Editorial

Strom braucht jeder, die Schreber­gartenhütte genauso wie die Firma mit Produktions­stätte oder die Kleinstadt­. Soll die benötigte Energie nicht aus Atomkraft stammen, während gerade weder die Sonne scheint noch der Wind bläst, muss man eine andere CO2-neutrale Quelle finden. Und das – je nach Ausgang der Abstimmung über das Energiegesetz Ende Mai – eventuell schon sehr bald. In dieser Situation versprechen Technologien zum Speichern von elektrischer Energie Erfolg. Es gibt sie bereits seit dem vorletzten Jahrhundert, und sie sind so vielseitig wie ihre Anwendungsgebiete: Einige überbrücken Stromunterbrüche im Millisekundenbereich, während andere sogar über mehrere Jahre einen Ausgleich schaffen. Die verschiedenen Technologien decken Grössenordnungen von Watt bis Gigawatt ab. Manche können nur einmal be- und entladen werden, andere mehrere Millionen Mal.

Für eine kurz­fristige Speicherung im kleinen Massstab leisten Batterien gute Dienste, beispielsweise für die Schrebergartenhütte in Kombination mit einer PV-Anlage. Power­-­to-Gas, eine vergleichsweise junge Technologie, macht mittelgrosse Energiemengen sehr flexibel über einen beliebigen Zeitraum verfügbar, etwa für Produktionsstätten.

Für die Versorgung von Gebäuden und ganzen Städten haben sich in der Vergangenheit Pumpspeicherkraftwerke bewährt. Sie werden seit 100 Jahren gebaut und halten riesige Energiemengen über einen langen Zeitraum bereit. Erst solche Technologien ebnen den Weg für den geplanten Umbau des Schweizer Energiesystems bis 2050.

Nina Egger

Inhalt

AKTUELL
07 WETTBEWERBE
Projektstopp in Weesen

10 PANORAMA
Ein geschichtsträchtiges Werk | Strategische Gebäudetechnik | Damit das Denkmal nicht zum Mahnmal wird

16 VITRINE
Neues aus der Baubranche

18 SIA
Breites Spektrum prämierter Werke | «Mehr Engagement bei Infrastrukturbauten»

23 VERANSTALTUNGEN

THEMA
24 ELEKTRISCHE ENERGIE SPEICHERN

24 STROM AUS TROM
Nina Egger
Bei den vielen verschiedenen Speichertech­nologien fällt der Überblick schwer. Eine Einordnung.

26 DER SPEICHER IM HAUS
Nina Egger
Batterien haben eine lange Tradition. Heute können sie auch Gebäude mit Strom versorgen.

28 DER PHOTOSYNTHESE AUF DER SPUR
Paul Knüsel
Die Umwandlung von Strom in flüchtige Gase ermöglicht eine spätere Nutzung als Wärme, Elektrizität und als Treibstoff.

30 BEI BEDARF AUF ODER AB
Peter Seitz
Pumpspeicher sind mit moderner Ausrüstung zeitgemässe Klassiker.

AUSKLANG
35 STELLENINSERATE

37 IMPRESSUM

38 UNVORHERGESEHENES

Strom aus Strom

Etwas aufbewahren, das per Definition immer im Fluss ist? Strom als elektrische Energie zu speichern funktioniert nur bedingt. Durch die Umwandlung in potenzielle, kinetische oder chemische Energie eröffnen sich weitere Möglichkeiten.

Unsere Infrastruktur ist von einer konstanten Stromversorgung abhängig. In Spitälern hätte selbst ein kurzer Stromausfall tödliche Folgen; in der hoch technisierten, digitalisierten Schweizer Wirtschaft ziehen Ausfälle schwere Verluste nach sich. Steuerungszentralen und Sicherheitsorgane bereiten Notfallszenarien für einen Blackout vor. Die Versorgungssicherheit ist zurzeit eines der wichtigsten politischen Themen, unter anderem im ­Hinblick auf internationale Kooperationen, aber auch auf das revidierte Energiegesetz und die Umsetzung der Energiestrategie 2050.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach Technologien, die das Speichern von elektrischer Energie ermöglichen. Zum einen geht es um den kleinen Massstab: Wichtige Institutionen, insbesondere im Gesundheitsbereich, sind mit Notstromaggregaten ausgestattet, die es technisch weiterzuentwickeln gilt. Zum anderen ist das gesamte Stromnetz im landesweiten Massstab betroffen.

Um die Energiestrategie 2050 umzusetzen, muss das Schweizer Energiesystem schrittweise umgebaut werden. Das Massnahmenpaket des Bundes sieht vor, den Energieverbrauch zu senken und erneuerbare Energien wie Solarenergie, Windkraft und Energie aus Biomasse stärker zu nutzen. Doch die effiziente Nutzung von solchen lokal erzeugten, erneuerbaren Energien kann ein elektrisches Energienetz vor grosse Herausforderungen stellen.

