Editorial
Weiß gekleidete Forscher hantieren in aseptischen Räumen mit Reagenzgläsern und Pipetten: Ein vertrautes Bild von Laboren, wie wir es seit Jahrzehnten aus Filmen und Büchern kennen. Doch handelt es sich bei Forschungsbauten um Gebäude, die aufgrund sich ständig verändernder funktionaler, technischer, ökonomischer, rechtlicher und sicherheitstechnischer Anforderungen einem besonders hohen Entwicklungs- und Veränderungsdruck ausgesetzt sind. Die Laborwelten wandeln sich rapide – und damit auch die Grundlagen für Planungen und Betrieb. Das Zeitalter der »Labor-Einbauküchenmentalität« geht dem Ende zu: Das moderne Labor gewinnt eher den Charakter einer kreativen Werkstatt und auch die Ausstattung reagiert zunehmend auf Automatisierung, Computerisierung und Miniaturisierung vieler Prozesse; Labor- und Büroarbeit wird zusammengedacht und auch räumlich zusammen gebracht. Natürlich eignet sich das nicht für jeden Forschungsbereich, besonders bei Laboratorien mit erhöhten Sicherheits- und Reinheitsanforderungen ist ein »Gegentrend« erkennbar. Für diese, von der Außenwelt abgeschirmten Forschungseinheiten, ist die Gebäudehülle wichtiges Ausdrucksmittel.
Über markante, mit hochwertigen Materialien ausgeführte und präzise detaillierte Fassaden sollen Hinweise auf den innovativen Charakter der im Innern betriebenen Forschung gegeben werden. – Eine Idee, die sich anhand der folgenden, kritischen Projektvorstellungen nachvollziehen lässt. | uk
Facettenreiche Fassade
(SUBTITLE) Medizinisches Forschungslabor der Universität Groningen
Die 1624 gegründete Reichsuniversität Groningen ist nach der Universität in Leiden die zweitälteste der Niederlande. An insgesamt neun Fakultäten sind hier rund 25 000 Studenten eingeschrieben. Zu den bedeutendsten Instituten der Universität gehört die nordöstlich der Innenstadt gelegene Medizinische Fakultät mit ihren zahlreichen Lehr- und Forschungsgebäuden. Ende 2008 wurde hier ein neues medizinisches Forschungslabor eröffnet. Der im nördlichen Bereich des großflächigen Areals direkt neben der bestehenden 13-geschossigen Universitätsklinik errichtete Neubau integriert auf sechs Ebenen unterschiedlich große Laboreinheiten.
Die 1624 gegründete Reichsuniversität Groningen ist nach der Universität in Leiden die zweitälteste der Niederlande. An insgesamt neun Fakultäten sind hier rund 25 000 Studenten eingeschrieben. Zu den bedeutendsten Instituten der Universität gehört die nordöstlich der Innenstadt gelegene Medizinische Fakultät mit ihren zahlreichen Lehr- und Forschungsgebäuden. Ende 2008 wurde hier ein neues medizinisches Forschungslabor eröffnet. Der im nördlichen Bereich des großflächigen Areals direkt neben der bestehenden 13-geschossigen Universitätsklinik errichtete Neubau integriert auf sechs Ebenen unterschiedlich große Laboreinheiten.
Erste Überlegungen zur Errichtung eines neuen Forschungslabors gab es bereits Anfang 2003. Aus dem anschließend ausgeschriebenen Wettbewerb ging schließlich das Amsterdamer Büro UNStudio um Ben van Berkel als Sieger hervor. Das Büro hatte wenige Jahre zuvor bereits ein funktional wie ästhetisch überzeugendes Laborgebäude für die Universität in Utrecht realisiert. Gegenwärtig sind die Architekten außerdem mit der Planung des Zentrums für Virtuelles Engineering ZVE des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart befasst.
Geschlossene Hülle
Die vorhandenen Gebäude auf dem Areal der Medizinischen Fakultät wurden in den vergangenen Jahrzehnten ohne einheitlichen Masterplan sukzessive zu einer »Stadt in der Stadt« entwickelt und bieten dementsprechend einen stark heterogenen Gesamteindruck. »Mit unserem Entwurf wollten wir daher einen deutlichen architektonischen Akzent am Standort schaffen, der auf den ersten Blick den innovativen Charakter der vor Ort betriebenen Forschung sichtbar machen soll«, beschreibt Ben van Berkel die Zielsetzung seines Büros. »Eine wichtige funktionale Vorgabe war dabei die Ausbildung einer weitgehend fensterlosen Fassade, um so kein Tageslicht in die Laborräume dringen zu lassen.«
Als Umsetzung dieser Anforderungen entwickelten die Planer einen quaderförmigen, durch eine schräg ansteigende Rückfront leicht asymmetrischen Baukörper in Stahlbetonbauweise, der über eine frei tragende Brücke mit der nordöstlich angrenzenden Universitätsklinik verbunden ist. Zur Verkleidung der Fassaden wurde oberhalb eines bis zu 3 m hohen, grau verputzten Sockels eine durchgehende, lediglich durch einige kleinere Fenster geöffnete Außenhülle aus vertikalen Aluminiumpaneelen im Format von 1,4 x 0,6 m gewählt. Die markant gestaltete Fassade schafft einen hochwertigen Blickfang zur Stadt, ohne dabei mit dem nordwestlich direkt angrenzenden, fast zeitgleich errichteten Lehrgebäude für Anatomie und Embryologie mit seiner organisch gerundeten Außenhülle in Konkurrenz zu treten. Als einzige Zugänge wurden ein Sektionaltor zur Anlieferung sowie jeweils ein Notausgang an der Südost- und der Nordwestfassade integriert. Die Erschließung des Gebäudes erfolgt hingegen ausschließlich über die frei tragende – ebenfalls mit Aluminiumpaneelen sowie mit einer großen Glasfront ausgebildete – Brücke zur Universitätsklinik als direkte Verbindung zum 2. OG.
