Editorial

Innehalten, durchschnaufen, eine Standortbestimmung vornehmen – das machen Mannschaften in der Halbzeitpause. Und anschliessend geht man im besten Fall mit gesammelten Kräften zurück aufs Feld, versucht, Ergeb­nisse zu verbessern, gute Ansätze zu vertiefen.

Bei der Internationalen Bauausstellung IBA Basel 2020 geht es in die zweite Halbzeit. Die Plattform, die als Planungsinstrument die trina­tionale ­Region am Rheinknie zusammenwachsen lassen will, präsentiert dieser Tage im Rahmen der ­IBA Basel Expo 2016 den aktuellen Projektstand der interessierten Öffentlichkeit. Von einst 110 Projekten sind inzwischen drei umgesetzt und mit dem IBA-Label ausgezeichnet, 19 befinden sich auf gutem Weg, bei zehn scheint eine zumindest teilweise Realisierung bis 2020 möglich – wenn es der IBA gelingt, an den Schwung der ersten Halbzeit anzuknüpfen.

In den vergangenen Jahren hat TEC21 kontinuierlich über Entstehung, Etablierung und Fortschritte der IBA Basel 2020 berichtet. Nun schliessen wir uns der Standortbestimmung an, zeigen ­einen Überblick über die aktuellen Planungen und vertiefen einige exemplarische Projekte. Ein ­Interview mit IBA-Geschäftsführerin Monica Linder-Guarnaccia ergänzt die Beiträge um die Innensicht. Viel Spass beim Entdecken!

Tina Cieslik

Inhalt

AKTUELL
07 WETTBEWERBE
Hexenkessel mit zwei Türmen

15 PANORAMA
Perspektiven für die Agglomeration? | Glasfassaden – eine Gefahr für ihre Umgebung

22 VITRINE
Happy Birthday | Drinnen und draussen | Holz 2016

29 SIA
Der Nutzer im Mittelpunkt | Reduktion von Teilsicherheitsbeiwerten nicht zulässig | Neuer Geschäftsbereich «Kommunikation» | Erdbebensicher entwerfen | Ausbildungsinitiative für Bauleiter

35 VERANSTALTUNGEN

THEMA
36 IBA BASEL 2020

36 ZUSAMMEN WACHSEN
Tina Cieslik
Halbzeit heisst Standortbestimmung bei der IBA Basel 2020: ein Überblick über die laufenden IBA-Projekte, ergänzt um ausgewählte Vertiefungen.

42 «MAN MUSS GANZ KONKRET HINSCHAUEN»
Judit Solt
Zwei Sprachen, drei Länder, unzählige Akteure: Geschäftsführerin Monica Linder-Guarnaccia gewährt TEC21 einen Blick hinter die Kulissen der IBA.

AUSKLANG
49 STELLENINSERATE

53 IMPRESSUM

54 UNVORHERGESEHENES

Zusammen wachsen

Am Anfang war es eine Vision: drei Länder, vier Bundesländer, Kantone oder Departemente und eine Vielzahl an Städten und Gemeinden zu einer Re­gion zusammenwachsen zu lassen – zwischenmenschlich, räumlich, aber auch politisch und planerisch. Inzwischen ist diese Idee, wenn auch noch nicht realisiert, so doch auf dem Weg dazu, Schritt für Schritt umgesetzt zu werden.

Entstanden ist die IBA Basel 2020 aus der Arbeit des Trinationalen Eurodistricts Basel (TEB), einer Plattform, die das grenzüberschreitende Wirken auf der Ebene der Politik und der Verwaltung koordiniert. Die konzeptionellen und strategischen Planungen dieser Plattform schloss man 2009 mit einem Memorandum ab. Der Wunsch: ein grenzüberschreitendes Projekt für die Region. Zur Auswahl standen zunächst auch eine Expo oder eine Bewerbung für die Olympischen Spiele. Das Rennen machte mit einer Internationalen Bauausstellung IBA schliesslich ein Format, das in Deutschland eine lange Tradition hat. Ursprünglich tatsächlich als Werkschau zur zeitgenössischen Baukultur konzipiert, entwickelte sich das Format über die Jahre zu einem alternativen, jeweils temporär begrenzten Instrument von Städtebau und -planung.

In Basel startete die Umsetzung im Herbst 2010, im April 2011 ging man mit einem Projektaufruf an die Öffentlichkeit. Das Ergebnis waren weit über 100 Projektvorschläge. Ein wissenschaftliches Kuratorium prüfte sie auf die Kompatibilität mit den IBA-Kriterien «Modellcharakter», «transnational» und «Exzellenz (sozial, ökonomisch, ökologisch)» und kategorisierte sie in den Handlungsfeldern «Landschaftsräume», «Stadträume» und «Zusammen leben». Bei den Konzepten handelte es sich sowohl um bereits bestehende Planungen, die sich durch die Einbettung in die IBA einen neuen Schub erhofften, als auch um neue Ideen.