Während Photovoltaikanlagen in der Nacht keinen Beitrag leisten, ergibt sich, wenn die Sonne mit voller Kraft vom Himmel strahlt, immer öfter ein Überangebot an Strom. So bleibt zu manchen Zeiten die gewinnbare Energie ungenutzt, weil das Stromnetz den überschüssigen Strom gerade nicht aufnehmen kann. Das Stromnetz verträgt nämlich keine grossen Schwankungen und muss in ständiger Balance zwischen Angebot und Nachfrage gehalten werden (vgl. «Frequenzregelung», Kasten unten). Ähnlich verhält es sich mit Windkraft, wenn bei Netzüberlastung Windräder aus dem Wind gedreht oder abgeschaltet werden, obwohl sie eigentlich gerade Strom produzieren könnten.

Die Produktion von Kleinwasserkraft wiederum hängt vom aktuellen Wasserpegel in den Flüssen und Bächen ab. Das Wetter beeinflusst somit sehr stark, wie viel Strom zu einem bestimmten Zeitpunkt aus erneuerbaren Quellen bereitgestellt werden kann.

Neben der Anpassung der Nachfrage ist die naheliegende Lösung, den Strom zu speichern, sodass zum Beispiel die bei Tag photovoltaisch gewonnene, überschüssige Sonnenenergie in der Nacht verwendet werden kann.

Über kurz oder lang verfügbar

Energiespeicher lassen sich anhand der Speicherdauer in Kurzzeit- und Langzeitspeicher unterteilen. Dies ermöglicht den Ausgleich von sehr unterschiedlichen Schwankungsmustern. Photovoltaik schwankt im Tages­rhythmus zwischen Maximum und Minimum; bei anderen Erneuerbaren können sich Flauten und produktionsstarke Perioden über Wochen und Monate hinziehen. Der Verbrauch hat sein eigenes Auf und Ab. Je nach betrachteter Zeitskala kommen verschiedene Technologien zum Einsatz. Typische Speicherdauern:

– Subsekundenbereich bis zu wenigen Minuten (für unterbruchsfreie Stromversorgung von elektrischen Anlagen und elektronischen Geräten)
– Stunden bis zu einem Tag
– mehrere Tage
– eine bis zwei Wochen
– saisonaler Ausgleich

Kurzzeitspeicher besitzen einen hohen Speicherwirkungsgrad – annähernd so viel Strom, wie gespeichert wurde, steht auch wieder zur Verfügung – und weisen hohe Zyklenzahlen auf. Die Zyklenzahl gibt an, wie oft ein Speicher bis zum Verschleiss be- und entladen werden kann. Diese Speicher decken Zeiträume von Sekundenbruchteilen bis zu einem Tag ab. Sekundenspeicher sind u. a. Schwungrad, Kondensator und supraleitende magnetische Energiespeicher (also Spulen). Der bekannteste Vertreter der Minuten- bis Tagesspeicher ist der Akkumulator (vgl. «Der Speicher im Haus»). Als Stunden- bis Tagesspeicher kommen Pumpspeicher und Druckluftspeicherkraftwerke zum Einsatz.

Langzeitspeicher haben geringere Speicherwirkungsgrade – somit höhere Verluste – und niedrigere Zyklenzahlen. Dafür können sie Energie über Tage bis Jahre und in wesentlich höherer Menge speichern. Zu ihnen zählen Gas, Brenn- und Kraftstoffe (vgl. «Der Photosynthese auf der Spur») sowie Pumpspeicherkraftwerke (vgl. «Bei Bedarf auf oder ab»). Für den Gebäudepark Schweiz sind die etwas längerfristigen Speichertechnologien relevant, teils in Kombination mit dezent­raler Energieversorgung von Einzelobjekten, teils für die zentrale Versorgung ganzer Gebiete.

Strom direkt als elektrische Energie zu speichern funktioniert, indem er in einem Kondensator ein elektrisches Feld oder in einer Spule ein Magnetfeld erzeugt; daraus wird in der Folge wieder ein elektrischer Fluss angeregt. Beim Kondensator liegt die typische Speicherdauer im Sekundenbereich, und die Leistung ist auf wenige kW beschränkt. Spulen werden nur kurzfristig eingesetzt, weil ihre Kühlung viel Energie benötigt, was bei längeren Zeiträumen die Energiespeicherung ad absurdum führen würde.

Nützlich sind diese beiden Technologien zum Glätten von plötzlichen Spannungsspitzen, zum Beispiel bei einem Blitzeinschlag, die Geräteschaden verursachen könnten. Für grössere und längerfristige Anwendungen eignet sich die direkte Speicherung nicht.

