Editorial

Als der junge Basler Architekt Tibère Vadi Anfang der 1950er-Jahre seine Ideen für das neu zu erstellende Hebelschulhaus in Riehen zu Papier brachte, war Sparsamkeit in der Konstruktion weniger eine Tugend als ein Gebot der Stunde: Die Materialknappheit der Nachkriegszeit zwang Architekten und Ingenieure zu präzisen, durchdachten konstruktiven Lösungen.

Diese Reduziertheit machten Tibère Vadi und Max Rasser, die nach dem Wettbewerbserfolg 1952 ihr eigenes Büro Rasser   Vadi gründeten, mit einem aussergewöhnlichen ­architektonischen Entwurf wett: Detailreichtum, ein ausgereiftes Raumkonzept sowie differenzierte Farben und Oberflächen zeichneten das Hebelschulhaus ­während Jahrzehnten aus.

Nach fast 60 Jahren Betrieb musste aber auch dieser Bau instandgesetzt werden. Die Basler MET Architects zeigen mit einem ähnlich ausgeklügelten Vorgehen, dass sich Bausubstanz aus den 1950er-Jahren und heutige Ansprüche an Sicherheit, Technik und Raumkomfort durchaus miteinander vereinen lassen – Kreativitität, gute Kommunikation und überdurchschnittliches Engagement von Bauherrschaft und Planern vorausgesetzt. Seit September 2014 ist der Bau bezogen, die Umbaumassnahmen haben sich bewährt. Das Ergebnis bildet den thematischen Schwerpunkt dieser Ausgabe, zusätzliches Material findet sich auf unserer Webseite www.espazium.ch.

Tina Cieslik

Inhalt

AKTUELL
07 WETTBEWERBE
Holz etabliert sich

10 PANORAMA
Der Hagneckkanal in neuem Kleid | Grün, dicht, gewürdigt

13 VITRINE
Von der Zelle bis zum Speicher

14 KÜNFTIGE NORMUNGSPOLITIK IMK FOKUS
Normen SIA 480 und SN EN 206 freigegeben | Wissen zu Ordnungen verbessern | Baukultur: BAK benennt Handlungsfelder | SIA-Form Fort- und Weiterbildung

18 VERANSTALTUNGEN

20 WIE VORHER – NUR BESSER
Tina Cieslik
Das Hebelschulhaus Riehen ist ein Bijou der 1950er-Jahre. Ebenso gelungen ist seine Instandsetzung.

26 SPARSAMKEIT ALS TUGEND
Clementine Hegner-van Rooden
Wie es den Ingenieuren gelang, die Tragkonstruktion des Hebelschulhauses auf heutige Bedürfnisse zu ertüchtigen.

31 KREATIVE KOMPROMISSE
Paul Scherb, Alan Wakefield
Gebäudetechnik und ­historische Bausubstanz – eine Gratwanderung.

32 STELLENINSERATE

37 IMPRESSUM

38 UNVORHERGESEHENES

Wie vorher, nur besser

Das Hebelschulhaus im baslerischen Riehen ist ein aussergewöhnlich schönes Exemplar eines Pavillonschulhauses der 1950er-Jahre. Von 2011 bis 2014 wurde es an heutige Bedürfnisse angepasst – ohne dabei etwas von seinen Qualitäten zu verlieren. Möglich machte dies der überdurchschnittliche Einsatz der Planenden.

Es gibt sie noch, die architektonischen Erfolgsgeschichten – auch in Zeiten von Rezession, Sparzwang und überbordenden Vorschriften. Eine davon ist die von MET Architects realisierte Instandsetzung des Hebelschulhauses im baslerischen Riehen.

Klassisch, detailreich, kindgerecht

Das Hebelschulhaus ist ein klassischer Pavillonbau. Er ging aus einem offenen Wettbewerb hervor, den der damals 28-jährige Basler Architekt Tibère Vadi 1951 gewann. Als Wettbewerbssieger gründete er 1952 zusammen mit Max Rasser das Architekturbüro Max Rasser & Tibère Vadi und projektierte das Erstlingswerk mit viel Hingabe und genauem Blick fürs Detail.

