Editorial

Der Verlag spricht

«Nach Felix, Regula und Exuperantius hat der Mann das Zeug zum vierten Stadtheiligen», lobt Marcel Reuss im Tages Anzeiger Benedikt Loderers Videokommentar, zu sehen auf Hochparterre Online. Als Stadtwanderer führt Loderer alle vierzehn Tage «eine Mischung von beissender Satire und hochtrabender Kulturkritik» vor, setzt die NZZ dazu. Höchste Zeit also, dass Sie www.hochparterre.ch einschalten, wo der Stadtwanderer ab 14. August wieder regelmässig «mit weisser Strickmütze seine Blog-Predigt» (Tages Anzeiger) halten wird.

Eine Predigt zugunsten des fairen Architekturwettbewerbs hält Ivo Bösch in dieser Ausgabe. Zehn Büros traten an zum Wettbewerb um einen Geschäftssitz und am Schluss baut der Juror Peter Märkli selbst das Gebäude. Wie es dazu kam und was davon zu halten ist, lesen Sie auf Seite 44. In der aktuellen Ausgabe von hochparterre.wettbewerbe stellen wir mit Plänen und Texten vor:
--› Bundesstrafgericht in Bellinzona
--› Alterswohnungen in Ringgenberg mit Atelierbesuch
--› Areal Lagerplatz in Winterthur
--› Lausanne Jardins 2009
--› St. Johanns-Park in Basel
--› Sporthallen Weissenstein in Bern
--› Zuschlagstoff: Zahlen für offene Wettbewerbe

Ein hoher Anteil Menschen aus aller Herren Länder, Industriebrachen im Aufbruch, grosse Verkehrsprobleme – das gehört zu Dietikon, der Stadt im Limmattal vor den Toren Zürichs. Die Stadt aber arbeitet an ihrer Zuversicht mit einer bemerkenswerten Planung ihres Zentrums, mit Grünflächen und der Hinwendung zu den Flüssen Reppisch und Limmat. Werner Huber war vor Ort und hat ein Sonderheft zu Dietikons Wandel geschrieben. Wer Hochparterre abonniert hat, findet es als Beilage zu dieser Ausgabe, sonst online bestellen! Und wer Hochparterre abonnieren will, findet den Coupon auf Seite 14.
Köbi Gantenbein

Inhalt

06 Funde
09 Stadtwanderer: Familientreffen
11 Jakobsnotizen: Ein Nachruf
13 Stadt und Spiele: Grüne Spiele in Peking
14 Impressum

Titelgeschichte
18 Novartis Campus: Pharmastadt mit Espressoduft

Brennpunkte
30 Schlaepfer: Mode fürs Fenster aus St. Gallen
32 Architekten im Web: Auf Service bauen
36 Bahnhofplatz: Das Wunder von Bern
42 Designstudierende: Das letzte Diplom
44 Wettbewerb: Wenn der Juror selbst baut
46 Alfredo Häberlis Schuhe und Läden: Gut unterwegs
50 TV-Studio für Olympia: à la chinoise
54 Neue Materialien: Farben treibens bunt

Leute
58 An der Eröffnung der Design Miami / Basel

Bücher
60 Über Denkmäler, Dedelley, Thurgau und verkehrte Welten

Siebensachen
62 Eine Leuchte hebt ab, ein Helm taucht ein, ein Sessel bleibt am Boden

Fin de Chantier
64 Viamala Raststätte in Thusis und Schulhaus in Splügen, Kleiderladen in Zürich und ‹Dress your Body› von Swatchtochter und Wohnhäuser in allen Formen und Farben

An der Barkante
71 Mit Schwingerkönig Jörg Abderhalden in Wattwil

Die Rauminstallation

Es gibt Modemacher, die stellen ihre Kleider aus wie Preziosen: Mit warmem Licht lassen sie Stoffe wie Edelmetalle leuchten, präzis verlaufende Schatten ziehen die eleganten Schnittlinien nach, ausgesuchte Farben komponieren abstrakte Bilder. Nicht so Ida Gut. Die Zürcherin eröffnete vor 14 Jahren ihr eigenes Geschäft, nun hat sie sich im 300 Quadratmeter grossen Erdgeschoss einer ehemaligen kleinen Fabrik eingerichtet. Es ist Verkaufsraum, Atelier und Lager in einem. Der Grundriss bietet eine konkrete Raumerfahrung: Im Plan flattern flügelförmige Formholz-Wände entlang eines luftigen Dreiecks. Im Zentrum der Verkaufsraum, auf der einen Schenkelseite das Atelier, auf der anderen das Lager und im schmalen Zwischenraum sind die Garderoben untergebracht. Aus der Perspektive der Kundin ist der Raum weniger durchlässig, als er auf dem Plan wirkt: Die wellenförmigen Elemente ziehen einen förmlich in den Raum, verstecken aber auf der Eingangsseite die Kleider. Die Kundin erlebt zuerst den Raum und findet nachher die Produkte. Die Kleider hängen fast beiläufig zwischen den Flügeln, wo auch die Decken- und Punktstrahler untergebracht sind.

