Editorial

Wie unsere Newsletter- und Facebook-Abonnenten und -Abonnentinnen wissen, haben wir bei der Stichwahl der Bundespräsidentschaftswahl in Österreich erstens dazu aufgerufen wählen zu gehen und zweitens Van der Bellen zu wählen. Wir haben so einen Aufruf zum ersten Mal in unserer 17-jährigen Vereinsgeschichte gemacht und auch wenn der Vorsprung von Van der Bellen schlussendlich 7,6 % bzw. rund 350.00o Stimmen betragen hat und somit viel deutlicher als erwartet war, bereuen wir den Schritt nicht. Wir haben uns in der letzten Zeit immer wieder mit der Frage, wer welche Rechte in der Stadt hat, und dem Thema Urban Citizenship beschäftigt und werden uns auch in nächster Zukunft damit und mit der Frage nach den Möglichkeiten einer Neugestaltung der Demokratie auseinandersetzen. Wir sehen hier sowohl dringenden Handlungsbedarf als auch spannende Initiativen und blicken beispielsweise sehr aufmerksam und interessiert nach Barcelona oder in Städte, die Anstrengungen in Sachen Urban Citizenship unternehmen.

Bei vielen Wahlen der letzten Jahre zeigen sich in unterschiedlichen Ländern ähnliche Phänomene. Rechte, ausländerfeindliche Parteien werden bevorzugt in Gegenden gewählt, in denen der Anteil der Bewohner und Bewohnerinnen ohne Staatsbürgerschaft des entsprechenden Landes eher unterdurchschnittlich ist, und sie werden auf dem Land eher gewählt als in der Stadt. In Wien schneidet die FPÖ beispielsweise in den Bezirken mit dem höchsten Anteil an Menschen ohne österreichischer Staatsbürgerschaft regelmäßig schlechter ab als in solchen mit geringerem Anteil. Bei der vergangenen Bundespräsidentschaftswahl hat der Kandidat der FPÖ in Wien ca. ein Drittel der Stimmen erhalten, in „ländlich geprägten Regionen“ rund 56 Prozent. Dieses Ergebnis wundert einen nicht besonders, ist die FPÖ doch alles andere als eine urbane Partei und sie würde aus Wien wohl eine große Gated Community machen, hätte sie die Möglichkeit dazu.

Antiurbanismus und Großstadtfeindschaft haben bei rechten Parteien eine lange Tradition und damit schlagen wir den Bogen zum Schwerpunkt dieser Ausgabe. Der Schwerpunkt ist dem Thema Judentum und Urbanität gewidmet. Bodo Kahmann hat dafür einen Text über Großstadtfeindschaft und Antisemitismus verfasst und stellt darin die These auf, dass sich „eine wechselseitige Durchdringung von Antisemitismus und Großstadtfeindschaft“ erst zu dem Zeitpunkt Ende des 19. Jahrhunderts vollzog, als „Antisemitismus zum integralen Bestandteil einer völkischen Erneuerungs- und Wiedergeburtsrhetorik wurde, die von agrarromantischen Denkmustern durchzogen war.“
Wie Schwerpunktredakteur Joachim Schlör, der als Professor für Jewish/non-Jewish Relations an der Universität Southampton tätig ist, in seinem Vorwort schreibt, präsentieren die Beiträge des Schwerpunkts „einige(r) große(r) europäische(r) Städte als Orte des Aushandelns von Lebensmöglichkeiten und als Räume, deren Lektüre Erkenntnis verspricht.“ Diese Städte sind Warschau, Berlin, Antwerpen und London. Im Beitrag über Warschau, den Joachim Schlör selber verfasst hat, stehen die Erinnerungskultur und die jüdische Renaissance im Mittelpunkt. Laurence Guillon stellt das wechselseitige Verhältnis von Berlin und seiner jüdischen Bevölkerung bzw. die mittlerweile weltweite Berlinophilie von Juden und Jüdinnen ins Zentrum ihres Beitrags. Tobias Metzler zeichnet die jüdische Geschichte des Londoner East End und die Anglisierung seiner jüdischen Bevölkerung im 19. Jahrhundert nach und verweist auf Parallelen zur Kolonisierung in den von Großbritannien unterworfenen Weltgegenden. Veerle Vanden Daelen schließlich wirft einen genauen Blick auf die engen Verbindungen des orthodoxen Judentums mit dem Diamantensektor in Antwerpen und porträtiert das jüdische Leben der Stadt.