Um die strenge Geschlossenheit des Baukörpers optisch aufzulösen, gestalteten die Planer die Außenhülle in einigen Bereichen mit unterschiedlich stark geschwungenen, dabei zunehmend in sich gedrehten und nach außen gekehrten Aluminiumpaneelen. Die verschieden breiten, vertikalen Cluster von übereinander platzierten Elementen erzeugen, je nach Blickwinkel und Entfernung, ein bewegtes dreidimensionales Muster, das mit seinem doppeldeutigen Spiel von Zeigen und Verbergen einen spannenden Verweis auf die im Inneren verborgene Forschung bietet. Zusätzlich gesteigert wird der Eindruck durch eine farbige Gestaltung der nach außen gekehrten Innenseiten der Aluminiumelemente: Im unteren Bereich der Fassade wurden gelb beschichtete Innenflächen verwendet, nach oben geht die Farbigkeit schrittweise ins Grüne über, um so einen Bezug zu den angrenzenden Bäumen zu schaffen, wie Ben van Berkel erklärt.
Offene Lichthöfe
Ähnlich facettenreich wie die Außenfassade präsentiert sich auch das Innere, das aus hygienischen Gründen ausschließlich von Mitarbeitern des Instituts betreten werden darf. Für alle anderen endet der Weg vor der Sicherheitsschleuse am Ende der innen grell orange gestalteten Brücke. Im Kern des Gebäudes integrierten die Planer zwei große Lichthöfe in Form von abgestumpften asymmetrischen Kegeln. Im Zusammenspiel mit großformatigen Oberlichtern ermöglichen sie eine ausreichende Versorgung des zentralen Bereichs mit Tageslicht und schaffen gleichzeitig die Voraussetzung für die gewünschte Unterteilung des Gebäudes in unterschiedliche Hygieneniveaus: In beide Atrien wurde eine Wendeltreppe, mit der sich die unterschiedlichen Ebenen der Gebäudebereiche auch unabhängig voneinander erschließen lassen, integriert. Der südlichere der beiden Höfe bietet eine größere Grundfläche und verjüngt sich in Richtung eines relativ kleinen Oberlichts, der andere wurde umgekehrt gestaltet. Ersterer erschließt ausschließlich die vier Laborebenen, der zweite, deutlich hellere, bietet überdies auch Zugang zu den Technikebenen, die sich im Kellergeschoss, zwischen zweiter und dritter Laborebene sowie im Dachgeschoss über der vierten Laborebene befinden. »Die Außenflächen der beiden Kegel haben wir dabei aus Gründen des Brandschutzes als transparente Glasfassade zwischen den Lichthöfen und den angrenzenden Gebäudeebenen gestaltet, so dass die Innenräume der Kegel auch als Fluchttreppenhäuser fungieren«, so Ben van Berkel. Um eine gute Orientierung zu ermöglichen und dunkle Korridorsysteme zu vermeiden, sind die Lichthöfe auf sämtlichen Ebenen von umlaufenden Emporen umgeben. Die Wände und Böden der Emporen führten die Architekten in durchgehender, geschossweise sich verändernder Farbigkeit aus. Ähnlich wie im Außenbereich entstand so ein farbig bewegter Raumeindruck mit fließenden Übergängen: Im EG, in das am wenigsten Tageslicht fällt, wurde Hellgelb gewählt, weiter oben nimmt die Farbintensität zu und wandelt sich über Orange zu leuchtendem Rot. Die durchgehend eingesetzten Bodenbeläge und Wandbeschichtungen aus Kunststoff lassen sich den hohen hygienischen Standards entsprechend problemlos reinigen und desinfizieren.
Flexible Ausstattung
Bei der Ausstattung der einzelnen Laborräume standen überwiegend funktionale Aspekte im Vordergrund. Die Kosten konnten dabei aufgrund der integralen Planung auf 1425 Euro je Quadratmeter Nutzfläche reduziert werden. Aufbauend auf den Vorgaben der Institutsleitung entwickelten die Architekten ein variables Raumkonzept für 18 feste Mitarbeiter mit insgesamt 270 Reinraumlaboreinheiten in vier unterschiedlichen Hygieneniveaus, die durch entsprechende Sicherheitsschleusen bzw. Luftduschen voneinander abgegrenzt werden. Die Hauptlaborräume bieten eine Grundfläche von jeweils 2,70 x 2,70 bzw. 2,70 x 5,40 m und lassen sich bei Bedarf ohne größere Umbauten umrüsten oder erweitern. Die Belichtung der Labore erfolgt ausschließlich über Kunstlicht, lediglich in den neben dem Eingangsbereich gelegenen Büros im 2. OG wurden Fenster integriert. Zur Erfüllung der Brandschutzauflagen wurden Rauchdetektoren eingebaut.
