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29. Juli 2025Annette Menting
Bauwelt

Stadtwirtschaft

Eine der Interventionsflächen der Kulturhauptstadt ist das quartiersbezogene Kultur- und Kreativareal „Stadtwirtschaft“ im Wohngebiet Chemnitz-Sonnenberg.

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Bauwelt 2025|16 Alle reden über Chemnitz

01. Juli 2025Annette Menting
Bauwelt

C the Closed

Längst ist klar: Das Schauspielhaus Chemnitz muss saniert werden. Seit drei Jahren ist es geschlossen, doch bislang geschah wenig. Nun droht ausgerechnet im Kulturhauptstadtjahr der Ausverkauf. Stimmen aus Bevölkerung und Kultur­sze­ne fordern den Erhalt des ostmodernen Baus als Spielstätte.

Längst ist klar: Das Schauspielhaus Chemnitz muss saniert werden. Seit drei Jahren ist es geschlossen, doch bislang geschah wenig. Nun droht ausgerechnet im Kulturhauptstadtjahr der Ausverkauf. Stimmen aus Bevölkerung und Kultur­sze­ne fordern den Erhalt des ostmodernen Baus als Spielstätte.

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Bauwelt 2025|14 Holz von XXL bis XS

09. August 2011Annette Menting
db

Skulptural im Wirtschaftshof

Der Erweiterungsbau für den Forstbezirk Eibenstock geht in Form und Materialität in Distanz zum Bestand, nimmt aber in seiner formalen Zurückhaltung und Bezugnahme zur regionalen Bauweise zugleich einen Dialog mit dem historischen Frontgebäude auf. Und er erinnert an die Natur: Denn trotz kristalliner, skulptural anmutender Formgebung entsprechen Baukörpereinschnitte und Inneres dem Bild eines glattgesägten Holzes, das außen von einer groben Rinde umgeben ist.

Der Erweiterungsbau für den Forstbezirk Eibenstock geht in Form und Materialität in Distanz zum Bestand, nimmt aber in seiner formalen Zurückhaltung und Bezugnahme zur regionalen Bauweise zugleich einen Dialog mit dem historischen Frontgebäude auf. Und er erinnert an die Natur: Denn trotz kristalliner, skulptural anmutender Formgebung entsprechen Baukörpereinschnitte und Inneres dem Bild eines glattgesägten Holzes, das außen von einer groben Rinde umgeben ist.

Beim Durchfahren des rund 8 000 Einwohner zählenden, sächsischen Eibenstock passiert man bemerkenswert städtische Bauten: Dem ansehnlichen Postamt folgen die neoromanische Hallenkirche und das Jugendstil-Rathaus. In diesen spiegelt sich der im 19. Jahrhundert durch eine außergewöhnliche Stickereiproduktion erreichte Wohlstand wider, der dem kleinen Ort im Westerzgebirge eine anspruchsvolle Architektur sicherte. Heute ist Eibenstock als Ferienregion bekannt und lebt von seiner Landschaft um den Auersberg mit einem Wander- und Wintersportangebot im Naturpark Erzgebirge. Der Staatsbetrieb Sachsenforst hat entsprechende Bedeutung, was auch im Gebäude der Königlich Sächsischen Oberforstmeisterei von 1860 deutlich wird, das sich in die Reihe markanter Bauten entlang der Hauptstraße einfügt. Der einfache, mit feinen Sandsteinornamenten ausgestattete Bau dient der Verwaltung des 13 Reviere umfassenden Forstbezirks Eibenstock. Vor einigen Jahren wurde er saniert und sein DG für zusätzliche Büroräume ausgebaut. 2007 zeichnete sich die Notwendigkeit einer weiteren Modernisierung ab: Anstelle eines dahinter befindlichen, baufälligen Forstarbeiter-Wohn- und Lagergebäudes sowie einer rückwärtigen Garagenzeile sollte ein zentrales Wirtschaftsgebäude mit Garagen, Lagerräumen und Kühlzelle für erlegtes Wild entstehen. Unabhängig von seiner Lage im Hof und seiner Funktion als Zweckgebäude sollte es den historischen Bestandsbau angemessen ergänzen.

Die jungen Unaufgeregten

Während eines Auswahlverfahrens für die Fahrzeughalle der Zwickauer Hochschule wurde eine Projektleiterin des Staatsbetriebs Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) auf die jungen Architekten Silvia Schellenberg und Sebastian Thaut aufmerksam. Beide sind in der Region aufgewachsen und führen seit 2005 unter dem Namen »atelier st« in Leipzig ein Büro. Für das kleine Realisierungsprojekt (814 000 Euro Baukosten) erteilte ihnen das SIB einen Direktauftrag. Schellenberg und Thaut nutzten die Chance und entwickelten nicht nur einen funktionalen Zweckbau in pflegeleicht-dauerhaftem Material, sondern konzipierten aus Aufgabe und Ort eine ausdrucksstarke Ergänzung für die Oberforstmeisterei. Die Kubatur entstand in mehreren Modellstudien, die Freude an der Raumbildung im Kontext des Bestands sowie an der Gestaltung einer skulpturalen Form zeigen. Dabei kam die klimabedingte Vorgabe zu einer geneigten Dachform der Entwurfsintension – inspiriert vom Bild eines auf dem Waldboden liegenden, unregelmäßigen Rindenstücks – entgegen.

Da das Raumprogramm und die innere Organisation der einzelnen Bereiche weitgehend geschlossene Fassaden erfordert, wird der polygonale Baukörper von einer kontinuierlichen Holzschindelhülle umschlossen, die lediglich zwei plastische Einschnitte erhielt. Im Bereich der Garagenzufahrt für die Waldfahrzeuge sowie der Zugänge zu den Lagerräumen und der Wildkühlzelle ist das Volumen eingeschnitten, bewahrt jedoch über weit auskragende Vordächer seine Gesamtform. Früh am Morgen zu Schichtbeginn und nachmittags bei Schichtende verändert sich das Wirtschaftsgebäude, indem die Tore und Türen sich geschäftig öffnen, ansonsten ruht der Bau im Hof.

Den Forstarbeitern bietet die ruppige Schindelstruktur weniger haptische »Holzerfahrung« als einen expressiv-rauen Ausdruck, der ihrer Arbeit im Wald adäquat ist und zugleich eine traditionelle Bauweise des Erzgebirges wiederbelebt. Die Architekten beschäftigten sich mit historischen Schindelkonstruktionen, um aus einer originären Bauweise des Erzgebirges eine neue baukulturelle Identität abzuleiten. Orientierung boten neben einzelnen örtlichen Kirchen und Museen bezeichnenderweise Bauten in der Schweiz, in Vorarlberg sowie Zeichnungen in historischen Lehrbüchern. Die changierende Holzschindelbekleidung wandelt ihren Farbton seit der ersten Bewitterung, indem aus dem Rotbraun des unbehandelten Rot-Zedernholzes sukzessive ein helles Silbergrau wird. Diese Modifikation des Holztons wird den ursprünglichen Kontrast zwischen der hölzernen Außenhülle und den mit silberfarbenen Aluminiumpaneelen bekleideten Einschnitten etwas neutralisieren, so dass das Gebäude im Alterungsprozess eine stärkere farbliche Einheit entwickeln wird.

