Editorial

Hochparterre hat Gute Zahlen

Die Forscher der Wemf, der AG für Werbemedienforschung, zählen für die Inserenten der Presse alle paar Monate die Anzahl Leserinnen und Leser zusammen. Und wenn ihr Bericht herauskommt, die Mach, schlottern oder feiern die Verleger. Hochparterre feiert: Wir haben seit der letzten Zählung im Jahr 2008 4000 Leserinnen und Leser gewonnen. 58 000 Menschen lesen Hochparterre. Das freut uns — und wir weinen eine Träne, denn umgerechnet auf die Auflage heisst das, dass jedes Heft durch sieben Hände geht. Ich rufe also allen Zaungästen zu: «Gebt Euch doch einen Schupf, abonniert Hochparterre! Schickt noch heute eine E-Mail an verlag@hochparterre.ch und schreibt darauf: Jawohl, ich will!» Doch ich will eigentlich nicht jammern, sondern danke allen, die Hochparterre lesen, für die Neugier und für ihre Treue.

Neulich traf ich Max Dudler zum Wein. Bekannt als Architekt strenger Observanz hat er Hochparterres Manier und Design gelobt: «Mir gefällt, wie viel Aufmerksamkeit ihr den Bildern gebt. Ich lese gerne, aber ich schaue noch lieber.» Dudlers Lob findet eine Entsprechung im Redaktionsbudget, wo der Posten «Fotografie» kräftig angewachsen ist. Resultate sehen wir in diesem Heft zum Beispiel von Theres Jörger, Susanne Stauss, Stephan Rappo, Torsten Seidel, Giorgio Hoch, Niklaus Spoerri, Urs Walder, Rolf Siegenthaler und Désirée Good. Es ist gut, wie engagiert sich Antje Reineck, die Art Direktorin, und die Designerinnen Barbara Schrag und Juliane Wollensack für immer mehr und immer bessere Bilder einsetzen — und ihnen den nötigen Platz einräumen.

Hochparterre ist verankert in der deutschen und rätoromanischen Schweiz. Im Welschland sind wir bekannt, aber wir kümmern uns zu wenig um die Architektur und die Planung in der romandie. In dieser ausgabe winden wir ihr ein Kränzchen: Wer Hochparterre abonniert hat, findet in seinem Oktoberpaket den zweiten Katalog der «Distinction romande d’architecture», dem grossen Architekturwettbewerb zwischen Freiburg und Genf, Sierre und Courgenay. Wir danken unseren Kollegen der «Distinction» für die gute Zusammenarbeit.
Köbi Gantenbein

Inhalt

06 Meinungen
07 Lautsprecher
08 Funde
11 Sitten und Bräuche
17 Massarbeit

Titelgeschichte
18 «Lädele» im Shopping Center
Vor vier Jahrzehnten entstanden in der Schweiz die ersten Einkaufs-Paradiese vor den Toren der Stadt. Eine Entwicklungsgeschichte.

Architektur
30 Der Nebel Lichtet sich
In Venedig betört die beste Biennale aller Zeiten ihre Besucher.

Design
32 Kitsch und verpasste Chancen
Etliche Designerinnen begegnen Souvenirs mit Skepsis.

Architektur
38 Bähnlers Bunker
Unter der Grossen Schanze in Bern verbirgt sich ein Tunnelsystem.

Design
40 Shanghai besuchen
Eine Stadt und ihre Menschen leben im Zeitraffermodus.

Design
46 Scheibenkleister
Wie die Muster auf die Glaswand im noblen Warteraum kamen.

Raumplanung
48 Eine Prärie der offenen Gedanken
Der Flugplatz Dübendorf gehört allen.

Architektur
50 Die freie und Hansestadt baut
Hochparterre reisen feiert Premiere in Hamburg.

Architektur
54 Ruhe am Berg
Bei Seilbahnen spielt Architektur eine kleine rolle.

Architektur
58 Auf den zweiten Blick
Die Westschweizer Architekten sind verspielter, findet Mike Guyer.

60 Leute
64 Siebensachen
66 Bücher
70 Fin de chantier
76 Raumtraum

Der Nebel lichtet sich

Es ist die beste Biennale aller Zeiten. Kunst macht Räume schwerelos und die Stars mussten für einmal zu Hause bleiben.

