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01. September 2016Clemens Bomsdorf
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Der Eingang als Bühne

Üppiges Gold und karger Beton sind wesentliche Elemente des Rockmuseums in Roskilde. Besucher betreten den faszinierenden Bau zwar über einen bereits kurz nach Fertigstellung verblassten »Roten Teppich« aus Asphalt, werden von der spektakulären Auskragung des Bauvolumens aber überbordend willkommen geheißen. Diese – teils unfreiwillige aber sehr passende – Dramaturgie führt bildhaft vor Augen, welche zwei Seiten das unstete Musikgeschäft hat.

Üppiges Gold und karger Beton sind wesentliche Elemente des Rockmuseums in Roskilde. Besucher betreten den faszinierenden Bau zwar über einen bereits kurz nach Fertigstellung verblassten »Roten Teppich« aus Asphalt, werden von der spektakulären Auskragung des Bauvolumens aber überbordend willkommen geheißen. Diese – teils unfreiwillige aber sehr passende – Dramaturgie führt bildhaft vor Augen, welche zwei Seiten das unstete Musikgeschäft hat.

Sollte der dänische, in Los Angeles lebende, Regisseur Nicolas Winding Refn wieder einmal in seiner Heimat filmen wollen, gäbe es derzeit wohl kaum eine bessere Kulisse als den Ragnarock genannten Museumsneubau in Roskilde.

Es hätte gut gepasst, das Gebäude in der Schlussszene seines aktuellen Films »Neon Demon« plötzlich in einer kargen Landschaft auftauchen zu lassen: Wie ein kopfstehender l-förmiger Baustein des Computerspielklassikers Tetris kragt das Bauvolumen in 11 m Höhe spektakulär 22 m über dem Eingangsbereich aus. Dessen mit glänzend goldenen Pyramiden bestückte Fassade und die knallrote Eingangspartie symbolisieren jenen Glamour und jene Perfektion für die auch die Models sowie einige nicht minder stylishe Gebäude im Film von Refn stehen.

Die Umgebung des glamourösen Neubaus könnte jedoch – mit ihren alten ­Fabrikhallen und Industrieruinen sowie wild wachsendem Unkraut – kaum trostloser und karger sein. Doch genau durch diese Szenerie führt ein Weg aus eingefärbtem Asphalt auf den Museumseingang zu, der für einen jener roten Teppiche stehen soll, wie sie frisch gewaschen vor VIP-Eingänge gelegt werden. Dass er sich bereits eineinhalb Jahre nach Eröffnung des Museums in verblichenem Rosa zeigt, als habe er Jahrzehnte unbeachtet in der Sonne gelegen, hat etwas Tragisches – wie bei einer ehemals gefeierte Rockband, die statt auf angesagten Festivals nun bei Autohauseröffnungen spielt.

Glanz und Verfall

Der vormals rote Asphaltteppich sollte ursprünglich, wie das Gebäude selbst, Glamour versprühen und evoziert nun unfreiwillig genau das Gegenteil. Das passt aber dennoch bestens: Es ist das Zusammenspiel aus Glanz und Verfall, das die Architekturbüros COBE und MVRDV bewusst für den Neubau des Rockmuseums gewählt haben. »Wir wollten, dass erkennbar bleibt, dass hier einmal ein Industriegebiet war und gleichzeitig all das zeigen, was mit der Welt der Musik verbunden wird«, so Thomas Krarup, projektverantwortlicher Architekt bei COBE in Kopenhagen.

Ragnarock steht inmitten einer alten Betonfabrik auf halber Strecke zwischen dem Stadtzentrum von Roskilde und dem Gelände des international bekannten »Roskilde Festival« auf dem jährlich Tausende bei Rock- und Popkonzerten zusammenströmen. Als Gewinner des Wettbewerbs für den Masterplan des vormaligen Industriegeländes – zur Ansiedlung kreativer Unternehmen auf dem Areal unter Erhalt seines historisch gewachsenen Charakters – sowie für die im Zentrum projektierten Neubauten ging 2011 der gemeinsame Beitrag der Büros hervor. Beide stehen bereits seit Jahren in engem Austausch. Krarup hat selbst sieben Jahre in den Niederlanden und dort auch bei MVDRV in Rotterdam gearbeitet.