Der partielle Einsatz von Aluminiumverbundpaneelen erscheint als zeitgenössischer Verweis des Gebäudes. Der Materialwechsel sollte durch äußerste Präzision und Glätte der Metallfassaden akzentuiert werden, daher waren die Garagentore als flächenbündige Falttore geplant. Aus Kostengründen wurde an dieser Stelle leider das minimalistische Konzept verlassen, stattdessen kamen leicht versetzte Schiebetore zum Einsatz. Das exakte Fugenraster und die Integration der Lichttechnik zeigen den hohen Detaillierungsgrad für diesen kleinen Bau. Die Übergänge von Holzhülle zu Aluminiumpaneelen konnten aufgrund der geringen klimatischen Raumanforderungen mit offenen Fugen gelöst werden. Gern hätten die Architekten auch die Traufe in traditioneller Form als Holzrinne mit offenem Auslauf ausgeführt, doch mussten sie den technischen Standards des Bauherrn folgen und eine Blechkastenrinne mit innenliegendem Fallrohr vorsehen, was angesichts der homogenen Schindelhülle befremdlich erscheint. Die Bauleitung übernahmen die Architekten selbst, denn angesichts der scheinbar einfachen Struktur war die exakte Detailausführung besonders wichtig.

Im Innern setzen sich die glatten Oberflächen fort, hier bilden industriell hergestellte Grobspanplatten den Kontrast zu den äußeren handgespaltenen Schindeln. Hinter den OSB-Platten befindet sich die Holzständerkonstruktion des Hallenbaus. Lediglich dessen weit auskragendes Garagendach ist mit Stahlfachwerkträgern ausgeführt, um eine schlankere Konstruktion zu erreichen.

Tradition aus der Ferne

Die Entwurfsintension ist aber auch von der Wiederbelebung regionaler Bau-weisen bestimmt. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die Architekten sich an einen Schindelproduzenten in Oberbayern wenden mussten und der Dachdecker aus dem Nachbarort zur Schulung ins oberbayrische Hammerau fuhr, um sich die handwerkliche Technik wieder anzueignen. Auch das Schindelholz stammt nicht aus der Region, da der heimischen Fichte aufgrund der veränderten Umweltbedingungen nur noch eine Haltbarkeit von etwa 20 Jahren zugesprochen wird, während das in Oberbayern vertriebene Rot-Zedernholz aus Kanada eine bis zu fünfmal längere Lebensdauer haben kann und ihm vergleichbare Qualitäten einer harter Bedachung bescheinigt werden. Die Weiterführung erzgebirgischen Bauens impliziert somit globale Vernetzungen.

Anspruch aus der zweiten Reihe

Das Wirtschaftsgebäude steht als Solitär im Zentrum des Hofs und dehnt sich deutlich über die Baufluchten seines Vorgängerbaus hinaus, so dass es hinter dem Forstamtsgebäude herausschaut und zur Straße selbstbewusst Präsenz zeigt. Der Umgang mit diesem historischen Bestandsbau war in den vergangenen Jahrzehnten von Pragmatismus gekennzeichnet: Beim Eingriff in die ursprünglich klaren Proportionen entstand anstelle von fünf Giebelgauben eine durchgehende Schleppgaube, deren neue Fenster mit aufgemalten Rahmen Sandsteingewände imitieren. Nicht nur in diesem Kontext erscheint es konsequent, quasi aus der zweiten Reihe einen neuen Anspruch an die regionale Baukultur zu formulieren. Der Neubau setzt sich von dem hellverputzten Bestand und den anderen Bauten im Ort ab, der nach drei Stadtbränden Mitte des 19. Jahrhunderts steinern aufgebaut wurde. Mit dem Holzschindelkörper wird aber nicht nur der Verweis auf die Nutzung durch das Forstamt gegeben; gleichermaßen stellt der Bau eine eigenständige und zeitgemäße Erweiterung des Begriffs »Erzgebirgische Holzkunst« dar, der gemeinhin auf die Holzspielwaren der Weihnachtsmärkte reduziert wird.

db, Di., 2011.08.09



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db 2011|08 In zweiter Reihe

13. Januar 2010Annette Menting
db

Von Mikrowelten zum urbanen Raum

Bei dem Entwurf von Laborgebäuden werden gegensätzliche Forderungen offenkundig: Es werden Räume benötigt, die von der Alltagswelt hermetisch abgeschlossen und gesichert sind, zugleich verlangt der räumliche Kontext eher nach Integration als nach isoliert-introvertiertem Ausdruck. Den Versuch, Funktion und Ort gleichermaßen gerecht zu werden, unternimmt das neue Sonderlaborgebäude im Leipziger Universitätsklinikviertel mit Erfolg.

Bei dem Entwurf von Laborgebäuden werden gegensätzliche Forderungen offenkundig: Es werden Räume benötigt, die von der Alltagswelt hermetisch abgeschlossen und gesichert sind, zugleich verlangt der räumliche Kontext eher nach Integration als nach isoliert-introvertiertem Ausdruck. Den Versuch, Funktion und Ort gleichermaßen gerecht zu werden, unternimmt das neue Sonderlaborgebäude im Leipziger Universitätsklinikviertel mit Erfolg.

Um dem Anspruch an einen Standort für medizinische Spitzenforschung gerecht zu werden, wurden im Leipziger Universitätsviertel mehrere neue Klinik- und Laborbauten realisiert. In diesem Kontext entstand auch das Laborgebäude an der Stephan-, Ecke Liebigstraße nach dem Entwurf der Architekten Ansgar und Benedikt Schulz. Es stellt sich funktional betrachtet als eine reine Erweiterung der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie dar. Aus städtebaulicher Perspektive ist gleichwohl ein eigenständiger Kubus entstanden, der in räumlicher Distanz zum neoklassizistischen Bestandsgebäude positioniert ist. Das Raumprogramm forderte ausnahmslos Laborräume für molekularbiologische und gentechnische Versuche mit einer durchschnittlichen Größe von 20 m², nur einige sind zu Doppeleinheiten zusammengefasst. Außerhalb des Neubaus befinden sich sämtliche zugehörigen Gemeinschaftsräume, Büros und Seminarräume im vorgeschalteten Fakultätsgebäude. Aus dieser eindeutigen Programmvorgabe entwickelten die Architekten eine klassische Dreibundanlage, die sich mit ihrer rationellen Struktur in den Fassaden widerspiegelt. Die Anlage von beidseitig fünf Einzellaboren pro Etage zeigt sich in der Fensterreihung zur Stephanstraße und Hofseite, während die mittlere Versorgungszone mit Doppelfenstern zur Liebigstraße ihren Abschluss findet.Da der Zugang zu den Laboratorien streng kontrolliert erfolgen muss, war bei diesem Spezialbau kein prägnanter Eingang gewünscht, denn die Fakultätsangehörigen und Studierenden erschließen die Sonderlabore über eine Brücke vom Bestandsbau. Hieraus erklärt sich auch die zurückhaltende Gestaltung des zweiten Zugangs im Erdgeschoß, der von der Straße zurückgesetzt und bündig in die Fassade integriert ist.

Sicherheitsverordnungen und urbaner Raum

Obgleich innovative Forschungen mit molekularbiologischen und gentechnischen Versuchen den Inhalt des Gebäudes bestimmen, setzen die Architekten beim gestalterischen Ausdruck weder auf demonstrativen Innovationscharakter noch auf isolierende Abschottung. Als eine wesentliche Entwurfsintention erweist sich die Integration des Neubaus als Teil des Universitätsensembles in den stadträumlichen Kontext. Der helle Kubus markiert die Ecksituation zwischen seinen gründerzeitlichen Nachbarn. Zur Stephanstraße setzen großformatige Fenster die Lochfassade des angrenzenden Bestandsbaus präzise fort, indem die Höhen der Fensteröffnungen und Attika von den Bestandsproportionen abgeleitet sind. Die Verbindung von Labor- und Fakultätsgebäude findet mit diesem dialogischen Prinzip auch in der Fassadengestaltung eine Übersetzung. Das Konzept erscheint für das Klinikviertel mit seinen anspruchsvollen Bauten aus der Gründerzeit und den 50er Jahren als adäquate Haltung. Die Architekten schreiben die Tradition des Ortes fort, allerdings mit erkennbar zeitgenössischen Mitteln und Methoden.