Bei der Entwicklung des Energiekonzepts kam den Architekten entgegen, dass sie aufgrund der geschlossenen Fassade auf eine gesonderte Kühlung des Gebäudes verzichten konnten. Die Kühlung wird stattdessen durch die eingebaute Lüftungsanlage übernommen, die überdies der Nutzung entsprechend einen 16-fachen Luftaustausch je Stunde sicherstellt. Die Zufuhr von Frischluft erfolgt dabei über den großen Lichthof. Zur Beheizung des Gebäudes kommt eine Luft-Wärmepumpe zum Einsatz, die sich für jeden Raum flexibel einstellen lässt. Auch ohne visuellen Kontakt zur Außenwelt steht den Mitarbeitern im neuen Laborgebäude also jederzeit ein angenehmes Binnenklima zur Verfügung – als wichtige Voraussetzung für die innovative medizinische Forschung vor Ort.db, Mi., 2010.01.13
13. Januar 2010 Robert Uhde
Von Mikrowelten zum urbanen Raum
(SUBTITLE) Sonderlabore der Universität Leipzig
Bei dem Entwurf von Laborgebäuden werden gegensätzliche Forderungen offenkundig: Es werden Räume benötigt, die von der Alltagswelt hermetisch abgeschlossen und gesichert sind, zugleich verlangt der räumliche Kontext eher nach Integration als nach isoliert-introvertiertem Ausdruck. Den Versuch, Funktion und Ort gleichermaßen gerecht zu werden, unternimmt das neue Sonderlaborgebäude im Leipziger Universitätsklinikviertel mit Erfolg.
Um dem Anspruch an einen Standort für medizinische Spitzenforschung gerecht zu werden, wurden im Leipziger Universitätsviertel mehrere neue Klinik- und Laborbauten realisiert. In diesem Kontext entstand auch das Laborgebäude an der Stephan-, Ecke Liebigstraße nach dem Entwurf der Architekten Ansgar und Benedikt Schulz. Es stellt sich funktional betrachtet als eine reine Erweiterung der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie dar. Aus städtebaulicher Perspektive ist gleichwohl ein eigenständiger Kubus entstanden, der in räumlicher Distanz zum neoklassizistischen Bestandsgebäude positioniert ist. Das Raumprogramm forderte ausnahmslos Laborräume für molekularbiologische und gentechnische Versuche mit einer durchschnittlichen Größe von 20 m², nur einige sind zu Doppeleinheiten zusammengefasst. Außerhalb des Neubaus befinden sich sämtliche zugehörigen Gemeinschaftsräume, Büros und Seminarräume im vorgeschalteten Fakultätsgebäude. Aus dieser eindeutigen Programmvorgabe entwickelten die Architekten eine klassische Dreibundanlage, die sich mit ihrer rationellen Struktur in den Fassaden widerspiegelt. Die Anlage von beidseitig fünf Einzellaboren pro Etage zeigt sich in der Fensterreihung zur Stephanstraße und Hofseite, während die mittlere Versorgungszone mit Doppelfenstern zur Liebigstraße ihren Abschluss findet.Da der Zugang zu den Laboratorien streng kontrolliert erfolgen muss, war bei diesem Spezialbau kein prägnanter Eingang gewünscht, denn die Fakultätsangehörigen und Studierenden erschließen die Sonderlabore über eine Brücke vom Bestandsbau. Hieraus erklärt sich auch die zurückhaltende Gestaltung des zweiten Zugangs im Erdgeschoß, der von der Straße zurückgesetzt und bündig in die Fassade integriert ist.
Sicherheitsverordnungen und urbaner Raum
Obgleich innovative Forschungen mit molekularbiologischen und gentechnischen Versuchen den Inhalt des Gebäudes bestimmen, setzen die Architekten beim gestalterischen Ausdruck weder auf demonstrativen Innovationscharakter noch auf isolierende Abschottung. Als eine wesentliche Entwurfsintention erweist sich die Integration des Neubaus als Teil des Universitätsensembles in den stadträumlichen Kontext. Der helle Kubus markiert die Ecksituation zwischen seinen gründerzeitlichen Nachbarn. Zur Stephanstraße setzen großformatige Fenster die Lochfassade des angrenzenden Bestandsbaus präzise fort, indem die Höhen der Fensteröffnungen und Attika von den Bestandsproportionen abgeleitet sind. Die Verbindung von Labor- und Fakultätsgebäude findet mit diesem dialogischen Prinzip auch in der Fassadengestaltung eine Übersetzung. Das Konzept erscheint für das Klinikviertel mit seinen anspruchsvollen Bauten aus der Gründerzeit und den 50er Jahren als adäquate Haltung. Die Architekten schreiben die Tradition des Ortes fort, allerdings mit erkennbar zeitgenössischen Mitteln und Methoden.
Für architektonische Gesten mit einladendem Charakter oder akzentuierte Gemeinschaftsbereiche bot das Raumprogramm keine Möglichkeiten. Im Gegenteil – das Wesen des Laboratoriums ist durch die hermetische Abgeschlossenheit gegenüber der Außenwelt bestimmt; dies wird auch in den Sicherheitsverordnungen für Räume der Schutzstufen 1 bis 3 über zahlreiche Auflagen definiert, denen die biochemischen und radionukliden Labore unterliegen. Aus diesen Grundbedingungen entwickelten die Architekten das architektonische Motiv, das in einem kontrastreichen Wechselspiel zwischen der räumlichen Wirkung von Öffnung und Betonung des kubischen Gesamtkörpers zum Ausdruck kommt.