«Die Biennale 2010 sollte eine Ausstellung über Architektur sein.» So lautet der Kuratorin erster Satz im Programmheft. An der weltweit wichtigsten Architekturausstellung muss erstmal klargestellt werden, dass es um Architektur geht. Wie viel sagt ein solcher Satz über den aktuellen Zustand der Profession? Er kommt einer Bankrotterklärung gleich.

Wundern muss einen das nicht. Als 2004 Kurt W. Forster die Leitung der Architekturbiennale übernahm, wollte er uns die «Zeichen einer neuen Zeit» vorführen. Wir gähnten ob all der digitalen Wölbungen und Blähungen der üblichen Verdächtigen. Architektur sah man dort nicht. 2006 machte der Londoner Richard Burdett aus dem Jahrmarkt der formalen Eitelkeiten eine Problemschau. Sorge um die Entwicklung der Megastädte trieb ihn um, Unmengen an Fakten schlug er den Besuchern um die Ohren: Fotos und Filme von Caracas bis Shanghai. Architektur? Fehlanzeige. 2008 schliesslich suchte der Amerikaner Aaron Betsky die Architektur «jenseits des Bauens», schickte schräge Objekte auf den Laufsteg, bunt und schrill. Unfreiwillig geriet seine Schau zu einem Abgesang auf die sich nur noch selbst zitierenden «Stararchitekten». Und zu einem Tiefpunkt in der dreissigjährigen Geschichte der Architekturbiennale.
Aus diesem Loch schwebt nun eine Lichtgestalt. Mit Kazuyo Sejima berief die Biennale seit Langem wieder eine praktizierende Architektin an die Spitze. Und eine, die 2010 mit ihrem Büro Sanaa einen rasanten Sprung hinlegte: Im Januar stellte sie ihr Biennaleprogramm vor, im Februar eröffnete sie ihr hoch gelobtes «Learning Center» an der ETH Lausanne siehe HP 4 / 10 und im März wurde bekannt gegeben, dass der diesjährige Pritzkerpreis an Sanaa geht. Im Vorfeld der Ausstellung konnte man sich nicht sicher sein, ob die 54jährige Japanerin den hohen Erwartungen gerecht zu werden vermag. Als Kuratorin war sie unerfahren, sie spricht schlecht Englisch und tritt bescheiden auf, fast scheu. Und was sollte dieser Allgemeinplatz «People meet in Architecture» als Titel? Ihr Konzept, jedem Ausstellungsteilnehmer einen eigenen Raum zuzuweisen und sich selbst zu kuratieren, wurde skeptisch beäugt.

Weg von der männlichen Leistungsschau

Seit Ende September sind die Skeptiker im SanaaRausch. Ähnlich wie die Räume des «Learning Center», in denen man seinen gesunden Menschenverstand wegstaunt, betört die Hauptschau in Venedig ihre Besucher, macht sie glücklich. Atmosphärische Installationen zaubern aus der 300 Meter langen ehemaligen Seilerei in den Arsenalen eine sorgfältig komponierte Folge von Raumerlebnissen: Dunkel folgt auf hell, schwer auf leicht. Sejima lässt Wasser tanzen, Klänge einen Raum formen, der sich im Nebel wieder verliert. Ihr gelang es, aus einer männlichen Leistungsschau ein träumerisches Ereignis zu machen. Dabei liess sie alle Stars der Szene aussen vor: Keine Hadid, kein Gehry, kein Nouvel ist hier vertreten. Als einzigen weiteren PritzkerpreisTräger lud sie Rem Koolhaas ein. Mit einer brillanten Analyse zu unserem Verhältnis gegenüber Baudenkmälern findet der zu alter Form zurück und liefert damit den Beweis, dass er den diesjährigen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk verdient.

Auch Sejimas Motto «Menschen treffen sich in Architektur» ist mehr als ein Lippenbekenntnis. Neben der Hauptausstellung auf 10 000 Quadratmetern, den 55 Länderbeiträgen und rund zwei Dutzend weiteren Ausstellungen gibt es unzählige Nebenveranstaltungen, Diskussionsrunden und der Ausstellung führte Hans Ulrich Obrist Interviews mit allen vertretenen Architekten und Künstlern, die am gleichen Ort auf Bildschirmen (und auf Youtube) zu sehen sind. Aber auch die besten Länderbeiträge stellen Menschen in den Mittelpunkt. Zum Beispiel der von Bahrein, ein Werk des Lapa (Laboratoire de la production d’architecture) von Harry Gugger an der ETH Lausanne. In einer Installation aus drei zusammengenagelten Strandhütten wirft man hier einen kritischen Blick auf die für die Öffentlichkeit immer unzugänglicher werdenden Strände des Inselstaates – Gugger und die Seinen wurden dafür mit dem Goldenen Löwen belohnt.