Offiziell heißt das Haus »Museum für Pop, Rock und Jugendkultur«. So pädagogisch dieser Name bereits klingt, so didaktisch aufbereitet zeigt sich auch die Ausstellung, die den Großteil des 3100 m² großen Gebäudes im 2. und 3. OG einnimmt. Recht konventionell, aber dank der vielen Hör- und Mitmachstationen dennoch anregend, wird hier durch die jüngere Musikgeschichte und die mit der jeweiligen Zeit verbundene Jugendkultur, angepasst oder aufbegehrend, geführt. Auf überdimensionierten Schallplatten liegend können Besucher Musikstücke erraten und ein Bühnenraum bietet Platz für kleinere Konzerte.

Blick zu den Sternen

Das Äußere samt Umgebung vermittelt ästhetisch, was das Leben vieler letztlich ausmacht: das Streben nach Ruhm und gleichzeitig den unaufhaltsamen (Ver-)Fall. Es ist, als hätte Oscar Wilde für diesen Bau und seine Platzierung Pate gestanden – »We are all in the gutter, but some of us are looking into the stars. – Wir liegen alle in der Gosse, aber einige von uns betrachten die Sterne.« [1] COBE und MVRDV haben gewagt, die Tristesse der Umgebung zu erhalten und ihr mit dem auffallenden Bau etwas entgegenzusetzen – ganz so wie Popmusik das Versprechen eines aufregenden Lebens in sich birgt.

Es sind die Außenansicht, v. a. die Fassade und der Eingangsbereich von Ragnarock, die dies versprechen. Die lichtreflektierende Bekleidung aus goldenen Aluminiumpyramiden lässt an jenen »Glitzer« denken, der spätestens seit ­Abba mit dem Eurovision Song Contest, dem Schlager und anderer leichter Musik verbunden wird. »Glanz und Form der Fassadenbekleidung stammen vom Nietengürtel, den manche Musiker und Fans zur ­alten Jeans tragen«, so Krarup. Teile der Fassade bestehen aus durchbrochenen Versionen der Pyramiden – die Verwaltungsetage im 1. OG sowie ein größerer Ausstellungsraum darüber erhalten so natürliches Licht und zugleich wirkt das Gebäude durch die Perforierung etwas leichter.

Tor in eine andere Welt

Die enorme Auskragung des Bauvolumens sorgt für die Beschattung der durchgängig verglasten EG-Fassade am Haupteingang und ermöglicht zudem, dass der Vorplatz viel besser genutzt werden kann. »Wir wollen ein lebendiges Haus und dabei hilft das große Vordach, denn darunter können Konzerte stattfinden, selbst wenn das dänische Wetter nicht mitspielt und es mal wieder regnet«, so Museumsdirektor Jacob Westergaard Madsen.

Als regulärer Zugang zum Museum dient ein Windfang in der roten Pfosten-Riegel-Fassade des EGs. Bei größeren Veranstaltungen kann das Foyer mit Museumsshop und Kasse anhand eines rund 4 m breiten ebenfalls verglasten Hebeelements weit geöffnet werden. Meist allerdings geht es nur durch eine gewöhnlich dimensionierte Tür hinein und schon ist das goldfarbene Äußere beinahe vergessen. Denn im Foyer erstrahlt alles in Rot. Die Wände und Decken des Foyers sind mit den gleichen Pyramiden ausgestattet wie die Fassade, hier jedoch erhielt die Farbbeschichtung eine samtene Textur und so erinnert der Raum an ein Tonstudio. Die Nebenbereiche, wie Garderoben und die Bar leiten dann in zweiter Reihe mit Sichtbeton und schwarz beschichteten Oberflächen bereits in die ebenfalls dunkel gehaltenen Räume des Museums über.

Die Farbigkeit des Gebäudes hat mit Politischer Symbolik nichts zu tun, vielmehr steht auch sie für die beiden Seiten des Musikgeschäfts: Der Glamour (Rot und Gold) der Rockmusik trifft auf deren Ehrlichkeit, die so viele an ihr schätzen (Schwarz und Sichtbeton). »Innen wollten wir eine Black Box haben, die möglichst neutral ist und von den Ausstellungsmachern gut bespielt werden kann«, so Architekt Krarup. Sozusagen die Rock Version des White Cube der Kunstmuseen. So wurde, neben anderen Bauteilen, auch die Stahl­konstruktion des angehobenen Museums, die im Foyer auf vier Quadern u. a. für Erschließung, Leitungsführung und Nebenräume ruht, der Industrie­architektur entlehnt.

