Editorial

Wir arbeiten mit dem Laptop im Zug, im Hotel, auf der Parkbank oder von zu Hause aus. Teamsitzungen werden per Audio- oder Videokonferenz abgehalten, da die Teilnehmer über die ganze Welt verstreut sind. Das sind Beispiele von Arbeitssituationen, wie sie bereits in vielen Unternehmen und in ganz unterschiedlichen Branchen anzutreffen sind. Liegt hierin aber nun wirklich die Zukunft? Und werden traditionelle Büros und Bürogebäude somit überflüssig? Die Antwort ist eher nein als ja. Denn der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik kann die Vorteile der realen Begegnung und des Austauschs nicht ersetzen. Daraus ergibt sich, dass Arbeitswelten auch weiterhin mit der Gestaltung einer architektonischen Umgebung verbunden sind; dabei allerdings stärker und flächendeckender als bisher auf sich verändernde Arbeitsbedingungen sowie die Bedürfnisse der Menschen reagieren müssen. Das gilt für den Umgang mit bestehenden Arbeitswelten ebenso wie für die Gestaltung neuer. uk

Entflechtung des Büro-Dschungels

Mehr gemeinsame, weniger individuelle Fläche: Beim Umbau eines Bürokomplexes aus den siebziger Jahren in Zürich werden gezielt Begegnungen zwischen den Mitarbeitern gefördert. Der »Marktplatz« ist das neue kommunikative Zentrum des Büros.

An eine Geländestufe am Stadtrand von Zürich geschmiegt liegt der Bürokomplex »Uetlihof« der Schweizer Großbank Credit Suisse (CS). Rund 6000 Menschen haben hier ihren Arbeitsplatz – eine Kleinstadt mit interner »Hauptstrasse« und sechs davon abzweigenden »Quartieren«. Das Zürcher Architekturbüro Stücheli Architekten entwarf die Großstruktur in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, als in der Innenstadt für die Banken der Platz knapp wurde. Nur noch am Stadtrand fanden sich ausreichend dimensionierte Grundstücke für den enormen Flächenbedarf der sich mehr und mehr internationalisierenden Bank. Stüchelis Grundriss mit den sechs um 45 Grad aus der Hauptachse gekippten »Waben« verweist auf eine strukturalistische Herkunft. Durch die Ausdrehung der Büroflächen verlängerten die Architekten die Fassadenabwicklung und bringen auf diese Weise mehr Licht in die tiefen Räume.