Wenn es um Judentum und Urbanität geht, darf ein Beitrag über Wien natürlich nicht fehlen. Und so gibt es im Magazinteil einen Text des Schriftstellers Alexander Peer über Leo Perutz zu lesen, dessen Todestag sich 2017 zum 60. Mal jährt. Von ihm, der 1938 aus Wien fliehen musste und sich in Tel Aviv niederließ, ist ein Zitat überliefert, in dem er seine Sehnsucht nach Wien folgendermaßen erkennen lässt: „Eigentlich wäre mein Lebensproblem gelöst, wenn ich ein kleines Haus bauen könnte, von dessen vorderen Fenstern man die Omarmoschee sieht und von den hinteren den Kahlenberg.“
Ein gänzlich anderes Thema greift Carina Sacher in ihrem Beitrag über Zeitungszusteller in Wien auf. Sie beschreibt die urbanen Nischen, die von diesen nachts für ihre Arbeit genutzt werden und den stillen, fast unbemerkten Ablauf ihrer prekären Tätigkeit, von der nur das Ergebnis – die in der Früh vor der Haustür liegende Zeitung – ein sichtbares Zeichen hinterlässt.

Das Kunstinsert hat diesmal der dérive-Redakteur Andreas Fogarasi, der jüngst für sein künstlerisches Werk mit dem renommierten Otto Mauer Preis ausgezeichnet worden ist, ausgewählt. Es stammt von Susanne Kriemann, die zuletzt in der Ausstellung Beton in der Wiener Kunsthalle vertreten war. Dort hat sie das Werk One Time One Million gezeigt, das auch ihrem Insert in dérivezugrunde liegt. Eine Ausstellung von Andreas Fogarasi ist noch bis 17. Januar in Wien im Jesuitenfoyer zu sehen.
In dieser Ausgabe taucht – nach kurzer Pause – auch die Geschichte der Urbanität wieder auf, diesmal allerdings nicht als neue Folge der Serie von Manfred Russo, sondern als umfangreiche Auseinandersetzung von Klaus Ronneberger mit Manfred Russos Buch Projekt Stadt – Eine Geschichte der Urbanität. Das Buch gibt es auch – als Paket mit einem 3-Jahres-Abonnement – in unserer aktuellen Aboaktion.
Für Bestellungen aus Österreich bzw.
für Bestellungen von außerhalb Österreichs, aber innerhalb Europas

Schöne Grüße von der Mazzesinsel
Christoph Laimer

Inhalt

Vorwort
Joachim Schlör

Das Phänomen der jüdischen Berlinophilie
Laurence Guillon

Der dunkle Kontinent unweit des Hauptpostamts. Das jüdische London aus (post)kolonialer Perspektive
Tobias Metzler

Warschau – jüdische Absenz, jüdische Präsenz
Joachim Schlör

Antisemitismus und Großstadtfeindschaft
Bodo Kahmann

Diamanten und Orthodoxie? Ein historischer Blick auf jüdisches Leben in Antwerpen
Veerle Vanden Daelen

Kunstinsert

Susanne Kriemann: One Time One Million
Andreas Fogarasi

Magazin:
Zwischen An- und Abwesenheit Mikro-Verteilerzentren in urbanen Nischen
Carina Sacher

In Ketten durch Wien. Leo Perutz – Zwischen neun und neun
Alexander Peer

Was ist Urbanität? Eine Auseinandersetzung mit Manfred Russos Buch Projekt Stadt
Klaus Ronneberger

