Editorial

Holzdächer sind ein archaisches Bauelement. Man denke an Berghütten, asiatische Tempel, mittelalterliche Burgen, romanische Kirchen oder französische Schlösser – immer ist ein typisches Dachbild mit dem jeweiligen Bau verbunden. Bis heute sind Holzdächer charak­teristischer Ausdruck ihrer Zeit und schützen, krönen, schmücken – bescheiden oder als architektonische Glanzstücke – wie Schirme, Hüte oder Baumkronen ihr Gebäude.

Bauten widerspiegeln immer auch die Möglichkeiten des technisch Mach­baren. Im Gegensatz zu anderen Bauweisen ist der zeitgenössische Holzbau bereits heute mit moderns­ten Computertechnolo­gien verbunden – BIM gehört hier längst zum Standard.

Die Statik solcher Dächer erfordert von den Ingenieuren oft äusserst komplexe Berechnungen und von den Architekten eine noch präzisere und engere Zusammenarbeit mit Planern und Handwerkern. Die Logistik erfolgt meist just in time, und der Transport über Strassen, Flüsse und das Meer ist millimeter- und stundengenau geplant.

Schweizer Firmen kommt bei der Entwicklung und Produktion solcher Dachelemente international eine Schlüsselrolle zu. In diesem Heft betrachten wir zwei konstruktiv und gestalterisch sehr unterschiedliche Beispiele.

Danielle Fischer

Inhalt

AKTUELL
07 WETTBEWERBE
Ausschreibungen | Präzise Preziose

10 PANORAMA
Abfallkreisläufe optimieren

16 ESPAZIUM – AUS UNSEREM VERLAG
Nur auf www.espazium.ch | Archi feiert Jubiläum

16 FIRMEN UND PRODUKTE
Gruss aus der Küche

19 SIA
Reiche Palette zeitgenössischer Baukultur | Die neue Wegleitung «Testplanungen» | Ein «kleiner» UIA-Kongress in Lausanne?

23 VERANSTALTUNGEN

THEMA
24 HIMMEL AUS HOLZ

24 BRITISCH-MUSLIMISCH, ÖKOLOGISCH-MODERN
Danielle Fischer
Cambridge bekommt eine Moschee – die Londoner Architekten Marks Barfield lösten diese Aufgabe mit einer modernen Bauweise.

29 RESPEKTVOLLE KRÖNUNG
Charles von Büren
Die Erweiterung des Waadtländer Parlaments in Lausanne von Atelier Cube ist eine Lektion in selbstbewusster Gestaltung.

AUSKLANG
35 STELLENINSERATE

37 IMPRESSUM

38 UNVORHERGESEHENES

Britisch-muslimisch, ökologisch-modern

Cambridge bekommt eine Moschee – die Londoner Architekten Marks Barfield und Blumer Lehmann aus Gossau erstellten die Freiform des Dachs aus 30 stilisierten Bäumen.

Architektonisch ist Cambridge für seine gotischen Universitätsbauten aus Backstein bekannt, darunter das King’s College mit der imposanten Kapelle. Doch nun entsteht in einem zentrumsnahen Wohnquartier eine der Hochschule an­gegliederte moderne Holzmoschee. Was im ersten ­Moment überraschen mag, ist auf den zweiten nachvollziehbar: Rund 7000 Muslime aus 60 Nationen wohnen, studieren oder arbeiten hier.

Obschon die Baustelle kaum über den Rohbau hinaus ist, spürt man wenig von der an solchen Orten sonst üblichen Hektik. In den Pfützen auf dem Betonboden spiegeln sich durch die provisorisch mit Plastik abgedeckten Oberlichter die Wolken am Himmel. Vielleicht herrschte eine solch kontemplative Atmosphäre mit einem Gewirr aus hölzernen Hilfsgerüsten auch um die sich im Bau befindlichen Steinstützen gotischer Kathedralen oder iranischer Freitagsmoscheen, bevor die fertigen Gewölbe in den Himmel ragten. In Cambridge gliedern 30 «Bäume» aus Schweizer und EU-Holz hain­artig die Innenräume des Neubaus. Natürlich handelt es sich nicht um wirkliche Bäume, sondern um die ­bauliche Interpretation des Themas als hölzerne Freiform.