Projekt »Arbeitsplatz der Zukunft«

Seit dem Bezug des Uetlihofs 1980 wuchs sowohl der Bau selbst (durch Aufstocken) als auch die Belegung der Flächen (durch laufende Verdichtung mit immer mehr Arbeitsplätzen). Die im architektonischen Sinne hierarchielosen Großraumbüros entwickelten sich zu unübersichtlichen Ozeanen von Schreibtischen, flachen Regalen und Schränken. Unbefriedigend war insbesondere die Situation im Zentrum der Waben, wo einzelne Arbeitsplätze sieben Tischreihen von der Fassade entfernt angeordnet wurden. Außerdem hat sich in den vergangenen 25 Jahren die Büroarbeitswelt spürbar verändert. Die flächendeckende Ausrüstung mit Computern und neue Formen der Zusammenarbeit, die weniger die Arbeit des Einzelnen und vielmehr die Teamarbeit in den Vordergrund rücken, führten bei der Credit Suisse zu einem Umdenken. Auslöser für das breit angelegte Projekt »Arbeitsplatz der Zukunft« war letztlich ein Nachhaltigkeitsbericht aus dem Jahre 2004, der die Mitarbeiter als wichtigstes Kapital des Unternehmens bezeichnet. Dass dies nicht nur eine Floskel ist, zeigt der sich intensivierende Wettbewerb um die besten Köpfe. Im Unterschied zu vergangenen Zeiten liegt es nun an den Unternehmen, begehrten Mitarbeitern ein angenehmes und effizientes Arbeitsumfeld anzubieten. Der »Arbeitsplatz der Zukunft« ist keine spezifische Lösung für eine einzelne Bürofläche, sondern universell an allen Standorten der Credit Suisse einsetzbar. Die Vereinheitlichung des Mobiliars kommt einer Großbank entgegen, in der jedes Jahr über 10 000 Mitarbeiter allein in der Schweiz
umziehen. Obwohl das neue Bürokonzept künftig überall gelten soll, bot sich der Uetlihof als Pilotprojekt an. Hier hatte sich im Laufe der Jahre ein erheblicher Erneuerungsdruck aufgebaut. Um für die Ausgestaltung des neuen Arbeitsumfeldes die besten Partner zu evaluieren, hat die Credit Suisse zusammen mit dem Münchner Beratungsunternehmen congena die Ziele ausgearbeitet und formuliert; 16 Bieter und Bietergemeinschaften aus der Schweiz, Österreich und Deutschland reichten ihre Ideen und Angebote zur Umsetzung der Vision ein, vier davon wurden für den Bau einer »Pilotwabe« mit 100 Arbeitsplätzen ausgewählt. Aus mehreren Bewertungsrunden entschied sich die CS schließlich für die Büromöbelhersteller bene (Österreich) und Lista Office (Schweiz). Gefordert waren bessere, funktionale und ergonomische Arbeitsplätze bei gleichbleibender Dichte. Außerdem wünschte sich die CS eine Übersetzung der Teamstrukturen auf das Bürolayout, das heißt kleinere, übersichtliche Einheiten unter Beibehaltung des Großraumbüros als Grundfigur. Congena entschied sich für die Entflechtung der Flächen in zwei klar definierte Bereiche: Der individuelle Arbeitsplatz steht gemeinsam genutzten Flächen gegenüber. Man könnte im Zusammenhang mit dieser »städtebaulichen« Ausdifferenzierung auch von »privaten« und »öffentlichen« Bereichen sprechen.

Marktplatz: Zentraler Ort der Begegnung

Das Konzept von congena sieht eine Minimierung des Privaten bei Ausbau und Bündelung der gemeinsamen Infrastrukturen vor. Lista Office, zuständig für die Arbeitsplätze, entwickelte ein Modulsystem, das auf einem Schreibtischmaß von nur noch 160 x 80 Zentimetern aufbaut. Zwei oder vier Tische bilden zusammen eine kleine Gruppe, die wiederum zu Einheiten von 20 bis 25 Arbeitsplätzen zusammengefasst werden. Dies entspricht in etwa zwei Teams. Akustikpaneele zwischen den Tischen dämpfen den Direktschall, der beispielsweise bei Telefongesprächen entsteht, blockieren aber nicht den Sichtkontakt zu den Nachbarn. Sogenannte Vier-Ordner-Schränke (entspricht einer Höhe von vier Ordnern) grenzen die Einheiten von den Zirkulationsflächen ab und fassen sie so auch optisch zusammen.