Besprechungen:
Wunschmaschine Gemeindebau
Robert Temel

Am Ende der Anfang?
Andre Krammer

Kreativpolitik und städtisches Regierungshandeln
Klaus Ronneberger

Zweimal Leben! Wie sich durch Film unsere Realität erweitert
Ursula Probst

Judentum und Urbanität

„One person’s Jerusalem is not another’s“, schreiben Esther Benbassa und Jean-Christophe Attias. Wir alle, Stadtbewohner und -bewohnerinnen doch zumeist, haben unsere Vorstellungen von einer guten Stadt, von einem Leben im Zwischenspiel von Diversität und Harmonie. Zu begreifen, dass der Nachbar – auf der Straße, im Kaffeehaus, am anderen Ende der Stadt – womöglich eine andere Vorstellung vom richtigen Leben hat, und Wege zu finden, wie sich die vielen unterschiedlichen Hoffnungen miteinander arrangieren können, wäre die erste Voraussetzung für städtisches Zusammenleben. Das gilt heute, aber es hat auch eine historische Dimension. Ich lese gerade wieder einmal Paul Nizon und bin von seiner „Urbomanie“, seiner Liebe zum Städtischen, begeistert – denke aber auch beim Lesen, dass wohl keine andere Kultur die Idee und die Realität des Stadtlebens so konsequent erlebt, geprägt und oft auch erlitten hat wie die jüdische.

Bin ich damit schon in die Falle des Stereotyps gestolpert? Juden seien, so Karl Kautsky 1911, „Stadtbewohner par excellence“, ein Satz, der auf vielfältige Weise gelesen werden kann, dem auf vielfältige Weise widersprochen werden kann. Oft genug in der jüdischen Geschichte, die grundsätzlich als Geschichte jüdisch/nichtjüdischer Beziehungen und im Kontext der allgemeinen Geschichte studiert werden sollte, war die Stadt feindliches Gelände, war „Judenviertel“ am Rande, war Ghetto, aber immer gab es darin auch die Hoffnung auf ein Jerusalem. Das konnte Wilna heißen oder Wien, Antwerpen oder New York, und für manche hieß (und heißt) es Jerusalem, und für jeden und jede sah es anders aus.

Dass es möglich ist, solche Fantasien, Hoffnungen und Ängste, Erfahrungen von Anwesenheit und Flucht, vom Unterwegssein und vom Ankommen in Stadt-Bildern auszudrücken und dabei sowohl die Liebe zum Wohnort wie die Furcht vor ihm zu veranschaulichen, den „Glauben an das Wohnen“ ebenso wie die Rettung in die Emigration, das zeigen die Beiträge dieser Sammlung. Sie präsentieren, dem Grundgedanken von dérive gemäß, die Straßen und Wohnviertel einiger großer europäischer Städte als Orte des Aushandelns von Lebensmöglichkeiten und als Räume, deren Lektüre Erkenntnis verspricht. Historische Situationen können beim aufmerksamen Gehen durch die Städte – und die Archive –wieder aufgerufen werden, wenn wir ihnen unser forschendes Engagement zuwenden. Laurence Guillon, Bodo Kahmann, Tobias Metzler und Veerle Vanden Daelen sind mit mir auf eine historische Promenade gegangen, in ganz unterschiedlichen Ansätzen, aber einig in der Zuneigung zum Städtischen. Dafür danke ich ihnen, wie ebenso Christoph Laimer, der uns den Raum für dieses Unternehmen gegeben hat.

dérive, Fr., 2017.01.13

13. Januar 2017 Joachim Schlör

Am Ende der Anfang?

Die Schau Am Ende: Architektur. Zeitreisen 1959–2019 und die Begleitpublikation Steiner´s Diary - Über Architektur seit 1959 adressieren gleichzeitig das kollektive Gedächtnis aller Architektur- und Stadtinteressierten, wie sie auch eine subjektive Zeitreise von Dietmar Steiner darstellen.