Die Bauweise in dieser Form ist – ein wenig wie damals die gotischen Gewölbe – charakteristisch für unsere Zeit. Statt in Kathedralen macht sie jedoch Furore für repräsentative Cooperate Architecture wie beim Golfklubhaus in Yeoju in Südkorea, auf öffentlichen Plätzen wie dem Metropol Parasol in Sevilla oder bei dem sich im Bau befindenden Firmenhauptsitz von Swatch in Biel. In Cambridge kommt sie für einmal beim Dach eines Sakralbaus zum Einsatz.

Nicht nur der formale Ausdruck war schon ein gotisches Thema, sondern auch der Symbolgehalt von Stämmen, die eine Decke tragen, und Kronen, die ein Dach bilden und so Himmel und Erde verbinden. Er ist darüber hinaus aber viel älter – ein historischer Beschrieb des Hauses des Propheten Mohammed besagt, dass sein Dach auf Palmstämmen ruhte. Da er von seinem Hof aus predigte, gilt es als erste Moschee.

Würdevoll das Erbe weitertragen

Ursprünglich sahen die Architekten Marks Barfield im Wettbewerbsentwurf einen Massivbau vor. Doch schon bald stellte sich heraus, dass ein so ausgeführtes Baumthema zu teuer war. Statt darauf zu verzichten, sahen sie sich nach einer alternativen Bauweise um und wandten sich an die auf Freiformen spezialisierte Firma Blumer Lehmann aus Gossau, die sie von früher realisierten Projekten kannten.

Trotz dem nachträglichen Entscheid für eine hölzerne Tragstruktur ist vom massiven Ausgangsentwurf manches geblieben: Die Aussen- und Zwischenwände sind mit einer 20 mm starken Fassade aus Klinker­steinen verblendet, um den Eindruck zu verhindern, es handle sich um ein Provisorium. Obschon vom Hauptcampus durch die Bahnlinie getrennt, ist die Moschee Teil des Gebäudebestands der Cambridge University, die sich durch die erwähnten herrschaftli­chen Backsteinbauten auszeichnet.

«Ein Stück weit mit ­diesem würdevollen Erbe mithalten sollte das Bauwerk schon», meint Gemma Collins, leitende Architektin bei Marks Barfield. Aber bis zum Hauptcampus muss man nicht gehen, die Kombination Backstein und Holz findet ihre Referenz unmittelbar vor der Tür des Geländes: Viele Reihenhäuser bestehen hier aus einer mit Backstein verkleideten Holzstruktur.

Eine klassische Aufgabe

Eine traditionelle Moschee gliedert sich in eine Waschzone vor der Gebetshalle, die längs der gegen Mekka gewandten Gebetsrichtung, der sogenannten Qibla, angeordnet ist. In der Mitte der Qibla liegt das Mihrab, eine Nische, vor der der Iman steht, während er das Gebet vorsagt; ausserdem gehört zur Moschee meist ein Minarett. Gemma Collins meint: «Überall auf der Welt prägten neben religiösen auch kulturelle und regio­nale bauliche ­Einflüsse die Architektur von Moscheen.» Die Hallen-, Kuppel- und Iwanmoschee sind drei Grundtypen. Die Architekten haben sich für eine Mischung aus den ersten beiden entschieden.

Aber wie kommt es, dass englische Architekten mit christlichem oder jüdischem Hintergrund eine Moschee bauen – noch dazu eine, die der im späten Mittelalter gegründeten Cambridge University angegliedert ist? Vielleicht vermag die Tatsache, dass ein islamisches Gotteshaus nicht wie eine Kirche eine geweihte Stätte ist, sondern pragmatisch ein religiöser, politischer und kultureller Versammlungsort, dies ein wenig klären. Nach Einhalten seiner Gesetze – wie der Ausrichtung nach Mekka und der Kennzeichnung der Qibla – kann ein Gebetsraum in jeden bestehenden Ort eingefügt werden.

Tatsächlich gibt es in Cambridge bereits eine Moschee, die wie viele andere in England in einem entsprechend umfunktionierten Bau untergebracht ist. Timothy Winter, Professor am Cambridge Muslim College und Vorsitzender des Muslim Academic Trust, bestätigt, dass die Bauherrschaft sich als offene Gesellschaft betrachte, die Experten aus jeder Tradition und jedem Land willkommen heisse. Die Cambridge Mosque ist die erste neu geplante und gebaute Moschee im Land.