Abstraktion, Präzision und Geometrie
Auch bei dem hohen Fensteranteil wird die Körperhaftigkeit des Baus spürbar und durch den Einsatz des Fassadenmaterials Sichtbeton unterstützt. Das bewusste Absetzen von der konventionellen Bauweise des Bestands wird deutlich, indem eine elementierte Außenhaut zum Einsatz kam. Die präfabrizierte Fassade zeigt sich mit präzisen Fertigteiltafeln und einem klaren Fugenbild. In hochwertiger Qualität sind großformatige Betonfertigteilplatten in Weißzementbeton eingesetzt, der einen leicht changierenden Gelbton aufweist und so mit den hellfarbigen Putzfassaden des Bestands wunderbar korrespondiert. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es sich bei dem Gebäude um einen Sonderbau handelt. So finden sich im Unterschied zum neoklassistischen Nachbarn mit seinen feinen plastischen Details beim Neubau keine üblichen Fensteröffnungen mit tiefen Laibungen, sondern eine bewusst flächenbündige Gestaltung. Diese quadratischen Fenster von 3 x 3 m Größe dienen allein der Belichtung, doch kann das Gebäude nicht wie sein Nachbar natürlich be- und entlüftet werden. Die äußeren fassadenbündigen Glasscheiben bilden den Abschluss einer effizienten Sonnenschutzschicht, die den Energieaufwand für das Kühlen des Gebäudes minimiert. So sind im Zwischenraum der sonderangefertigten »Kastenfenster-Konstruktion« metallene Sonnenschutzlamellen integriert, die auch bei stärkeren Windkräften ausgefahren bleiben können, da sie durch das äußere Glas geschützt sind. Gegenüber dem hellen Beton setzen sich die Glasflächen dunkel ab und reflektieren die Umgebung, was zu Spiegelungen der Nachbarn im Neubau führt. Dieses Nebeneinander von Beton und Glas erfährt keine Zäsur durch Fensterrahmen, nur eine schmale Luftfuge trennt die Flächen. Die großen Glasscheiben weisen an ihren Rändern lediglich einen dunklen Siebdruckstreifen auf, hinter dem sich der Trägerrahmen befindet, auf den das Glas geklebt wurde – eine Technik, die Analogien zur Montage von Autoscheiben aufweist. Zur Stephanstraße sind die Glasflächen ungeteilt, doch zur Hofseite weisen einige eine Mittelteilung auf. Hier sind die äußeren Glasflächen öffenbar, allerdings nur zu besonderen Zwecken. In der obersten Etage wurden die Fenster als Festverglasung ausgeführt, da sich hier die hoch gesicherten Labore der Schutzstufe 3 befinden, die keinen Kontakt mit dem Außenraum haben dürfen und daher mit einer autarken Ver- und Entsorgung ausgestattet und mit einer Nebellöschanlage versehen sind. Während in der obersten Etage die äußeren Glasflügel zu Wartungszwecken öffenbar sind, wurden in den beiden darunter liegenden Geschossen mit geringerer Schutzstufe jeweils die äußeren Glasflächen geteilt, um im Brandfall einen zweiten Rettungsweg zu ermöglichen. Aufgrund dieser Maßnahme konnte auf ein zusätzliches Treppenhaus verzichtet werden.
Integrierte Technik
Im Innern der hochgesicherten Laborräume wirken die Fenster wohltuend großzügig und ermöglichen den Forschern, bei aller Konzentration auf die komplexen Tätigkeiten, eine maximale optische Verbindung zur Außenwelt. Die Fensterhöhe reicht allerdings deutlich über die Unterkante der abgehängten Technikdecke hinaus, da die Proportionen nicht aus den inneren Funktionen, sondern aus den Bestandsfassaden entwickelt sind. Aus diesem Grund enden die Abhangdecken im Abstand von gut einem Meter vor der Fassade, so dass ein Öffnen der Fenster zu Wartungszwecken gewährleistet und der zurückgesetzte Deckenversprung von Außen nicht wahrnehmbar ist. Die Alltagswelt muss konsequent außerhalb des Labors bleiben und zwar so, dass die Be- und Entlüftung mit speziellen Filteranlagen ausgestattet ist, um im Innern optimale Versuchsbedingungen zu schaffen beziehungsweise umgekehrt gefährdende Substanzen nicht nach außen dringen zu lassen. Den Forschern ist erst nach dem Passieren von Sicherheitsschleusen mit Entkontaminierungsanlagen die Verbindung mit dem Außenraum wieder möglich. Diese sehr aufwendige Labortechnik ist in Abhangdecken, Schächten und einem Technikgeschoss hinter der hohen Attika-Brüstung integriert. Durch die baulich integrierte Technik wird das Erscheinungsbild nicht von Rohren und Leitungen dominiert und die klare Raumbildung und Geometrie kann unbeeinträchtigt ihre Wirkung entfalten.
Der Bauaufgabe Laborbau hatten sich Schulz und Schulz mit dem Wolkenlabor Leipzig bereits vor einigen Jahren gewidmet (db 10/2006). Während das Wolkenlabor im Kontext des Wissenschaftsparks als ausdrucksstarker Solitär seiner Bedeutung gerecht wird, erweist sich bei den Sonderlaboren die Selbstverständlichkeit und gestalterische Zurückhaltung als adäquate Entscheidung. Denn über die Aufgabenstellung hinaus, innovative Forschungslabore mit höchsten sicherheitstechnischen Anforderungen an Bauwerk und Ausstattung zu erstellen, ist ein städtisches Haus entstanden, das den Menschen eine hohe Aufenthaltsqualität bei ihrer Spezialarbeit ermöglicht und zugleich in dieser räumlich sensiblen Situation einen anspruchsvollen urbanen Baukörper bildetdb, Mi., 2010.01.13
13. Januar 2010 Annette Menting
Flexible Hülle für die Super-Röhre
(SUBTITLE) Forschungsgebäude für einen Hochfeldtomografen in Heidelberg
Die Technik wechselt, das Gebäude aber bleibt – gerade in der Forschung müssen Bauten auf veränderte Inhalte vorbereitet sein. Die Apparatemedizin etwa entwickelt sich so rasch, dass für Labore und Analysegeräte nur hochflexible bauliche Strukturen in Frage kommen. Wie aber lässt sich solchen Gebäuden ein Gesicht geben, das vielleicht sogar etwas über die komplizierte Nutzung verrät? Das Beispiel vom Krebsforschungszentrum Heidelberg zeigt, wie es gehen kann.
