder dem Seniorenheim. Es ist jedenfalls absehbar, dass MPreis auch weiterhin wirtschaftlichen Erfolg und baukulturellen Anspruch unter einen Hut bringen wird.

db, Do., 2006.07.06

06. Juli 2006 Gretl Köfler



verknüpfte Bauwerke
MPREIS Hauptbahnhof
MPREIS Wörgl Ost
MPREIS Achenkirch

Satellit in der Landschaft

(SUBTITLE) TÜV-Prüfstation in Mering bei Augsburg

Im wachsenden Konkurrenzkampf ist der TÜV Süddeutschland dabei, sein Markenpotenzial zu erkennen und gezielt auszubauen. In Mering bei Augsburg entstand ein „Prüfstellensatellit“ mit hohem funktionalem und gestalterischem Anspruch: ein Prototyp mit Aussicht auf Serienreife.

„Ich muss zum TÜV“, so der gängige Ausspruch vor der regelmäßig wiederkehrenden, mindestens lästigen, zuweilen auch recht kostspieligen Pflicht, sein Auto zur gesetzlich geforderten Hauptuntersuchung zu bringen. Ob man dann letztendlich tatsächlich beim TÜV oder doch bei einem Konkurrenzunternehmen landet, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls ist der TÜV in unseren Köpfen als Marke fest verankert und besitzt daher gegenüber der Konkurrenz einen deutlichen, bislang allerdings kaum genutzten Marktvorteil. Zumindest der TÜV Süddeutschland scheint dies jetzt erkannt zu haben und ist dabei, sich mit kleinen, flexiblen, markant gestalteten Prüfeinheiten als Marke klarer zu präsentieren und zu positionieren. Bislang ist ein Prototyp eines „eingassigen Prüfstellensatelliten“ in Mering bei Augsburg am Rande eines kleinen Gewerbegebiets im Einsatz: Ein großes „T“, das bei einsetzender Dämmerung zu leuchten beginnt und ein auffälliges Zeichen am Straßenrand setzt, so dass man es sogleich ansteuern möchte.

In dieser kleinen aber feinen Bauaufgabe sahen die jungen Architekten und Landschaftsarchitekten Klaus Loenhart und Christoph Mayr aus München durchaus eine Herausforderung: „Das extrem kleine Bauvolumen befriedigend zu lösen und nicht einfach eine Kiste hinzustellen, reizte uns“; schnell stand für sie fest: "Statt einer kleinen Kiste bauen wir ein großes „T“." Und da steht sie nun, die gerade einmal 95 Quadratmeter große, in knapp fünf Monaten geplante und realisierte derzeit kleinste Prüfeinheit des TÜVs. Sie setzt sich aus einer Prüfspur und einer parallelen als „Raum im Raum“ konzipierten Verwaltungseinheit zusammen. Über dieser Verwaltungseinheit ergibt sich ein Restraum, der als Aktenlager und Technikraum genutzt wird. Der einfachen und klaren Raumaufteilung entsprechen die für den Innenausbau gewählten Industriematerialien: „Spaghettidecke“ und Eternitplatten, die den Eindruck von Sichtbeton erwecken. Und noch etwas fällt beim Betreten des Prüfbereichs auf: Wie „aufgeräumt“ es hier ist, fast keine Kabel oder Schläuche finden sich in der Werkstatt - die akribische Planung der Kabelführungen hat sich durchaus gelohnt.

Die Fassadenhülle aus eloxiertem Aluminium und Polycarbonetwellplatten lässt soviel Licht in das Gebäude, dass im Prüfbereich an den meisten Tagen auf künstliche Beleuchtung verzichtet werden kann. Zudem wirkt die zweischalige hinterlüftete Fassade, die nach innen mit transluzenten Kammerstegplatten abschließt, als Wärme- bzw. Kältepuffer. Im Innern der Hülle zeichnen sich blaue Linien ab, diese folgen der gewellten Polycarbonatplatte und bilden den fassadenhohen Schriftzug „TÜV“ aus. Da sich der Anfangsbuchstabe T aus der auskragenden Dachform des Gebäudes entwickelt, verschmelzen Gebäude und Schrift zu einer Einheit.