Trotzdem beängstigen die 1000 während des Ramadans zu erwartenden Muslime viele Anwohner. In der Tat wirkt die Position des Baus mitten in einem Wohn­quartier auch für Aussenstehende zunächst erklärungsbedürftig, ist aber nach der Erläuterung durchaus verständlich: Wie Timothy Winter sagt, beten viele Mo­scheebesucher bis zu fünfmal täglich, daher sei es wichtig, dass der Bau von der Uni aus schnell erreichbar ist. Das Quartier um die Mill Road, das bereits viele mus­­li­mische Bewohner hat, sei daher ein guter Standort. 30 Jahre, so sagt er, habe die Gemeinschaft nach einem geeigneten Grundstück und nach Geldgebern gesucht. Er betont auch, die Community werde nicht von einer einzelnen muslimischen Ausrichtung dominiert, sondern sei sehr heterogen. Dies sieht er als günstige Voraussetzung, um eine «britische Moschee» zu bauen.

Ökologisch und angepasst

Wie eine britische Moschee im Kontext der aktuellen Zeitfragen um den Islam aussehen soll, war ein zentraler Punkt, mit dem sich Architekten und Muslim Acade­mic Trust auseinandersetzten. Angesichts der gros­sen Anzahl Muslime in England sei es Zeit, über diese Bauaufgabe nachzudenken, sagt auch die Architektin.

Britisch an dem Bau, oder vielmehr europäisch modern – denn eine zeitgenössische britische Archi­tektur gebe es nicht mehr, ergänzt Timothy Winter –, sei der Anspruch, eine Ökomoschee zu bauen. Die Räume können im Sommer quergelüftet werden, und über 63 Oberlichter fällt Tageslicht ins Innere. Das Dach ist begrünt; für die Toiletten wird Regenwasser verwendet. Wärmepumpen sorgen in Kombination mit einem Heiz- und Kühlsystem für angenehme Temperaturen, und ein Energiemanagement gehört ebenfalls zum ökologischen Gotteshaus.

Neben der architektonisch modern interpretierten Bauaufgabe wurden mit dem Muslim Academic Trust auch inhaltliche Anpassungen in Richtung eines zeitgenössisch britischen Islam vorgenommen: Hier sollen Imame ausgebildet werden, um Inhalt und Form der Ausbildung in England zu steuern. Für die Studenten sind die Wohn­räume im oberen Stockwerk vorgesehen. ­Neben der Moschee, die ohnehin jeder betreten darf, ist auch das Café in der Eingangszone öffentlich. ­Weiter sind im Gegensatz zu traditionellen Moscheen die Gebetsbereiche der Männer und Frauen nur durch eine hüfthohe Wand separiert. Zusätzlich gibt es im ­oberen Stock ein durch eine Glasbrüstung vom Haupt­raum abgetrenntes Zimmer, in das sich die ­Frauen für das Gebet zurückziehen können.

Logistisch austariert

2011 kamen die Architekten mit dem Entwurf auf Blumer Lehmann zu. Sie erteilten ihnen ein Mandat für die Vorstudie von Statik und Design. Das war eine ideale Ausgangslage, sagt Jephtha Schaffner, Projektleiter bei Blumer Lehmann – so konnte die Firma das Projekt von Anfang an begleiten und erhielt dank offerierter Qualität und Preis den Zuschlag für die Ausführung.

Wegen des Transports per Lkw durfte der Raster nur ein maximales Mass von 8.10 m haben. Die angelieferten, mit dem Ingenieurbüro SJB Statik entwickelten Elemente messen einen Drittel der Gesamtlänge und sind mit 2.70 m per Lkw gerade noch transpor­tierbar. Nach der Herstellung in Gossau brachte man sie nach Schaffhausen und von dort nach Rotterdam. Der Lastwagenanhänger wurde mitsamt den Elementen auf die Fähre verladen.

Schaffner erzählt, dass es eine grosse Herausforderung war, alles einen Monat im Vor­aus zu planen. Jeder der 80 Lkw war eine Woche unterwegs, zwei ­Wochen vorher musste er die Bewilligungen bei den Zollbehörden in Deutschland, den Niederlanden und Grossbritannien einholen. Am Ende der Produktionskette wollten die Arbeiter in Cambridge nicht tagelang auf die Elemente warten, die aus Platzgründen in der engen Wohnstrasse just in time angeliefert wurden. Die Montage des hölzernen Rohbaus ist seit Januar 2018 fertig – bis die Moschee eröffnet wird, dauert es aber voraussichtlich noch bis Ende 2018.

