Editorial

Fokus: In fremden Betten

„Die Halle des Hotels war amerikanischen Hotels nachgebildet, wie man sie in Österreich und Deutschland noch nicht kennt. Sie ist eine Verlängerung der Straße, da geht es nicht elegant zu (…); Menschen laufen hin und her, Koffer werden aufgestapelt, Leute von der Straße stehen herum, denn es ist dort sehr angenehm. Im Sommer kühl und im Winter wird geheizt.“ (Adolf Loos über seinen Entwurf für das Hotel Friedrichstraße in Wien, 1913/1914 [1])


Ein Dauerbrenner unter den Aufgaben für Architekten ist der Hotelumbau. Welche Strategien verfolgen die Betreiber, welche Parameter entscheiden über den Erfolg und welchen Beitrag leistet die Hotelbranche zur Baukultur?

Was haben Hotels mit Autos gemeinsam? Diese Frage stellt sich einem Architekten zunächst sicher nicht, wenn er ein Hotel modernisieren oder ein altes Bauwerk in ein Hotel verwandeln soll. Und doch kann er sich von der Autoindustrie einiges abschauen. Denn die Hotelbranche steht seit Jahren vor dem gleichen Problem wie die Fahrzeughersteller: Die Produkte sehen sich zum Verwechseln ähnlich, über die Ausstattung lässt sich kaum noch ein Unterschied zur Konkurrenz herstellen. Eine strenge Kategorisierung tut ihr übriges. Bei Autos ist es eine Einteilung in Unter-, Mittel- und Oberklasse, die dem Kunden eine recht präzise Vorstellung davon gibt, ob er Beifahrerairbag, Klimaanlage oder Navigationssystem erwarten kann; bei Hotels weiß der Gast eines Ein-, Zwei- oder Drei-Sterne-Hauses schon vor der Anreise, ob er mit Minibar, Massagedusche oder Swimming Pool rechnen darf. In beiden Branchen haben sich bestimmte Standards durchgesetzt. Der Betreiber eines Hotel muss diese haargenau definierten Standards erfüllen, um mit seinem Haus nicht eine Klasse nach unten zu rutschen. Großer Spielraum, um sich von Mitbewerbern abzuheben, bleibt ihm ebenso wenig wie dem Fahrzeughersteller.

Wie die Autobranche das Problem gelöst hat, ist bekannt: Sie hat konsequent auf Markenbildung und Design gesetzt, die Produkte unterscheiden sich heute in erster Linie durch ihre Formgebung. Und genau hier liegt die große Chance für Architekten. Sie können dem Hotelier maßgeblich helfen, für sein Haus ein eigenes Profil zu entwickeln – über die Gestaltung. Gerade in Städten mit einer Überkapazität an Hotelbetten müssen sich die Herbergen etwas einfallen lassen, um ihre Zimmer an den Mann zu bekommen. Gelingt es, aus einem Allerweltshotel ein Stück individuelle, anspruchsvolle Baukunst zu machen, so hat sein Betreiber ein hervorragendes Verkaufsargument, um Gäste anzulocken. Die Architektur stellt sich dann in den Dienst des Marketings und wird zum wichtigsten Alleinstellungsmerkmal. Je größer die Konkurrenz zwischen den Hotels, desto größer der Bedarf an Architektur mit eigenem Charakter. Hier tut sich ein breites Betätigungsfeld auf.

Dass die Vermarktung über den Faktor Architektur tatsächlich funktioniert, belegt eine österreichische Studie, die den Zusammenhang zwischen Gestaltung und betriebswirtschaftlichen Auswirkungen untersucht. 88 Prozent der befragten Tourismusunternehmen, die auf hochwertige zeitgenössische Architektur gesetzt hatten, waren der Meinung, dass sich diese Investition insgesamt rentiert habe, 51 Prozent gaben an, dass ihre wirtschaftlichen Kennzahlen über dem Branchendurchschnitt liegen, und für 95 Prozent erfüllte sich die Erwartung, nun für neue Gästeschichten attraktiv zu sein. [2]

Natürlich beruht der Erfolg eines Umbaus nicht auf der Gestaltung allein, sondern meist auch auf einem erweiterten Angebotsspektrum, das die Auslastung erhöht. Vor allem Häuser aus der Zeit des Massentourismus in den Sechziger- und Siebzigerjahren sind meist zu einseitig ausgerichtet – etwa als reine Bade- oder reine Skihotels. Um ganzjährig Gäste anzulocken, setzen viele Hoteliers daher auf Wellnesskonzepte, die saisonunabhängig funktionieren: Eine breitere Streuung des Angebots soll das Risiko minimieren. Häufig werden auch die öffentlichen Bereiche des Betriebs aufgewertet, bisweilen so stark, dass sie als Restaurant oder Lounge unabhängig vom eigentlichen Hotelbetrieb Gäste anziehen.