Die teilweise zweigeschossige und unterkellerte Schule besteht aus vier Baukörpern mit Pultdächern (vgl. Pläne S. 22) und wurde 1994 von Rolf Brüderlin um einen weiteren Trakt parallel zum Langenlängeweg ergänzt (Trakt A). Die beiden originalen südostorientierten Klassentrakte (Trakt C und D) befinden sich in diagonaler Stellung zur erschliessenden Verbindungsachse (Trakt B). Als Flügel sind sie trotz Morgensonne aus energetischer Sicht zwar nicht optimal positioniert, doch aus räumlicher Sicht vorteilhaft: Sie sind lichtdurchflutet und bilden ruhige, hofartige Zwischenräume im Aussenbereich. Der Verbindungtrakt endet, über eine gedeckte Ter­rasse erreichbar, im Kopfbau, worin die ehemalige Turnhalle und ein Zeichensaal untergebracht waren (Trakt E). An den Schnittstellen der drei Korridore befinden sich jeweils die Treppenaufgänge und prägnante Pilzstützen (vgl. Abb. S. 24).

Der 1952 bis 1953 erstellte Bau entsprach den damaligen Bemühungen einer kindergerechten Schulhausarchitektur mit übersichtlicher Gesamtorganisation, starkem Bezug zu den Aussenräumen, grosszügigen Fenstern, geschützten Pausen- und Aufenthaltsbereichen, Querlüftungsmöglichkeiten und einem differenzierten Farbkonzept.

Respektvoll zum Erfolg

In den folgenden Jahrzehnten wurde das im Inventar schützenswerter Bauten aufgeführte Schulhaus bis auf den Anbau von Trakt A lediglich Pinselrenovationen unterzogen. Ihnen fiel die ausgeklügelte Farbigkeit der einzelnen Bauteile zum Opfer. Als 2010 die Turnhalle zu einer Aula umfunktioniert werden sollte, nutzte der Kanton Basel-Stadt als Eigentümer die Gelegenheit, den Bau hinsichtlich Erdbebensicherheit, Brandschutz, Energie und Gebäudetechnik den aktuellen Erfordernissen anzupassen. Dazu kam die Renovation der Kunstwerke sowie die Instandsetzung der Oberflächen und eine Anpassung des Raumprogramms gemäss dem im Mai desselben Jahres in Kraft getretenen ­HarmoS-Konkordat (Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule).

Für den Umbau der Turnhalle und die Gesamt­sanierung des Schulhauses schrieb der Kanton 2010 ein offenes Planerwahlverfahren aus. Erfolgreich daraus hervor ging der Entwurf der Basler Architekten Thomas Thalhofer und Roula Moharram, die sich daraufhin – wie dazumal Tibère Vadi – mit einem eigenen Büro, als MET Architects, selbstständig machten. Ihr Entwurf sah vor, die Halle um eine Achse zu kürzen, um Platz für Toiletten und Nebenräume zu schaffen. Der Rhythmus der Fassade konnte beibehalten werden. Die Nordfassade des Trakts erhielt grossflächige Glasschiebefenster – so entstand ein lichtdurchflutetes Foyer, das sich bei geöffneten Türen bis auf die teilüberdachte Terrasse zwischen Trakt E und dem eigentlichen Schulhaus erstreckt (vgl. Grundrisse S. 22 und Abb. S. 29).

Auch bei der anschliessenden Instandsetzung des Schulhauses folgten die Architekten einfachen Prämissen: Die Grundstruktur des Baus besitzt eine so hohe Qualität, dass darin die Lösungen für heutige Bedürfnisse bereits angelegt sind. Für das neue Raumprogramm bedeutete dies, dass die gewünschte Flexibilität nicht über die Wandelbarkeit der einzelnen Räume erreicht wird, sondern über die Wiederholung des immergleichen Systems – pädagogische Konzepte ändern sich schnell, aber der Nukleus der Schule, das Klassenzimmer, bleibt gleich. Dazu gehörte auch, «temporäre» Bedürfnisse nicht überzubewerten, sondern abzuwägen, was sich langfristig bewährt.