Für architektonische Gesten mit einladendem Charakter oder akzentuierte Gemeinschaftsbereiche bot das Raumprogramm keine Möglichkeiten. Im Gegenteil – das Wesen des Laboratoriums ist durch die hermetische Abgeschlossenheit gegenüber der Außenwelt bestimmt; dies wird auch in den Sicherheitsverordnungen für Räume der Schutzstufen 1 bis 3 über zahlreiche Auflagen definiert, denen die biochemischen und radionukliden Labore unterliegen. Aus diesen Grundbedingungen entwickelten die Architekten das architektonische Motiv, das in einem kontrastreichen Wechselspiel zwischen der räumlichen Wirkung von Öffnung und Betonung des kubischen Gesamtkörpers zum Ausdruck kommt.

Abstraktion, Präzision und Geometrie

Auch bei dem hohen Fensteranteil wird die Körperhaftigkeit des Baus spürbar und durch den Einsatz des Fassadenmaterials Sichtbeton unterstützt. Das bewusste Absetzen von der konventionellen Bauweise des Bestands wird deutlich, indem eine elementierte Außenhaut zum Einsatz kam. Die präfabrizierte Fassade zeigt sich mit präzisen Fertigteiltafeln und einem klaren Fugenbild. In hochwertiger Qualität sind großformatige Betonfertigteilplatten in Weißzementbeton eingesetzt, der einen leicht changierenden Gelbton aufweist und so mit den hellfarbigen Putzfassaden des Bestands wunderbar korrespondiert. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es sich bei dem Gebäude um einen Sonderbau handelt. So finden sich im Unterschied zum neoklassistischen Nachbarn mit seinen feinen plastischen Details beim Neubau keine üblichen Fensteröffnungen mit tiefen Laibungen, sondern eine bewusst flächenbündige Gestaltung. Diese quadratischen Fenster von 3 x 3 m Größe dienen allein der Belichtung, doch kann das Gebäude nicht wie sein Nachbar natürlich be- und entlüftet werden. Die äußeren fassadenbündigen Glasscheiben bilden den Abschluss einer effizienten Sonnenschutzschicht, die den Energieaufwand für das Kühlen des Gebäudes minimiert. So sind im Zwischenraum der sonderangefertigten »Kastenfenster-Konstruktion« metallene Sonnenschutzlamellen integriert, die auch bei stärkeren Windkräften ausgefahren bleiben können, da sie durch das äußere Glas geschützt sind. Gegenüber dem hellen Beton setzen sich die Glasflächen dunkel ab und reflektieren die Umgebung, was zu Spiegelungen der Nachbarn im Neubau führt. Dieses Nebeneinander von Beton und Glas erfährt keine Zäsur durch Fensterrahmen, nur eine schmale Luftfuge trennt die Flächen. Die großen Glasscheiben weisen an ihren Rändern lediglich einen dunklen Siebdruckstreifen auf, hinter dem sich der Trägerrahmen befindet, auf den das Glas geklebt wurde – eine Technik, die Analogien zur Montage von Autoscheiben aufweist. Zur Stephanstraße sind die Glasflächen ungeteilt, doch zur Hofseite weisen einige eine Mittelteilung auf. Hier sind die äußeren Glasflächen öffenbar, allerdings nur zu besonderen Zwecken. In der obersten Etage wurden die Fenster als Festverglasung ausgeführt, da sich hier die hoch gesicherten Labore der Schutzstufe 3 befinden, die keinen Kontakt mit dem Außenraum haben dürfen und daher mit einer autarken Ver- und Entsorgung ausgestattet und mit einer Nebellöschanlage versehen sind. Während in der obersten Etage die äußeren Glasflügel zu Wartungszwecken öffenbar sind, wurden in den beiden darunter liegenden Geschossen mit geringerer Schutzstufe jeweils die äußeren Glasflächen geteilt, um im Brandfall einen zweiten Rettungsweg zu ermöglichen. Aufgrund dieser Maßnahme konnte auf ein zusätzliches Treppenhaus verzichtet werden.

Integrierte Technik

Im Innern der hochgesicherten Laborräume wirken die Fenster wohltuend großzügig und ermöglichen den Forschern, bei aller Konzentration auf die komplexen Tätigkeiten, eine maximale optische Verbindung zur Außenwelt. Die Fensterhöhe reicht allerdings deutlich über die Unterkante der abgehängten Technikdecke hinaus, da die Proportionen nicht aus den inneren Funktionen, sondern aus den Bestandsfassaden entwickelt sind. Aus diesem Grund enden die Abhangdecken im Abstand von gut einem Meter vor der Fassade, so dass ein Öffnen der Fenster zu Wartungszwecken gewährleistet und der zurückgesetzte Deckenversprung von Außen nicht wahrnehmbar ist. Die Alltagswelt muss konsequent außerhalb des Labors bleiben und zwar so, dass die Be- und Entlüftung mit speziellen Filteranlagen ausgestattet ist, um im Innern optimale Versuchsbedingungen zu schaffen beziehungsweise umgekehrt gefährdende Substanzen nicht nach außen dringen zu lassen. Den Forschern ist erst nach dem Passieren von Sicherheitsschleusen mit Entkontaminierungsanlagen die Verbindung mit dem Außenraum wieder möglich. Diese sehr aufwendige Labortechnik ist in Abhangdecken, Schächten und einem Technikgeschoss hinter der hohen Attika-Brüstung integriert. Durch die baulich integrierte Technik wird das Erscheinungsbild nicht von Rohren und Leitungen dominiert und die klare Raumbildung und Geometrie kann unbeeinträchtigt ihre Wirkung entfalten.

Der Bauaufgabe Laborbau hatten sich Schulz und Schulz mit dem Wolkenlabor Leipzig bereits vor einigen Jahren gewidmet (db 10/2006). Während das Wolkenlabor im Kontext des Wissenschaftsparks als ausdrucksstarker Solitär seiner Bedeutung gerecht wird, erweist sich bei den Sonderlaboren die Selbstverständlichkeit und gestalterische Zurückhaltung als adäquate Entscheidung. Denn über die Aufgabenstellung hinaus, innovative Forschungslabore mit höchsten sicherheitstechnischen Anforderungen an Bauwerk und Ausstattung zu erstellen, ist ein städtisches Haus entstanden, das den Menschen eine hohe Aufenthaltsqualität bei ihrer Spezialarbeit ermöglicht und zugleich in dieser räumlich sensiblen Situation einen anspruchsvollen urbanen Baukörper bildet

db, Mi., 2010.01.13



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db 2010|01 Forschen

02. April 2007Annette Menting
db

Zwischen den Kulturen

Ein Künstler aus Korea erreicht nach einigen Zwischenstationen Amerika, eine kanadische Architektin orientiert sich von Deutschland nach Korea: East goes West — West goes East. In Suwon-Seoul kreuzen sich ihre Wege. Hier realisiert Marina Stankovic ein Museum für den Medienkünstler Nam June Paik.

Ein Künstler aus Korea erreicht nach einigen Zwischenstationen Amerika, eine kanadische Architektin orientiert sich von Deutschland nach Korea: East goes West — West goes East. In Suwon-Seoul kreuzen sich ihre Wege. Hier realisiert Marina Stankovic ein Museum für den Medienkünstler Nam June Paik.

Gegenläufige Bewegungen führen die beiden Nomaden im Herkunftsland Nam June Paiks zusammen. Zu Beginn des Koreakriegs war Paik zunächst nach Japan geflohen, in den sechziger Jahren war er Mitglied der Fluxus-Bewegung in Deutschland und in den Siebzigern wurde er amerikanischer Staatsbürger. Vor einigen Jahren erwarb die koreanische Gyeonggi Cultural Foundation eine beachtliche Anzahl seiner Arbeiten mit dem Ziel, ein NJP Museum zu errichten. Wenige Monate vor der Grundsteinlegung für den Neubau in Suwon stirbt Paik jedoch in Miami.