Beglückender Besuch So heterogen die Beiträge auch sind, im Blick zurück erscheint das Bild einer «japanischen» Biennale. Zarte Häuser, leuchtende Räume, das sei die Zukunft der Architektur, gibt uns die Kuratorin mit auf den Weg. Wie ein Exempel eröffnet ein 3DFilm von Wim Wenders über das «Learning Center» die Hauptausstellung, lässt uns durch Raumhügel gleiten. Sanaas Hausfotograf Walter Niedermayr zeigt Bilder von Moscheen, die sich in Helligkeit verlieren. Sejimas Lehrer Toyo Ito hat ebenso einen Raum wie einige ihrer Schüler, auch Werke von Sanaa sind vertreten. Der japanische Pavillon zeigt ein Haus des Büropartners Ryue Nishizawa. Christian Kerez stellt seine grossen Modelle in zwei Räumen aus, Valerio Olgiati füllt einen weiteren. Auch hier: Reinheit, Klarheit, Kunst, wiewohl um einiges muskulöser als in Fernost. Jürg Conzetts Blick auf Brücken und Stützmauern bringt mit Eigensinnigkeit und Sorgfalt — aber der Dichte vielleicht etwas zu viel — den Schweizer Pavillon ins Gespräch siehe Seite 60. Die vorausgegangenen Architekturbiennalen scheiterten an den grossen Fragen, wie Metropolenwachstum oder Nachhaltigkeit, oder aber am Hype des Starsystems. Die diesjährige möchte ihre Besucher schlicht beglücken — sie schafft es. Dass aber auch die Sehnsucht nach schwerelosen Räumen scheitern kann, das zeigt der Beitrag, den die Jury als beste Installation der Hauptausstellung ehrte. Mit ihr versucht der 36jährige Junya Ishigami, ebenso ehrgeizig wie spielerisch Architektur zu entmaterialisieren — und überflügelt dabei fast seine Lehrmeisterin Sejima. Zusammen mit einem halben Dutzend Helfern baute er ein Volumen in die Arsenalehalle, das nur aus Kanten besteht. 4 Meter hoch, 4 Meter breit und 14 Meter lang füllte es das Mittelschiff beinahe aus, doch sichtbar war es kaum, denn die Linien bestanden aus 0,2 Millimeter dünnen, weissen Kunststoffstäbchen, die wiederum von unsichtbaren Fäden abgespannt waren. Leider kamen nur wenige Besucher in den — irritierenden — Genuss, diese feine Zeichnung im Raum zu bewundern. Wenige Tage vor der Eröffnung brachte eine Katze das fragile Hausgespinnst zum Einsturz. Das Team arbeitete vier Tage und vier Nächte am Wiederaufbau und schliesslich triumphierte das Schwebende wieder über die Schwerkraft. Wenig später lief ein Putzmann in die Installation. Zurück blieben ein paar weisse Striche am Boden, ein Mahnmal der Leichtigkeit. Ihr Autor ist nun der Ikarus der Architektur.

hochparterre, Mi., 2010.10.20

20. Oktober 2010 Axel Simon

Auf den zweiten Blick

Mike Guyer, Jurypräsident der Distinction Romande d’Architecture über die Szene im Welschland: «Die Architektur ist verspielter.»

2006 schrieb der Architekturprofessor Martin Steinmann anlässlich der ersten Distinction romande d’architecure (Dra): «L’architecture romande n’existe pas.» Stimmen Sie dem zu? Nein. Die 256 Eingaben zeichnen auf den ersten Blick kein klar erkennbares Bild, aber die Architektur in der Romandie zeigt Merkmale, welche sie von derjenigen in der Deutschschweiz, im Kanton Graubünden oder im Tessin unterscheiden.