Die Umwandlung in andere Energieformen erweitert den Zeitraum, in dem wieder Strom gewonnen werden kann. Allerdings entstehen bei der Umwandlung immer Verluste. Weiter sinkt der Wirkungsgrad durch Selbstentladung. Ein Schwungrad beispielsweise, das durch Strom in Bewegung versetzt wird und diesen somit als kinetische Energie speichert, wird durch Reibungswiderstände langsamer und kann zunehmend weniger Energie zurückliefern. Mit der Selbstentladung sieht es besser aus, wenn der Strom in potenzielle oder chemische Energie umgewandelt wird. Potenzielle Energie findet man etwa in Speicherseen. Das mit Überschussstrom in den See gepumpte Wasser ist dort konstanter gespeichert als die Bewegungsenergie im Schwungrad. Es hat das Potenzial, mechanisch Energie zu erzeugen, indem Schleusen geöffnet werden, wonach es zu Turbinen fliesst und diese antreibt.

Als elektrochemische Speicher definiert sind Batterien und Akkumulatoren. Nutzt man die zu speichernde elektrische Energie für eine umkehrbare chemische Reaktion, erhält man Brennstoffe wie Methan, aus denen Monate bis Jahre später wieder Energie gewonnen werden kann. Man spricht dann von einem stofflichen chemischen Speicher.

Langzeitspeicher gleichen nicht nur Angebot und Nachfrage aus. Sie haben auch den wirtschaftlichen Vorteil, dass ihre Betreiber Strom kaufen können, wenn er gerade am Preisminimum ist, um ihn später zu einem höheren Preis wieder zu verkaufen.

TEC21, Fr., 2017.04.07

07. April 2017 Nina Egger

Der Speicher im Haus

Batterien sind nicht nur etwas für den Radiowecker oder die Fernbedienung. Mit grösseren Modellen lassen sich – zumindest teilweise – auch Häuser betreiben. Das zeigt das Beispiel eines Mehrfamilienhauses im luzernischen Aesch.

Es ist eine Krux: Das Angebot an erneuerbaren Energien wie Solar- oder Windstrom schwankt ständig – und das sowohl tageszeitlich als auch saisonal. Dazu kommen die Nutzerinnen und Nutzer, die ihren Energieverbrauch naturgemäss auch nicht gleichmässig über 24 Stunden und das ganze Jahr verteilen.

Ausgleich schaffen hier Kurzzeitspeicher wie Akkumulatoren, die allgemein gebräuchlich – wenn auch technisch nicht korrekt – synonym Batterien genannt werden. «Echte» Batterien dienen dem einmaligen Gebrauch, Akkumulatoren sind mehrfach wiederaufladbar. Im Gegensatz zu Pumpspeicherkraftwerken (vgl. «Bei Bedarf auf oder ab») mit Leistungen über 1000 MW bewegt sich das Spektrum von Batterien im Bereich von einigen Kilowatt (einzelne Batterien für Elektroautos oder als Photovoltaikspeicher in Gebäuden) bis in den zweistelligen Megawattbereich für Batteriespeicherkraftwerke.

Im Wohnbereich gilt die Faustformel: Pro 1000 kWh/a Verbrauch benötigt man ca. 1 kWp Photovoltaik und 1 kW Speicher, um den Eigenversorgungsgrad durch die PV-Anlage auf sinnvolle 60–80 % zu erhöhen. So muss weniger Strom zugekauft werden, und weniger Überschuss gelangt ins Netz. Die Anlagen sind auf diese Weise nicht überdimensioniert, der finanzielle Aufwand für den Bau und die Ersparnisse im Betrieb halten sich die Waage.

Batterien im Gebäudebereich funktionieren wie jene für Elektroautos oder Wohnwagen. Teilweise erhalten sogar alte Fahrzeugbatterien durch den Einbau in ­Gebäude ein zweites Leben. Die meisten Batteriesysteme bieten neben der Speichermöglichkeit zusätzliche ­Energiemanagementfunktionen. Damit lassen sich Verbrauchsgeräte bei Energieüberschuss zuschalten, immer mit dem Ziel, möglichst viel des eigenen Solarstroms auch selber zu nutzen. Plug-and-play-Konfigurationen sind eingestellt auf Batterieladung während der Hauptproduktionszeit und auf Batterienutzung zu Zeiten, in denen Strom üblicherweise teuer ist.

Alt, doch immer wieder neu

Nach über 150 Jahren am Markt befinden sich Blei­akkumulatoren auf dem Rückzug. Sie fungieren noch immer als Starterbatterien für Kraftfahrzeuge, bei Elektrofahrzeugen wurden sie aber wegen ihres hohen Gewichts und ihrer geringen Energiedichte bereits von Lithium-Ionen-Akkumulatoren verdrängt.