Den Architekten lag viel daran, einen großen Teil der alten Fabrik, die teil­weise für temporäre Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt wird, und damit die Erinnerung an die Lokalhistorie zu erhalten, gleichzeitig aber schon aus der Entfernung sichtbar zu machen, dass sich das Industrieareal gewandelt hat und neue Institutionen Einzug gehalten haben. »Unser Masterplan sah vor, drei Bauten – das Rockmuseum, eine Hochschule und die Büros des Roskilde-Festivals – auf den alten Hallen der Fabrik zu platzieren, als seien es drei Bandmitglieder auf einer Bühne«, so Thomas Krarup. Die Gebäude sollten durch ihre Form auffallen, aber nicht zu verspielt sein. Schließlich ist auch Rock-Musik alles andere als filigran. Also wurde für deren Formen die Grundelemente Kreis (Hochschule), Quadrat (Festivalbüro) und Quader (Rockmuseum) gewählt.

Realisiert wurde bisher einzig das Museum, an der Umsetzung der Hochschule arbeiten die Architekten derzeit. Die Umsetzung des Festivalbüros ist bislang aus Kostengründen nicht absehbar.

Es bleibt zu hoffen, dass der reizvolle Kontrast zwischen dem Bestand und dem Museumsneubau mit seiner außergewöhnlichen Eingangssituation ­erhalten bleibt – auch dann noch, wenn die beiden Ergänzungen, die der ­Masterplan noch vorsieht, verwirklicht wurden.

[1] Lady Windermere’s Fan, Oscar Wilde

db, Do., 2016.09.01



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db 2016|09 Tür und Tor

02. März 2011Clemens Bomsdorf
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Elefantenhaus im Zoo von Kopenhagen

10 % der gesamten Kopenhagener Zoofläche soll das neue Elefantengehege angeblich ausmachen – bei der Größe von Elefanten scheint dies durchaus gerecht-fertigt. Die Dickhäuter stehen in dem dänischen Zoo aber nicht nur in der Gunst der Besucher, sondern auch in der des Architekten und somit im Rampenlicht: Ihre Gehege haben dank großzügiger Glaskuppeln weit mehr Tageslicht als der dunkel geratene Publikumsbereich. Die Elefanten können nun nicht nur in Schlamm und Sand, sondern auch in Licht baden.

10 % der gesamten Kopenhagener Zoofläche soll das neue Elefantengehege angeblich ausmachen – bei der Größe von Elefanten scheint dies durchaus gerecht-fertigt. Die Dickhäuter stehen in dem dänischen Zoo aber nicht nur in der Gunst der Besucher, sondern auch in der des Architekten und somit im Rampenlicht: Ihre Gehege haben dank großzügiger Glaskuppeln weit mehr Tageslicht als der dunkel geratene Publikumsbereich. Die Elefanten können nun nicht nur in Schlamm und Sand, sondern auch in Licht baden.

Wäre da nicht dieser leichte, doch recht angenehme warme Geruch nach Mist – man würde erwarten, beim Betreten von Norman Fosters neuem Elefantenhaus Handtücher gereicht und den Weg zur Massageabteilung gezeigt zu bekommen. Denn die Eingangspartie des Gebäudes erinnert an die eines Spa oder Schwimmbads: Der Bau ist flach und der ausladende Vorhof menschenleer. Erreicht wird dieser über eine flache langgezogene Treppe oder eine geschwungene Rollstuhlrampe. Der von oben bis unten verglaste Eingang ist 6 m breit und die gläserne Schiebetür öffnet automatisch. Nicht nur von der Ästhetik her ist die Spa-Bad-Assoziation angebracht, denn »hier sollen sich alle wohlfühlen, die Tiere wie die Menschen«, sagt Zoodirektor Lars Lunding Andersen. Damit hat er auch gleich den Hauptgrund dafür genannt, dass der Kopenhagener Zoo ein neues Elefantenhaus brauchte. Das alte war von 1914 und symbolisierte, wofür Elefanten damals v. a. standen: Stärke und Unnahbarkeit. Es war ein hoher, aber schmaler Bau mit dicken, fast fensterlosen Backsteinmauern – »ein Gefängnis«, so Andersen. Nun gibt es neben Schlammbad und Wasserbecken, mehr Fläche und ausreichend Tageslicht auch einen eingesprühten Wassernebel und eine Fußbodenheizung.