So geordnet und mit Empfehlungen zur Weiterbearbeitung ausgestattet, stellten sich die mehr als 40 übrig gebliebenen Projekte Anfang November 2011 der Öffentlichkeit vor. Auf Grundlage der Empfehlungen des Kuratoriums werden die Projekte Schritt für Schritt weiterentwickelt und durch das IBA-Büro begleitet. Dabei durchlaufen sie mehrere Stufen: Kandidatur, Vornominierung, Nominierung und Label.

Eine dreiwöchige Ausstellung der damaligen 43 vornominierten Projekte wurde im Herbst 2013 in Basel gezeigt. In der anschliessenden Vertiefungsphase galt es, die Machbarkeit zu konkretisieren. Die Rolle der IBA ist dabei vielfach die eines Moderators, der die Beteiligten an einen Tisch bringt, die Planungsprozesse begleitet und bei der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten hilft. Die Schwierigkeiten dabei liegen oft im Alltäglichen: abweichende Zeit- und Geldbudgets oder unterschiedliche Abläufe in politischen Prozessen (vgl. Interview: «Man muss ganz konkret hinschauen»).

Aktuell läuft die zweite Halbzeit der IBA Basel 2020: Bis zum 20. November können die drei bereits umgesetzten Projekte mit Label sowie die nominierten Konzepte im Rahmen der Zwischenpräsentation in der Voltahalle in Basel besichtigt werden. Dann gilt es, zum Endspurt anzusetzen: Wer sich mit dem IBA-Label schmücken will, muss in den beiden kommenden Jahren zumindest eine Teilumsetzung bis 2020 nachweisen können.(Tina Cieslik)

Ein Weg am Fluss: Rheinliebe

Die IBA Basel 2020 möchte die grenzüberschreitende Kooperationskultur zwischen Frankreich, der Schweiz und Deutschland im Raum Basel fördern. Dem Rhein als verbindendem, oft aber auch trennendem Element kommt dabei eine besondere Rolle zu: Zum einen ist «Vater Rhein» eine starke Identifikationsfigur, zum anderen zwingt die gemeinsame Verantwortung und Nutzung der ökologischen und wirtschaftlichen Ressourcen des Flusses zu kooperativem Handeln.

So erstaunt es nicht, dass beim Projektaufruf im Jahr 2011 mehrere Konzepte mit Bezug zum Fluss eingingen. Um die verschiedenen Ansätze und Ideen zu koordinieren, fasste die IBA Basel sie in der Projektgruppe «Rheinliebe» zusammen. Langfristig soll sich die ca. 80 km lange Zone an beiden Ufern zu einem zusammenhängenden und für die Bevölkerung zugänglichen Natur- und Landschaftspark entwickeln. Unter dem Dach der «Rheinliebe» entwickelte die ARGE Studio Urbane Landschaften im Auftrag der IBA einen sinnlichen Zugang zum Territorium, identifizierte «Verführungs-, Verschlossene und Bewundererlandschaften». Konkret verfolgt man unter anderem folgende Projekte: den Rheinuferweg St. Johann–Huningue (vgl. TEC21 20/2016); «Bad Bellingen rückt an den Rhein»; «RhyCycling revisited», den Rheinfelder «Rheinuferweg extended» und «Entdeckung Rhein».

Während bei den Rheinuferwegen die Erschliessung der Ufer als Erholungszone im Fokus steht, soll «Bad Bellingen rückt an den Rhein» den bisher durch Bahntrassee und Autobahn vom Altrhein abgetrennten Kurort näher an den Fluss bringen – mittels besserer Erschliessung für Fussgänger oder neuer Kanustationen. «RhyCycling revisited» untersucht die Kreisläufe von (Abfall-)Materialien rund um den Fluss. Die Ergebnisse werden in einem digitalen Archiv räumlich und zeitlich dokumentiert. Ein wichtiger Punkt der «Rheinliebe» ist der Anspruch an Vollständigkeit: Um alle Uferabschnitte einzubeziehen, hat die IBA Basel weitere Projektträgerschaften für die grenzüberschreitende «Rheinliebe» gewinnen können.

Die Projekte sind unterschiedlich weit fortgeschritten: So konnte im April der Rheinuferweg zwischen dem baslerischen St. Johann und dem französischen Huningue eingeweiht werden. Das Projekt hat das IBA-Label erhalten. Bei der Erweiterung des Rheinuferrundwegs in Rheinfelden hat im Herbst/Winter 2014/15 ein Projektwettbewerb für einen Steg über den Fluss stattgefunden, im Frühsommer 2017 soll mit den Bauarbeiten begonnen werden – der Projektstand entspricht einer Nominierung. (Tina Cieslik)

Industrie mit neuer Aufgabe: DMC Mulhouse

Das 75 Hektaren grosse Areal der ehemaligen Textilfabrik DMC (Dollfuss, Mieg & Cie) im französischen Mulhouse gehört zur IBA-Projektgruppe «Transformationsgebiete». Seit sich die Textilindustrie in den Fernen Osten verlagerte, ging die Produktion sukzessive zurück, das Areal wurde zur Industriebrache. Durch die gemeinsame Planung von unterschiedlichen Nutzern und der Stadt Mulhouse kann das historisch bedeutende Industriegebiet in den nächsten Jahrzehnten schrittweise umgenutzt und aufgewertet werden. Mit der Eröffnung des Tram-Trains, einer S-Bahn zwischen Mulhouse und Dornach (F), begann die Stadt 2010 die Rückeroberung des Quartiers im Herzen von Mulhouse.