Im Hotelumbau steckt enormes Potenzial. Zum einen gibt es kaum einen anderen Gebäudetyp, bei dem Verjüngungskuren so oft anstehen wie bei Hotels. Nicht nur hoher Verschleiß in den häufig stark beanspruchten Zimmern, auch stetig steigende Komfortansprüche der Gäste zwingen Hoteliers, ihre Häuser immer wieder zu modernisieren. Zum anderen weckt die zunehmende Konkurrenz zwischen den Hotels den Bedarf nach der ureigenen Kompetenz der Architekten, Unikate zu schaffen und Räume individuell zu gestalten; sie gebietet gesichtsloser Allerweltsarchitektur Einhalt und verhilft anspruchsvoller Baukunst zu ihrem Recht.

Christian Schönwetter

Anmerkungen:
[1] Adolf Loos: Über Architektur. Ausgewählte Schriften; Georg Prachner Verlag, Wien 1995. S. 127
[2] Bibiane Hromas: Architektur macht Gäste. In: Felicitas Romeiß-Stracke (Hrsg): TourismusArchitektur – Baukultur als Erfolgsfaktor. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2008. S. 21

Inhalt

Bestandsaufnahme
06-15 | Projekte, Bücher, Termine

18-19 | In fremden Betten
20-23 | Chancen für Aschenputtel: Die jüngere Geschichte des Hotelbaus und -umbaus
24-25 | Form follows finance: Hotelfachliche Empfehlungen für Planer
26-31 | 01 Nach dem Dornröschenschlaf: Midland Hotel in Morecambe (GB)
32-35 | 02 Frischer Wind aus Norden: Parkhotel Bellevue in Adelboden (CH)
36-43 | 03 Designerberge: Gäste- und Ferienhaus „berge“ in Aschau
44-47 | 04 Betten statt Beifall: Hotel Besídka in Slavonice (CZ)
48-51 | 05 Für die Zelle zahlen: Hotel Katajanokka in Helsinki

Technik
52-55 | Bad am Haken: Vorgefertigte Nasszellen – eine Alternative für die Hotelbadsanierung?

Produkte
56-57 | Produkt im Objekt
58-59 | Sanitär
60-61 | Leuchten
62-67 | Messeneuheiten zur BAU 2009

Fortbildung
68-69 | Masterstudiengang Denkmalpflege an der TU Berlin

Verkannte Perlen
72-73 | Fondation Vasarely in Aix-en-Provence

Rubriken
74 | Vorschau, Impressum, Bildnachweis

Frischer Wind aus Norden

(SUBTITLE) Parkhotel Bellevue in Adelboden (CH)

Das Parkhotel Bellevue im Schweizer Adelboden befindet sich seit achtzig Jahren in Familienbesitz. Nun haben die Enkel der Hotelgründer das Restaurant, Flure und ausgewählte Zimmer von den Basler Architekten Buchner und Bründler neu gestalten lassen. Das Resultat: Da wäre man gerne Stammgast.

Wintereinbruch in der Schweiz: Aus grauem Himmel kommt feinster Pulverschnee. Schon bald ist die Straße weiß. Sie führt am Flüsschen Engstligen entlang, das dem Tal, durch das wir langsam mit dem Pkw bergan fahren, seinen Namen gibt. An seinem oberen Ende, auf 1.400 Metern, liegt Adelboden, ein Kurort mit 3.500 Einwohnern. Hinter der Kirche – die höchst gelegene im ganzen Berner Oberland – geht es steil den Hang hinauf. Wir haben Glück: Vor uns biegt ein Schneeräumer in die schmale Bellevue-Straße ein, die direkt vor dem Parkhotel endet…

21. Januar 2009 Jochen Eisenbrand

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verknüpfte Bauwerke
Umbau Parkhotel Bellevue

Designerberge

(SUBTITLE) Gäste- und Ferienhaus „berge“ in Aschau

Bauherr, (Innen-)Architekt und Herbergsvater in einer Person: Im oberbayerischen Aschau baut Nils Holger Moormann derzeit ein über dreihundert Jahre altes Gebäude um – schrittweise und in Eigenregie richtet er dort maßgeschneiderte Ferienwohnungen ein. Dabei war weder der Einstieg ins Gastgewerbe noch die Transformation des Bauwerks ursprünglich beabsichtigt.