Auch die Wege von Marina Stankovic weisen nomadische Tendenzen auf. Bereits in ihrer Biografie sind die Grenzen der Länder relativiert: 1960 in Belgrad geboren, in Mailand aufgewachsen, Studium in Toronto und die Mitarbeit im Tessiner Büro bis sie Mitte der achtziger Jahre ein eigenes Büro in Berlin aufbaut. Hier entstehen mehrere Bauten, teilweise in Kooperationen wie beim Umbau des Preußischen Landtags zum Abgeordnetenhaus, bei dem sie mit den Architekten Jan und Rolf Rave und Walter Krüger zusammenarbeitet. Die früh praktizierte Teamfähigkeit und offene Arbeitsweise werden sich als eine wichtige Voraussetzung für den Weg nach Korea, China und Taiwan erweisen.

Begegnungen mit Asien

Die erste unmittelbare Asien-Begegnung findet 2003 beim Wettbewerb für den Fortune Plaza in Chongqing, einem neuen Zentrum in Westchina, statt. Marina Stankovic führt ein kleines Architekturbüro, ähnlich ist die Situation bei befreundeten Berliner Kollegen. Ihr gemeinsames Interesse besteht an der Teilnahme an Wettbewerben im asiatischen Raum – so wie es einige deutsche Großbüros bereits erfolgreich leisten. Auf Initiative von Gerald Blomeyer schließen sich mehrere Berliner Architekten und das chinesische Partnerbüro Conceptext aus Beijing zusammen: Eicke Becker, Bernd Faskel, Zamp Kelp, Gernot und Johanne Nalbach, Rolf Rave und Marina Stankovic firmieren als AXIS-Group beim Wettbewerb und gewinnen den ersten Preis. Damit hatten sie einen »world leader«, das Architekturunternehmen Hellmuth, Obata Kassabaum (HOK), mit rund 1800 Mitarbeitern, abgehängt. Die Hoffnungen der AXIS-Group sind zunächst groß: Ein ganzes Quartier in einer wachsenden Metropole zu errichten – fast unvorstellbar! Doch wird das erste staunende »Unglaublich« in den folgenden zähen Verhandlungen mit dem Bauherrn zur Tatsache. Es wird deutlich, dass die chinesischen Produktionsprozesse von Architektur und Städtebau mit den Vorstellungen der AXIS-Group divergieren, wobei der Anspruch an einen gewissen Ausführungsstandard von Bauherrnseite nicht mitgetragen wird. Bei den Gesprächen mit den chinesischen Partnern wird deutlich, dass es unerlässlich ist, »between-the-lines« zu lesen. Die Verhandlungen werden eingestellt. Wichtig bleibt jedoch die Erfahrung, sich als Team auf dem
internationalen Wettbewerbsmarkt neben den Giganten durchsetzen zu können.

Das Thema »Bigness«, wie Koolhaas es als Phänomen angesichts der asiatischen Wirtschaftspotenziale und des demografischen Wachstums beschreibt, fasziniert Marina Stankovic. Anders als in Europa scheinen hier zukunftsorientierte Konzepte in einer neuen Architektursprache möglich. So folgen in den nächsten Jahren weitere Wettbewerbsbeiträge für Kultureinrichtungen in Korea für das Seoul Center of Performing Arts, das Asian Cultural Center in Gwangju, das Prehistroy Museum in Jeongok und in Taiwan für das National Performing Arts Center in Kaohsiung sowie für das Eternal Golden. Stankovic besucht diese Orte und entdeckt dabei Land und Kulturen mit ihren Widersprüchlichkeiten von Tradition und Innovation.

Nam June Paik Museum

Einige Monate nach dem AXIS-Erfolg in Chongqing kommt das Angebot der Berliner Architektin Kirsten Schemel zu einer Projektpartnerschaft. Unter dem Titel »Matrix für Paik« hatte sie den internationalen Wettbewerb für das Nam June Paik Museum gewonnen (db 01/04). Im Vergleich zum Chongqing-Projekt handelt es sich nicht um ein Bigness-Thema, sondern um einen signifikanten Museumssolitär in einer Parklandschaft. Die Gyeonggi Cultural Foundation hatte die Absicht, den prämierten Entwurf zu realisieren, doch die Verhandlungen erweisen sich zunächst als äußerst zäh, da unterschiedliche Erwartungshaltungen und Geschäftskulturen aufeinandertreffen. Um die diffizile Auslandsarbeit zu bewältigen, gründen die Architektinnen die »KSMS Schemel Stankovic Ges. von Architekten mbH Berlin«. Mit dieser Neuerung entwickelt sich beiderseits eine offenere Gesprächsführung, und es gelingt, einen Vertrag für das »predesign bis design development« (LPh 1 bis 4/5) abzuschließen. Nun beginnt eine intensive Arbeitsphase mit mehreren Arbeitsaufenthalten in Korea. Zu den aufwendigen Bauherrenbesprechungen reist Marina Stankovic nach Seoul, da ihre Partnerin aus persönlichen Gründen verhindert ist. Hier wird, mit einem speziell einberufenen NJP Museum Building Committee sowie mit dem Kurator John Hanhardt vom NJP Studio aus New York, die weitere Planung erörtert. Zur Realisierung des Projektes sind erhebliche Änderungen des Wettbewerbsentwurfs erforderlich, so dass Stankovic in dieser Arbeitsphase sukzessive einen zweiten Entwurf verfasst. Dabei muss der Baukörper aus Kostengründen auf die Hälfte reduziert werden. Die geplante Matrix-Fassade stößt auf Kritik bei den Kuratoren, da sie als eine zu direkte Interpretation der Medienkunst verstanden wird. So entsteht eine Screen-Fassade, die das Monitorbild mittels mehrerer Glasschichten mit unterschiedlichen Reflexionsgraden und Drucktechniken sowie einer textilen Schicht materialisiert. Um eine Verbindlichkeit für die architektonische Qualität jenseits der Barrieren von Sprache und Kultur zu erreichen, erstellt Stankovic zahlreiche Erläuterungsskizzen, Zeichnungen und Modelle. Materialtafeln für die Fassade werden in Deutschland angefertigt und nach Suwon geschickt, wo sie als Originalvorlage für die koreanischen Firmen dienen. Ende 2005 ist die erste Planungsphase abgeschlossen, jetzt übernehmen die Kontaktarchitekten Chang-Jo die weitere Werkplanung vor Ort. Ihr koreanisches Pendant Hyun B. Kim hatte Marina Stankovic bereits im Vorfeld kennen und schätzen gelernt, da er sich als unersetzlicher Vermittler erweist in Sachen Kultur, Bauvorschriften und technische Durchführbarkeit. »Langnasen brauchen einen Partner vor Ort«, sagt Stankovic selbstironisch lachend.

Im Mai 2006 findet die »Breaking ground ceremony« statt mit zahlreichen Gästen aus Politik und Kulturleben bis hin zu Paiks Frau, der Videokünstlerin Shigeko Kubota. Diese Zeremoniebe hat eine sondere Bedeutung, denn sie wird als ein Verletzen des Bodens verstanden. Um die hierbei entstehenden negativen Energien nicht auf einen Einzelnen zu übertragen, wird die Verantwortung auf viele verteilt: So stehen das Committee, die Politiker und nicht zuletzt die Architekten nebeneinander und betätigen gemeinsam einen Knopf, der die ersten Bodenarbeiten auslöst – der Bau hat damit begonnen. Im Frühjahr 2008 soll das Museum fertig gestellt sein. Das Entdecken der asiatischen Lebens- und Arbeitsweise wird für Marina Stankovic weitergehen, demnächst mit der Gründung einer Dependance in Shanghai.

db, Mo., 2007.04.02



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db 2007|04 Architekten im Ausland

Publikationen

Presseschau 12

29. Juli 2025Annette Menting
Bauwelt

Stadtwirtschaft

Eine der Interventionsflächen der Kulturhauptstadt ist das quartiersbezogene Kultur- und Kreativareal „Stadtwirtschaft“ im Wohngebiet Chemnitz-Sonnenberg.