Zu den Schwerpunkten des nominierten IBA-Projekts gehört es, temporäre Nutzungen zu fördern, bestehende Gebäude zu sanieren und Freiräume aufzuwerten. Dabei setzt das neue Quartier auf kulturellen und kreativen Unternehmergeist, nachhaltige Wirtschaft und Dienstleistungen. In einem Teil der bestehenden 100 000 m² grossen Fabrikhallen haben sich bereits Kreativunternehmen niedergelassen. Die mehr als 60 Kunst- und Theaterschaffenden, Fotografen, Grafiker, Tontechniker, Schreiner, Bildhauer, Szenografen und Tanzgruppen aus Mulhouse und der grenzüberschreitenden Region sind im Verein Motoco («more to come») zusammengeschlossen. Dank der Unterstützung durch Bürgermeister Jean Rotter konnte der Verein im Juni 2013 das Gebäude pachten und sich ein Vorkaufsrecht sichern.

Mit der Idee des Openparc hat Motoco-Gründer Mischa Schaub das Angebot seit 2015 erweitert. Es umfasst die vier Themencluster Openfab, Openstudio, Openhost und Playerpiano. Als Beispiel stellt der im Gebäude 75 beheimatete Verein Openfab Prototypen und Kleinserien in einem Maschinenpark her. Nach der 2016 abgeschlossenen Instandsetzung des Gebäudes 75 steht die Sanierung der weiteren Gebäude noch aus. Da diese aufwendig und kostenintensiv ist, suchen die Nutzer Kooperationen mit lokalen Partnern, europäischen Hochschulen und mit Förderprogrammen der EU.

Zum IBA-Projekt nominiert wurde das DMC, weil die zahlreichen Veranstaltungen das Gelände zurück in das Gedächtnis der trinationalen Bevölkerung bringen. Openparc ist ein Musterbeispiel für grenzüberschreitende Bottom-up-Prozesse. Die IBA unterstützt das Projekt durch Networking, auf der Suche nach Finanzierungs- und Koordinationspartnern sowie mit dem IBA-Hochschullabor, in dem Studierende Ideen für das Gelände erarbeiten. Um den Standort leichter zugänglich zu machen, plant die Stadt, bis 2020 die Verbindung zwischen dem Quartier und dem Bahnhof Dornach (F) zu verbessern. Durch neue Wegverbindungen und Durchbrüche in der Mauer, die das Gelände heute fast vollständig umgibt, soll das Quartier bis 2020 zur Stadt hin geöffnet werden. Grünflächen und die Biodiversität des Geländes werden zukünftig sichtbarer und können die Partnerschaften mit umliegenden Schulen und Vereinen verbessern.

Von Schweizer Seite wird Mulhouse als Kreativraum noch zu wenig wahrgenommen. Das Projekt bietet die Chance, die noch verhaltene Beziehung zwischen der wirtschaftlich und kulturell starken Stadt Basel und dem Entwicklungsraum Elsass zu stärken. (Katharina Marchal)

Infrastruktur besser nutzen: Aktive Bahnhöfe

Mit der Aufwertung der Bahnhöfe in der Region Basel will das Projekt nachhaltige Impulse für eine grenzüberschreitende Mobilität setzen. Der ganzheitliche Ansatz reicht von einer einheitlichen Signaletik bis zu städtebaulichen Konzepten im Umfeld der Bahnhöfe.

Ausgangspunkt war die Charta «Aktive Bahnhöfe» vom September 2013, mit der die folgenden fünf Bahnhöfe näher untersucht wurden: Badischer Bahnhof Basel, Gare de Saint-Louis, Hauptbahnhof Lörrach, Bahnhof Rheinweiler und Bahnhof Rheinfelden (Baden). Bereits die erste Analyse zeigte erheblichen Handlungsbedarf: Die Defizite reichen von der uneinheitlichen Bezeichnung für die Anbieter des öffentlichen Verkehrs über fehlende Pläne zum Dreiland und fehlende Tarifinformationen bis zu einem fehlenden Besucherleitsystem vom Bahnhof zu anderen Mobilitätsangeboten und fehlenden Informationen für fremdsprachige Gäste. Mittlerweile sind insgesamt 14 Bahnhöfe der S-Bahn in Frankreich, Deutschland und der Schweiz am Projekt beteiligt. Möglich war dies dank einem intensiven Dialog zwischen den beteiligten Gemeinden und den nationalen und regionalen Bahngesellschaften.