Eigentlich war alles ganz anders geplant: Als Designunternehmer und Möbelproduzent Nils Holger Moormann in unmittelbarer Nähe seines Firmensitzes ein Grundstück erwarb, wollte er dort eine dringend benötigte Lagerhalle errichten. Doch das Vorhaben scheiterte – weniger an Architekt Peter Zumthor als vielmehr an Streitigkeiten mit Anwohnern und Behörden. Kurioserweise ermöglichte aber gerade die nicht erteilte Baugenehmigung ein ganz anderes, viel anspruchsvolleres Bauprojekt. Denn neben der Freifläche für den geplanten Neubau stand auf dem Grundstück noch ein marodes, zweigeschossiges Gebäude, das gemeinsam mit einigen benachbarten Bauwerken Ensembleschutz genießt. Direkt an der Durchgangsstraße gelegen, hatte es seit dem Jahr 1671 als Bäckerei, später als Gastwirtschaft und zuletzt als Jugendhotel gedient. Würde es sich nun zum Lager umbauen lassen…?

21. Januar 2009 Simon Böhm

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Bildnachweis

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Cover: Ester Havlová, Prag
S. 3: ayazad / fotolia.com
S. 4: von links oben im Uhrzeigersinn: Ester Havlová, Prag; Best Western Premier Hotel Katajanokka, Helsinki; Simon Webb, Bolton / Greater Manchester; Ruedi Walti, Basel; Simon Böhm, Stuttgart
S. 6: Bernd Hiepe, Berlin
S. 7: oben: Caruso St John Architekten, London / Studio Thomas Demand, Berlin; unten (2): Aitor Ortiz, Bilbao
S. 8: links oben: Gus Wüstemann Architekten, Zürich; alle anderen: Bruno Helbling, Zürich
S. 9: rechts oben: Rafael Moneo, Madrid; alle anderen: Roland Halbe, Stuttgart
S. 10: oben: Åke E:son Lindman, Stockholm; unten: von links oben im Uhrzeigersinn: Käppel Klieber Architekten, Stuttgart; Markus Weikert, Dettelbach; Roland Halbe, Stuttgart
S. 11: Freiluft Architekten, Bern
S. 12: oben: Hartmut Möller, Hannover, 2008; unten (3): Heinrich Heidersberger / arturimages, www.heidersberger.de
S. 13: oben: Buchner Wienke Architekten, Berlin; unten: Marcus Bredt, Berlin
S. 20 - 23: 01: Radisson SAS Royal Hotel, Copenhagen; 02: 2005, Hans Andersen / Dieses Bild wurde unter der GNU Free Documentation License 1.3 im Beitrag „Radisson SAS Royal Hotel, Copenhagen“ auf der Seite en.wikipedia.org veröffentlicht; 03: Neue Dorint GmbH, Köln; 04: Soenne, Aachen; 05: tatanka ideenvertriebsgesellschaft m.b.h., Mils (A); 06: paul ott photografiert, Graz; 07: Hollmann & Partner Vermögensverwaltung, Hamburg; 08: 25hours Hotels, München / Frankfurt am Main; 09-11: Hotel Castell, Zuoz (CH)
S. 26 - 31: 01: Chris Gascoigne / VIEW Pictures Ltd, London (GB); 02: RIBA Library Photographs Collection, London; 03-08: Simon Webb, Bolton / Greater Manchester
S. 32 - 35: 01-04, 06, 08: Ruedi Walti, Basel; 05, 07: Buchner Bründler AG, Basel
S. 36 - 43: 01, 03, 05, 06, 09, 14: Nils Holger Moormann GmbH, Aschau im Chiemgau; 02, 04, 07, 08, 10-13, 15-18: Simon Böhm, Stuttgart
S. 44 - 47: 01-08, 10, 11: Ester Havlová, Prag; 09: Roman Koucký architektonická kancelá s.r.o., Prag
S. 48 - 51: 01-03: Best Western Premier Hotel Katajanokka, Helsinki; 04, 06: Kari Palsila / Craps Oy, Espoo (FI); 05: SARC Architects Ltd, Helsinki
S. 52 - 55: Studiengemeinschaft für Fertigbau, Arbeitskreis Fertigbad, Koblenz
S. 68 - 69: 01, 02, 04: M. Gussone, TU Berlin; 03: B. Grimm, MSD 2006-08
S. 72 - 73: Allard van der Hoek, Amsterdam
S. 74: Christian Schönwetter, Stuttgart

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Metamorphose, Mi., 2009.01.21

21. Januar 2009

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