Die Reduktion der individuellen Sphäre ist zwar erheblich, wird aber durch die Bereitstellung der neuen Begegnungsräume auf dem von bene konzipierten »Marktplatz« mehr als kompensiert. Der Markplatz liegt im Zentrum der Wabe, ersetzt dort die ungünstigen und schlecht belichteten Arbeitsplätze und belegt eine Fläche, die ungefähr einer 25er-Arbeitsplatz-Einheit entspricht oder umgerechnet rund 15 Prozent einer Wabe. Auf dem quadratischen Grundriss des Platzes entwickelte bene die Bausteine für das geforderte Angebot an Begegnungs- und Rückzugsorten: eine Lounge, intime Zweier-Sitzungszimmer – die Think Tanks –, Gruppenräume mit der Möglichkeit einer Beamer-Präsentation, einen Brainstorm Circle mit Steh-Sitzungstisch und – im Zentrum des Zentrums – eine Kaffeebar für das spontane, kurze Gespräch. Kräftige Farben, abgerundete Ecken und viel Glas schaffen eine Differenz zu den eher sachlich gehaltenen Arbeitszonen. Die Auswahl und Definition der Besprechungsmöglichkeiten ist das Ergebnis eines langen Optimierungsprozesses, in dem verschiedene Formen und Funktionen ausprobiert wurden. Die jetzt installierte Mischung aus offenen und geschlossenen, kleinen und großen Räumen oder Strukturen entspricht den Bedürfnissen der dort arbeitenden Menschen. Und das Angebot wird offenbar genutzt: Bei einer Besichtigung Ende Februar sind sämtliche Räume auf dem Marktplatz belegt, während in den Arbeitsbereichen eine angenehme Ruhe herrscht. Ganz anders funktioniert der Büroalltag in den noch nicht umgebauten Waben des Uetlihofs. Dort treffen sich die Mitarbeitenden zu ihren informellen Gesprächen auf dem Korridor mitten im Gewühl der Schreibtische. Dauernd müssen sie Leuten ausweichen, die den Korridor als Weg benutzen. Eine konzentrierte Atmosphäre kann so nicht aufkommen.

Tragbares Konzept

Nach dem Umbau von drei Waben ist die Bank vom neuen Konzept überzeugt. Der Aufwand erscheint angemessen, beschränken sich die Maßnahmen doch fast ausschließlich auf die Möblierung und den Einbau der neuen Räume auf dem Marktplatz. Die Gebäudetechnik wird nur punktuell angepasst und in ihrer Grundkonzeption beibehalten. So erweist sich das strukturalistische Open-Office-Layout als erstaunlich wandlungsfähig, trotz oder gerade wegen der großen Gebäudetiefe. Die Trennung von stillem Arbeitsort und lebhafter Begegnungszone könnte eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Großraumbüros sein, das zwar nicht immer beliebt ist, aber dennoch Vorteile bringt, vor allem wenn das Angebot an kommunikativen Einrichtungen stimmt. Ob sich der Arbeitsplatz der Zukunft allerdings auf beliebige Grundrisse übertragen lässt, muss erst noch bewiesen werden. Ein Anfang ist gemacht.

db, Mi., 2008.04.09

09. April 2008 Caspar Schärer



verknüpfte Bauwerke
Verwaltungssitz der Credit Suisse

Stadthaus

Wenn eine internationale Bank ihre Deutschlandniederlassung nicht in die Finanzmetropole legt, sondern sich in die Provinz begibt, dann muss sie ihren Mitarbeitern schon etwas Besonderes bieten – zumindest einen attraktiven Arbeitsplatz und ein angenehmes Arbeitsumfeld. Wie ein solches aussehen und dabei auch noch neuesten Erkenntnissen über optimale Bürostrukturen entsprechen kann, lässt sich am Fuß des Abteibergs erfahren.

Die neue Firmenzentrale der Santander Consumer Bank in Mönchengladbach fällt gleich aus mehreren Gründen auf: Als Repräsentant des Bankhauses setzt sie sich in ihrer Materialität deutlich von den umliegenden, heterogenen Bestandsbauten ab; als Interpret einer städtebaulichen Situation greift sie vorhandene Bauhöhen auf, um den strukturellen Wandel einer Region nicht als Bruch, sondern als Chance darzustellen. Als Gehäuse eines komplexen Verwaltungsapparats steht sie außerdem als Großform in einem ansonsten kleinteiligen städtischen Kontext.