Steiner, der seit der Gründung des Wiener Architekturzentrums im Jahr 1993 dessen Direktor war, verabschiedet sich mit Ende des Jahres in den Ruhestand. Das scheint insofern konsequent, waren doch Institution und Person in der Ära Steiner schon immer untrennbar miteinander verbunden. So stehen auch in der aktuellen Schau und im nun veröffentlichten „Tagebuch“ die biografische Notiz, der Brief, die Erinnerung an eine persönliche Begegnung, gleichberechtigt neben der Nachlese unterschiedlicher Positionierungen in Praxis und Theorie. Dabei ist das Namedropping unausweichlich, handelt es sich doch auch um die Vorstellung eines erweiterten Freundeskreises. Streift man durch Schau und Katalog wird rasch deutlich wie eng die vielen Ismen der letzten fünfzig Jahre mit charismatischen Persönlichkeiten verbunden waren, die eine Idee, einen Stil, eine Haltung nicht nur behaupteten, sondern regelrecht verkörperten.

Chronologisch setzt die Schau mit dem letzten Kongress der CIAM – den Congrès Internationaux d’Architecture Moderne – 1959 in Otterloo ein, auf dem eine jüngere PlanerInnengeneration viele Dogmen der alten Modernen endgültig über Bord warf und so das einläutete, was wir heute vereinfacht als Postmoderne bezeichnen. Der Funktionalismus der Moderne, der zum letzten Mal eine Einheit von Politik und Raumproduktion proklamiert hatte, war da längst durch interne Kritik, als auch durch äußere Erschütterungen in die Krise geraten. Nach den CIAM fehlte der universale beziehungsweise der universalistische Bezugsrahmen und der Diskurs zersplitterte in den 1960er Jahren und den darauffolgenden Jahrzehnten in unzählige parallele Entwicklungen. Selbst Positionen, die sich auf einen Ismus einigen konnten, trennte oft mehr als sie auf den ersten Blick einigte. Driftet man in der Schau von den Collagen, Utopien, Manifesten der 1960er Jahre zu italienischen, österreichischen, Schweizer und angloamerikanischen Positionen der sogenannten Postmoderne bis man – schon etwas erschöpft – zur Signatur-Architektur der Gegenwart gelangt, so wirkt die Buntheit erst einmal gefährlich versöhnlich. So sehr sind wir schon an die Versuchsanordnungen, das Labor, den stilistischen Pluralismus und an die Stadt als Patchwork gewöhnt. Die Glasscheibe ist zersplittert und schon die Rekonstruktion kleinerer Fragmente erscheint schwierig. Dennoch kann man der Versuchung unterliegen – vielleicht etwas paranoid – nach subkutanen Strömungen zu suchen, die unter den charismatischen Oberflächen verborgen liegen mögen und die Ismen der letzten Jahrzehnte zu transzendieren vermögen. Man will sich ja nicht mit dem Geschichtsunterricht begnügen und hofft – auch wenn sich eine rückblickende Evaluierung aus der Perspektive der Gegenwart aus Gründen der Redlichkeit verbieten mag – etwas aus der Vergangenheit ableiten zu können. Wer genau hinsieht, kann vielleicht eine Pendelbewegung wahrnehmen. Und die geht hin und her zwischen einer Forderung nach einer weitgehenden Autonomie der Architektur (und des Städtebaus) und der Proklamation des Gegenteils, einer weitgehenden Ausdehnung der Disziplin, bis hin zur Selbstauflösung: „Alles ist Architektur!“ hieß es Ende der 1960er. Das kann rückblickend auch als eine Flucht nach vorn interpretiert werden. Die Welt und somit die Stadt waren da bereits ein unwirtlicher Ort, der Wohlfahrtsstaat, die Technikgläubigkeit, der Fortschrittsglaube insgesamt brüchig geworden. Da man nicht mehr so recht an eine tiefgehende Transformation der Wirklichkeit glaubte, träumten die einen von Parallelwelten, Blasen und Sciencefiction, die anderen von der Glitzerwelt des Pop und des Konsums. Ein anderer entdeckte die Stadt als Theater der Erinnerung wieder, dem seltsamerweise – und das fällt vielleicht gerade Nachgeborenen auf – die Gegenwart abhanden gekommen scheint, die ja gerade die Vergangenheit permanent hervorbringen muss.