Der Apparat, um den es hier geht, wiegt stolze 32 t. Das »T«, das ihn besonders macht, steht jedoch nicht für Tonne, sondern für Tesla, die magnetische Feldstärke. Sieben Tesla, das 140 000-fache des Erdmagnetfeldes, ist das Feld stark, das der neue Hochfeldtomograf des Krebsforschungszentrums aufbaut, um in Schnittbildern bis auf die molekulare Ebene der Krebszellen von Probanden und Versuchstieren vorzudringen. Im Klinikbetrieb zugelassen sind bislang nur 3,5 Tesla. Das neue Gerät bedeutet also einen Maßstabssprung.
Beim Bau in direkter Nachbarschaft zu anderen Instituten und Kliniken ging es folglich nicht nur um den Schutz für diese kolossal teure »Röhre«, es musste auch vor dem Gerät und seinem Kraftfeld geschützt werden. Wie stark das ist, davon konnte sich der Rezensent selbst ein Bild machen: Schon vor der Röhrenöffnung lässt es metallene Pinnwände schweben und Armbanduhren stillstehen; mancher bekommt einen metallischen Geschmack im Mund; es können Wahrnehmungsstörungen auftreten.
Diesen Gefahren der Materie ließ sich nur mit einem Mittel begegnen – mit mehr Materie: Die Magnet-Röhre wurde in eine 250 t schwere Hülle aus Stahl eingebaut. »Sie sah aus wie ein Stück von einem U-Boot«, berichtet der Projektleiter vom Büro Heinle, Wischer und Partner, das diese seltsamen Kräfte architektonisch zu bändigen hatte. Weitere, als Faradayscher Käfig fungierende Hüllen, dieses Mal in den Wänden, waren nötig, bis die arbeitsrechtlich zulässige Feldstärke von 20 milli-Tesla erreicht wurde. Zwei Sicherheitsschleusen schirmen den Untersuchungsraum deshalb vom übrigen Gebäude ab. Vor dem Betreten des Röhrenraums sind tunlichst alle Metallgegenstände abzulegen. Träger von Herzschrittmachern hält schon vor dem Gebäude ein Geländer mit Warnschildern auf. Um die benachbarten physikalischen Institute der Universität nicht zu stören, wurde der Tomograf in der entgegengesetzten Ecke des Gebäudes platziert. Im Hause selbst trennt ein geräumiger Korridor die zu Vorbereitung und Auswertung dienenden Labors vom magnetischen »Herz« des Hauses. Diese dauerhaft nutzbaren Räume sind im Gegensatz zum fensterlosen Untersuchungsbereich ausgesprochen hell gehalten. Hier kommt dem Haus seine solitäre Stellung zugute.
Die Fassade als magnetische Wahrnehmungsstörung
Lassen sich die hier wirkenden unsichtbaren, aber doch mächtigen Kräfte architektonisch oder gar städtebaulich darstellen? Soll man sie überhaupt sichtbar machen oder eher verstecken? Dass hier etwas Besonderes passiert, vermittelt schon das Format des Gebäudes: Nur 25 m im Quadrat misst der Grundriss, 7 m erhebt sich der Quader über dem Gelände – ein Zwerg inmitten zum Teil vielstöckiger Labor- und Verwaltungsgebäude. Das Haupthaus des Krebsforschungszentrums wurde Anfang der 70er Jahre ebenfalls von Heinle, Wischer und Partner entworfen. Der Unité-artige Riegel wird derzeit totalsaniert.
Gebäude 243 für den 7-Tesla-Tomografen entzieht sich dagegen der nüchternen Labor-Ästhetik. Man nimmt es gar nicht als Nutzraum wahr. Umgeben von einem »Burggraben« – die erwähnte, elegant gelöste Grenze für Träger von Herzschrittmachern – , strahlt es etwas Unnahbares, fast Sakrales aus. Dazu trägt sein gedrungenes Format, aber auch ganz wesentlich die Fassade bei. Sie ist tatsächlich »nutzlos«, denn die unregelmäßig gereihten vertikalen Lamellen sind in einigem Abstand frei vor die schwarze Faserzementfassade montiert. Wer am Gebäude entlanggeht, nimmt die eigentlich banalen Alu-Latten als irritierenden Wechsel von Geschlossen und Offen, Hell und Dunkel wahr. Formaler Ausgangspunkt dafür waren die Feldstrukturen, die Metallspäne um Stabmagneten ausbilden. Räumlich umgesetzt, werden diese Strukturen jedoch zu Vexierbildern, welche die Quaderform des Gebäudes auflösen und wie eine Allegorie der Wahrnehmungsstörungen im Herzen des Gebäudes erscheinen. Der ursprüngliche Plan, die Lamellen aus reflektierendem Edelstahl zu fertigen und erheblich dichter anzuordnen, musste leider aufgegeben werden. Die Spiegelungen hätten die nebenan landenden Hubschrauberpiloten gefährlich irritiert. Auch reichten die rund 5 Mio. Euro Gesamtbudget nur für 200 Stück, die außerdem an den Zugängen unterbrochen werden mussten. Dennoch überspielt dieser Vorhang den durch Fen- ster und Leitungen doch inhomogenen Quader wirkungsvoll und macht aus ihm mehr als eine »Garage« für die »Super-Röhre«, wie ihn Spötter anfangs bezeichneten.