Die Bank wurde in den fünfziger Jahren als Finanzierungsgesellschaft in Mönchengladbach gegründet und gehört inzwischen zur spanischen Grupo Santander. Nach ihrer Fusionierung mit der Kölner AKB Bank im Jahr 2002 benötigte sie mehr Platz für ihre Mitarbeiter, deren bisher über die Stadtgebiete von Mönchengladbach und Köln verstreuten Arbeitsplätze zentralisiert werden sollten. Die Wahl des Standorts einer neuen Zentrale fiel auf ein innerstädtisches Konversionsgebiet im Ort der Firmengründung. Im Wesentlichen wurde die Entscheidung aus wirtschaftlichen Überlegungen getroffen – das Grundstück war schlichtweg günstiger als ein vergleichbares in der Kölner Innenstadt. Für die Stadt Mönchengladbach, in der die Spuren des industriellen Bedeutungsverlusts vielerorts gegenwärtig sind, geht es aber vor allem um einen Impuls zu weiteren Veränderungen. Im Umfeld des Neubaus zeichnen sich bereits erste, wenn auch zaghafte Bemühungen der baulichen Aufwertung des Bestands ab.

Mäander als urbane Form

Den im Jahr 2003 ausgeschriebenen Wettbewerb konnten HPP Hentrich-Petschnigg & Partner Architekten für sich entscheiden. Das Düsseldorfer Büro, das zu den Global Playern der deutschen Architekturlandschaft zählt und besonders im Bereich des Büro- und Verwaltungsbaus auf eine lange Erfahrung zurückgreifen kann, schlug eine mäandrierende, drei- bis viergeschossige Bebauung auf der ehemals von Industriebauten bestandenen Brachfläche vor.
Eine städtebauliche Ordnung kann an dieser Stelle kaum gefunden werden. Das Grundstück ist zweiseitig von Straßen begrenzt, auf die der Baukörper in unterschiedlicher Weise reagiert: Die Schmalseite im Osten folgt der Straßenflucht, was zu einem Knick in der orthogonalen Grundrissstruktur führt, während die Längsseite den Straßenraum im Norden durch Rücksprünge rhythmisiert. Hier zeigt sich das städtebauliche Potenzial des Mäanders im Äußeren. Lediglich einzelne Backsteinbauten zeugen noch von der früheren industriellen Prägung des Orts. Die Materialität der Firmenzentrale bricht mit dieser Reminiszenz. Das in Stahlbetonskelettbauweise errichtete Gebäude tritt seinen Nachbarn mit Glaselementfassaden entgegen. Neben dem vordergründigen Argument, Glas spiegele die Transparenz eines Unternehmens, kann die Motivation zum Materialwechsel als Zeichen des strukturellen Wandels gelesen werden, dem die Stadt und mit ihr die Region begegnen müssen: Die Schwere des Steins verschwindet, die vermeintliche Leichtigkeit von Glas ersetzt ihn. Der Wechsel des Materials repräsentiert so zugleich einen Wechsel der Marktpolitik.

Plätze und Wege

Der Mäander des Gebäudes – den man beim Durchlaufen desselben allerdings nur bedingt wahrnimmt – legt sich um vier glasüberdeckte Atrien. Sie gliedern das Gebäude zum einen in funktional einander zugeordnete Verwaltungsbereiche, zum anderen sollen sie durch ihre Gestaltung die Orientierung im Inneren erleichtern: Jedem Atrium ist eines der Elemente Holz, Luft, Wasser und Stein zugeordnet, das sich beispielsweise in der Möblierung oder, im Fall des Wassers, einem Brunnen widerfindet. Inspiriert sei dieses Konzept von spanischen Landschaften.

Vom westlichen Atrium ist das Restaurant zugänglich,
das Platz für 250 Gäste bietet. Die Mitarbeiter können hier wählen, in welchem Ambiente sie ihre Mittagspause verbringen möchten. Die Interieurs bewegen sich zwischen japanisch-minimalistischem Design und dem noblen Charme eines »fine dining«. Die Bereiche werden im offenen Grundriss durch Raumteiler voneinander getrennt.
Die Anlage des Gebäudes kann als Stadt in der Stadt gelesen werden: Die Atrien sind dann als Plätze verstanden, der Mäander der Büroeinheiten bildet die Platzwand der Bauten, wenngleich diese durch ihre gläserne Erscheinung recht durchlässig ist. Wie in einer Stadt sind die Atrien – die Plätze – wesentliche Bezugspunkte der Zirkulation. In jedem Atrium finden sich Aufzüge, in den Obergeschossen quert die sogenannte »Magistrale« die Atrien als Brücke (siehe hierzu auch Detailbogen S. 99). Von West nach Ost verlaufend durchzieht sie in gerader Linie das Gebäude und ermöglicht so die direkte Erschließung der Kreuzungspunkte, an denen sich die Verwaltungseinheiten treffen. Ein Vorteil: Sie gewährleistet eine schnelle Zielführung, und die Bürozonen bleiben frei von Durchgangsverkehr.