Mit gemeinsamen Standards sollen die Bahnhöfe zu modernen Mobilitätszentren entwickelt werden. Beginnen will man mit einem einheitlichen Besucherleitsystem; eine Liniennetzkarte soll an allen Bahnhöfen ausgehängt werden. Dazu kommt eine regionale Karte, die auf die jeweilige Ortschaft ausgerichtet ist, und eine Karte des Quartiers mit Angaben zur unmittelbaren Umgebung des Bahnhofs. Zusammen mit Informationen über die Tarife werden alle diese Inhalte übersichtlich und dreisprachig (deutsch, französisch, englisch) auf Stelen präsentiert. Ziel dieser Massnahmen ist es, die Orientierung mit einem grenzüberschreitenden, einheitlichen Auftritt zu erleichtern.

Die Bahnhöfe und S-Bahn-Haltestellen sollen vermehrt «Teil des öffentlichen Lebens» werden, wie Dirk Lohaus, der zuständige Projektleiter der IBA Basel, sagt.[1] Um dieses Ziel zu erreichen, will man das Angebot an Nutzungen und Dienstleistungen erweitern und vermehrt Konsumgüter des täglichen Bedarfs am Bahnhof anbieten. Auch der Umstieg von einem Verkehrsmittel zum anderen, vom Carsharing-Auto zum Fahrrad, zur Strassenbahn oder zum Sammeltaxi, kann verbessert werden. Generell sollen die Aufenthaltsqualität in den Bahnhöfen erhöht und die Umgebung der Bahnhöfe attraktiver werden.

Bereits im Oktober wird mit dem Hauptbahnhof Lörrach der erste Pilotstandort fertiggestellt sein. Weitere sechs Bahnhöfe folgen bis Ende 2016, und auch die Charta soll im kommenden Jahr überarbeitet werden. Ziel ist es, bis 2020 alle 14 Standorte zu realisieren. Darüber hinaus wirkt das Projekt als Katalysator, der neuen Partnern die Mitwirkung erleichtert und sie dazu motiviert, ihre Bahnhöfe ebenfalls zu aktivieren. So setzen viele im Sog der für das Label der IBA Basel nominierten Beiträge die Ziele dieses IBA-Projekts auch ohne Label um.

Das Projekt verdeutlicht, wie sichtbar die Landesgrenzen in Basel noch immer sind und wie schwer es fällt, sie zu überwinden. Auch deshalb müssen zuerst die Grundlagen geschaffen werden, wie beispielsweise ein einheitliches mehrsprachiges Besucherleitsystem und ein trinationaler Tarifverbund. Das Projekt setzt genau da an und will mit einer Initialzündung an 14 Bahnhöfen Impulse für das ganze Netz des öffentlichen Verkehrs geben. Ein ambitioniertes Projekt ganz im Sinn des Mottos der IBA Basel: «Au-delà des frontières, ensemble – Gemeinsam über Grenzen wachsen». (Jean-Pierre Wymann)


Anmerkung:
[01] BZ, Badische Zeitung, 23. August 2014.


Mobiler Katalysator: IBA KIT

Das nominierte Projekt IBA KIT ist Teil des Pilots «Trinationale Freiraumproduktion», das im Rahmen der IBA Basel 2020 ins Leben gerufen wurde. Mit dem Projekt sollen die Nutzung und Gestaltung von urbanen Freiräumen experimentell erforscht und gezielt gefördert werden. Die Beteiligten sind vor allem die Stadtgärtnereien der drei Länder (F, D, CH), die zusammen mit der IBA Basel das Projekt erarbeitet haben und weiterhin verfolgen. Aktive Mitwirkung kommt vonseiten der Bevölkerung, die die IBA KITs testet und sich für Umfragen und Studien zur Verfügung stellt.

Die Gemeinde Riehen hat in Zusammenarbeit mit dem Basler Landschaftsarchitekturbüro Bryum als erste Gemeinde der IBA-Projektpartner einen Prototyp entwickelt, eine «temporäre Freiraumkiste», genannt IBA KIT. Es ist ein partizipatives Werkzeug, das je nach den Erwartungen und Bedürfnissen der zukünftigen Nutzer gestaltet wird. Fest vor Ort stehend oder mobil, fordert es Bewohner und lokale Institutionen auf, sich aktiv an der Entwicklung und Verbesserung ihrer Lebensumgebung zu beteiligen. Das erste IBA KIT stand von November 2013 an ein Jahr lang der Bevölkerung des Niederholzquartiers von Riehen als Freiraumangebot und multifunktionales Spielelement zur Verfügung. Unterschiedliche, gratis nutzbare Spiel- und Freizeitgeräte richteten sich vor allem an die jüngere Generation und an Familien.