Genau diese sind es auch, die in Gebäuden und grossen Batteriespeicherkraftwerken eingesetzt werden. Es gibt sie in Kombination mit verschiedenen Elektrodenmaterialien, die alle in unterschiedlichen Bereichen punkten. So ist Lithiumtitanat beispielsweise für tiefe Temperaturbereiche ab – 40 °C besonders geeignet. Das Grundprinzip ist immer gleich: Beim Laden wandern Lithiumionen von der positiven Elektrode in die Schichten der negativen, beim Entladen bewegen sie sich wieder zurück. Dieser Prozess kann nicht unendlich oft wiederholt werden und beschränkt damit die Lebensdauer des Akkumulators.

Aktuell gibt es zahlreiche Forschungsprogramme, die sich mit anderen Materialkombinationen befassen – so könnten etwa Thermalbatterien, die Salze als Elektrolyte verwenden, die Energieträger der näheren Zukunft werden.

Camouflage an der Fassade

Eine Kombination von Photovoltaikanlage und Lithium-Ionen-Akkumulatoren besitzt das 2016 fertiggestellte Mehrfamilienhaus Chrüzmatte im Dorfzentrum von Aesch am Hallwilersee. Der Hybridbau aus Holz und Beton des Luzerner Architekten Mark Röösli erfüllt den Minergie-A-Eco-Standard und wurde 2016 mit einem Schweizer Solarpreis-Diplom ausgezeichnet. Er steht auf einem Sockel, der das abfallende Grundstück nivelliert und die Einstellhalle mit 21Parkplätzen beherbergt. Drei Geschosse enthalten acht Zwei- bis Vierzimmerwohnungen, das ausgebaute Dach bietet Platz für zwei Maisonettewohnungen mit je fünfeinhalb Zimmern.

Um ein homogenes Dachbild zu erhalten, ­wurden beide Seiten des Satteldachs vollflächig mit Photovoltaikmodulen gedeckt, mit einer Leistung von insgesamt 51 kWp. Erstaunlich dabei war für die Beteiligten, dass das nach Norden orientierte Dach trotz der relativ starken Neigung von 45° einen substanziellen Teil des Stromertrags liefert, nämlich mehr als die Hälfte von jenem des südlichen Dachs. Gegen Osten, Süden und Norden hat das Haus eine silbergraue Fassade aus Lärchenholz. Speziell ist die Westfassade mit auf Mass gefertigten 204 × 232 cm grossen 11 kWp Glas-Glas-PV-Modulen. Diese wurden im Werk laminiert, um die Holzlattenstruktur zu imitieren. Wegen des Siebdruck-Ätztons gelangt etwas weniger Licht durch die Glasplatten; die Anlage liefert 5 % weniger Strom.

Jährlich produziert die 74 m² grosse PV-Fassade rund 6500 kWh, die 276 m² grosse Anlage auf dem Dach rund 39 400 kWh Solarstrom. Damit deckt die Solarenergie rechnerisch rund 50 % des Gesamtenergiebedarfs des Zehnfamilienhauses – dank der 22–35 cm starken Dämmung, der LED-Beleuchtung und der ­Nutzung energieeffizienter Geräte liegt dieser bei nur 91 300 kWh/a.

Teile und speichere

Um mit den voraussichtlich produzierten rund 45 800 kWh Strom nicht das örtliche Stromnetz zu belasten, sondern ihn möglichst selber zu nutzen, bildete man mit dem benachbarten Gasthof Kreuz eine Eigenverbrauchsgemeinschaft. So konsumiert das Gasthofgebäude jetzt ebenfalls den tagsüber produzierten ­Solarstrom. Drei als Lithium-Ionen-Akkumulatoren ausgeführte Batteriespeicher mit einer Kapazität von insgesamt 41 kWh ergänzen die Anlage. Sie speichern den weiterhin anfallenden Energieüberschuss für den Verbrauch in der Nacht. Schätzungen zufolge können so mindestens 50 % des gesamten produzierten Stroms vor Ort selber direkt oder nach Zwischenspeicherung in der Batterie gebraucht werden. Die andere Hälfte wird in das Netz eingespeist.

Der bewusste Umgang mit den Ressourcen zieht sich durch die gesamte Planung: So können die Mieterinnen und Mieter ein liegenschaftseigenes Elektro­auto nutzen, und um die Motivation zum bewussten Umgang mit Energie zu stärken, schenkt die Eigentümerin jedem und jeder Erwachsenen pro Jahr 1000 kWh Solarstrom. Bei sparsamem Umgang kann das schon ein Drittel des Verbrauchs ausmachen. Die drei Batteriespeicher leisten ihr Übriges zum schmalen ökologischen Fussabdruck.