Thermisch sind die Atrien von den Innenräumen getrennt – erstere sind Mittler zwischen Außen- und Innenklima. Eine Fußbodenheizung erwärmt sie im Winter auf minimal 17 °C, Lüftungsklappen sorgen für den notwendigen Luftaustausch. In den Büros findet ein zweifacher Luftwechsel statt, Heizung und Kühlung werden über Konvektorenheizungen respektive akustisch wirksame Abhangdecken mit Quellluft-auslässen sichergestellt. Doppelböden sorgen für die Verteilung der technischen Installationen, durch die allseitige Verglasung fällt ausreichend viel Licht auch in die Kernbereiche der Etagen, das durch Sonnenschutz-lamellen und innen liegende Rollos dosiert werden kann.

Die Farbe der Santander-Corporate Identity durchzieht die Büroräume als roter Mosaikteppich, im Erdgeschoss und im Vorstandsbereich des dritten Obergeschosses setzen einzelne Möbel rote Akzente. Im Übrigen dominieren helle Böden und Decken; ausgewählte Bereiche wie Restaurant oder Besprechungsräume weisen Holz als Bodenbelag oder Wandverkleidung auf. Das Schwarz des Stahls setzt dazu dunkle Kontraste in der Fassade.

Arbeitseffizienz

Die Santander Consumer Bank beschäftigt rund 1150 Mitarbeiter in ihrer 2007 bezogenen Firmenzentrale. Neben der Bereitstellung von Arbeitsräumen soll das Gebäude zugleich die Arbeitsphilosophie des Unternehmens spiegeln, die – so kann man der Broschüre entnehmen, die die Angestellten zum Einzug in das neue Gebäude erhielten – auf Flexibilität beruhe.

Um effiziente Arbeitsabläufe zu entwerfen und die Planung des Gebäudes auf solche Prozesse abzustimmen, arbeitete die Bank mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation zusammen. In seiner Studie »Office 21« untersucht es die Möglichkeiten der Optimierung von Arbeitsabläufen im, so wörtlich, »Büro der Zukunft«. Die Architekten hatten die Aufgabe, den oftmals abstrakten Parametern des Instituts mit konkreten Organisationsschemata zu begegnen und sie nicht zuletzt einem räumlichen Konstrukt einzuschreiben. So übersetzen funktionales Mobiliar und farbliche Gestaltung die Anforderungen an eine angenehme Arbeitsatmosphäre, Diagramme der betrieblichen Organisationsstruktur finden ihre Übertragung in einer wegeeffizienten Grundrissanlage. Bevor dies jedoch umgesetzt wurde, erprobte das Fraunhofer Institut die entworfene »Arbeitswelt« vor Ort an einem fünfzig Quadratmeter großen Ausschnitt eines 1:1-Modells – im wahrsten Sinne praktisch, da die Architekten es während der Bauarbeiten gleich als Büro nutzen konnten.
Die Bank nennt das neu entwickelte Arbeitsmodell, das vor allem auf gesteigerte Teamfähigkeit und Mobilität zielt, bezeichnenderweise »New Work«. Ein wesentliches Leitbild flexibler Arbeit ist das »Clean-Desk-Prinzip«: Den Mitarbeitern ist kein fester Platz zugewiesen. Vielmehr sind sie angehalten, den genutzten Arbeitsplatz am Ende jeden Tages zu räumen und sich täglich – in Abhängigkeit von wechselnden Teamzusammen-setzungen oder Arbeitsschwerpunkten – einen neuen zu suchen. Die Büroflächen in den drei Obergeschossen gliedern sich in über die gesamte Gebäudetiefe von 15,90 Metern angelegte Open-Space-Arbeitsplätze, fassadenseitig angeordnete Einzelbüros für Bereichs- und Abteilungsleiter sowie Projekt- und Meetingräume mit Ausrichtung zu den Atrien. »Think Tanks« bieten bei Bedarf akustisch abgetrennte Räume für konzeptionelles Arbeiten, Besprechungen oder Telefonkonferenzen. An Stehpulten sind sogenannte »Touch-Down-Zonen« eingerichtet, an denen »im Vorbeigehen« der Laptop angeschlossen und informell gearbeitet werden kann. Hier und da finden sich »Chill-Out-Bereiche« mit Sesseln und niedrigen Couchtischen. Inwieweit diese genutzt werden, lässt sich jedoch kaum erkennen – vermutlich verhindert die Offenheit der Büroetagen und damit der Blickbezug zu den Kollegen das Entspannen im geschäftigen Treiben.