Im roten Container befanden sich unter anderem Schaukeln für Kleinkinder, Tisch und Sitzbänke sowie ein Badmintonnetz mit Schlägern. Die Kiste enthielt ausserdem sechs abschliessbare Spinde, in denen interessierte Bewohner und Quartiergruppen eigene Spielgeräte unterbringen konnten. Zwei offene Spinde beinhalteten Spielgeräte, aber auch Kehrschaufel, Besen und Abfallzange. Nach dem ersten Pilotprojekt und der Platzierung auf der Andreasmatte in Riehen wurden die Quartierbewohner im Umkreis der Freiraumkiste schriftlich befragt. In einer Studie wurden anschliessend Beurteilungen des Projekts sowie Verbesserungsvorschläge analysiert. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in die weitere Gestaltung des Projekts eingeflossen.

Von der Andreasmatte und dem Sarasinpark wanderte das IBA KIT Riehen über die Grenze, zur Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Lörrach-Brombach (D). Dort sorgten seine Spiel- und Sportgeräte für Abwechslung im Alltag der Bewohner. Im Mai 2015 weihten die multikulturellen Bewohner eines Plattenbauviertels in Saint-Louis (F) ihr IBA KIT als Treff- und Austauschort ein. Ein Anwohnerverein gründete hier einen Gemeinschaftsgarten. Im Oktober 2015 lud das IBA KIT Rheinfelden (Baden) die Bewohner ein, sich einen neuen Park anzueignen und nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Um das KIT entstanden eine Gärtnergruppe, ein Mountainbike-Pumptrack und eine Boulegruppe. Im Juni 2016 weihte die Gärtnerei der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel das IBA KIT UPK ein, das eine Etappe des neuen grenzüberschreitenden Spazierwegs Burgfelderpark bildet. Es soll den Austausch zwischen UPK und dem Umfeld stärken.

Derzeit existieren vier IBA KITs. Bis Ende des Jahres werden vier weitere in Weil am Rhein, Lörrach, Mulhouse und Basel-Stadt errichtet. Die bisher gesammelten Erfahrungen zeugen von deren Fähigkeit, verschiedene soziale Gruppen zusammenzubringen, neue Funktionen in die Quartiere zu integrieren und so ein gutes Zusammenleben zu fördern. (Katharina Marchal)

Terra incognita wird Begegnungsort: IBA Parc des Carrières

Noch wird hier Kies abgebaut: Der geplante IBA Parc des Carrières, hart an der Landesgrenze zwischen Frankreich und der Schweiz, ist heute ein unzugänglicher Ort. Während die Siedlungsbebauung von Basel und Allschwil bis an die Grenze reicht, ist die gegenüberliegende Seite von Landwirtschaft und Familiengärten geprägt – und von einer Grube, in der im Trockenabbau auf einer Tiefe von bis zu 14 m Kies gewonnen wird. Die meisten Wege enden an der Grenze.

Doch in dem unbebauten Terrain liegt die Chance – schon bald soll sich die elf Hektaren grosse Kernzone zu einem länderübergreifenden Grünraum entwickeln, der den Gemeinden Allschwil, Basel, Saint-Louis und Bourgfelden und Hégenheim als Begegnungsort dienen soll. Die Grube ist noch bis 2040 in Betrieb, die Transformation geht also sukzessive vonstatten. Das Projekt, eine Public Private Partnership von IBA Basel, Bürgerspital Basel, Kanton Basel-Stadt, Gemeinde Allschwil, Ville de Saint-Louis, Commune de Hégenheim und Communauté d’Agglomération des Trois Frontières, plant dafür mit vier Etappen: Die erste sieht grüne Korridore mit Langsamverkehrswegen vor, die die Parzelle und andere grüne Gürtel verbinden, sowie den Bau eines Kinderspielplatzes als erstes Zentrum.

Die drei folgenden Phasen betreffen die Transformation der drei bereits abgebauten Kiesgrubenabschnitte. Daneben muss die freie Zufahrt für die Kiesgrubenbetreiberin gewährleistet bleiben. Die abgebauten Kiesabschnitte werden gemäss ihrer Besonderheiten renaturiert und zum Park umgewandelt: Die ersten beiden Parzellen werden als artenreiche Magerwiesen mit einzelnen Gehölzgruppen und Kieselelementen gestaltet und extensiv landwirtschaftlich genutzt. Parzelle 3 hebt sich von den eher landschaftlichen Flächen ab: Ein Ringweg mit Stegen bildet eine gestaltete Parklandschaft.

Ein wichtiger Punkt betrifft die Anbindung an die bestehenden Siedlungsstrukturen: Korridore nach Allschwil, Basel und Bourgfelden sorgen für eine einfache Erschliessung. Aufbauend auf einer Entwicklungsstudie von 2013 (IBA Basel 2020; Courvoisier Stadtentwicklung, Basel; Digitale Paysage, Bauxwiller) erarbeitete man ein Vorprojekt, das die Investitions- und Unterhaltskosten konkretisierte. Damit beauftragt wurden die Landschaftsarchitekten pg landschaften aus Sissach und LAP’S (Les ateliers paysagistes) aus Bartenheim. Mit den ersten Arbeiten, den Korridoren, wird für 2017 gerechnet. Bis 2022 sollen die ersten Etappen umgestaltet sein, die Fertigstellung ist bis in etwa zehn Jahren vorgesehen.