Eine der Interventionsflächen der Kulturhauptstadt ist das quartiersbezogene Kultur- und Kreativareal „Stadtwirtschaft“ im Wohngebiet Chemnitz-Sonnenberg.

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Bauwelt 2025|16 Alle reden über Chemnitz

01. Juli 2025Annette Menting
Bauwelt

C the Closed

Längst ist klar: Das Schauspielhaus Chemnitz muss saniert werden. Seit drei Jahren ist es geschlossen, doch bislang geschah wenig. Nun droht ausgerechnet im Kulturhauptstadtjahr der Ausverkauf. Stimmen aus Bevölkerung und Kultur­sze­ne fordern den Erhalt des ostmodernen Baus als Spielstätte.

Längst ist klar: Das Schauspielhaus Chemnitz muss saniert werden. Seit drei Jahren ist es geschlossen, doch bislang geschah wenig. Nun droht ausgerechnet im Kulturhauptstadtjahr der Ausverkauf. Stimmen aus Bevölkerung und Kultur­sze­ne fordern den Erhalt des ostmodernen Baus als Spielstätte.

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Bauwelt 2025|14 Holz von XXL bis XS

09. August 2011Annette Menting
db

Skulptural im Wirtschaftshof

Der Erweiterungsbau für den Forstbezirk Eibenstock geht in Form und Materialität in Distanz zum Bestand, nimmt aber in seiner formalen Zurückhaltung und Bezugnahme zur regionalen Bauweise zugleich einen Dialog mit dem historischen Frontgebäude auf. Und er erinnert an die Natur: Denn trotz kristalliner, skulptural anmutender Formgebung entsprechen Baukörpereinschnitte und Inneres dem Bild eines glattgesägten Holzes, das außen von einer groben Rinde umgeben ist.

Der Erweiterungsbau für den Forstbezirk Eibenstock geht in Form und Materialität in Distanz zum Bestand, nimmt aber in seiner formalen Zurückhaltung und Bezugnahme zur regionalen Bauweise zugleich einen Dialog mit dem historischen Frontgebäude auf. Und er erinnert an die Natur: Denn trotz kristalliner, skulptural anmutender Formgebung entsprechen Baukörpereinschnitte und Inneres dem Bild eines glattgesägten Holzes, das außen von einer groben Rinde umgeben ist.

Beim Durchfahren des rund 8 000 Einwohner zählenden, sächsischen Eibenstock passiert man bemerkenswert städtische Bauten: Dem ansehnlichen Postamt folgen die neoromanische Hallenkirche und das Jugendstil-Rathaus. In diesen spiegelt sich der im 19. Jahrhundert durch eine außergewöhnliche Stickereiproduktion erreichte Wohlstand wider, der dem kleinen Ort im Westerzgebirge eine anspruchsvolle Architektur sicherte. Heute ist Eibenstock als Ferienregion bekannt und lebt von seiner Landschaft um den Auersberg mit einem Wander- und Wintersportangebot im Naturpark Erzgebirge. Der Staatsbetrieb Sachsenforst hat entsprechende Bedeutung, was auch im Gebäude der Königlich Sächsischen Oberforstmeisterei von 1860 deutlich wird, das sich in die Reihe markanter Bauten entlang der Hauptstraße einfügt. Der einfache, mit feinen Sandsteinornamenten ausgestattete Bau dient der Verwaltung des 13 Reviere umfassenden Forstbezirks Eibenstock. Vor einigen Jahren wurde er saniert und sein DG für zusätzliche Büroräume ausgebaut. 2007 zeichnete sich die Notwendigkeit einer weiteren Modernisierung ab: Anstelle eines dahinter befindlichen, baufälligen Forstarbeiter-Wohn- und Lagergebäudes sowie einer rückwärtigen Garagenzeile sollte ein zentrales Wirtschaftsgebäude mit Garagen, Lagerräumen und Kühlzelle für erlegtes Wild entstehen. Unabhängig von seiner Lage im Hof und seiner Funktion als Zweckgebäude sollte es den historischen Bestandsbau angemessen ergänzen.

Die jungen Unaufgeregten

Während eines Auswahlverfahrens für die Fahrzeughalle der Zwickauer Hochschule wurde eine Projektleiterin des Staatsbetriebs Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) auf die jungen Architekten Silvia Schellenberg und Sebastian Thaut aufmerksam. Beide sind in der Region aufgewachsen und führen seit 2005 unter dem Namen »atelier st« in Leipzig ein Büro. Für das kleine Realisierungsprojekt (814 000 Euro Baukosten) erteilte ihnen das SIB einen Direktauftrag. Schellenberg und Thaut nutzten die Chance und entwickelten nicht nur einen funktionalen Zweckbau in pflegeleicht-dauerhaftem Material, sondern konzipierten aus Aufgabe und Ort eine ausdrucksstarke Ergänzung für die Oberforstmeisterei. Die Kubatur entstand in mehreren Modellstudien, die Freude an der Raumbildung im Kontext des Bestands sowie an der Gestaltung einer skulpturalen Form zeigen. Dabei kam die klimabedingte Vorgabe zu einer geneigten Dachform der Entwurfsintension – inspiriert vom Bild eines auf dem Waldboden liegenden, unregelmäßigen Rindenstücks – entgegen.

Da das Raumprogramm und die innere Organisation der einzelnen Bereiche weitgehend geschlossene Fassaden erfordert, wird der polygonale Baukörper von einer kontinuierlichen Holzschindelhülle umschlossen, die lediglich zwei plastische Einschnitte erhielt. Im Bereich der Garagenzufahrt für die Waldfahrzeuge sowie der Zugänge zu den Lagerräumen und der Wildkühlzelle ist das Volumen eingeschnitten, bewahrt jedoch über weit auskragende Vordächer seine Gesamtform. Früh am Morgen zu Schichtbeginn und nachmittags bei Schichtende verändert sich das Wirtschaftsgebäude, indem die Tore und Türen sich geschäftig öffnen, ansonsten ruht der Bau im Hof.

Den Forstarbeitern bietet die ruppige Schindelstruktur weniger haptische »Holzerfahrung« als einen expressiv-rauen Ausdruck, der ihrer Arbeit im Wald adäquat ist und zugleich eine traditionelle Bauweise des Erzgebirges wiederbelebt. Die Architekten beschäftigten sich mit historischen Schindelkonstruktionen, um aus einer originären Bauweise des Erzgebirges eine neue baukulturelle Identität abzuleiten. Orientierung boten neben einzelnen örtlichen Kirchen und Museen bezeichnenderweise Bauten in der Schweiz, in Vorarlberg sowie Zeichnungen in historischen Lehrbüchern. Die changierende Holzschindelbekleidung wandelt ihren Farbton seit der ersten Bewitterung, indem aus dem Rotbraun des unbehandelten Rot-Zedernholzes sukzessive ein helles Silbergrau wird. Diese Modifikation des Holztons wird den ursprünglichen Kontrast zwischen der hölzernen Außenhülle und den mit silberfarbenen Aluminiumpaneelen bekleideten Einschnitten etwas neutralisieren, so dass das Gebäude im Alterungsprozess eine stärkere farbliche Einheit entwickeln wird.