Beim Betreten des in Hufeisenform aufgebauten, in die Erde gegrabenen Neubaus gelangt man zunächst in einen Ausstellungsbereich, der sich mit der Geschichte der Elefanten befasst. Über eine Rampe zieht sich dieser in die untere Ebene. Doch die Wege im Innern sind so angelegt, dass die Besucher immer wieder einen Blick auf die Tiere erhaschen können – gleich zu Beginn durch eine Glasscheibe rechts des Eingangs auf das Innengehege der weiblichen Elefanten, später bietet ein Balkon Sicht auf das Außengehege. Die mächtigen Tiere leben wie in freier Wildbahn getrennt, die Bullen sind Einzelgänger, die Kühe leben im Rudel. Die recht lieblose Ausstellung hinter sich gelassen, führt ein breiter Steg, nur durch zwei Zäune von den Tieren getrennt, am Innengehege der Weibchen vorbei und schließlich nach draußen zum Außengehege.

Acht Elefanten, zwei Kuppeln

Wie andere Bauten von Foster kennzeichnet auch das Kopenhagener Elefantenhaus eine Glaskuppel, in diesem Fall sind es sogar zwei – über jedem Innengehege eine. Die Kuppeln sorgen dafür, dass die Tiere auch im grauen nordischen Herbst und Winter, wenn sie sich fast den ganzen Tag drinnen aufhalten, großzügig Tageslicht bekommen. »Sie fühlen sich merklich wohler, sie sind viel lebhafter als zuvor«, erklärt Tierpfleger Allan Oliver. Zugleich bekommt der flache, eingegrabene Bau, dessen ellipsenförmige Gehege ohne Kuppeln architektonisch kaum wahrzunehmen wären, zwei markante Krönungen.

Die Glaskuppeln waren ausschlaggebend dafür, Fosters Büro zu beauftragen. »Nachdem ich seine Lösung für den Hof des britischen Museums in London gesehen hatte, war mir klar, dass er unser neues Elefantenhaus bauen sollte«, so Andersen. Weil Stiftungen den 37,5 Mio. Euro teuren Bau finanzierten, war kein Architekturwettbewerb nötig, das Büro konnte direkt beauftragt werden.

Dunkel und beengend – hell und befreiend

Trotz der zwei gläsernen Kuppeln – die größere mit einer Spannweite von 45 x 23 m, die kleinere von 30 x 15 m – geht das Publikum in Sachen Tageslichteinfall leer aus, solange es sich im Innern des Hauses aufhält. Die geringe Deckenhöhe von meist nur 2,50 m und die Dominanz dunkler Farben sorgen zusätzlich für ein unbehagliches Gefühl. Unweigerlich zieht es den Betrachter daher in Richtung Elefanten. Doch das Besucherareal wurde ganz bewusst dunkel gehalten: »So lenkt das lichte Elefantenareal noch mehr Aufmerksamkeit auf sich«, erläutert Spencer de Grey, Senior Partner und Chefdesigner bei Foster und Partners, diese Entscheidung. Nach Passieren des Ausstellungsbereichs an das helle und luftige Innengehege oder auf die Besucherwege des Außengeheges zu treten, ist eine Befreiung. Mag sein, dass es vom Architekten so nicht geplant war, aber beides – das dunkle Beengende und das helle Befreiende – zu erleben, lässt die Besucher selbst erahnen, welchen Unterschied es für die Tiere ausgemacht haben dürfte, vom alten ins neue Elefantenhaus umgezogen zu sein.