Alt ist das bessere Neu

Um die energetische Erfordernisse zu erfüllen, sanierten die Planer auch Dach und Gebäudehülle. Die alten Fenster wurden durch dreifach verglaste ersetzt, die Betonbrüstungen erhielten eine 100-mm-Innen­däm­mung, Putzflächen wurden mit 120 mm von aussen isoliert und erhielten einen neuen, 20 mm starken mineralischen Dickputz. Belegt wurde die energetische Ertüchtigung via Systemnachweis. Auch das Dach erhielt einen neuen Aufbau: 120 mm Dämmung und ein Furaldach (vgl. Instandsetzung Schulhaus Chriesiweg, Zürich, TEC21 20/2009), auf das in den Trakten C und D eine 400 m² grosse Photovoltaikanlage aufgebracht wurde. Um den schmalen Dachrand des Bestands zu erhalten, besitzt das Dach einen Rücksprung – aufwendig für den Spengler, aber überzeugend im Ergebnis. Der Bau verbraucht heute im Betrieb nahezu 75 % weniger Energie als vor der Instandsetzung.

Wo immer möglich verwendeten die Architekten alte Bauteile und Möbel, die sie eingelagert im Keller fanden. Unter anderem liessen sie die mit farbigem ­Linoleum belegten Innentüren restaurieren. Die Schäden behob ein Schreiner, indem er eine dünne Schicht des Oberflächenmaterials abtrug und zu einer spachtelfähigen Masse weiterverarbeitete, mit der er Kerben und Löcher schloss. So konnte der Originalfarbton der Türoberflächen und damit das kindgerechte Orientierungssystem ­beibehalten werden: Petrol für die Unterrichtsräume, Grau für Nebennutzungen, Gelb für die Administration. Ähnliche Lösungen fanden sich für die Schränke in den Klassenzimmern, die eingelagert waren und lediglich aufgefrischt werden mussten. Oder für die Beschläge der Fenster: Um sich deren filigraner ­Anmutung anzunähern, aber gleichzeitig die durch die neue Dreifachverglasung entstandenen zusätzlichen Lasten tragen zu können, liessen die Architekten das Gestänge für die Kippfenster nach historischem Vorbild nachbauen.

Die Wände der Flure und Klassenzimmer erhielten wie im Bestand einen Überzug aus Stramin, der wie ein massgefertigtes Kleid in einem Stück auf die bis zu 40 m langen Wandflächen aufgebracht wurde (vgl. Kasten oben). Beim anschliessenden Anstrich stützten sich die Planer auf das vom Zürcher Haus der Farbe aufgrund von Quellenstudien und Sondierungen ermittelte historische Farbkonzept, das analog zum Bestand jeweils einen Dreiklang vorsah: ein heller Farbton gegenüber dem Fenster, ein mittlerer Farbton an der Fassadeninnenseite und ein dunkler Farbton für die Decke. In der Neuinterpretation von MET Architects sind das in den Klassenzimmern warme Beige- und Grüngrau­töne, an der tafelseitigen Wand und an den Pinnwänden mit einem Lachsrosa ergänzt, das den Ton der neuen Sonnenstoren aufgreift.

Bedingt zur Nachahmung empfohlen

Wer nun meint, dass all die Handwerkerleistungen das Budget gesprengt hätten, wird eines Besseren belehrt: Mit einem Kubikmeterpreis von 656 Fr./m3 (BKP 2) liegt das Schulhaus kaum höher als andere Gesamtsanierungen, ist aber nicht ganz so ökonomisch wie das Original von Rasser   Vadi, das mit seinerzeit 86 Fr./m3 der günstigste Schulhausneubau des Kantons war. Nicht abgegolten ist damit allerdings der immense Recherche­aufwand, den die Architekten betrieben. Gemäss eigenen Angaben verbuchen sie ­diesen Einsatz unter Forschung und Entwicklung. Möglich wurde das ausser­gewöhnlich schöne Ergebnis, weil alle Beteiligten die Wertschätzung für den Bau teilten und sich in den Sinn der Sache stellten.


Literaturhinweise:
Zum Bestand: Bauen +Wohnen, 8/1954, S. 314 ff.
Ulrike Jehle-Schulte Strathaus: Rasser und Vadi. In: Isabelle Rucki, Dorothee Huber (Hrsg.): Architektenlexikon der Schweiz, 19./20. Jahrhundert. Basel 1998.
Jahresbericht 2014 der Basler Denkmalpflege, S. 36f.