Es lohnt sich in der Schau, wie auch bei der Lektüre des Katalogs, da und dort vom vorgegebenen Pfad abzuweichen und den Film rückwärts laufen zu lassen. Dann wachsen dem arrivierten Avantgardisten der Signatur-Architektur, der einen Anzug von Prada oder vielleicht auch nur einen von Knize trägt, wieder lange Haare und man kann ihm zuschauen, wie er Manifeste an die Wand wirft, die noch gegen das Establishment gerichtet sind, dem er später selbst angehören soll.

Auch kann es seltsam anmuten, wie exotisch gerade Strömungen wirken, die nur kurz zurückliegen. In diesem Sinn ist die Schau ehrlich und ungeschönt. Die subjektive Erinnerung Steiners ist nicht so selektiv und glättend wie der Zeitgeist. Und gerade das Unreine ist ja auch immer das Sympathische. Es hat ja auch etwas mit dem Alltäglichen zu tun und der Welt außerhalb der Akademien und Hochschulen. Der Aufruf eines ebenso aberwitzigen, wie intelligenten amerikanischen Ehepaars Anfang der 1970er, der sich nicht zuletzt gegen verstaubte Institutionen der Architektur- und Städtebaulehre richtete und forderte, doch endlich die Augen zu öffnen und in die Welt hinaus zu gehen, ist ja noch immer nicht verhallt. Zwanzig Jahre später war es ein Büro, das sich generell für metropolitane Angelegenheiten zuständig erklärte, das sich von dem Aufruf besonders angesprochen fühlte und das „Lernen von...“ zum (Anti)-Dogma erhob.

Aber: Wer lernen will, darf nicht im selben Augenblick kritisch sein. Doch von einer radikalen Kritik war man Anfang der 1990er Jahre ohnehin schon meilenweit entfernt. Die kritische Theorie und die negative Dialektik waren längst zu Grabe getragen. 1989 hörte für viele die Uhr zu ticken auf.

Das Ende der Geschichte wurde – vorschnell wie wir heute wissen – ausgerufen. Der postmoderne Zeitgeist in der Planungswelt hatte sich in einen spät-modernen Flattergeist verwandelt, der sich aus einem Cocktail von Affirmation und (oft nur ersehnter) Subversion nährte. An einem bestimmten Punkt gerinnt dann auch die Ambivalenz, die Eigenschaftslosigkeit zur Signatur. Die Sehnsucht nach langen Phasen der Nabelschau wieder part of the game zu sein, kann eben auch zu Risiken und Nebenwirkungen führen. Wer mutig auf der Welle surft, droht an die Felsen zu knallen. Das mag dann mitunter auch mehr mit Goethes Faust zu tun haben als mit der Wirklichkeit. Aber ist das nicht allemal besser, als am Strand in der Sonne zu liegen und dort von der Schönheit der Jugend (der Stadt) zu schwärmen?

Doch es gibt subkutane Strömungen, die auch in der Schau vertreten sind, die da und dort den Boden wieder zu verfestigen scheinen. Es sind wohl am ehesten jene, die vom alten Funktionalismus die soziale Frage geerbt haben, ohne an universelle Antworten zu glauben. Von einer orchestrierten Festlegung des Gebrauchs ist man bei der Wunschproduktion und der Ermöglichung angelangt. Die Fragen, die da gestellt werden, sind oft sehr einfach. Etwa: Wie kann man kostengünstig für die und mit der verarmte(n) Landbevölkerung im ländlichen Alabama bauen? Oder grundsätzlicher: Wie könnten neue Formen einer gemeinschaftsbasierten Raumproduktion aussehen? Eine Verschiebung vom Ismus zum Prozess wird da spürbar, die darauf hoffen lässt, endlich dem Spiegelkabinett zu entkommen, ohne wiederum in falschen Gewissheiten zu landen. Bedürfnisorientiertes Bauen Bottom-Up ist auch eine Form von Funktionalismus – der Kreis scheint sich dann doch zu schließen – aber im besten Fall kein kontrollierender und verfestigender, sondern ein offener.

Katalog
Kunstuniversität Linz (Hg.)
Steiner’s Diary. Über Architektur seit 1959
Zürich: Park Books, 2016
398 Seiten, 48 Euro

dérive, Fr., 2017.01.13

13. Januar 2017 André Krammer

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