hochparterre, Mi., 2008.08.06

06. August 2008 Roderick Hönig



verknüpfte Bauwerke
Sport- und Kultursaal ‹Haulismatt›

Obligatorischer Halt

An einem Dienstagnachmittag ist der Parkplatz leer. «Wir mussten die Parkierung auf Spitzenzeiten auslegen», sagt der Architekt Stefan Kurath. Vier der 9,5 Millionen Franken teuren Autobahnraststätte hat der Parkplatz verschlungen. Der Kostendruck war so gross, dass auch der Parkplatz karg gestaltet ist: Die Steine um die Parkfelder liessen die Architekten aus dem Aushub sammeln und waschen. Als Zweites fällt die schwer beschreibbare Form des Gebäudes auf, die aus schiefen Wänden und unregelmässigem Dach besteht. Der Entwurf sei formal, gibt Kurath zu. Die Form habe sich aber aus der Landschaft, der Raumgliederung und der inneren Organisation ergeben. «Wichtig war uns, dass Wand und Decke sich verweben.» Das Trapez-Profilblech auf dem Dach und an den Wänden soll mit seinen dicken Rändern an Autos erinnern.

Raststätten haben eigene Regeln. Der Grundriss muss ein Rundgang sein. An einem einzigen Ort kommt man rein, gleich daneben geht man wieder raus. Die Kasse steht am Ausgang mit Sicht auf die Tankstelle. Die Architekten haben die strengen Bedingungen eingehalten, aber die Architektur nicht geopfert. Einen Zwang haben sie sich selbst auferlegt: Ein eigenes Dach für die Zapfsäulen kam nicht in Frage. Damit schufen sie das Problem, dass Besucher die Raststätte durch die Tankstelle betreten müssen. Deswegen haben die Architekten den Zugang leicht abgedreht. Das Konzept geht auf: Wer die Raststätte betritt, kommt sich nicht seltsam vor, wenn er kein Benzin nachfüllt; das Tankstellendach ist auch ein Vordach.
Wer den Eingang hinter sich gelassen hat, hält kurz den Atem an. Ein vollständig in Holz verkleideter und unregelmässig geformter Innenraum verbirgt sich hinter der Blechhülle. Was der Besucher nicht sieht, ist die gewaltige Holzkonstruktion, die zusätzlich nur von einzelnen aussteifenden Betonwänden gestützt wird. Die Bar steht im Zentrum, wo der Raum am höchsten ist. Drei Lichtkuppeln belichten ihn und er ist voll von kugelrunden Leuchten. Sonst erhellen nur Neonröhren die offene Halle. Von der Mitte gehts in die ‹Tentakel›, in die zwei Restaurant-Räume, in den Shop und in den ‹Viamala-Markt›.

Der regionale Markt geht zurück auf die Regionalorganisation Heinzenberg, Domleschg und Hinterrhein, die sich heute ‹RegioViamala› nennt. Sie war vor zehn Jahren treibende Kraft hinter der Idee Autobahnraststätte. Die Region will von den täglich 15 000 vorbeibrausenden Autos profitieren und verkauft im Markt Produkte, die man früher in den Dörfern mühsam zusammensuchen musste. Das ‹Fenster zur Region›, wie die Architekten ihr Haus nennen, ist auch wörtlich gemeint. Die Fronten des Restaurants lenken den Blick in die Landschaft. Der Reisende sieht den Beverin und den Bauer auf dem Traktor. Kein Tierzaun stört. Das war möglich, weil die Raststätte nicht direkt von der Autobahn aus erschlossen ist, sondern über einen Kreisel an eine Ausfahrt angebunden wurde. Sie ist übrigens auch zu Fuss und per Velo bequem erreichbar.

hochparterre, Mi., 2008.08.06

06. August 2008 Ivo Bösch



verknüpfte Bauwerke
Viamala Raststätte Thusis

Architekten im Web: auf Service bauen

Wie treten Architekten über das Internet mit Bauherr, Medien und Öffentlichkeit in Kontakt? Zwei aktuelle Diplomarbeiten aus dem Bereich Public Relations widmen sich dem Thema und stellen fest: Schlechte Auftritte im Netz behindern die Kommunikation mit der Zielgruppe.