TEC21, Fr., 2015.09.25

25. September 2015 Tina Cieslik

Sparsamkeit als Tugend

So reduziert im Material das Hebelschulhaus in den 1950er-Jahren erstellt wurde, so sparsam an Eingriffen ertüchtigten die Bauingenieure von Proplaning die bestehende Bausubstanz. Dafür waren allerdings durchdachte Konstruktionsideen erforderlich.

Das im Inventar der schützenswerten Bauten aufgeführte Hebelschulhaus in Riehen ist in seiner Bausubstanz von 1952/53 noch original erhalten. Seit der Inbetriebnahme erfuhr es nur geringfügige Veränderungen. Entsprechend erfüllte es in verschiedener Hinsicht die aktuellen Anforderungen bezüglich betrieblicher und bautechnischer Aspekte nicht mehr. Unlängst ist der Bau nun instandgesetzt worden.

Das Hochbauamt des Kantons Basel-Stadt plante nach rund 60-jähriger Nutzung eine Gesamtinstandsetzung aller historischer Trakte exklusive des 1994 erstellten Trakts A (vgl. Situation S. 22). Diese umfasste die energetische Ertüchtigung der Gebäudehülle, das Einfügen von neuen Erdbebenwänden, die Erfüllung verschiedener betrieblicher, behördlicher, akustischer und brandschutzspezifischer Auflagen sowie die Erneuerung der Gebäudetechnik. Da allerdings im Trakt E (Turnhalle/Zeichensaal) auch tiefgreifende räumliche Veränderungen angedacht waren, schrieb die Bauherrschaft im Herbst 2009 ein offenes Planerwahlverfahren aus. Diesen konnten die Basler Architekten Thomas Thalhofer und Roula Moharram für sich entscheiden, in der Folge erhielten sie mit ihrem neu gegründeten Büro MET Architects auch den Auftrag für die Instandsetzung des Schulhauses.

Reduziert im Material, präzise im Eingriff

Die Bausubstanz ist gut erhalten. Ihre Tragkonstruktion wurde damals rationell gebaut, mancherorts ist sie geradezu filigran. Das Ingenieurbüro F. Riggen-bach & J. Eger aus Pratteln liess das Gebäude in Massivbauweise mit dünnen und sparsam bewehrten Stahlbeton- bzw. Betonrippendecken (vgl. Bestandsplan S. 27), schlanken Fassadenstützen aus Stahlbeton und zweckmässigen Mauerwerkswänden erstellen. Das Untergeschoss wurde jeweils in Stahlbeton konstruiert und auf einer Bodenplatte mit Streifenfundamenten gegründet. Die konstruktive Reduziertheit sozusagen als Markenzeichen des Schulhauses aufgreifend, liess das Fachplanerteam in Absprache mit der kantonalen Denkmalpflege auch die neuen Eingriffe und Veränderungen sparsam und entsprechend nur punktuell ausführen. Denn Ziel sämtlicher Baumassnahmen war es, die vorhandene Gebäudestruktur in ihrem Erscheinungsbild möglichst zu belassen.

Die Bauingenieure vom Basler Büro Proplaning waren verpflichtet, das gesamte Schulhaus auf Erdbeben bzw. ganz allgemein auf die heutzutage viel höher angesetzten horizontalen Einwirkungen zu ertüchtigen. In der Erdbebenzone 3a und als Bauwerksklasse BWK II wies die Tragkonstruktion auf dem vorliegenden Baugrund laut spezieller Mikrozonierungskarte Basel keine ausreichende minimale Erdbebensicherheit auf ( ≤ 0.25). Laut Merkblatt SIA 2018 ist die Erdbebensicherheit bei einer Restnutzungsdauer von 40 Jahren auf einen Ertüchtigungsgrad von eff = 0.72 auszulegen. Das bedeutete markante Eingriffe in die historische Bausubstanz.

Verhältnismässigkeit und Zumutbarkeit der zu investierenden Kosten waren aufgrund des baukulturellen Werts des Schulhauses dennoch gegeben.