Der partielle Einsatz von Aluminiumverbundpaneelen erscheint als zeitgenössischer Verweis des Gebäudes. Der Materialwechsel sollte durch äußerste Präzision und Glätte der Metallfassaden akzentuiert werden, daher waren die Garagentore als flächenbündige Falttore geplant. Aus Kostengründen wurde an dieser Stelle leider das minimalistische Konzept verlassen, stattdessen kamen leicht versetzte Schiebetore zum Einsatz. Das exakte Fugenraster und die Integration der Lichttechnik zeigen den hohen Detaillierungsgrad für diesen kleinen Bau. Die Übergänge von Holzhülle zu Aluminiumpaneelen konnten aufgrund der geringen klimatischen Raumanforderungen mit offenen Fugen gelöst werden. Gern hätten die Architekten auch die Traufe in traditioneller Form als Holzrinne mit offenem Auslauf ausgeführt, doch mussten sie den technischen Standards des Bauherrn folgen und eine Blechkastenrinne mit innenliegendem Fallrohr vorsehen, was angesichts der homogenen Schindelhülle befremdlich erscheint. Die Bauleitung übernahmen die Architekten selbst, denn angesichts der scheinbar einfachen Struktur war die exakte Detailausführung besonders wichtig.

Im Innern setzen sich die glatten Oberflächen fort, hier bilden industriell hergestellte Grobspanplatten den Kontrast zu den äußeren handgespaltenen Schindeln. Hinter den OSB-Platten befindet sich die Holzständerkonstruktion des Hallenbaus. Lediglich dessen weit auskragendes Garagendach ist mit Stahlfachwerkträgern ausgeführt, um eine schlankere Konstruktion zu erreichen.

Tradition aus der Ferne

Die Entwurfsintension ist aber auch von der Wiederbelebung regionaler Bau-weisen bestimmt. Dabei entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die Architekten sich an einen Schindelproduzenten in Oberbayern wenden mussten und der Dachdecker aus dem Nachbarort zur Schulung ins oberbayrische Hammerau fuhr, um sich die handwerkliche Technik wieder anzueignen. Auch das Schindelholz stammt nicht aus der Region, da der heimischen Fichte aufgrund der veränderten Umweltbedingungen nur noch eine Haltbarkeit von etwa 20 Jahren zugesprochen wird, während das in Oberbayern vertriebene Rot-Zedernholz aus Kanada eine bis zu fünfmal längere Lebensdauer haben kann und ihm vergleichbare Qualitäten einer harter Bedachung bescheinigt werden. Die Weiterführung erzgebirgischen Bauens impliziert somit globale Vernetzungen.

Anspruch aus der zweiten Reihe

Das Wirtschaftsgebäude steht als Solitär im Zentrum des Hofs und dehnt sich deutlich über die Baufluchten seines Vorgängerbaus hinaus, so dass es hinter dem Forstamtsgebäude herausschaut und zur Straße selbstbewusst Präsenz zeigt. Der Umgang mit diesem historischen Bestandsbau war in den vergangenen Jahrzehnten von Pragmatismus gekennzeichnet: Beim Eingriff in die ursprünglich klaren Proportionen entstand anstelle von fünf Giebelgauben eine durchgehende Schleppgaube, deren neue Fenster mit aufgemalten Rahmen Sandsteingewände imitieren. Nicht nur in diesem Kontext erscheint es konsequent, quasi aus der zweiten Reihe einen neuen Anspruch an die regionale Baukultur zu formulieren. Der Neubau setzt sich von dem hellverputzten Bestand und den anderen Bauten im Ort ab, der nach drei Stadtbränden Mitte des 19. Jahrhunderts steinern aufgebaut wurde. Mit dem Holzschindelkörper wird aber nicht nur der Verweis auf die Nutzung durch das Forstamt gegeben; gleichermaßen stellt der Bau eine eigenständige und zeitgemäße Erweiterung des Begriffs »Erzgebirgische Holzkunst« dar, der gemeinhin auf die Holzspielwaren der Weihnachtsmärkte reduziert wird.

db, Di., 2011.08.09



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db 2011|08 In zweiter Reihe

13. Januar 2010Annette Menting
db

Von Mikrowelten zum urbanen Raum

Bei dem Entwurf von Laborgebäuden werden gegensätzliche Forderungen offenkundig: Es werden Räume benötigt, die von der Alltagswelt hermetisch abgeschlossen und gesichert sind, zugleich verlangt der räumliche Kontext eher nach Integration als nach isoliert-introvertiertem Ausdruck. Den Versuch, Funktion und Ort gleichermaßen gerecht zu werden, unternimmt das neue Sonderlaborgebäude im Leipziger Universitätsklinikviertel mit Erfolg.

Bei dem Entwurf von Laborgebäuden werden gegensätzliche Forderungen offenkundig: Es werden Räume benötigt, die von der Alltagswelt hermetisch abgeschlossen und gesichert sind, zugleich verlangt der räumliche Kontext eher nach Integration als nach isoliert-introvertiertem Ausdruck. Den Versuch, Funktion und Ort gleichermaßen gerecht zu werden, unternimmt das neue Sonderlaborgebäude im Leipziger Universitätsklinikviertel mit Erfolg.

Um dem Anspruch an einen Standort für medizinische Spitzenforschung gerecht zu werden, wurden im Leipziger Universitätsviertel mehrere neue Klinik- und Laborbauten realisiert. In diesem Kontext entstand auch das Laborgebäude an der Stephan-, Ecke Liebigstraße nach dem Entwurf der Architekten Ansgar und Benedikt Schulz. Es stellt sich funktional betrachtet als eine reine Erweiterung der Fakultät für Biowissenschaften, Pharmazie und Psychologie dar. Aus städtebaulicher Perspektive ist gleichwohl ein eigenständiger Kubus entstanden, der in räumlicher Distanz zum neoklassizistischen Bestandsgebäude positioniert ist. Das Raumprogramm forderte ausnahmslos Laborräume für molekularbiologische und gentechnische Versuche mit einer durchschnittlichen Größe von 20 m², nur einige sind zu Doppeleinheiten zusammengefasst. Außerhalb des Neubaus befinden sich sämtliche zugehörigen Gemeinschaftsräume, Büros und Seminarräume im vorgeschalteten Fakultätsgebäude. Aus dieser eindeutigen Programmvorgabe entwickelten die Architekten eine klassische Dreibundanlage, die sich mit ihrer rationellen Struktur in den Fassaden widerspiegelt. Die Anlage von beidseitig fünf Einzellaboren pro Etage zeigt sich in der Fensterreihung zur Stephanstraße und Hofseite, während die mittlere Versorgungszone mit Doppelfenstern zur Liebigstraße ihren Abschluss findet.Da der Zugang zu den Laboratorien streng kontrolliert erfolgen muss, war bei diesem Spezialbau kein prägnanter Eingang gewünscht, denn die Fakultätsangehörigen und Studierenden erschließen die Sonderlabore über eine Brücke vom Bestandsbau. Hieraus erklärt sich auch die zurückhaltende Gestaltung des zweiten Zugangs im Erdgeschoß, der von der Straße zurückgesetzt und bündig in die Fassade integriert ist.

Sicherheitsverordnungen und urbaner Raum

Obgleich innovative Forschungen mit molekularbiologischen und gentechnischen Versuchen den Inhalt des Gebäudes bestimmen, setzen die Architekten beim gestalterischen Ausdruck weder auf demonstrativen Innovationscharakter noch auf isolierende Abschottung. Als eine wesentliche Entwurfsintention erweist sich die Integration des Neubaus als Teil des Universitätsensembles in den stadträumlichen Kontext. Der helle Kubus markiert die Ecksituation zwischen seinen gründerzeitlichen Nachbarn. Zur Stephanstraße setzen großformatige Fenster die Lochfassade des angrenzenden Bestandsbaus präzise fort, indem die Höhen der Fensteröffnungen und Attika von den Bestandsproportionen abgeleitet sind. Die Verbindung von Labor- und Fakultätsgebäude findet mit diesem dialogischen Prinzip auch in der Fassadengestaltung eine Übersetzung. Das Konzept erscheint für das Klinikviertel mit seinen anspruchsvollen Bauten aus der Gründerzeit und den 50er Jahren als adäquate Haltung. Die Architekten schreiben die Tradition des Ortes fort, allerdings mit erkennbar zeitgenössischen Mitteln und Methoden.