Flexibler Rasterbau mit verschiebbaren Stützen
Bei aller Kunst am Bau wurde das Gebäude an sich doch als hochflexibler »Behälter« konzipiert. Die Konstruktion basiert auf einem Stahlstützen- raster von 8,40 m, das mit dem laborüblichen Ausbauraster von 1,20 m konform geht. Die Mittelzone der im Grundriss neun Felder ist besonders variabel, da sich die vier zentralen Stützen entlang der Unterzüge verschieben lassen. Der Tomograf wurde nicht umbaut, sondern in die fertige Hüllkonstruktion eingebracht. Über eine Hintertür ist die Gerätetechnik zugänglich. Hier wird zum Beispiel das flüssige Helium zur Kühlung des Magneten angeliefert.
Auch die gesamte Technik selbst musste vom Magnetfeld abgeschirmt werden. Beispielsweise wird der Untersuchungsraum über Projektoren beleuchtet, da Glühbirnen vom Magnetfeld rasch zerstört würden (für die Grundbeleuchtung des Gebäudes sorgen in die Decken integrierte LEDs). Insgesamt gelang aber eine gute funktionale Trennung von technischen Zonen und solchen, die dem menschlichen Aufenthalt dienen. Die zweigeschossige Halle ist so geräumig, dass sie auch als Treffpunkt und für Präsentationen genutzt wird. Die tragende Stahlkonstruktion ist zwar aus Brandschutzgründen ummantelt (F 60), die voll verglaste, tragende Nordfassade der Labors, leichte Trennwände, Stege und Treppe sowie das Geländer aus »Maschendraht«, bilden gleichwohl eine filigrane Binnenstruktur. Speziell entwickelt wurden die »Technik-Module« der Labortrennwände: Hierin sind alle technischen Installationen wie Heizung, Zu- und Abluft sowie Lichtschalter und Schränke gebündelt, so dass sich die Raumteiler auf dem Doppelboden verschieben lassen. Man wird sehen, ob diese Möglichkeiten der Flexibilität hier tatsächlich genutzt werden, oder ob – wie bei vielen früheren Angeboten dieser Art – die Macht der Gewohnheit stärker ist. Absehbar ist indes, dass die Untersuchungsmethoden weiter verfeinert werden – mit ungewissen räumlichen Konsequenzen. Darauf ist dieses Gebäude, auch durch seine ansprechende Gestaltung, so gut wie möglich vorbereitet.db, Mi., 2010.01.13
13. Januar 2010 Christoph Gunßer
Forschung im Kompaktformat
(SUBTITLE) Institut für Digitale Medientechnologie in Ilmenau
Die Idee des MP3-Formats auf den Entwurf eines Forschungsgebäudes angewendet - so ließe sich das Konzept für das Institut für Digitale Medientechnologie kurz beschreiben. Auf dem Uni-Campus Ilmenau ist ein solides, kompaktes und auf den zweiten Blick vielschichtiges Gebäude entstanden, das weit mehr als nur »Medienfassade« ist.
Vor ungefähr 30 Jahren entstand eine aufregende neue Wissenschaft, geradezu ein Hype – Multimedia. Bisher Unmögliches wurde Wirklichkeit: einander fremde Welten wie Hi-Fi und Fotografie, Telefon und Video, Unterhaltungsspiel und Computergrafik verschmolzen miteinander. »Interface Design« war das Schlagwort der Stunde. Dabei entstanden immer umfangreichere Datenstrukturen, deren Handhabbarkeit zur Herausforderung wurde. Das Problem der Datenkomprimierung war virulent. Ein Forschungsteam an der TU Ilmenau hatte schließlich die Zauberformel: MP3. Inzwischen kennt fast jeder das Format, mit dem sich umfangreiche Daten komprimieren, speichern und transportieren lassen. Solche Fortschritte haben die Medientechnologien längst als seriöse Wissenschaft etabliert und die ehemalige Randdisziplin zur wirtschaftlichen Triebkraft gemacht. Die Pionierphase ist vorüber; was einmal verrückt und »New Economy« war, ist heute arriviert und »Big Business«.
So erscheint es auch überaus konsequent, dass Volker Staab Architekten für das Fraunhofer Institut für Digitale Medientechnologie in Ilmenau ein auf den ersten Blick konservatives Gebäude entworfen haben, das völlig ohne Hype auskommt. Der unaufdringliche Bau auf dem Campus der TU strahlt vor allem Zurückhaltung, Nüchternheit und Sachlichkeit aus. Die Gestaltung ist gründlich, aber nicht vordergründig. Das Gebäude ist kein schneller »optischer Erfolg«, es will keine Show-Architektur sein. Erst auf den zweiten Blick wird es attraktiv und beginnt seine architektonischen Qualitäten zu entfalten. Um sich dann in der Nahdistanz, im Detail, als wahres Schmuckstück zu erweisen.