Neben ihrer Schutzfunktion vermitteln die auskragenden Dächer auch zwischen Gebäude und Außenraum; hier soll eine Annäherung stattfinden, „uns interessieren die Übergangsbereiche bei unseren Entwürfen ganz besonders“, so Klaus Loenhart. Das spiegelt sich auch in der wohl durchdachten, minimalistischen Außenraumgestaltung wider: Um die Versiegelung so gering wie möglich zu halten, ist die Ein- und Ausfahrt in einer einzigen Wendeschleife organisiert.

Außerdem wurden der Aushub des Gebäudes als niedriger Wall wegbegleitend aufgeschüttet und auf allen unversiegelten Flächen verschiedene, für den dortigen Boden besonders geeignete Wiesen-Saatgutmischungen gesät.

Wünschenswert ist - und immerhin, die Immobiliengesellschaft des TÜVs Süddeutschland signalisierte bereits Interesse - den Prüfstellensatelliten auch an anderen Orten zu platzieren und gegebenenfalls zu adaptieren. Verschiedene Varianten sind denkbar, so zum Beispiel ein zweigassiger Typ, eine verlängerte Variante mit zwei oder mehr Prüfstellen hintereinander oder eine höhere Version für Lkws. Die Chancen stehen nicht schlecht, denn das Konzept scheint aufzugehen: Der tägliche Durchsatz an Fahrzeugen hat sich - laut Aussage des TÜVs - deutlich erhöht.

db, Do., 2006.07.06

06. Juli 2006 Ulrike Kunkel



verknüpfte Bauwerke
TÜV-Prüfstation

Fast jeder Neuwagen ein Museumsstück

(SUBTITLE) Architektur für das Auto in Stuttgart und München

Automarken versprechen das Gefühl jener Freiheit, die im Alltag auf den Straßen nicht mehr zu finden ist. Sie müssen daher durch immaterielle Werte zu Statussymbolen werden, die nur noch repräsentieren, was sie nicht mehr einlösen können. In diese Strategien ist die Architektur elementar eingebunden, die Marke benutzt die Stadt und deutet sie in ihrem Sinne um.

Das zwanzigste Jahrhundert war eines der Massenproduktion, des Massenkonsums und der Massenkultur. Doch schon lange greifen die Mechanismen egalitärer und ubiquitärer Warenverbreitung nicht mehr. Ausgelöst durch die Grenzen der Wachstumsmöglichkeiten hat sich der Konkurrenzkampf unter den Firmen verschärft, werden Distanzierungsstrategien als Marketinginstrumente eingesetzt, um mit symbolischen Wertzuweisungen Produkten zu Prestige zu verhelfen. Das gilt natürlich auch für das Auto. Die Werte, die mit ihm verbunden werden, finden in der Realität kaum mehr ihre Entsprechung. Die autogerechte Stadt gilt als Sinnbild stadtplanerischer Fehlentwicklungen, der Verkehr ist restriktiv reglementiert, Staus gehören zur Alltagserfahrung des Autofahrers. Das nicht mehr einzulösende Versprechen nach Geschwindigkeit und Freiheit wird durch das Image von Noblesse, Eleganz, Schnelligkeit oder Kraft ersetzt. Doch das ist alles nicht neu. Relativ neu ist aber, dass in dieser Marketingstrategie die Architektur an Bedeutung gewinnt. Es ist kein Zufall, dass auf diesem Gebiet die Autofirma Pionier war, die die breite Masse als Zielgruppe bereits im Namen führt und daher einen höheren Aufwand treiben muss, um ihren Produkten ein distinktives Prestige zu verschaffen: Volkswagen (siehe Seite 23, Beitrag von Frank Roost).