Das Unternehmen ist auf Wachstum angelegt. Wachstum wird hier aber nicht zwingend als bauliche Erweiterung verstanden, auch wenn der zum Bürokomplex gehörende Park im Westen des Neubaus den Platz dazu bieten würde. Vielmehr bezieht es sich auf die innere Organisation, denn schon jetzt gibt es »10 Plätze für 11 Mitarbeiter« – nur selten sind alle Angestellten vor Ort, zudem bieten flexible Raumbelegungen Ausweichmöglichkeiten. Die Zahl »10 X« könnte also noch erhöht werden.

Parallelwelt

Die Zentrale der Santander Consumer Bank erfuhr eine konsequente Entwicklung aus dem Inneren, erste Aufgabe war die Bereitstellung von funktionellem und effizientem Arbeitsraum. Hochwertige Materialien und dezente Detaillierung tragen dem Repräsentationsanspruch des Hauses Rechnung.
Die Ausgrenzung der Öffentlichkeit, die ohne Zweifel den Sicherheitsansprüchen der Bank geschuldet ist, lässt das Gebäude jedoch im Äußeren als unzugänglichen Kristall erscheinen. Optisch wendet er sich zwar der Stadt zu, aber sie bleibt doch ausgeschlossen. So wird dem Passanten lediglich der Zugang zu einem kleinen Kassenraum gewährt, der mit seiner automatisierten Geldausgabe jeden persönlichen Kontakt vermissen lässt. Der Eintritt in das Gebäude, die Nutzung des Restaurants oder der Espressobar im Foyer bleiben ihm verwehrt. Die Qualitäten im Inneren setzen sich im Bezug auf die Öffentlichkeit nicht fort – der Beitrag zur Stadt bleibt ein indirekter, entrückt wie ein Kristall hinter Sicherheitsglas.

db, Mi., 2008.04.09

09. April 2008 Rainer Schützeichel



verknüpfte Bauwerke
Santander Consumer Bank

Neubau hinter alter Fassade

Hinter der 100 Jahre alten Fassade des Gyldendal Verlags galt es, ein Konglomerat verschiedener Gebäudeteile zu entflechten und gleichzeitig mehr Mitarbeitern Platz zu bieten. Das Gebäude wurde entkernt, anstelle vieler kleiner Büros entstanden flexibel zu nutzende Großraumbüroetagen.