TEC21, Fr., 2017.04.07

07. April 2017 Nina Egger

Der Photosynthese auf der Spur

(SUBTITLE) Power to Gas - Stromspeicher Grösse M

Die Kohlenstoffchemie dominiert das Energiesystem, doch das Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas ist schuld am Treibhauseffekt. Wasserstoff ist die klimaschonendere Brennstoffalternative. Das flüchtige Gas bietet sich zusätzlich zur Stromspeicherung an.

Die Elektrolyse ist der Anfang der natürlichen Photosynthese, gehört zum Chemie-Lernstoff auf Stufe Mittelgymnasium und wird bald für das Curriculum von Gebäudeplanern unverzichtbar. Die dazu erforderlichen Apparaturen und Tanks stehen nicht nur in Hochschullabors, sondern bereits auch im Untergeschoss der ersten Kraftwerkhäuser der Schweiz. Im Prinzip verwandelt sich dadurch Wasser in flüchtige Gase.

Konkret bringt Überschussstrom, beispielsweise aus einer Photovoltaik­anlage, diesen chemischen Prozess zum Laufen: Das H2O-Molekül wird mit sehr viel elektrischer Energie in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) aufgespalten. Letzterer darf unbedenklich entweichen; Ersterer lässt sich demgegenüber mit grossem Volumen und über längere Zeit relativ einfach speichern. Und bei Bedarf wird dieser Wasserstoff durch eine Brennstoffzelle gejagt, was Strom, Wärme und Wasser erzeugt. Das Elektrolyse-Brennstoffzelle-Duo ist deshalb Kernelement der noch jungen Power-to-Gas-Technologie und Hoffnungsträger für die emissionsarme Energiezukunft.

In Brütten bei Winterthur (vgl. «Egoist», TEC21 7–8/2017) und in Küsnacht, Vor­ort von Zürich, steht jeweils ein kleiner Elektrolyseur im Hauskeller; in der Aarmatt, direkt neben dem Bahnhof Solothurn, wird jedoch der grösste der Schweiz mit einer Leistung von 350 kW betrieben. Das «Hybridwerk» sprengt den gebäudebezogenen Rahmen; die Wasserstoffspeicher sind direkt in das öffentliche Stromnetz integriert. Letzten Sommer begann die Testphase; diverse Hochschulen begleiten das Pilotprojekt des städtischen Energieversorgers, das von EU-Forschungsgeldern profitiert. Während die Wasserstoffspeicherung in Deutschland an sieben Standorten mit Grossanlagen praxisnah erprobt wird, hat das Paul-Scherrer-Institut in Villigen AG nun eine weitere P-t-G-Versuchsplattform installiert.

Speicher wird zum Energierelais

«Power to Gas» ist aber nicht nur ein reversibles Speicherprinzip, sondern erlaubt auch eine erweiterbare Energienutzung. Der gespeicherte Wasserstoff ist als Energieträger für die Strom- und Wärmeproduktion verwendbar und steht als Treibstoffersatz für Personenwagen oder Busse zur Verfügung. Diese Relaisfunktion kann ausgebaut werden, wenn Strom in Methan umgewandelt und gespeichert wird. Auch diese Umwandlung startet mit einem Elektrolyseprozess, wobei das Wasserstoffspaltprodukt mit Kohlendioxid zu synthetischem Methan weiterreagiert. Weil diese Reaktion selbst viel Energie konsumiert, wird im Hybridwerk Aarmatt eine biochemische Alternative erforscht. Der algenähnliche Organismus Archea methanisiert H2 und CO2 bei geringerem Energieaufwand.

Vorstellbar ist ein alternatives Verfahren, bei dem das CO2 aus den Abgasen von Heizungsanlagen oder aus der Umgebungsluft gewonnen werden könnte. Gemäss Peter Jahnson, Projektleiter der PSI-Plattform, ist dies jedoch selbst bei dezentralen Anwendungen im Gebäudepark kaum ökonomisch vertretbar. Zudem würde mehr Energie verloren gehen. Kann der Elektrolyse/Brennstoffzelle-Zyklus zumindest die Hälfte des gespeicherten Stroms wieder nutzbar machen, sinkt dieser Anteil bei zusätzlicher Methanisierung unter 40 %. Der Forschungsbedarf liegt genau darin, die Effizienz der Power-to-Gas-Speicherung zu verbessern. Das Paul-Scherrer-Institut entwickelte deshalb ein Brennstoffzellenmodul mit Wirkungsgrad von 70 % bei der Wiederverstromung von Wasserstoff. Konventionelle Modelle erreichen nur 60 %.

Elektrolyse mit weniger Energiebedarf?