Für architektonische Gesten mit einladendem Charakter oder akzentuierte Gemeinschaftsbereiche bot das Raumprogramm keine Möglichkeiten. Im Gegenteil – das Wesen des Laboratoriums ist durch die hermetische Abgeschlossenheit gegenüber der Außenwelt bestimmt; dies wird auch in den Sicherheitsverordnungen für Räume der Schutzstufen 1 bis 3 über zahlreiche Auflagen definiert, denen die biochemischen und radionukliden Labore unterliegen. Aus diesen Grundbedingungen entwickelten die Architekten das architektonische Motiv, das in einem kontrastreichen Wechselspiel zwischen der räumlichen Wirkung von Öffnung und Betonung des kubischen Gesamtkörpers zum Ausdruck kommt.

Abstraktion, Präzision und Geometrie

Auch bei dem hohen Fensteranteil wird die Körperhaftigkeit des Baus spürbar und durch den Einsatz des Fassadenmaterials Sichtbeton unterstützt. Das bewusste Absetzen von der konventionellen Bauweise des Bestands wird deutlich, indem eine elementierte Außenhaut zum Einsatz kam. Die präfabrizierte Fassade zeigt sich mit präzisen Fertigteiltafeln und einem klaren Fugenbild. In hochwertiger Qualität sind großformatige Betonfertigteilplatten in Weißzementbeton eingesetzt, der einen leicht changierenden Gelbton aufweist und so mit den hellfarbigen Putzfassaden des Bestands wunderbar korrespondiert. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es sich bei dem Gebäude um einen Sonderbau handelt. So finden sich im Unterschied zum neoklassistischen Nachbarn mit seinen feinen plastischen Details beim Neubau keine üblichen Fensteröffnungen mit tiefen Laibungen, sondern eine bewusst flächenbündige Gestaltung. Diese quadratischen Fenster von 3 x 3 m Größe dienen allein der Belichtung, doch kann das Gebäude nicht wie sein Nachbar natürlich be- und entlüftet werden. Die äußeren fassadenbündigen Glasscheiben bilden den Abschluss einer effizienten Sonnenschutzschicht, die den Energieaufwand für das Kühlen des Gebäudes minimiert. So sind im Zwischenraum der sonderangefertigten »Kastenfenster-Konstruktion« metallene Sonnenschutzlamellen integriert, die auch bei stärkeren Windkräften ausgefahren bleiben können, da sie durch das äußere Glas geschützt sind. Gegenüber dem hellen Beton setzen sich die Glasflächen dunkel ab und reflektieren die Umgebung, was zu Spiegelungen der Nachbarn im Neubau führt. Dieses Nebeneinander von Beton und Glas erfährt keine Zäsur durch Fensterrahmen, nur eine schmale Luftfuge trennt die Flächen. Die großen Glasscheiben weisen an ihren Rändern lediglich einen dunklen Siebdruckstreifen auf, hinter dem sich der Trägerrahmen befindet, auf den das Glas geklebt wurde – eine Technik, die Analogien zur Montage von Autoscheiben aufweist. Zur Stephanstraße sind die Glasflächen ungeteilt, doch zur Hofseite weisen einige eine Mittelteilung auf. Hier sind die äußeren Glasflächen öffenbar, allerdings nur zu besonderen Zwecken. In der obersten Etage wurden die Fenster als Festverglasung ausgeführt, da sich hier die hoch gesicherten Labore der Schutzstufe 3 befinden, die keinen Kontakt mit dem Außenraum haben dürfen und daher mit einer autarken Ver- und Entsorgung ausgestattet und mit einer Nebellöschanlage versehen sind. Während in der obersten Etage die äußeren Glasflügel zu Wartungszwecken öffenbar sind, wurden in den beiden darunter liegenden Geschossen mit geringerer Schutzstufe jeweils die äußeren Glasflächen geteilt, um im Brandfall einen zweiten Rettungsweg zu ermöglichen. Aufgrund dieser Maßnahme konnte auf ein zusätzliches Treppenhaus verzichtet werden.

Integrierte Technik

Im Innern der hochgesicherten Laborräume wirken die Fenster wohltuend großzügig und ermöglichen den Forschern, bei aller Konzentration auf die komplexen Tätigkeiten, eine maximale optische Verbindung zur Außenwelt. Die Fensterhöhe reicht allerdings deutlich über die Unterkante der abgehängten Technikdecke hinaus, da die Proportionen nicht aus den inneren Funktionen, sondern aus den Bestandsfassaden entwickelt sind. Aus diesem Grund enden die Abhangdecken im Abstand von gut einem Meter vor der Fassade, so dass ein Öffnen der Fenster zu Wartungszwecken gewährleistet und der zurückgesetzte Deckenversprung von Außen nicht wahrnehmbar ist. Die Alltagswelt muss konsequent außerhalb des Labors bleiben und zwar so, dass die Be- und Entlüftung mit speziellen Filteranlagen ausgestattet ist, um im Innern optimale Versuchsbedingungen zu schaffen beziehungsweise umgekehrt gefährdende Substanzen nicht nach außen dringen zu lassen. Den Forschern ist erst nach dem Passieren von Sicherheitsschleusen mit Entkontaminierungsanlagen die Verbindung mit dem Außenraum wieder möglich. Diese sehr aufwendige Labortechnik ist in Abhangdecken, Schächten und einem Technikgeschoss hinter der hohen Attika-Brüstung integriert. Durch die baulich integrierte Technik wird das Erscheinungsbild nicht von Rohren und Leitungen dominiert und die klare Raumbildung und Geometrie kann unbeeinträchtigt ihre Wirkung entfalten.

Der Bauaufgabe Laborbau hatten sich Schulz und Schulz mit dem Wolkenlabor Leipzig bereits vor einigen Jahren gewidmet (db 10/2006). Während das Wolkenlabor im Kontext des Wissenschaftsparks als ausdrucksstarker Solitär seiner Bedeutung gerecht wird, erweist sich bei den Sonderlaboren die Selbstverständlichkeit und gestalterische Zurückhaltung als adäquate Entscheidung. Denn über die Aufgabenstellung hinaus, innovative Forschungslabore mit höchsten sicherheitstechnischen Anforderungen an Bauwerk und Ausstattung zu erstellen, ist ein städtisches Haus entstanden, das den Menschen eine hohe Aufenthaltsqualität bei ihrer Spezialarbeit ermöglicht und zugleich in dieser räumlich sensiblen Situation einen anspruchsvollen urbanen Baukörper bildet

db, Mi., 2010.01.13



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db 2010|01 Forschen

02. April 2007Annette Menting
db

Zwischen den Kulturen

Ein Künstler aus Korea erreicht nach einigen Zwischenstationen Amerika, eine kanadische Architektin orientiert sich von Deutschland nach Korea: East goes West — West goes East. In Suwon-Seoul kreuzen sich ihre Wege. Hier realisiert Marina Stankovic ein Museum für den Medienkünstler Nam June Paik.

Ein Künstler aus Korea erreicht nach einigen Zwischenstationen Amerika, eine kanadische Architektin orientiert sich von Deutschland nach Korea: East goes West — West goes East. In Suwon-Seoul kreuzen sich ihre Wege. Hier realisiert Marina Stankovic ein Museum für den Medienkünstler Nam June Paik.

Gegenläufige Bewegungen führen die beiden Nomaden im Herkunftsland Nam June Paiks zusammen. Zu Beginn des Koreakriegs war Paik zunächst nach Japan geflohen, in den sechziger Jahren war er Mitglied der Fluxus-Bewegung in Deutschland und in den Siebzigern wurde er amerikanischer Staatsbürger. Vor einigen Jahren erwarb die koreanische Gyeonggi Cultural Foundation eine beachtliche Anzahl seiner Arbeiten mit dem Ziel, ein NJP Museum zu errichten. Wenige Monate vor der Grundsteinlegung für den Neubau in Suwon stirbt Paik jedoch in Miami.