Architekturfans in Oslo dürften derzeit vermehrt in seltsamen Haltungen am Sehested Platz anzutreffen sein: Den Rücken ans Gebäude des Aschehoug Verlags gelehnt, die Köpfe nach oben gereckt und den Blick auf die andere Straßenseite gerichtet, stehen sie da. Denn nur in dieser Position ist zu erkennen, dass sich der gegenüberliegende Gyldendal Verlag einen neuen Hauptsitz gegönnt hat. Da der Denkmalschutz vorschreibt, dass die Fassaden im historischen Viertel von Oslo im ursprünglichen Zustand belassen werden müssen, dürfen Umbaumaßnahmen von außen nicht sichtbar sein. So sind die zusätzliche Etage und das neue Dach des rund 100 Jahre alten Hauptsitzes des Verlags von außen kaum zu erkennen.
Wie weit die baulichen Veränderungen tatsächlich gehen, wird nach dem Eintreten deutlich. Sobald die schwere Kupfertür des Haupteingangs – eines der Wahrzeichen des Verlags – elektrisch aufschwingt, wird der Blick in den Lichthof frei: Beeindruckend hell und großzügig ist das vollständig entkernte Gebäude mit dem lichtdurchfluteten Atrium. Bis zur vierten Etage erheben sich Galeriegeschosse mit Sichtbeton-Brüstungen – die Materialwahl soll absichtlich in starkem Kontrast zu den Baumethoden und verwendeten Materialien von vor 100 Jahren stehen. Die Decke besteht aus einem Betonraster mit 18 aufgesetzten Betonelementen in Pyramidenform, deren Spitze abgeschnitten und durch Glas ersetzt wurde.

Das Projekt, das dass Büro Sverre Fehn für den Gyldendal Verlag realisiert hat, ist eigentlich kein Umbau eines Bürogebäudes, sondern ein Neubau hinter alter Fassade. »Für uns konnte die Geschichte ein Hemmnis sein oder zu einer identitätsstiftenden Kraft werden«, beschreibt Verlagschef Geir Mork die mit dem Bau verbundene Herausforderung. Der ursprünglich aus Dänemark kommende Verlag – neben dem Aschehoug der bekannteste norwegische Buchverlag – hat seinen Sitz seit der Etablierung in Norwegen im Jahr 1925 zwischen Universitetsgatan und Sehested Platz. Es ist eine der ersten Adressen im Zentrum von Oslo, gegenüber liegt die Nationalgalerie.

Der Umbau ging mit einer Veränderung einher: Wegen eines Zusammenschlusses mit einem anderen Verlag arbeiten in dem Hauptsitz nunmehr knapp 300 Mitarbeiter statt wie zuvor nur 150. »Das bis vor einigen Jahren hinter der Fassade existierende Gebäude bestand ursprünglich aus mehreren Häusern, die Gyldendal nach und nach gekauft hat. Es hatte viele Treppen und Korridore sowie lauter Einzelbüros«, sagt Kristoffer Moe Bøksle, der den Bau als Projektarchitekt für Sverre Fehn betreut hat. Das »neue« Gyldendal Haus wurde Ende 2007 bezogen, Anfang März wurde in Oslo ein weiterer Fehn-Bau eröffnet, das Architekturmuseum in einem umgebauten Bankgebäude. Bøksle hat mittlerweile mit zwei Kollegen von Sverre Fehn ein eigenes Architekturbüro gegründet, das unter dem Namen Kima Arkitekter firmiert. Fehn selber wird dieses Jahr 84, arbeitet aber immer noch in seinem Büro mit. Er ist international wohl am ehesten für den nordischen Pavillon auf dem Biennale-Areal in Venedig bekannt.