Welche? Die Architektur ist weniger ernsthaft, unbeschwerter, verspielter, von einem südländischeren Lebensgefühl geprägt. Man geht unvoreingenommener mit architektonischen Vorbildern und Referenzen um. Ihre Architekten sind bescheidener in den architektonischen Ambitionen und oft entspannt pragmatisch.

Welchen Stellenwert hat Architektur in der Westschweiz im Vergleich zur Deutschschweiz? In der Romandie wird weniger gebaut als in Zürich oder Basel. Demzufolge ist die Auseinandersetzung mit Städtebau und Architektur weniger intensiv, die Architektur in den Tagesmedien weniger präsent. Umso stolzer sind die politischen Vertreter der Gemeinden und Städte auf ihre einmal realisierten öffentlichen Gebäude. Die Architektur in der Romandie wächst langsamer, stiller, bodenständiger, aber in den Inhalten oft verdichteter und in der Tradition abgestützter.

Welche rolle spielt die Architekturhochschule EPFL? Sie ist das fachliche und theoretische Zentrum, an dem sich alle mitunter orientieren. Viele der Protagonisten — auch solche, die jetzt ausgezeichnet wurden — haben in Lausanne studiert und lehren jetzt an der Schule. Der Austausch zwischen der Romandie und der Deutschschweiz ist an der EPFL in Form des Studenten- und Lehreraustausches am fortgeschrittensten. Die EPFL ist durch ihre dynamische Entwicklung — in der Architektur dokumentiert durch das Erasmus-Programm und dem prestigeträchtigen Bau des Learning Center — durchaus mit der ETHZ vergleichbar und hat eine Ausstrahlung, die weit ins Ausland reicht.

Gibt es eine Architekturszene? Ja, die DRA ist der Beweis dafür. Die Szene ist in den ländlichen Gebieten verstreut, verdichtet sich aber in Genf, Lausanne, Neuenburg und Freiburg. Jede Region hat eine Handvoll herausragender Büros, die das lokale Architekturgeschehen prägen.

Gibt es Tendenzen in der Westschweizer Architektur? Die ausgezeichneten Projekte: zwei Schulen, ein Bürogebäude, ein Chalet, ein Stadion, Einfamilienhäuser und ein Umbau zeichnen sich nicht durch ein primär «lautes» Auftreten aus. Ihre Qualitäten sind erst auf den zweiten Blick erkennbar. Das gewählte Entwurfskonzept ist in allen Massstabsebenen mit unterschiedlicher Gewichtung präsent. Es entstehen Vielschichtigkeiten, die bei der Begehung der Gebäude immer wieder zu Überraschungen und neuen Erkenntnissen führen, die in den Plänen und Fotografien der Portfolios nicht erkennbar waren. In der Nutzung und Typologie sind die ausgewählten Gebäude verschieden, ihnen gemeinsam sind aber Lösungen, die eine allgemein gültige Relevanz haben. Es ist eine Tendenz, die geprägt ist durch Inhalt und nicht durch Form.

2006 hat Martin Steinmann geschrieben, dass die Kategorie Wohnungsbau quasi fehlt, weder Gemeinden noch Genossenschaften nähmen ihre Verantwortung wahr. Hat sich das gegenüber 2010 geändert? Leider nein. Wer die Verhältnisse in Zürich und Basel kennt, ist ernüchtert. Das Regelwerk für Wohnungsbau in der Westschweiz, also welche Mieterträge man erwarten kann, was das Land kostet, was das Bauen überhaupt kostet, führt zu so harten Bedingungen, die kaum qualitätvolle Architektur zulassen. Hier braucht es ganz klar ein grösseres Engagement von der Bauherrenseite, sei sie privat oder öffentlich. Der Bedarf nach gutem Wohnraum, in Genf, aber auch in kleineren Städten, ist grösser als nirgendwo, doch gute Architektur braucht geschütztere Räume. Dazu kommt, dass der Mietermarkt sehr konservativ ist und Bauherren deswegen das Risiko von innovativen Grundrissen scheuen.

Was konnten Sie von der mehrtägigen Jury - reise mit in die Deutschschweiz nehmen? Ich habe einen Teil der Schweiz besser kennengelernt, den ich äusserst vielfältig und sehr interessant finde. Wir haben während der Reise Landschaften und Architekturen in einer kontinuierlichen Bewegung wahrgenommen. Die verschiedenen Regionen wurden wie in einem Zeitraffer aneinandergereiht. Die Erinnerungen sind mir wie ein Film erhalten geblieben.