Terracotta-Optik als Kontrast

Wie der Boden des Vorhofs sind auch die Wände im Haus und im Innen- gehege sowie alle Mauern im Außenbereich in Terracotta-Farbe gehalten, als Baumaterial wurden vor Ort gegossener Beton oder Betonelemente verwendet. »Wir arbeiten gewöhnlich weniger mit Beton als dänische Architekten; die Farbe direkt in diesen einzumischen, war aber auch für Kopenhagen eine ungewöhnliche, wenngleich recht simple Lösung«, so de Grey. Für die Tiere spielt die Farbigkeit natürlich keine Rolle, aber den Sichtbeton grau zu lassen, hätte einfach zu wenig Kontrast zu den Elefanten bedeutet.

Dimension Elefant

Auf diese Idee wäre das Architekturbüro vielleicht noch von alleine gekommen. Doch es gibt viele andere Details, die Foster nicht wissen konnte, weil der Kopenhagener Auftrag sein erstes Elefantenhaus war. Also setzte sich Andersen mit dem hauseigenen Architekten und den Tierpflegern zusammen und schrieb ein detailliertes Handbuch. Darin wird die Prozedur der täglichen Tierpflege erläutert, die klimatischen Bedingungen werden festgeschrieben und kleine wie große Änderungen, die den Neubau vom alten Haus unterscheiden sollen. Andersen und seinem Team war es beispielsweise wichtig, dass der Boden mit einem halben Meter (und stellenweise auch mit erheblich mehr) Sand bedeckt werden konnte, statt platzsparender mit Gummi ausgelegt zu werden. »Das hat neben der Größe vielleicht am meisten Verbesserung für die Tiere gebracht, denn nun können wir ihnen Essen vergraben, das sie dann wieder ausbuddeln können«, so der Zoodirektor. Elefanten sind Vegetarier und verspielte Tiere, die ständig unterhalten werden wollen. So wie kleine Kinder aus der Reichweite von Steckdosen fern gehalten werden, war es auch wichtig, alle empfindlichen Bauteile meterweit von Stellen fern zu halten, an denen eines der Tiere gelangen kann. Denn aufgerichtet und mit dem Rüssel gestreckt können sie 6 m weit greifen. »Glasscheiben, Lampen und dergleichen mussten weit weg platziert werden und jede Wand dem Druck von bis zu 15 t standhalten können«, so de Grey. Zum Glück ist es Beton.

Trotz Tierschutz gab es nur die normalen dänischen Bauvorschriften ein- zuhalten. Nie gegeben hat es für Andersen zudem die Zeiten, wo Zoobauten verspielt sein oder die Architektur der Herkunft der Tiere nachahmen mussten. An indische Paläste erinnernde Fassaden sind in Kopenhagen deshalb nicht zu finden. Allerdings ist die Glaskuppel mit künstlichen Blättern beschichtet, die im Sommer die Strahlung der Sonne etwas abmildern sollen. Konsequenterweise hätte hier wie bei anderen Foster-Kuppeln auch kein Muster aus der Natur genommen werden müssen. Doch die Elefanten stört es nicht.

db, Mi., 2011.03.02



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db 2011|03 Bauen für Tiere

20. Juli 2010Clemens Bomsdorf
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Oslo

Die nordische Metropole galt lange Zeit als verschlafen. Seit viele soziale Ziele des Wohlfahrtsstaats in trockenen Tüchern sind, stehen nun auch Gelder für Stadtentwicklungsprojekte zur Verfügung: Industriell geprägte Hafengebiete werden als Erweiterung der Innenstadt erschlossen; ehedem verrufene Arbeiterstadtteile mausern sich zu In-Quartieren, es weht ein neuer Wind. Doch sind dabei auch Fehlentwicklungen zu beklagen: Dem Wohnungsbau fehlt es an Qualität und der Glanz der prominenten Leuchtturmprojekte wird von städtebaulichen Mängeln in ihrem Umfeld getrübt.

Die nordische Metropole galt lange Zeit als verschlafen. Seit viele soziale Ziele des Wohlfahrtsstaats in trockenen Tüchern sind, stehen nun auch Gelder für Stadtentwicklungsprojekte zur Verfügung: Industriell geprägte Hafengebiete werden als Erweiterung der Innenstadt erschlossen; ehedem verrufene Arbeiterstadtteile mausern sich zu In-Quartieren, es weht ein neuer Wind. Doch sind dabei auch Fehlentwicklungen zu beklagen: Dem Wohnungsbau fehlt es an Qualität und der Glanz der prominenten Leuchtturmprojekte wird von städtebaulichen Mängeln in ihrem Umfeld getrübt.