Entflechtung des Labyrinths

»Es war ein Labyrinth, und immer wieder erzählte man sich Geschichten von verwirrten Schriftstellern, die sich darin verlaufen haben«, sagt Bøksle über den alten Verlagssitz. Wie anders die Übersichtlichkeit, die der Neubau mit sich bringt. Dank des Lichthofs und der Großraumbüros, die bis an die als Flure dienenden Balkone heranreichen, muss keiner der Angestellten von seinem Arbeitsplatz mehr als ein paar Schritte gehen, um die verschiedenen Einheiten des Verlags zu überblicken: Im Erdgeschoss sind außer dem Eingangsbereich mit Rezeption noch vier Konferenzräume, Sanitäranlagen, die Cafeteria und das Auditorium angesiedelt. Hier sollen künftig Lesungen und andere Veranstaltungen stattfinden, um die Käufer von Gyldendals Publikationen mehr mit dem Haus zu verbinden. Die erste, zweite und dritte Etage sind die Hauptarbeitsbereiche und ähneln einander vom Aufbau her. Dort sind je rund 80 Personen in Großraumbüros untergebracht, daneben etwa zehn Büros für ungestörtes Arbeiten sowie drei große Konferenz- und zwei kleine Kopierräume. Die oberste Etage besteht zu einem großen Teil aus einer Dachterrasse sowie – meist über kleinere Räume verteilt – Arbeitsplätzen für weitere 50 Mitarbeiter. Die Großraumbüros überzeugen vor allem, weil sie nur so vielen Mitarbeitern Platz bieten, dass sie trotzdem überschaubar bleiben. Auf den zur Verfügung stehenden Flächen arbeiten je nach Größe der Abteilung nur drei bis fünfzehn Leute. Die Hektik eines Großraumbüros kommt deshalb gar nicht erst auf. Will man in völliger Ruhe arbeiten oder sich mit einigen Kollegen zu einer Besprechung zusammensetzen, ist der Weg zum nächsten abgetrennten Raum oder Konferenzzimmer nie weit. Die Konferenzräume haben eine gläserne Front. Sollte ein konferierender Kollege dringend gebraucht werden, ist er schnell erreichbar und kann per Handzeichen herausgerufen werden, ohne dass die anderen gestört werden. Nachteil der Großraumlösung ist allerdings, dass – wie meist bei solchen Bürokonstellationen – Licht und Luft nur bedingt individuell reguliert werden können. Zwar können die am Fenster platzierten Kollegen diese öffnen, das aber stört die Ventilation. Die einzige Möglichkeit, andere Lichtverhältnisse zu schaffen als der Nachbar sie hat, geht über die eigene Schreibtischlampe.

Verweis auf die VerlagsGeschichte

Beim Blick von einem der Balkone fällt sofort das im Lichthof stehende »Danskehuset« (das dänische Haus) ins Auge. Es handelt sich um die im Originalmaßstab nachgebaute Front des Verlagshauses Gyldendal in Kopenhagen, wo das Unternehmen seine Wurzeln hat. »Als Verlagschef Mork sich die ersten Male mit Sverre Fehn traf, kamen die beiden auf die Idee, dass das neue Haus ein Stück von Gyldendals Historie enthalten sollte, indem die Fassade im neuen offenen Raum gezeigt wird«, sagt Camilla Frølich, die das Bauprojekt von Verlagsseite her betreut hat. Nun steht die Kopie der alten Eingangspartie im Erdgeschoss. Bereits vor dem Umbau hatte im Osloer Büro eine rund hundert Jahre alte Kopie der Fassade gestanden. Die jetzt errichtete ist allerdings neu und das sieht man ihr auch an. Die Front ist beinahe klinisch rein. Der Nachbau erinnert daher leider ein wenig an jene Wohnhäuser, die versuchen, mit ein paar Säulenelementen an klassische Baustile anzuknüpfen. Die Aufgabe, an die Geschichte des Verlages zu erinnern, erfüllt die Kopie aber. Als Neubau fällt sie zudem in dem neuen Lichthof weniger auf als es die alte Fassade getan hätte. Die Angestellten werden die die Historie des Hauses symbolisierende Kopie deshalb zwar ständig wahrnehmen, sie aber nicht als Fremdkörper empfinden.

Dem Büro Fehn ist ein funktioneller und ansprechender Bau gelungen, der es den Verlagsmitarbeitern dank der durchdachten Büroaufteilung erleichtert, miteinander zu arbeiten ohne einander zu stören. Der im inneren dominierende Sichtbeton steht in einem interessanten Kontrast zu der historischen Fassade. Dennoch: Das Danskehuset im Atrium wirkt etwas fehl am Platze.

db, Mi., 2008.04.09

09. April 2008 Clemens Bomsdorf



verknüpfte Bauwerke
Hauptsitz des Gyldendal Verlags

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