Aufwertung und Besetzung Doch haben auch die Autofirmen, die schon aus Tradition als besondere Marken gelten, die Notwendigkeit erkannt, mit Hilfe von Architektur ihr Image zu pflegen und ihr Profil zu schärfen. Dabei werden unter anderem die Firmengeschichte und ihr Bezug zum Ort inszeniert. So plant Future Systems für Maserati und Ferrari ein Museum in Modena, in direkter Nachbarschaft zum Wohnhaus von Enzo Ferrari aus der Jahrhundertwende. Deutlicher noch wird dieser Aspekt bei den Projekten, die hier im Mittelpunkt stehen: Sowohl die Museen für die Stuttgarter Firmen Porsche und Mercedes-Benz als auch das „Erlebnis- und Auslieferungszentrum“ der BMW-Welt in München sind an die Standorte der Firmenstammwerke gebunden. Für die Städte ergibt sich daraus eine willkommene Entlastung, denn die neuen Attraktoren wirken wie Schrittmacher für die Entwicklung von schwierigen Standorten der innerstädtischen Peripherie. Freilich hat diese Entlastung ihren Preis: Die Orte werden über die Grundstücksgrenzen hinaus symbolisch von den Firmen, den Marken besetzt. Sie machen sich gerade eines der Merkmale zu Nutze, die sonst als Kennzeichen der Unwirtlichkeit stigmatisiert werden: Die leistungsstarke Verkehrsstraße der Nachbarschaft dient plötzlich zur Inszenierung der Architektur und mit ihr des Produkts, das sie repräsentiert. Wie ein Ausstellungsexponat wird die Straße in allen drei Fällen ins Gebäude geholt, bei Porsche durch eine im Gebäude besonders exponierte Aussicht, die den Einblick von außen zumindest bei Tag nicht gestattet, bei Mercedes-Benz als Teil jener Sammlungsebenen, die die Alltagserfahrung der Besucher in den Mittelpunkt stellen. In der BMW-Welt schließlich ist es die Ecksituation an der Kreuzung zweier Stadtautobahnen. Sie wird durch einen Doppelkegel markiert, eine an einem hyperbolischen Paraboloid orientierte „Event-Arena“. Ein BMW-Museum ist in München ja bereits seit 1972 auf dem Gelände der Werkszentrale auf der anderen Straßenseite präsent, entworfen von Karl Schwanzer im Weltraumdesign der siebziger Jahre. Doch bislang hat sich der Konzern als eine eigenständige und abgeschlossene Einheit, unabhängig von der unmittelbaren Umgebung präsentiert. Mit der im nächsten Jahr eröffnenden BMW-Welt wird sich dies ändern, da diese mit den Durchblicken und großen verglasten Flächen Bezüge zur unmittelbaren Umgebung aufbaut. In diese Bezüge ist selbstredend auch das Museum eingebunden, das im nächsten Jahr ohnehin erweitert, umgebaut und dann mit neuem Ausstellungsdesign präsentiert wird.

Neuwagen werden Exponate Damit wird nicht nur der Ort der Produktion musealisiert und als Teil der Firmengeschichte auratisiert und nobilitiert; der Konzern wird mit den neuen, repräsentativen Gebäuden in der Gegenwart und in der Stadt direkt und unmittelbar verortet. Gleichzeitig findet eine Projektion in die Zukunft statt: Einerseits als ein Schrittmacher, mit dem sich der Avantgardeanspruch der Automobilfirma formuliert - Ben van Berkel und Caroline Bos sprechen vom Mercedes-Benz Museum als einem Leitton, der die zukünftige Entwicklung dirigieren könnte; andererseits erfährt in diesen Ausstellungshäusern auch der Gebäudetyp des Museums einen Bedeutungswandel. Das Museum, traditionell ein Ort der bürgerlichen Selbstvergewisserung und Archiv anerkannten Bildungskanons, dient nun der Positionierung global agierender Unternehmen. Hier werden nicht nur die Produkte ausgestellt, die zur Geschichte des Unternehmens und zur allgemeinen Geschichte der Technik gehören. Mit der musealen Inszenierung von Technik als einer Verbesserung von individuellen Gestaltungsspielräumen reklamieren diese Museen den musealen Wert auch für die neuen Produkte. Noch ist ihr Ausstellungsort die Straße, nicht das Museum. Suggeriert wird aber, dass auch jeder Neuwagen bereits potenzielles Museumsexponat ist. In allen drei Fällen werden daher Museum, Neuwagenpräsentation und -auslieferung an einem Ort zusammengebunden.