Proplaning griff für die statischen Bemessungen einerseits auf die vorhandenen Ingenieurpläne und die statische Berechnung von 1952, andererseits auf die Nutzungsvereinbarung von ZPF Ingenieure vom August 2009 (Vorstudie) zurück. Anspruchsvoll war die eigentliche Architektur: Die Schulhaustrakte weisen eine Glasfassade auf, in der keine Versteifungselemente vorhanden sind und keine eingebracht werden sollten. Die Ingenieure wussten aber die Anordnung der tragenden Bauteile zu nutzen. Ohnehin vorhandene oder neu eingezogene Wände aus Stahlbeton steifen das Gebäude gegen horizontale Lasten aus. So funktioniert der neue Lift im Trakt B als aussteifender Kern (vgl. Grundriss S. 22). Die mittleren Dilatationsfugen in den Trakten wurden zudem aufgelöst und die Decken in diesen Bereichen miteinander verbunden. Schliesslich bestimmten die Ingenieure in den Erdgeschossen L-förmig angeordnete Mauerwerkswände, die in Stahlbetonwände umgemünzt werden sollten. Hier boten sich die wenigen, aber nutzbaren langen Korridorwände und die Trennwände zwischen den Klassenzimmern an (vgl. Schalungsplan Trakt D, S. 27). Eine kluge Vorgehensweise, die allein schon von den Abmessungen der Mauerwerkswände von 25 cm Stärke gestützt wurde. Diese Wandstärke bot genügend Raum für die notwendige Bewehrung. Um die Betonwand in der gleichen Ebene verputzen zu können, brachte man auf die Schalung eine 20 mm dicke Sagexeinlage auf, die man nach dem Betonieren wieder entfernte. Es entstand eine raue zurückversetzte Oberfläche, die mit den angrenzenden Mauerwerkswänden zu einer einheitlichen Fläche verputzt werden konnte.

Die Erdbebenwände sind von der Dachkonstruktion bis ins Fundament durchgehend. Die Verankerung erfolgt mit in Kernbohrungen eingeklebten Bewehrungseisen in die bestehenden Streifenfundamente oder in die vorhandenen Stahlbetonwände des Untergeschosses. Diese Bohrungen aus dem Erdgeschoss minimierten die Eingriffe im Untergeschoss erheblich.

Von introvertiert zu extrovertiert

Neben den Erdbebenertüchtigungen der vier Schultrakte stand im Trakt E die räumliche Veränderung im Mittelpunkt der Instandsetzung – von der Turnhalle zur Aula. Ein Foyer und eine Bühnen- und Besuchergarderobe sollten integriert und zusätzliche Fluchttüren eingebaut werden.

Wo ursprünglich Umkleidekabinen platziert waren, befindet sich heute ein lichtdurchflutetes Foyer, das sich gegen die Terrasse hin mit raumhohen Schiebefenstern öffnen lässt (vgl. Abb. S. 29). Diese räumliche Ausweitung akzentuiert die bestehende Verbindungsachse und macht die Terrasse zu einem zentralen Aufenthaltsort. Die ursprünglich tragende und mehrheitlich geschlossene Fassadenwand wurde durch eine Stützenreihe ersetzt, auf der ein Abfangträger als Unterzug liegt. Das statische Tragsystem des schlanken Foyerdachs blieb erhalten. Die tragende Fassadenwand erhielt ein neues Erscheinungsbild und fügt sich dennoch selbstverständlich in die neue Situation ein. Der geschlossene Raum neben der Turnhalle – hier waren ursprünglich die Umkleidekabinen untergebracht – ist zum extrovertierten und hellen Foyer geworden. Hierfür musste allerdings die Aula um eine Fensterachse verkürzt werden. Den gewonnenen Raum nutzten MET Architects für Abstellräume und Toiletten. Die Aula ist so zwar gegenüber der Turnhalle etwas gedrungener geraten, doch tut ihr das ästhetisch und funktional keinen Abbruch. Der Innenraum erhielt ein Holzlamellenkleid, das die Raumakustik verbessert. Zusammen mit dem geölten Holzparkett und der Bühne mit den raumhohen schwarzen Vorhängen erzeugt es eine stimmungsvolle Atmosphäre (vgl. Abb. S. 29).