Auch die Elektrolyse ist energieintensiv. Während die Pflanzen dazu das Sonnenlicht nutzen, gilt es im in­dustriell ausgereiften Imitationsverfahren bewährte Details weiter zu verbessern. Erforscht werden unter anderem Materialien und Milieus, die bei geringerer Stromstärke Wasser aufspalten können. Die aktuellste Errungenschaft sind selektive Membranen, die Was­ser­stoff und Sauerstoff trennen. Polymer-Elek­tro­lyt-Membran-Elektrolyseure eignen sich für den Einsatz in einem schnell und stark fluktuierenden Stromnetz. Allerdings sind die Filtermembranen anfällig für hohen Druck, was die Anlagengrösse bislang limitiert.

Die PSI-Plattform in Villigen bietet zusätzliche Optionen zur Erforschung von Power-to-Gas-Speichern in jeweils variablen Betriebszuständen.

Das prompte Reagieren auf unterschiedliche Spannungen im Stromnetz ist eine zentrale Anforderung: «Änderungen in der Stromlast innert Millisekunden» zählen gemäss Jansohn zu den erwünschten Versuchskonstellationen. Die unterschiedlichen Einzelkomponenten wie Elektro­lyseur und Druckspeichertanks werden jeweils als Teil eines erweiterbaren Gesamtsystems überprüft.

Die Erfahrungen aus den deutschen Demonstrationsanlagen, die teilweise drei und mehr Jahre laufen, stimmen jedoch positiv. Gemäss einer Analyse der deutschen Energieagentur hat sich die technische Machbarkeit mehrheitlich bestätigt. Auch die Betriebssicherheit von Wasserstoffanlagen wurde verbessert.

Der Hauptantrieb für die Umwandlung von Strom zu Gas ist in Deutschland weniger der Gebäudebereich als vielmehr die emissionsarme Mobilität. Die grossen Autokonzerne beteiligen sich an den aktuellen Versuchsanlagen. Nicht nur Architekten, auch Automobilisten werden sich also mit dem Prinzip der Elek­trolyse inskünftig beschäftigen müssen.

TEC21, Fr., 2017.04.07

07. April 2017 Paul Knüsel

Bei Bedarf auf oder ab

Moderne Maschinentechnik erschliesst neue Möglichkeiten für ­Pumpspeicherwerke. So kann die indirekte Stromspeicherung auch ­zukünftig einen wichtigen Platz auf dem Energiemarkt einnehmen.

Ein Pumpspeicherkraftwerk benutzt Strom, um mit leistungsfähigen Pumpen Wasser von einer tieferen Lage auf eine höheres Niveau zu befördern.

Üblicherweise geschieht dies zwischen zwei Stauseen, es ist aber auch möglich, Flusswasser oder Wasser aus natürlichen Seen in höher gelegene Becken zu pumpen. Das hochgepumpte Wasser besitzt aufgrund seiner neuen Höhenlage eine grössere potenzielle Energie, auch Lageenergie genannt. Diese Energie kann man wieder in Strom verwandeln, indem man das Wasser bei Bedarf durch Druckleitungen abwärts fliessen lässt und damit Turbinen antreibt.

Aufgrund von Verlusten beim Pump- und anschliessenden Turbinenbetrieb kann die beim Hinaufbefördern aufgenommene Energie nur zum Teil wieder an das Netz zurückgegeben werden. Verluste von etwa 20 % sind üblich. Die Energiebilanz eines Pumpspeicherkraftwerks fällt also immer negativ aus – das trifft aber auch auf alle anderen Stromspeichermedien zu. Derzeit gelten Pumpspeicher als einzige wirtschaftliche Möglichkeit, elektrische Energie im grossen Stil zu speichern.

Überschuss nach oben

In der Vergangenheit machten Pumpspeicher in erster Linie deshalb Sinn, weil sie überschüssige Energie aus Grundlastkraftwerken speichern konnten. Laufwasser- und Kernkraftwerke, die vorwiegend der Erzeugung der Grundlast dienen, müssen für eine wirtschaftliche Betriebsweise möglichst gleichmässig in ihrem jeweils optimalen Betriebszustand gefahren werden. Dadurch erzeugen sie rund um die Uhr Strom auf einem annähernd konstanten Niveau. Strom wird jedoch nicht gleichmässig benötigt. Oft klafft eine Lücke zwischen Stromangebot und -nachfrage. Im schlechtesten Fall wird zu Spitzenzeiten mehr Strom benötigt, als gleichzeitig erzeugt wird und im Netz vorhanden ist. Dies könnte zu einem Netzzusammenbruch, einem Blackout, führen.