Anhand des Mercedes-Benz Museums lässt sich dieses besondere Verhältnis zur Geschichte noch weiter verfolgen. Eine der beiden Ausstellungsrouten, die unter dem Begriff der Mythen steht, wird von einer Chronik begleitet, die die wichtigsten Ereignisse der Weltgeschichte aufgreift. Indem also die Geschichte des Automobils in einer allgemeinen Historiografie verortet wird, wird die Marke zu einem selbstverständlichen und von ihr nicht zu trennenden Element der Geschichte. Weniger rühmliche Einzelheiten der Firmengeschichte werden dabei wohlweislich, wenn überhaupt, nur dezent zur Sprache gebracht.

Bilder des zukünftigen Erfolgs Um jeden Verdacht an der Zukunftsorientierung auszuschließen, muss die Architektur der Ausstellungshäuser auf jede Form des geschichtlichen Zitats verzichten, jeden Verdacht einer traditionsbewussten und konservativen Architekturhaltung vermeiden: keine Klassizismen, keine Ziegelfassaden, keine historischen Herrschaftssymbole. Diese Ausstellungsarchitektur bedient sich der Architektur, die den Anspruch von Avantgarde nach außen repräsentiert, ob in den ingenieurtechnischen Leistungen des Mercedes-Benz Museums, der komplexen polygonalen Struktur des Porsche Museums oder der geschwungenen Körperhaftigkeit skulpturaler Individualität, wie sie in München realisiert wird.

Alle drei Museen materialisieren auf eine ihnen eigene Weise landschaftlich-topografische Assoziationen. Ist es in Stuttgart die Figur der Doppelhelix, die die Erfahrung der Landschaft im Automobil transformiert, wo sich dem Auge hinter jeder Kurve wieder etwas Neues bietet und eine Atmosphäre von Grenzenlosigkeit eröffnet, so ist es in München der enorm große und als offen erlebbare Raum, dessen Luftraum von mehreren Geschossen zusätzlich durch Rampen und Treppen inszeniert wird. Beim Porsche Museum schließlich sind es die der Form einer Spirale folgenden, ineinander übergehenden Ebenen und Terrassen, die den Ausstellungsraum charakterisieren.

Zudem werden die architektonischen Bilder durch Wortmetaphern um weitere symbolische Werte angereichert. Immer sind es Dynamik symbolisierende Raumkonfigurationen von Strudeln oder Spiralen. In München sind es außerdem die Wolke, der Himmel, das geschwungene Dach, das als eine Entsprechung des befreienden Fahrerlebnisses formuliert wird. „Wenn für Sie der Himmel auf Erden Ihr Auto ist, dann entsteht hier Ihre Welt“, heißt es auf einem Werbeplakat.
Die Spirale des Porsche Museums wie die Doppelhelix des Mercedes-Benz Museums vermitteln nochmals den Anspruch des in die Zukunft gerichteten Versprechens. Dem, was sich hier in den Museen als abgeschlossene Welt präsentiert, liegen Figuren zugrunde, die sich weiterdenken lassen, deren Ende nur für den Moment und willkürlich festgelegt ist. Spirale wie Doppelhelix lassen sich weiter fortsetzen als die willkürlichen Setzungen von Anfang und Ende im Gebäude nahe legen. Die erfolgreiche Geschichte dieser Marken, so die Botschaft, ist noch lange nicht zu Ende.

db, Do., 2006.07.06

06. Juli 2006 Christian Holl



verknüpfte Bauwerke
Mercedes-Benz-Museum
BMW-Welt München
Porsche Museum Stuttgart

Berliner Werberäume

Die Fußball-Weltmeisterschaft beherrscht derzeit das Zentrum Berlins, nicht nur als sportliches Großereignis, sondern vor allem als ein Werbeereignis der Sonderklasse: Die Telekom hat dem Fernsehturm am Alexanderplatz einen magentafarbenen Riesenfußball umgewandelt. Der Bund der Deutschen Industrie hat gemeinsam mit der Bundesregierung den Adidas-Stollenschuhen, der Aspirin-Tablette und dem Automobil im Rahmen der Kampagne „Germany, Land of Ideas“ meterhohe Denkmäler aus Kunststoff gesetzt, die die Leistungs- und Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen symbolisieren sollen. Die offiziellen „Public Viewing Events“ wie die Fanmeile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule auf der Straße des 17. Juni sind ausschließlich den offiziellen Sponsoren als Werbeflächen vorbehalten.