Die Transformation der Kiesgrube steht in einem grösseren Kontext: Zum einen dient sie als Pilotprojekt im Rahmen der IBA-Projektgruppe «Kiesgruben 2.0 – Seen und Parks für die Region». Hier werden Zukunftsszenarien für die Kiesgruben der Region entwickelt. Zum anderen ist der IBA Parc des Carrières ein Baustein von aktuellen Planungen im Umfeld. Mit der Verlängerung der Tramlinie 3 und der Planung einer Umfahrungsstrasse (Route des Carrières und Zubringer Allschwil) sind zurzeit grosse Infrastrukturprojekte in Bearbeitung. Schliesslich sind mit der Öffnung und Aufwertung der Freizeitgärten, dem Freiraumkonzept Allschwil und dem Projekt «Trame verte» der Stadt Saint-Louis komplementäre Vorhaben in Planung. Die IBA übernimmt dabei die Koordination zwischen den verschiedenen Projekten. Der IBA Parc des Carrières besitzt aktuell den Status «nominiert» und ist bis 2020 auf gutem Weg zur Labelisierung.

TEC21, Fr., 2016.09.16

16. September 2016 Tina Cieslik

«Man muss ganz konkret hinschauen»

TEC21: Frau Linder-Guarnaccia, was sind die Besonderheiten der IBA Basel 2020 im Vergleich zu früheren?

Monica Linder-Guarnaccia: Es ist die erste, die ausserhalb Deutschlands und in drei Ländern gleichzeitig stattfindet. Wir haben ein deutsches Planungsinstrument exportiert, um damit grenzüberschreitende Projekte zu fördern. Anhand dieser Beispiele untersuchen wir, wie wir in Zukunft besser, effizienter und nachhaltiger kooperieren können, um die Region Basel gesamthaft zu entwickeln. Diese ist zwar bekannt dafür, dass sie grenzüberschreitend denkt und agiert; doch bisher geschah dies vor allem auf der politischen Ebene, mit konkreten Projekten hatte man wenig Erfahrung. Existierende Gremien haben keine projektbezogene Zusammenarbeit generiert. Deshalb hat die Politik diese IBA einberufen.

TEC21: Wie haben Sie die Projekte gefunden?

Monica Linder-Guarnaccia: Auch das ist eine Besonderheit dieser IBA: Wir haben einen Bottom-up-Prozess initiiert. Die Gemeindeverwaltungen in den drei Ländern haben dazu aufgerufen, Projektideen einzureichen. In der Region sind so rund 120 Projekte zusammengekommen, und wir haben eine Triage gemacht. Die Kriterien waren: Was ist wirklich nachhaltig, fördert das Zusammenleben, steigert die Lebensqualität, erhöht die Adap­ti­vität der Region? Ursprünglich wollten wir uns auf 45 Projekte konzentrieren, doch das war, gemessen an der Grösse unseres Teams, zu viel. Nicht alle Verwaltungen und Private haben die Mittel, um ihr Projekt im vorgeschriebenen sehr engen Zeitrahmen voranzutreiben; solche Projekte musste die IBA-Geschäftsstelle an sich nehmen und weiterführen, was viel Personal und Ressourcen erfordert. Die IBAs sind Ausnahmezustand und ­Qualifizierungsverfahren zugleich. Im Arbeitsablauf prüfen wir mit unserem Fachbeirat die Entwicklung der Projekte genauso wie deren Qualitätsansprüche und Machbarkeit – ob sie bis 2020 zumindest ansatzweise realisiert werden können.

TEC21: Die ausgewählten Projekte sind in der aktuell laufenden Ausstellung zu sehen. Wie viele sind es nun?

Monica Linder-Guarnaccia: Nominiert sind 19. Hinzu kommen drei Projekte, die bereits jetzt fertiggestellt wurden und das IBA-Label erhalten haben: «Region Grüngürtel», «24 Stops» und «Rheinuferweg St. Johann–Huningue». Zehn weitere Projekte befinden sich in einem Vornominierten-Sta­dium und erhalten keine direkte Unterstützung der IBA; wenn es den Verantwortlichen jedoch gelingt, das Projekt bis 2018 so weit zu entwickeln, wie wir es mit ihnen vereinbart haben, kann es nominiert werden und die Unterstützung der IBA in Anspruch nehmen.

TEC21: Die Projekte sollen die Nachhaltigkeit fördern und als Katalysatoren wirken, um ein grenzüberschreitendes Gebiet aufzuwerten. Was bedeutet Aufwertung in diesem Zusammenhang?