TEC21, Fr., 2018.05.04

04. Mai 2018 Danielle Fischer

Respektvolle Krönung

Das Waadtländer Parlamentsgebäude von Atelier Cube im Zentrum von Lausanne ist eine Lektion in selbstbewusster Gestaltung im Zwiegespräch von Alt und Neu. Es fügt sich mit einem Zeltdach selbstverständlich in das mittelalterliche Ensemble und verbirgt nirgends seinen modernen Gestus.

Das politische und historische Herz der Stadt Lausanne thront mit seiner Kathedrale, dem Schloss Saint-Maire, dem Grand Hôpital und dem Kantonsparlament hoch über der Place de la Riponne auf der Colline de la Cité, kurz «La Cité» genannt. Das Quartier wirkt wie eine beschauliche Insel im Treiben der hügelreichen Umgebung. Eine Ruhe, die in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2002 jäh unterbrochen wurde: Das damals in Restaurierung befindliche klassizistische Parlamentsgebäude vom Architekten Alexander Perregaux von 1804 brannte ab.

Das war für Lausanne und die Waadt auch kunstgeschichtlich eine Katastrophe. Dennoch ergab sich so die Chance, das seit 1997 geplante Projekt einer Restaurierung und Erweiterung mit einem unterirdisch angelegten Saal über Bord zu werfen und aus der Not eine Tugend zu machen. Ein neuer internationaler Wettbewerb führte zum Projekt der Architekten Atelier Cube, Lausanne, und Bonell i Gil, Barcelona. Als Ingenieur für das Holzdach zeichnet Yves Weinand, Professor am IBOIS der EPFL, verantwortlich.

Das Dach des Anstosses

Das Wettbewerbsprojekt von Marc Collomb und Esteve Bonell lief unter dem Namen «Rosebud». Ähnlich einer stilisierten Rosenknospe krönte ein asymmetrisch gestaltetes Dach mit Zinnblechen gedeckt den Saal. Allerdings wurde dieser wie eine moderne geometrische Skulptur gedachte Eingriff in die Silhouette der Cité zum Vorwand für alle, denen ein zeitgemässer Neubau in historischer Umgebung nicht gefallen wollte. Mit einer tief greifenden Umplanung des Projekts, einer Reduktion des Dachvolumens um einen Drittel, Verzicht auf die Asymmetrie und Ersatz des grauen Zinndachs durch heimische Ziegel kamen Bauherrschaft und Architekten einem drohenden Referendum zuvor.

Pierre Frey, Professor im Department ENAC der EPFL, verglich in seiner Kolumne[1] vor der Eröffnung diesen Kompromiss mit einer Narrenkappe, die eine freudlose Konstruktion aus Leimholz berge. Allerdings lässt sich über dieses Dach sehr wohl auch Gutes sagen. So fügt es sich zum Beispiel unaufgeregt in die Silhouette der Cité ein; der sachlich geformte Saal mit dem Dach ohne Pfetten und Sparren wartet nicht mit übertrieben festlichem Gepränge auf. Mit seinem golden schimmernden Birkenholz hat er jedoch einen angenehmen Charakter und eine herausragende Akustik. Bei klarer Sicht bietet er einen grossartigen Panoramablick über die Stadt bis hin zum Montblanc-Massiv am Südufer des Genfersees.

Das neue Parlamentsgebäude der Waadt ist in Form und Gestaltung eine zeitgemässe Architektur, die den Dialog vom Bestehenden zum Neuen sucht und auch findet.

Neu und Alt geglückt verbunden

Nach dem Umbau verfügt das waadtländische Parlament über drei unterschiedliche Zugänge. Der Haupteingang findet sich von Osten her an der Rue Cité-Devant. Eine Fassade in der historischen Häuserzeile wurde dafür geopfert und damit das Foyer in dieser Richtung erweitert. Eine unübersehbare, drei Geschosse hohe Verglasung markiert nun diesen Eingang und setzt ein modernes Zeichen in die ruhige Altstadtgasse. Eine skulptural gestaltete Freitreppe aus Stahlträgern mit Eichenholztritten dominiert die hinter ihr liegende Halle und führt entlang einer nun frei sichtbaren, historischen Fassade aus dem Mittelalter in die oberen Etagen. In diesem Erdgeschoss lädt eine Buvette mit angrenzendem Garten zu informellen Treffen ein.