Auch die Wege von Marina Stankovic weisen nomadische Tendenzen auf. Bereits in ihrer Biografie sind die Grenzen der Länder relativiert: 1960 in Belgrad geboren, in Mailand aufgewachsen, Studium in Toronto und die Mitarbeit im Tessiner Büro bis sie Mitte der achtziger Jahre ein eigenes Büro in Berlin aufbaut. Hier entstehen mehrere Bauten, teilweise in Kooperationen wie beim Umbau des Preußischen Landtags zum Abgeordnetenhaus, bei dem sie mit den Architekten Jan und Rolf Rave und Walter Krüger zusammenarbeitet. Die früh praktizierte Teamfähigkeit und offene Arbeitsweise werden sich als eine wichtige Voraussetzung für den Weg nach Korea, China und Taiwan erweisen.

Begegnungen mit Asien

Die erste unmittelbare Asien-Begegnung findet 2003 beim Wettbewerb für den Fortune Plaza in Chongqing, einem neuen Zentrum in Westchina, statt. Marina Stankovic führt ein kleines Architekturbüro, ähnlich ist die Situation bei befreundeten Berliner Kollegen. Ihr gemeinsames Interesse besteht an der Teilnahme an Wettbewerben im asiatischen Raum – so wie es einige deutsche Großbüros bereits erfolgreich leisten. Auf Initiative von Gerald Blomeyer schließen sich mehrere Berliner Architekten und das chinesische Partnerbüro Conceptext aus Beijing zusammen: Eicke Becker, Bernd Faskel, Zamp Kelp, Gernot und Johanne Nalbach, Rolf Rave und Marina Stankovic firmieren als AXIS-Group beim Wettbewerb und gewinnen den ersten Preis. Damit hatten sie einen »world leader«, das Architekturunternehmen Hellmuth, Obata Kassabaum (HOK), mit rund 1800 Mitarbeitern, abgehängt. Die Hoffnungen der AXIS-Group sind zunächst groß: Ein ganzes Quartier in einer wachsenden Metropole zu errichten – fast unvorstellbar! Doch wird das erste staunende »Unglaublich« in den folgenden zähen Verhandlungen mit dem Bauherrn zur Tatsache. Es wird deutlich, dass die chinesischen Produktionsprozesse von Architektur und Städtebau mit den Vorstellungen der AXIS-Group divergieren, wobei der Anspruch an einen gewissen Ausführungsstandard von Bauherrnseite nicht mitgetragen wird. Bei den Gesprächen mit den chinesischen Partnern wird deutlich, dass es unerlässlich ist, »between-the-lines« zu lesen. Die Verhandlungen werden eingestellt. Wichtig bleibt jedoch die Erfahrung, sich als Team auf dem
internationalen Wettbewerbsmarkt neben den Giganten durchsetzen zu können.

Das Thema »Bigness«, wie Koolhaas es als Phänomen angesichts der asiatischen Wirtschaftspotenziale und des demografischen Wachstums beschreibt, fasziniert Marina Stankovic. Anders als in Europa scheinen hier zukunftsorientierte Konzepte in einer neuen Architektursprache möglich. So folgen in den nächsten Jahren weitere Wettbewerbsbeiträge für Kultureinrichtungen in Korea für das Seoul Center of Performing Arts, das Asian Cultural Center in Gwangju, das Prehistroy Museum in Jeongok und in Taiwan für das National Performing Arts Center in Kaohsiung sowie für das Eternal Golden. Stankovic besucht diese Orte und entdeckt dabei Land und Kulturen mit ihren Widersprüchlichkeiten von Tradition und Innovation.

Nam June Paik Museum

Einige Monate nach dem AXIS-Erfolg in Chongqing kommt das Angebot der Berliner Architektin Kirsten Schemel zu einer Projektpartnerschaft. Unter dem Titel »Matrix für Paik« hatte sie den internationalen Wettbewerb für das Nam June Paik Museum gewonnen (db 01/04). Im Vergleich zum Chongqing-Projekt handelt es sich nicht um ein Bigness-Thema, sondern um einen signifikanten Museumssolitär in einer Parklandschaft. Die Gyeonggi Cultural Foundation hatte die Absicht, den prämierten Entwurf zu realisieren, doch die Verhandlungen erweisen sich zunächst als äußerst zäh, da unterschiedliche Erwartungshaltungen und Geschäftskulturen aufeinandertreffen. Um die diffizile Auslandsarbeit zu bewältigen, gründen die Architektinnen die »KSMS Schemel Stankovic Ges. von Architekten mbH Berlin«. Mit dieser Neuerung entwickelt sich beiderseits eine offenere Gesprächsführung, und es gelingt, einen Vertrag für das »predesign bis design development« (LPh 1 bis 4/5) abzuschließen. Nun beginnt eine intensive Arbeitsphase mit mehreren Arbeitsaufenthalten in Korea. Zu den aufwendigen Bauherrenbesprechungen reist Marina Stankovic nach Seoul, da ihre Partnerin aus persönlichen Gründen verhindert ist. Hier wird, mit einem speziell einberufenen NJP Museum Building Committee sowie mit dem Kurator John Hanhardt vom NJP Studio aus New York, die weitere Planung erörtert. Zur Realisierung des Projektes sind erhebliche Änderungen des Wettbewerbsentwurfs erforderlich, so dass Stankovic in dieser Arbeitsphase sukzessive einen zweiten Entwurf verfasst. Dabei muss der Baukörper aus Kostengründen auf die Hälfte reduziert werden. Die geplante Matrix-Fassade stößt auf Kritik bei den Kuratoren, da sie als eine zu direkte Interpretation der Medienkunst verstanden wird. So entsteht eine Screen-Fassade, die das Monitorbild mittels mehrerer Glasschichten mit unterschiedlichen Reflexionsgraden und Drucktechniken sowie einer textilen Schicht materialisiert. Um eine Verbindlichkeit für die architektonische Qualität jenseits der Barrieren von Sprache und Kultur zu erreichen, erstellt Stankovic zahlreiche Erläuterungsskizzen, Zeichnungen und Modelle. Materialtafeln für die Fassade werden in Deutschland angefertigt und nach Suwon geschickt, wo sie als Originalvorlage für die koreanischen Firmen dienen. Ende 2005 ist die erste Planungsphase abgeschlossen, jetzt übernehmen die Kontaktarchitekten Chang-Jo die weitere Werkplanung vor Ort. Ihr koreanisches Pendant Hyun B. Kim hatte Marina Stankovic bereits im Vorfeld kennen und schätzen gelernt, da er sich als unersetzlicher Vermittler erweist in Sachen Kultur, Bauvorschriften und technische Durchführbarkeit. »Langnasen brauchen einen Partner vor Ort«, sagt Stankovic selbstironisch lachend.

Im Mai 2006 findet die »Breaking ground ceremony« statt mit zahlreichen Gästen aus Politik und Kulturleben bis hin zu Paiks Frau, der Videokünstlerin Shigeko Kubota. Diese Zeremoniebe hat eine sondere Bedeutung, denn sie wird als ein Verletzen des Bodens verstanden. Um die hierbei entstehenden negativen Energien nicht auf einen Einzelnen zu übertragen, wird die Verantwortung auf viele verteilt: So stehen das Committee, die Politiker und nicht zuletzt die Architekten nebeneinander und betätigen gemeinsam einen Knopf, der die ersten Bodenarbeiten auslöst – der Bau hat damit begonnen. Im Frühjahr 2008 soll das Museum fertig gestellt sein. Das Entdecken der asiatischen Lebens- und Arbeitsweise wird für Marina Stankovic weitergehen, demnächst mit der Gründung einer Dependance in Shanghai.

db, Mo., 2007.04.02



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db 2007|04 Architekten im Ausland

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