‹Planlos ins Netz› titelte Hochparterre einen Artikel (HP 1-2/08), der 50 Websites von Architekten bewertete. Das Resultat war alles andere als glänzend. Technische und gestalterische Mängel führten dazu, dass über die Hälfte der getesteten Internetauftritte ungenügend abschnitt. Unsere Expertinnen und Experten orteten die Gründe auch in einer allgemeinen Kommunikationsunlust. Fazit: Man halte diesbezüglich nicht viel von diesem Medium. Was Hochparterre anhand des Tests diagnostizierte, deckt sich mit den Erkenntnissen, welche die Stadtplanerin Mirca Loh in ihrer Masterthese an der Hochschule Bo--chum gemacht hat. Zum Abschluss des Materstudiengangs ‹Architektur Media Management› hat sie einen Website-Ratgeber für Architekten geschrieben. In der Einleitung kommt sie zum Schluss: «Den meisten Büros dient der eigene Internetauftritt zur Selbstdarstellung.» Sie scheinen sich hauptsächlich an die Berufskollegen zu richten.

Falscher Ansatz

Oft fehlen die grundlegenden Informationen, die einen möglichen Auftraggeber interessieren. Stattdessen schrecken überladene Werkverzeichnisse und komplizierte Pläne die Besucher ab. Mirca Loh weist darauf hin, dass die Hauptfragen nicht gestellt werden: Wer ist die Zielgruppe und was will sie wissen? Diese müsse beantworten, wer einen anständigen Auftritt ins Netz stellen wolle.
«Architekten denken, dass ihre Bauten für sie kommunizieren», beschreibt Mirca Loh ein oft gehörtes Argument. Es greife aber zu kurz. Ein gebautes Haus zeige, wie ein Architekt baut. «Der Auftritt aber muss dem Besucher sagen, wie ein Büro arbeitet. Dienstleistung kann ein Gebäude nicht vermitteln. Eine gute Website aber bringt rüber, wie zuverlässig und stressfrei eine mögliche Zusammenarbeit ist», so die Kommunikationsfachfrau.
Ein weiteres Missverständnis, dass Mirca Loh beschreibt: Das Internet ist kein Werkzeug zur Akquisition. Eine Präsenz ersetzt nicht den ersten Schritt und den direkten Kontakt. Aber er gibt dem potenziellen Partner die Möglichkeit, sich über das Büro zu informieren und Fragen zu beantworten, die beim Meeting vergessen gingen. Und umgekehrt gilt mit Sicherheit: Hat ein Bauherr vier mögliche Bewerber zur Auswahl, schaut er sich deren Sites an. Der mit der schlechten Homepage scheidet aus.

Die Website ist ein Kommunikationswerkzeug unter vielen. Was fürs Internet gilt, betrifft aber auch die anderen Mittel der Öffentlichkeitsarbeit: Architekten arbeiten nur ungern damit. Zu dieser Erkenntnis gelangt PR-Beraterin Sigrun Wähner in ihrer Diplomarbeit am Schweizerischen Public Relations Institut (SPRI): «Viele Architekten wissen gar nicht, wie ein PR-Berater helfen kann, weil sie die Möglichkeiten der Kommunikation nicht kennen. Andererseits trauen sie dem Berater nicht zu, in ihrem Feld die richtigen Vorschläge machen zu können.» Wie man kommunizieren soll, wird aber immer wichtiger. Junge Büros treten bewusster in der Öffentlichkeit auf als die ältere Generation. Auch das belegt Sigrun Wähner in ihrer Arbeit.

Charles Ganz, Managing Director bei swiss-architects.com, einer der grössten Internet-Plattformen für Architekten, hält die Öffentlichkeitsarbeit vieler Architekten ebenfalls für nicht ausreichend. Ein Grund dafür sei die Ausbildung: «Marketing und Business kommen darin nicht vor.» Doch brauche es neben dem Willen, Architektur in die breitere Öffentlichkeit zu tragen, eben auch eine Öffentlichkeit, die sich dafür interessiere. «Nach einer Anfangsphase, in der Architekten das Internet einsetzten, ohne sich zu fragen, wie Architektur in diesem Medium funktioniert und was man überhaupt darstellen wollte, wird das Internet mittlerweile präziser verwendet», erklärt Ganz. Der jungen Generation attestiert Ganz sowohl das Flair fürs Netz als auch den Willen zur Kommunikation.

Viele Kunden landen bei ‹swiss-architects.com›, damit ihnen das Problem mit der Präsenz im Netz abgenommen wird. Ganz und sein Team erstellen auf ihrer Plattform ‹swiss-architects.com› ein Profil mit Kontaktdaten und Projekten – nur das Wichtigste. Charles Ganz sieht seinen Service aber nicht als Ersatz für einen eigenen Auftritt. Im Gegenteil: Hat ein Interessent bei swiss-architects das passende Büro gefunden, kann er sich per Klick auf dessen Website weitergehend informieren. «Damit potenzielle Auftraggeber einen finden, ist es entscheidend, an allen strategisch wichtigen Knotenpunkten des Internets aufzutauchen», fasst Charles Ganz das Prinzip zusammen.

hochparterre, Mi., 2008.08.06

06. August 2008 Urs Honegger

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