An ihrem Fuss leicht trichterförmig verbreitert, führt die Treppe in drei Läufen und Podesten auf angenehm zu begehende Weise ins erste Niveau, das ein Sitzungszimmer und Arbeitsräume im benachbarten Altbau erschliesst. Mit einem markanten Schwung, der den Blick zum südlich gelegenen Platz und zu einem weiteren verglasten Zugang lenkt, erreicht sie mit zwei weiteren Läufen das Hauptgeschoss, von wo aus das Plenum und die benachbarte Vorhalle zugänglich sind. Diese Treppenpromenade zeigt beeindruckend, wie sich die historische Bausubstanz mit der neuen betonierten Fassade und ihren frei verteilten Fensteröffnungen ganz selbstverständlich vereint. Im ganzen Bau bleibt der durch Schalungsbretter mit Sorgfalt geformte Beton sichtbar. Die Verbindung zwischen historischer und neuer Architektur ist ausnahmslos geglückt.

Während der Ratssitzungen ist der Zugang von einem kleinen, südlich neben dem umzäunten Garten gelegenen Eingang möglich, der mit Glas einladend gestaltet wurde. Und bei besonderen Gelegenheiten werden die drei Tore des ehemaligen Peristyls zur Esplanade geöffnet. Dieser Fassadenteil blieb nach dem Brand glücklicherweise erhalten – die reich verzierten Holztore aus der Bauzeit waren für eine Restaurierung ausgelagert. So kommt es, dass die klassizistische Pracht des «Fronton Perregaux» weiterhin die Esplanade prägt.

Hinter dieser Fassade liegt das vom Korridor zum Plenarsaal zugängliche grosse Vestibül, ein Schmuckstück besonderer Art. Die abgebrannte Holzdecke ist als stützenfreie Betondecke wieder auferstanden, die die ehemalige asymmetrische, historische Dachform in abstrahierter Weise aufnimmt. Der alte Steinboden aus halbrunden Kieseln wurde neu verlegt, weil darunter die Klimaanlage untergebracht ist. Es handelt sich um eine Arbeit portugiesischer Handwerker, die mit Geschick und Kenntnis den mit Sternen und Wappen verzierten Boden wiederhergestellt haben.

Der Saal als hölzernes Zelt

Der Zugang zum Parlamentssaal erfolgt über einen schlichten Korridor, und erst die verglaste Doppeltür erlaubt den Blick in diesen quadratischen Raum mit seinen in acht Sitzreihen mit Mittelgang angeordneten 157 Plätzen. Der mit Eichenparkett belegte Boden weist eine leichte Neigung in Richtung Präsidium auf.

Die zeltartige Decke ist mit raumgreifend gekreuzten, der konstruktiven Versteifung geschuldeten Platten aus Brettsperrholz gegliedert. Das im First gekappte Zeltdach erlaubt ein vierteiliges Oberlicht, das den Saal sanft erhellt. Das Panoramafenster in der südwestlichen Raumecke zieht den Blick an. Decke, Wände und Pulte sind mit Birkenholz gestaltet, die Schreibflächen bestehen aus Linoleum. Die funktionale Gestaltung, das einfallende Tageslicht und die herausragende Akustik prägen dieses Herzstück der Anlage. Auffallend ist der bis ins Detail mit Sorgfalt ausgeführte Ausbau, ein Werk der auf Auditorien spezialisierten Firma André aus Yens.

Im Querschnitt wird sichtbar, dass die innere, zeltartige Decke über dem Saal nicht genauso geformt ist wie der pyramidenförmige Dachaufbau. Die über verdeckte Stahlplatten verschraubte Konstruktion gleicht eher einem unter dem Schutzdach liegenden Kuppeleinbau, wie er früher in Sakralbauten üblich war. Das mit regional produzierten Ziegeln aus Corcelles gedeckte Schutzdach kragt von 1.30 m bis auf Seite Garten drei Meter über die Fassade aus, schützt vor Regen und beschattet den Saal.


Anmerkung:
[01] Text von Pierre Frey auf www.espazium.ch

TEC21, Fr., 2018.05.04

04. Mai 2018 Charles von Büren

4 | 3 | 2 | 1