Monica Linder-Guarnaccia: Das ist eine sehr gute Frage. Das Thema Nach­haltigkeit ist immens, es lässt so viele Auslegungen zu! Die IBA hat Qualitätskriterien ausgearbeitet, etwa um festzuhalten, wie wir nachhaltige Entwicklung interpretieren. Das Projekt 3Land, die Entwicklung eines deutsch-französisch-schweizerischen Stadtteils, ist ein gutes Beispiel dafür. Wir haben zwar ein gemeinsames Raumkonzept verabschiedet, doch bei der Umsetzung stellen sich Fragen: Was versteht man in den drei Ländern jeweils unter Qualität, Modellhaftigkeit, nachhal­tiger Entwicklung? Wenn es konkret wird, muss man auch ganz konkret hinschauen und Prioritäten setzen. Beim 3Land haben wir entschieden, das Kriterium der sozialen Nachhaltigkeit in den Vordergrund zu rücken, weil zwischen den beteiligten Nationen grosse wirtschaftliche Disparitäten bestehen. Andere Aspekte sind Suffizienz oder Kreislaufwirtschaft: Wie werden sie in den verschiedenen Ländern interpretiert?

TEC21: Ist es überhaupt möglich, Projekte anhand von Kriterien zu vergleichen, wenn diese so unterschiedlich ausgelegt werden?

Monica Linder-Guarnaccia: Wenn man die Themen weit genug fasst, geht es. Je nach Land gibt es unterschiedliche Schwerpunkte. Frankreich zum Beispiel betreibt sozialen Wohnungsbau durch die Förderung von Bauten, in die eine bestimmte Zielgruppe einzieht. Im Gegensatz dazu versucht die Schweiz, Personen direkt zu unterstützen, was zu einer grösseren sozialen Durchmischung führt: Soziale Nachhaltigkeit heisst hier so zu bauen, dass unterschiedliche Menschen im gleichen Quartier unterkommen. Die IBA Basel versucht, aufgrund dieser differierenden Interpretationen einen Katalog von Qualitätskriterien aufzustellen, an dem sich alle trotz ihren länderspezifischen Entwicklungen orientieren können. Individuelle Schwerpunkte sind möglich, doch insgesamt muss eine bestimmte Punktzahl erreicht werden.

TEC21: Gibt es auch Ausschlusskriterien?

Monica Linder-Guarnaccia: Ein No-Go ist sicher, wenn ein Projekt nur Partikularinteressen verfolgt. Alle Akteure sollen überlegen, welchen ökonomischen, ökologischen, sozialen Nutzen ihr Projekt anderen bringen könnte; sie sollen mit dem Nachbarn denken statt gegen ihn. Die Projekte müssen sich grenzüberschreitend positiv auswirken, wobei nicht die Grenze der Nachbar­parzelle gemeint ist, sondern Gemeinde- oder Landesgrenzen. Das braucht Zeit, denn jedes Land und jede Gemeinde steht in Konkurrenz zu anderen. Politiker müssen diese Konkurrenzhaltung überwinden, bevor sie ihren Wählern sagen können: «Ihr profitiert immer noch, aber nicht mehr allein – und das ist gut so.» An diesem Prozess des Umdenkens arbeitet die IBA.

TEC21: Die 19 ausgestellten Projekte erfüllen die Kriterien der IBA Basel und werden von ihr unterstützt. Wie muss man sich diese Unterstützung vorstellen?

Monica Linder-Guarnaccia: Sehr unterschiedlich. Das IBA-Team umfasst hoch qualifizierte Fachleute aus diversen Bereichen: Architektur, Raum- und Stadtplanung, Soziologie, Kommunikation etc. Es ist ein heterogenes Team, das die Projekte heterogen angeht. Wir arbeiten inter­disziplinär und beziehen auch die Bevölkerung ein. Dabei beschränken wir uns nicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkung, sondern nehmen frühzeitig Stimmungsbilder auf. Wir bereiten Studien vor und schreiben sie aus. Wir unterstützen kleinere Gemeinden, denen die nötigen Fachpersonen fehlen, und übernehmen in diesen Fällen auch die Projekt­leitung. Vor allem aber agieren wir als Mediator zwischen Ländern oder Kommunen. Bei jedem Projekt gibt es auch Partikularinteressen, und die sind ja auch legitim; schliesslich sind Politiker dazu da, für ihre Gemeinde oder ihr Land das Beste herauszu­holen. Doch wenn die IBA als unabhängige Stelle aufzeigen kann, welchen zusätzlichen Gewinn eine Massnahme bringt, und wenn sie nach Wegen sucht, sie zu ermöglichen, etwa durch die Akquisition von Fördermitteln – dann entsteht manche Kooperation, die allen Beteiligten nützt. Das ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit: Fördermittel suchen, Anträge stellen, überhaupt viel Administration.

TEC21: Leistet die IBA auch gestalterische Unterstützung?

Monica Linder-Guarnaccia: Ja, indirekt, über die Jury als oberstes beratendes Gremium. Auch hier gibt es länderspezifische Unterschiede. In Frankreich entscheiden die Gewählten, les élus; wir sind nur beratend beteiligt, was aber sehr viel bringt, wenn man glaubwürdig ist und gut begründen kann, warum ein Projekt qualitativ hochstehend ist und sich Mehrkosten lohnen. Wir haben eine starke Mediations- und Beratungsrolle.