Die Tragkonstruktion mit den trapezförmigen Trägern als Riegel, den typischen Rippendecken dazwischen und den vierkantigen Stützen musste nicht angepasst werden. Das Dach ist zwar, wie Jörg Paschke, projektierender Ingenieur von Proplaning, meint, «ohne Reserven bemessen und dimensioniert», doch die Ingenieure mussten im Zug der Umbauten keine Verstärkungsmassnahmen veranlassen. Allerdings könnte eine Erweiterung der PV-Anlage auf Trakt E nicht auf der gesamten Fläche angebracht, sondern nur bis zur Hälfte im Bereich der grössten Trägerhöhe montiert werden.

In die Substanz integrierte Tragelemente

Im Verlauf der Planung wurde entschieden, im Obergeschoss zusätzlich die Gemeindebibliothek unterzubringen. Der Trakt E erhielt somit eine öffentliche Funktion, die einen Liftanbau erforderte. Der neue Liftturm ist verklinkert und nimmt Bezug auf den Schornstein beim Trakt B. Eine freilaufende Treppe führt neu in den Bibliotheksraum im ersten Obergeschoss, der im Bereich des Treppenaufgangs rundum verglast ist. Die Glaswände machen den Raum zum eigenen Brandabschnitt und halten überdies den Blick über den gesamten Raum frei (vgl. Abb. S. 29).

Das Planerteam realisierte die Bibliothek als vollständig entkernten Raum. Einzig vier Rundstützen (ROR 114.3 × 5.6) an den Eckpunkten der Innenverglasung reduzieren die Spannweiten. Sie ersetzen die ehemaligen Korridorwände an derselben Stelle. Um die Dachtragkonstruktion trotzdem beibehalten zu können, platzierten die Ingenieure zwei Unterzüge (HEB 200) entlang der ehemaligen Korridorwände bzw. durchgehend über die zwei Stützenpaare. Statt der vormaligen tragenden Wände leiten nun Abfangträger die Lasten ab, die einzig mit einem neuen Verteilriegel aus Beton auf den bestehenden Aussenwänden gelagert sind.

In der Ebene des Dachs war es komplizierter, die neue Tragkonstruktion zu integrieren. Denn einerseits mussten für die neue Lastabtragung parallel zur Rückwand noch zwei Verteilträger (HEB 180) eingebracht werden, und andererseits ist das Dach über der Bibliothek wie in der Aula schräg. Die Raumhöhe war an der hinteren Wand entsprechend niedrig (vgl. Grundriss Decke über Obergeschoss S. 27). Um die reduzierte Raumhöhe möglichst uneingeschränkt nutzen zu können, versenkten die Ingenieure die neuen Träger in die Ebene der bestehenden Dachkonstruktion. Dafür schnitten sie die historische Rippendecke partiell auf und legten die Verteilträger ein, ergänzt mit seitlichen Laschen als Konsolen für die durchtrennten Rippen. Eine entsprechend angeformte Gipskartondecke verdeckt diese «unruhige» Konstruktion und schützt sie zugleich im Brandfall.

Respektvoller Umgang mit der Substanz

Das Projekt zeigt exemplarisch auf, wie mit einem eingängigen architektonischen Konzept und mit grundlegend konventionellen Ingenieurleistungen ein historisches Bauwerk in die Gegenwart transferiert werden kann. Trotz der teilweise tiefen Eingriffe wirken die Veränderungen dezent und unauffällig. Sie fügen sich vielmehr passend in die Architektur des Hebelschulhauses ein. Auch wenn vom integrierten neuen Tragwerk in den Innen- und Aussenräumen kaum etwas zu erkennen ist, ermöglicht es den räumlichen Wandel und die statische Ertüchtigung. Das Tragwerk hält sich zurück und überlässt der Architektur das Schauspiel. Das ist in diesem Fall richtig, denn es dient dem respektvollen Umgang mit der historischen Bausubstanz und bewahrt die architektonischen Qualitäten des Schulhauses.

TEC21, Fr., 2015.09.25

25. September 2015 Clementine Hegner-van Rooden

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