Nun bestünde theoretisch die Möglichkeit, die Grundlast durch den Bau zahlreicher Kraftwerke so weit zu erhöhen, dass auch alle Spitzenlasten abgedeckt wären. Wirtschaftlich und umwelttechnisch wäre dies jedoch nicht sinnvoll, denn zugleich erhöhten sich auch die überschüssigen Energien in Zeiten ge­ringerer Nachfrage. Pumpspeicher können auf dieses Dilemma der Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage reagieren. Mit Überschussstrom aus Grundlastkraftwerken, vorwiegend nachts erzeugt, werden die oberen Speicherbecken vollgepumpt. Zu Spitzenzeiten, beispielsweise mittags, wenn die Elektroherde angehen, kann dieses Wasser wieder in Strom umgewandelt ­werden. Ein lukratives, über Jahrzehnte gut eingespieltes Geschäft. Eine Reduzierung thermischer Kernkraftwerke in Europa im Zug der angestrebten Energiewenden führt zwangsläufig zu einem geringeren Angebot an billigem überschüssigem Grundlaststrom. Hinzu kommt, dass Solar- und Windkraftwerke oftmals die meiste Energie zu Spitzenstromzeiten liefern. Dies schränkt den klassischen Markt für Pumpspeicher ein.

Um Ausgleich bemüht

Ein rückläufiger Markt, und doch setzen die Verkäufer, in diesem Fall die Energiekonzerne, mit neuen oder grösser ausgebauten Pumpspeichern auf Expansion? Einen Grund für den Aufwind der Pumpspeicherung liefern Wind und Sonne. Die zeitlich ungleichmässige Verfügbarkeit der nicht fossilen Energieträger hat Konsequenzen. Zum einen fällt Überschussstrom unregelmässiger an – auch zu eigentlichen Spitzenzeiten ist ein Überangebot an Strom durchaus möglich. Zum anderen wird die Netzregelung noch komplexer werden. Pumpspeicherkraftwerke können immense Energiemengen verarbeiten bzw. zur Verfügung stellen und so das Netz ausgleichen – wenn sie darauf vorbereitet sind.

Alles eine Frage der Zeit

Das europäische Stromnetz hat eine Standardfrequenz von 50 Hertz. Wird zu wenig Strom verbraucht, steigt die Frequenz, wird mehr Strom bezogen, als gerade generiert wird, sinkt sie ab. Bei einer zu starken Ab­weichung (≥ 0.2 Hz) drohen Schäden an elektrischen Maschinen oder gar ein Netzzusammenbruch. Folglich müssen Netzregelungen sehr schnell vor sich gehen.

Sehr schnell bedeutet in diesem Zusammenhang ­zwischen 30 Sekunden bei einer Primärregelung und 15 Minuten bei einer Tertiärregelung (vgl. «Frequenzregelung», Kasten unten).

Die eingebaute Technik setzt älteren Pumpspeichern bei der Netzregelung Grenzen. Ausgestattet mit Synchronmaschinen können sie im Pumpbetrieb nur bedingt zur Netzregelung beitragen. Synchronmaschinen haben, abhängig von der eingebauten Polanzahl, eine der Netzfrequenz entsprechende Drehzahl. Da das Stromnetz 50 Schwingungen pro Sekunde aufweist – 1 Hertz entspricht einer Schwingung pro Sekunde – dreht sich eine zweipolige Maschine, die als Generator oder Motor verwendet wird, folglich 50 Mal pro Sekunde respektive 3000 Mal pro Minute. Sie läuft synchron mit dem Stromnetz. Bei Einsatz mehrpoliger Synchron­maschinen reduziert sich die Umdrehungszahl zwar, das Verhältnis zur Frequenz des Stromnetz bleibt jedoch starr. Auf den Pumpbetrieb hat dies gravierende Auswirkungen. Eine Synchronmaschine ist, als Pumpe verwendet, nicht regelbar; man kann sie nur an- oder ausschalten. Ist nun Überschussleistung im Netz vorhanden, die geringer als die Pumpenleistung ist, lässt sich die Pumpe nicht verwenden. Für eine Netzregelung mit Synchronmaschinen im alleinigen Pumpbetrieb müsste daher eine Unzahl von Pumpen unterschiedlicher Leistung bereitstehen. Technisch und wirtschaftlich lässt sich das nicht realisieren.

Moderne Pumpspeicherwerke umgehen dieses Dilemma der Synchronmaschine auf verschiedene Arten. Sie werden somit nicht nur bei Turbinenbetrieb, sondern auch bei Pumpbetrieb für die Netz­regelung interessant und füllen dabei gleichzeitig ihre Wasserreservoire für die Spitzenstromerzeugung auf.