Vielfalt und Reichtum aus der Nähe, Unauffälligkeit und Zurückhaltung aus der Distanz – auch der städtebauliche Auftritt des Gebäudes ordnet sich diesem Gedanken unter. Mit seinen zwei Geschossen ist der Bau relativ niedrig, ein Pavillon, der sich als kompakter Baustein ins Gefüge des sich rasch entwickelnden, jedoch noch locker gefügten Campus einordnet. Unauffälligkeit auch beim Zugang: Die beiden Eingänge befinden sich paradoxerweise mitten im Gebäude. Anstelle eines imposanten Foyers zur Straßenseite hin verbergen sich beim Institut für Digitale Medientechnologie (IDMT) die Eingänge in klösterlich wirkenden Innenhöfen, in die man durch zwei tunnelartige Durchgänge gelangt. Auch hier keine Show, keine unnötige Gestaltung. Die asketische Kargheit zeigt deutlich: Das ist kein bequemes Gebäude. Hier soll auf fokussierte wissenschaftliche Arbeit eingestimmt werden, hier ist Konzentration gefordert.
Konzentriert und kompakt
Konzentration und Kompaktheit: Das sind die Themen, die sich am Gebäude in immer neuen Variationen manifestieren. So ging es schon bei der Standortplanung um die Konzentration und »Defragmentierung« des bereits bestehenden, jedoch über verschiedene Orte in Ilmenau verstreuten Instituts. Der zentrale Neubau sollte die Arbeitsgruppen in solcher Weise zusammenfassen, dass intensiver Austausch und neue Kooperationen möglich werden: das Gebäude als Ideenverdichter.
Die bauliche Kompaktheit des Gebäudes ist wiederum eine symbolische Übersetzung des eigentlichen Forschungsthemas des IDMT. Die Komprimierung großer Datenmengen in praktische MP3-Formate wurde architektonisch gedacht: Es galt, für ein komplexes Raumprogramm eine adäquate bauliche Verdichtungsform zu finden – das Gebäude als Datenpaket. Auch in der konkreten Raumbildung erweist sich das Gebäude als hochverdichteter, wenn nicht gar labyrinthischer Ort. Mit der Dichte des Funktionsprogramms (Akustikstudios, Vortragssäle, Besprechungsräume, Labore, Büros u. a.) korrespondiert eine Dichte der räumlichen Zuschnitte und Durchwegungen. Hier war auf wenig Fläche viel Nutzung unterzubringen. Die ins Innere verlegten Eingänge bringen dabei klare Vorteile: man ist bereits mitten im Gebäude. Vom Doppelfoyer (öffentlich/nichtöffentlich) verteilen sich windmühlenartig die Erschließungen und mäandern um die Forschungsbereiche wie auch die vier Innenhöfe. Der kreuzförmig um die zentralen Akustik-Labore entwickelte Grundriss ist sicherlich nicht der übersichtlichste – eine Folge der Komprimierung. Die Raumfolgen und Wegeführungen wurden dennoch einfach lesbar gemacht, indem man die Korridore in Kommunikationszonen mit großen Außenfenstern auslaufen ließ bzw. den Schlüsselstellen im Gebäude auf pragmatische Weise »ein Gesicht verlieh«: In allen Gängen hängen inzwischen großformatige Porträtfotografien. Vor allem aber macht sich die Orientierung im Gebäude an den vier Innenhöfen fest. Der Blick in diese künstlichen Mikrolandschaften verankert einerseits die eigene Position im Gebäude, zum anderen erinnert er die Erforscher der medialen und virtuellen Räume an die natürliche Welt »da draußen«, selbst wenn diese sich hier in Form karger Meditationsräume präsentiert. Auch im Innenraum – zumindest in den öffentlichen Bereichen – herrscht asketische Aufgeräumtheit. Die Material- und Farbpalette wurde auf ein Minimum beschränkt: Zurückhaltung, Homogenität und Einheitlichkeit bestimmen das Ambiente. In der dreiwertigen Farbskala (Schwarzbraun, Beige, Eloxal) treten wichtige Blickpunkte in dunklem Erscheinungsbild hervor, z. B. die optisch auf Deckenhöhe gestreckten Türen. Im Kontrast zu den gediegenen Foyer- und Gangbereichen präsentieren sich die eigentlichen Büro- und Laborarbeitsplätze robuster. Sie müssen dem gesunden Chaos widerstehen, das die meist jungen Forscher auf ihren Schreibtischen entfachen. Hier stapeln sich zwischen Computern und Handbüchern vor allem Musikgeräte: E-Pianos, Kopfhörer, Mikrofone oder Mischpulte. Die Informatiker und Elektroniker, die hier ohne feste Arbeitszeiten forschen und bei der Arbeit im Büro laute Rockmusik hören, sind ohne Zweifel musikbegeisterte »Geeks«. Sie sind mit Spaß bei der Sache – das ist ihre Welt, keine trockene Wissenschaft.
Oberfläche und Tiefe
Das Ilmenauer IDMT ist eine hermetische Erscheinung, aber dennoch keine Black Box. Vor allem die ambivalente Außenhülle erlaubt Aufschlüsse – wenn auch subtile – über das Ungewöhnliche, das im Inneren vorgeht. Materialwahl, Fassadenteilung und Fugenbildung verdeutlichen: es geht um Schnittstellen, komplexe Anpassungen und Fügungen unterschiedlicher Technologien und »Rohstoffe«. Die Arbeit der Medientechniker wird hier kongenial als architektonisches Interfacedesign auf die Fassade gebracht. Mit seiner warmtönigen Materialität erzeugt das Puzzle aus kleinformatigen GFK-Paneelen einen frischen Kontrast zu den notorischen Glas-Stahl- oder Dämmputz-Fassaden, mit denen andere Institutsbauten die Universitätsgelände überhäufen. Den Fugengestaltungen und Eckausbildungen ist anzusehen, dass viel Aufmerksamkeit in die Gebäudehülle geflossen ist. Sie ist wohl das, was man allgemein als »Architektenfassade« bezeichnet: etwas selbstreferentiell, sperrig und widerspenstig. Sie besitzt eine Hintergründigkeit, deren Ordnungen und Ideen sich nicht auf Anhieb erschließen. Der zweite Blick jedoch belohnt den Betrachter. Vor allem in der Nahdistanz erschließt sich eine Vielfalt von Ideen, die in dieser baulichen Haut angelegt sind.