TEC21: Wie wird die IBA finanziert?

Monica Linder-Guarnaccia: Beteiligt sind insgesamt 22 Gebietskörperschaften: Gemeinden um Basel, das Land Baden-­Württemberg, die Kantone Aargau und Basel-Stadt, der Bund, die EU. Das eröffnet immense Chancen! In Deutschland zum Beispiel gibt es viele städtebau­liche Fördergelder, und weil Baden-Württemberg zu den Partnern der IBA gehört, werden unsere Anträge prioritär behandelt: Wir können sie direkt an die oberste Stelle schicken und bekommen innert kürzester Zeit eine Reaktion. Dadurch gewinnen wir sehr wertvolle Zeit! Auf EU-Ebene ist die Interreg-Behörde in Strasbourg für die Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zuständig. Zurzeit läuft ein neues Programm, das Interreg V; die IBA ist das erste Vorhaben, das mit Fördergeldern aus diesem Programm unterstützt wird. Sie gilt als Pilotprojekt, was den Nachteil hat, dass wir die noch nicht er­probten Abläufe in der administrativen Abwicklung durchlaufen, um in Nachgang auch gleich die optimierten Abläufe umzusetzen … dafür lernen wir, welche Kriterien und Indikatoren für die EU wichtig sind, und können diese umgehend in die Antrag­stellung unserer neuen Studien integrieren.

TEC21: Welche Kriterien und Indikatoren sind das?

Monica Linder-Guarnaccia: Für die EU-Projekte ist vor allem relevant, was konkret gebaut wird, was der Quadratmeter Baufläche kostet, wie viele Personen man damit ­erreicht und wie man sie erreicht. Für die IBA selbst steht die Ver­net­zungs- und Vermittlungsarbeit, die Governance der Projekte, im Vordergrund. Dies geht von der Anzahl Sitzungen oder Gespräche bis hin zur Anzahl erreichte Personen pro Anlass. Insgesamt sind es unglaublich viele Indikatoren – wir schreiben gerade einen Bericht, der gefühlt mehrere Tausend Seiten lang wird!

TEC21: Wie können Sie in diesem Papierkrieg noch Kriterien gewichten und auf das Wesentliche fokussieren?

Monica Linder-Guarnaccia: Im Team sind zwei Personen, die sich in diesen Verfahren auskennen; die schaffen das. Auf Ebene der Projektentwicklung konzentrieren wir uns auf die Frage, welchen Nutzen ein Projekt für die Bevölkerung bringt; damit kann man sehr viel ab­decken. Im administrativen Bereich sind es zum Teil ganz banale Abläufe, die man pflegen muss, etwa Anwesenheitslisten bei Sitzungen; denn auch die Anzahl Treffen, die nötig waren, um ein Projekt ins Laufen zu bringen, ist ein Indikator. Am Anfang fand ich es absurd, solche Dinge zu dokumentieren. Doch daraus resultieren eine Datenbasis und eine aussagekräftige Statistik, die für neue Projekte lehrreich ist. Es ist nützlich zu wissen, wie unvorstellbar viele Gespräche mit Politikern und dann mit Fachmitar­beiterinnen und -mitarbeitern man einplanen muss, um eine Idee durchzubringen! Heute vergeht keine Woche ohne Projektsitzung, bei der die politischen Entscheidungsträger am Tisch sitzen. Das zeigt, dass die Prozesse sich intensiviert haben und die Hierarchien flacher geworden sind. Auch daran merken wir, dass alle am Projekt zusammenarbeiten.

TEC21: Es hat sehr viel Arbeit gebraucht, um die Kommu­nikationswege aufzubauen und das Vertrauen zu schaffen …

Monica Linder-Guarnaccia: … und jetzt geht es darum, es zu bewahren. Dazu eine kleine Anekdote. Mit den drei Labels, die wir bisher vergeben durften, wollten wir auch ein Objekt überreichen. Lange wussten wir nicht, was es sein sollte. Schliesslich haben wir entschieden, mit der Schweizer Künstlerin Maude Schneider ein Keramikstück zu produzieren: ein Dreieck als Symbol für das Zusammenleben der drei Länder, und ringsum ein Piktogramm, das alle Projekte vereint, gemalt mit echtem Silber; das jeweils ausgezeichnete Projekt ist in echtem Gold. Jedes Exemplar des Kunstwerks ist mit viel Liebe handgefertigt. Keramik braucht so viele Ofengänge bei höchster Hitze, sie muss immer wieder gebrannt werden, bevor sie hart und beständig wird! Doch wenn man sie fallen lässt, zerbricht sie. Ich finde, das symbolisiert unsere Arbeit sehr treffend: Es braucht so viele Durchgänge, so viel Arbeit, bis das gegenseitige Vertrauen aufgebaut und ein für alle stimmiges Ergebnis erreicht ist. Und das muss man sorgfältig behandeln, sonst geht es kaputt.

TEC21, Fr., 2016.09.16

16. September 2016 Judit Solt

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