Für die «Distinction» haben sich Verbände und Kantone zusammengetan und sich auf einen Preis konzentriert. In Zürich schreiben Stadt und Kanton je einen eigenen Architekturpreis aus und konkurrenzieren sich gegenseitig. Was hilft der Vermittlung der Architektur mehr? Die DRA ist eines der nachhaltigsten Konzepte für einen Architekturpreis. Alle, die in irgendeiner Weise involviert waren, sei es von Behörden-, Planer- oder Bauherrenseite, sind vom Verfahren und der Auszeichnung überzeugt. Ein wichtiger Pulspunkt ist die Koppelung der DRA an eine Medienbegleitung, die über die Fachkreise hinausgeht. Eine Ausstellung mit allen nominierten Bauten wandert durch die Schweiz und das Ausland. L’Hebdo legt die Begleitpublikation bei und erreicht so über 200 000 Leser, zudem porträtiert die Zeitschrift wöchentlich eine Auswahl Büros beziehungsweise Projekte. Damit wird der Wirkungsgrad der DRA beträchtlich erhöht. Auch öffnen die Besitzer der nominierten Projekte ihre Häuser an bestimmten Daten für die Öffentlichkeit.

hochparterre, Mi., 2010.10.20

20. Oktober 2010 Roderick Hönig

Weiche Schale, harter Kern

Das Schulhaus Eichmatt ist ein gemeinsames Werk der zwei Gemeinden Cham und Hünenberg; die Gemeindegrenze verläuft unsichtbar mitten durch das Gebäude. Das lang gestreckte, hölzerne Haus steht parallel zur Eichmattstrasse. Mit seiner kompakten Form ermöglicht es den geforderten Minergie-P-Standard, mit seiner Lage setzt es im entstehenden Wohnquartier einen starken Akzent, begründet nachträglich die Richtung der neu erstellten Strasse und betont seine Eigenständigkeit gegenüber der benachbarten Schulanlage aus den Achtzigerjahren. Geschickt nutzten die Architekten Bünzli & Courvoisier das leicht fallende Terrain aus: Gegen die Strasse, wo ein Kirschbaumhain dem Quartier als öffentlicher Ort zur Verfügung steht, ist das Volumen dreigeschossig. An der Rückseite hingegen, wo Sport- und Pausenplatz liegen, zählt es nur zwei Geschosse. Neben den Klassenzimmern und Nebenräumen der Primarschule sind darin eine Doppelturnhalle, eine Aula, drei Kindergärten, die Abwartwohnung und — organisatorisch abgetrennt — die Musikschule untergebracht.

Die gehobelte Lärchenschalung der Fassade prägt die äussere Erscheinung des Neubaus. Sie wird mit den Jahren vergrauen. Wer genau hinschaut, entdeckt hinter den Fenstern hölzerne Stützen, die nicht dem Wetter ausgesetzt sind und ihr hölzernes Antlitz behalten werden. Ein Holzhaus also? Wer in die Eingangshalle tritt, ist überrascht. Ein Boden aus geschliffenem Beton, gestrichene Wände, Gipsdecken — das Hölzerne ist weg. Einzig die Fassadenstützen aus massivem Brettschichtholz transportiert das Äussere in das Innere. Und tatsächlich ist das, was man sieht, auch das, was ist: Das Haus ist nicht ein verkleideter Holzbau, sondern ein Massivbau mit tragenden hölzernen Fassadenstützen.

Das räumliche Rückgrat des Gebäudes ist seine Erschliessung, die sich von der grossen Halle im unteren Geschoss z-förmig ins mittlere Geschoss entwickelt. Hier liegt die zum Aussenbereich orientierte Haupthalle, von der aus drei Treppen abgehen. Sie münden im obersten Stock jeweils in einen Vorbereich, den sich vier Klassenzimmer und zwei Gruppenräume teilen. Drei Höfe bringen Licht in diese Vorräume und ermöglichen vielfältige Sichtverbindungen längs und quer durchs Haus; Peter Regli hat sie je mit einer Grundfarbe künstlerisch gestaltet.

hochparterre, Mi., 2010.10.20

20. Oktober 2010 Werner Huber

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