Zum einen sollte eine perfekte Oberfläche entstehen; im Zeitalter hochgepixelter Bilderwelten, von »High-fidelity« und »High-definition« wird der glanzvolle visuelle Auftritt immer mehr zur Notwendigkeit. Wie nur wenige andere Bauaufgaben bot sich das IDMT zur Verwirklichung des alten Architektentraumes von der glatten, superflachen Fassade an. Die sich dieser Wunschvorstellung üblicherweise widersetzende Fenestrierung (Profile, Öffnungsflügel, Sonnnenschutzlamellen) haben die Architekten und ihre Fassadenfirma elegant und einfach gelöst. Während die eigentlichen Fenster in der Wandleibung verschwinden, werden sie außen durch Prallscheiben oberflächenbündig abgedeckt, die oben und unten geöffnet sind. Während auf diese Weise die manuelle Bürolüftung wie auch der Schallschutz zur Straße hin abgesichert sind, konnte ein außen liegender Sonnenschutz untergebracht werden, dessen Lamellen dennoch in der Fassade verschwinden und so vor mechanischer Beanspruchung geschützt sind. Das Strich- code-Stakkato der Fensterreihen (ein stets nahe liegendes Thema, wenn Assoziationen zur digitalen Welt hergestellt werden sollen) erweist sich nicht als geometrischer Formalismus, sondern reflektiert die Anordnung der Arbeitsplätze im Inneren des Gebäudes. Am Rhythmus und der Größe der Öffnungen zeichnen sich die Gebäudefunktionen eindeutig ab: Büroarbeitsplätze (Schlitze), Kommunikationszonen und Pausenbereiche (große Fenster), Eingänge und Foyers (voluminöse Aussparungen). Alle Öffnungen wie auch alle Fassadenpaneele sind mit eloxierten Aluminium-Rahmen eingefasst, die als ebenso flache wie schmale »Zierleisten« das Patchwork der Fassadenpaneele mit den Fenstern vernähen. Hier entsteht eine komplexe Ordnung in der Fläche, die auf unerwartete Weise handwerklich, filigran und präzise ist. Dieser Oberfläche war zudem eine erlebbare Tiefe zu verleihen. Denn zumindest für die Forscher und Wissenschaftler verbirgt sich hinter der scheinbaren Untiefe der digitalen Medien und ihrer Bilderschirmoberflächlichkeit eine Vielzahl komplexer Tiefenstrukturen.
Eine erste Ordnung der Tiefe erzeugen am Baukörper die großen ausgesparten Volumina der Eingänge und Innenhöfe. Sie transformieren den schlichten Pavillon-Kubus in eine Großskulptur, die mit Zwischenschichten und Übergangsbereichen schrittweise vom Außenraum ins Gebäudeinnere vermittelt. Vor allem aber sind es die eigenartig changierenden, je nach Lichteinfall anders erscheinenden GFK-Paneele der Außenfassade, die mit ihrer eigenartigen Färbung und Transluzenz wie auch mit dem feingliedrigen, »gewobenen« Fugenbild eine Ahnung von Vielschichtigkeit und Mehrdimensionalität suggerieren, wie sie nur wenigen Gebäudehüllen glückt. Bei aller Künstlichkeit erscheint diese Fassade belebt und natürlich, sie »atmet«.
Schlichtes Juwel
Das Gebäude verweigert sich – trotz seiner thematischen Widmung – demonstrativem Hightech. Die tatsächlichen technischen Raffinessen spielen sich im Verborgenen ab: Die hochtechnisierten, schalltoten Räume, die eigentlichen Fokuspunkte des Instituts, liegen in der Mitte des Gebäudes und reichen teilweise über drei Geschosse bis in den Keller. Noch tiefer führt das aufwendige Niedrig-Temperatur-Heizsystem, welches das Gebäude über Erdsonden versorgt. Die als Pilotprojekt geförderte Anlage war die wohl einzige Position im Gebäude überhaupt, für die ein großzügiges Budget bereitstand. Insgesamt war in nur kurzer Projektlaufzeit (2006-08) ein Gebäude zu realisieren, dessen hohe Ausstattungskosten extrem reduzierte Baukosten erzwangen – umso erstaunlicher ist daher der solide, teilweise edle Eindruck, den das Gebäude hervorzurufen vermag.
Insgesamt wird diese Gediegenheit geschickt ausbalanciert: unkonventionelle und einfache Materialien, kluge und einfache Detail-Lösungen sowie ein hohes Maß an formaler Abstraktion erzeugen eine Atmosphäre, die dezent und nüchtern ist. Der Entwicklungsgeschwindigkeit und Kurzlebigkeit der Medientechnologien wird eine Atmosphäre der Wertigkeit, Ruhe und Sachlichkeit gegenüber gestellt, die immer mehr auch von dieser Disziplin selbst eingefordert wird. Es wurde ein angenehm unaufgeregtes Gebäude geschaffen, das Hochtechnologie mit sensibler Handwerklichkeit gekonnt zusammenführt, die Handwerklichkeit eines Juweliers, der selbst mit schlichten Materialien präzise umzugehen und zu gestalten weiß.db, Mi., 2010.01.13
13. Januar 2010 Jörg Rainer Noennig