Eine Werbemaßnahme der besonderen Art präsentiert der Sportartikelhersteller Adidas. Denn Adidas - nicht etwa „König Fußball“, wie der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse im September 2005 verkündete - regiert zur Fußball-Weltmeisterschaft im Parlamentsviertel: Vor dem Reichstag auf dem Platz der Republik wurde der Themenpark „adidas world of football“ errichtet, in dem täglich 70 000 Besucher erwartet werden. Hauptattraktion der 40 000 m² großen Anlage ist die als 13. WM-Stadion angepriesene Adidas-Arena, eine Nachbildung des Berliner Olympiastadions. Auf zwei Großbildleinwänden werden dort alle 64 Spiele der WM übertragen und Konzerte sowie Fernsehshows ausgerichtet. Die umliegende Anlage wird diverse Freizeitangebote zum Thema Fußball bieten.

Mit der Arena platziert der Konzern im Herzen Berlins eine dreidimensionale Werbewelt, in der die Fans nach dem Konzept der Branding Centers durch eine physische Erfahrung emotional an die Marke gebunden werden sollen. Auch medial wird die Arena außerordentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Mit dem Berliner Olympiastadion wird ein Stadion nachgebaut, das als Austragungsort des WM-Finales und durch seine einprägsame Architektursprache eine herausragende Stellung hat. Der erhebliche Werbeeffekt, der auch durch den prominenten Standort direkt vor dem Reichstag entsteht, kostet Adidas neben den Kosten für Bau und Wiederherstellung der Grünanlage lediglich die Straßennutzungsgebühren.

Für die Zeit der Weltmeisterschaft wird damit ausgerechnet die verkleinerte Kopie einer nationalsozialistischen Repräsentationsarchitektur die Sicht auf den Reichstag verstellen. Gerade im Spreebogen, wo die monumentale Nord-Süd-Achse in Albert Speers nationalsozialistischen Hauptstadt-Planungen in der Großen Halle des Volkes kulminieren sollte, ist dies fehl am Platz. Mit der „adidas world of football“ wird zudem der Platz der Republik der nicht kommerziellen Nutzung durch die allgemeine autonome Öffentlichkeit entrissen.

Das Projekt zeigt, wie sehr während der Fußball-Weltmeisterschaft die Berliner Stadtlandschaft durch die Werbeinteressen der FIFA-Sponsoren strukturiert wird. Zahlreiche öffentliche Räume im Berliner Zentrum nehmen den Charakter einer riesenhaften Werbetafel an. Hiervon soll - so hofft zum Beispiel Klaus Wowereit - indirekt auch die Stadt profitieren: Die Bilder friedlich feiernder Fußball-Fans vor städtebaulichen Wahrzeichen sollen als Werbung für die Stadt um die ganze Welt gehen. Verschweigen werden diese Bilder freilich, was die Imagekampagne für den öffentlichen Raum bedeutet: Dieser wird für die zahlreichen Veranstaltungsorte nicht nur temporär privatisiert und nach den Vorgaben der Sponsoren und Veranstalter bespielt, er wird auch strengen Sicherheitsauflagen, wie Umzäunungen, scharfen Zugangskontrollen und Videoüberwachung unterworfen. Damit wird eine Dimension sozialer Ausgrenzung, repressiver Kontrolle und technischer Überwachung erreicht, wie sie bisher zum Teil bereits in Shopping- und Entertainmentcentern praktiziert wird, der Idee des öffentlichen Raums einer lebendigen europäischen Metropole jedoch Hohn sprechen.

db, Do., 2006.07.06

06. Juli 2006 Barbara Schönig

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