Kurzschluss, Asynchron, Vollumrichter

Das Kopswerk II in Vorarlberg hat eine Leistung von 480 MW im Pumpbetrieb und ist seit 2008 am Netz. Trotz Ausrüstung mit drei Synchronmaschinen kann es zur Netzstabilisierung beitragen. Der Trick dabei ist die Anwendung eines hydraulischen Kurzschlusses. Die Turbine ist in Kops II von der Pumpe getrennt. Die beiden einzelnen Bauteile haben je einen eigenen Wasserstrang. Dies eröffnet die Möglichkeit, die Turbine und die Pumpe gleichzeitig zu betreiben. Bei einem Leistungsüberschuss im Stromnetz, der unter der ­Pumpenleistung liegt, stellt die Turbine die noch zusätzlich be­nötigte Strommenge zur Verfügung. Die dem überschüssigen Netzstrom entsprechende Wassermenge landet letztlich im oberen Speicherbecken und steht zur Strom­erzeugung bereit.

Die 2017 und voraussichtlich 2018 in Betrieb gehenden Pumpspeicherwerke Limmern GL (vgl. TEC21 19/2017, erscheint am 12. 5. 2017, und TEC21 46/2012) und Nant de Drance VS (vgl. TRACÉS 03/2017) sind mit 1000 und 900 MW Pumpleistung Giganten ihrer Art. Sie setzen auf den Einsatz von Pumpturbinen und Asynchronmaschinen. Bei Pumpturbinen handelt es sich nicht um zwei getrennte Bauteile. Die Turbine ist gleichzeitig die Pumpe, je nachdem, in welche Richtung das Wasser fliessen soll. Eine Pumpturbine benötigt daher nur einen Wasserstrang. Die Drehzahl des Asynchrongenerators, der als Motor verwendet auch die Pumpe antreibt, kann innerhalb bestimmter Frequenzen geregelt werden. Asynchronmaschinen können somit die Pumpleistung der Netzüberschussleistung anpassen. Die Pumpe wird nicht nur an- oder ausgeschaltet, ihr Einsatz ist bei angepasster Leistung öfters möglich.

Ein anderes Konzept ist im Kraftwerk Grimsel 2 umgesetzt. Eine der vier bereits vor­han­denen Synchronmaschinen mit je einer Pump­leistung von 90 MW wurde 2013 durch einen Frequenz­umrichter ergänzt. Der 100-MW-Vollumrichter ist der grösste in einem Wasserkraftwerk verbaute weltweit. Die Synchronmaschine kann nun – auch ohne einen hydraulischen Kurzschluss wie beim Kopswerk II – Wasser entsprechend dem Stromangebot pumpen. Ein vielversprechender Vorteil des Einsatzes eines Frequenzumrichters liegt auf der Hand: Bereits installierte Synchronmaschinen können beibehalten werden, sofern genügend Platz für den Umrichter vorhanden ist oder in den oftmals engen Kavernen geschaffen wird. Dies bietet interessante Möglichkeiten zur Aufrüstung bestehender Anlagen.

Auf Hochtouren weiterpumpen

Die Pumpspeicherung passt sich derzeit den veränderten Bedingungen in der Stromlandschaft an. Sie wird weiterhin ihr altes Marktfeld der Spitzenstromerzeugung abdecken können, sogar mit einem ökologischen Vorteil: Der Strom, der für das Pumpen des Wassers aufgewendet wird, wird zukünftig vermehrt aus regenerativen Energiequellen stammen. In der Netzregelung wird die Pumpspeicherung einen noch wichtigeren Platz als bisher einnehmen können.

Den grossen Maschinen in den Pumpspeicherwerken könnte hierbei künftig noch eine weitere Rolle zufallen.

Die Reduzierung konventioneller Kraftwerke zieht einen Verlust von Rotationsenergie aus Genera­toren nach sich. Diese wird bei einem Leistungsüberschuss aus elektrischer Energie erzeugt und im Fall eines Leistungsdefizits in elektrische Energie über­geführt. Die so entstehende Momentanreserve stützt die Frequenz und stabilisiert das Netz. Je weniger ­Rota­tionsenergie am Stromnetz vorhanden ist, desto ­schneller wirken sich Störungen auf die Frequenz aus.

Dies kann negative Einflüsse auf die verfügbare Reaktionszeit bei der Netzregelung nach sich ziehen. Falls ein solches Szenario eintritt, wird es notwendig sein, das Stromnetz schneller als bisher und öfters zu stabilisieren. Die grossen Massen der regelbaren Generatoren in den Pumpspeicherwerken wären hierfür geeignet: Durch Abbremsen auf eine niedrigere Umdrehungsgeschwindigkeit sind sie in der Lage, in Bruchteilen von Sekunden dem Netz Energie zur Verfügung zu stellen und dadurch zu einer extrem schnellen Stabilisierung beizutragen. Die Zukunft wird es zeigen.

TEC21, Fr., 2017.04.07

07. April 2017 Peter Seitz

4 | 3 | 2 | 1