Am besten nähert man sich der Stadt vom Wasser her, mit der Fähre aus Kiel oder Dänemark. Schon eine gute halbe Stunde, bevor das Boot am Terminal festmacht, ist die bescheidene Skyline von Deck aus zu sehen und wird erkennbar, wie die Natur Oslos Stadtbild prägt. Die Landschaft ist wie ein Kessel geformt, in dessen Grund das Stadtzentrum liegt. Im Osten steigt der Ekeberg empor und im Westen der Holmenkollen mit der berühmten Skisprungschanze – das aktuelle, im März erst eröffnete Modell hat JDS aus Kopenhagen entworfen. Holmenkollen und Ekeberg gehören zu den teuersten Wohngegenden der Stadt. Moderne Architektur ist hier eher selten, ältere Einfamilienhäuser dominieren das Bild. Beide Berge sind – mit viel Wald und guter Aussicht versehen – gleichzeitig Naherholungsgebiete.

Zwei Gebäude stechen hervor: in Pipervika, der westlichen Hafenbucht, das dunkelrote Rathaus und in der östlichen, Bjørvika, die schneeweiße Oper. Mit seiner monumentalen Architektur und der Schwere, die der dunkle Stein ausstrahlt, steht das von Arnstein Arneberg und Magnus Poulsson 1930 entworfene, aber erst 1950 fertig gestellte Rathaus für das alte Oslo. Die aus Carrara-Marmor gebaute Oper des Büros Snøhetta hingegen liegt wie ein steinerner Eisberg am Ufer des Oslofjords und symbolisiert den Aufbruch in neue architektonische Zeiten.

Lange schien es unmöglich, so viel Geld für Architektur auszugeben. Erst, so hieß es, müsse in dem durch Öl und Gas so reich gewordenen Land noch mehr in den Wohlfahrtsstaat investiert werden. Doch letztlich hatte das lang anhaltende Bohren dicker Bretter der Kulturszene Erfolg. Nachdem klar war, dass nicht nur ein überdurchschnittliches Wohlfahrtsniveau gesichert ist, sondern auch die Peripherie Kulturbauten zugesichert bekommen hat, war Oslo bereit für eine neue, für das pietistisch geprägte Land eigentlich viel zu teure Oper, die im April 2008 eröffnet wurde.

Hafenblüte

Architektonisch geschieht in Oslo derzeit am meisten im Hafengebiet, das vom Containerhafen zum Wohn- und Kulturgebiet umgebaut wird. Die Oper ist das augenfälligste Zeichen dieser Umwidmung, die bereits in den 80er Jahren mit der kombinierten Shopping-, Wohn- Büro- und Vergnügungsmeile Aker Brygge beim Rathaus begann. Doch erst jetzt ist der Umbau so umfassend, dass nicht nur punktuell Bauten entstehen, sondern in weiten Teilen des Hafengebiets. »Was wir momentan in Oslo sehen, sind die größten Veränderungen im Stadtbild seit 1840 die Prachtstraße Karl Johan und das Schloss gebaut wurden«, sagt Ulf Grønvold, Architekt und Kurator am norwegischen Nationalmuseum. Auch sein Arbeitsplatz wird in nicht allzu ferner Zukunft umgesiedelt werden.

Zwischen Rathaus und Aker Brygge soll auf dem Vestbanetomten bis 2017 das neue norwegische Nationalmuseum entstehen. Als Sieger des Architekturwettbewerbs wurde im April 2010 Kleihues + Schuwerk mit Büros in Berlin und Neapel gekürt. Obwohl kantig und durchaus monumental wird das neue Nationalmuseum sich im wahrsten Sinne des Wortes im Hintergrund halten und das in einem alten Bahnhofsgebäude davor untergebrachte Nobel Friedenszentrum nicht in den Schatten stellen. In der Verlängerung von Aker Brygge, also nur ein paar hundert Meter entfernt, entsteht derzeit ein weiterer neuer Stadtteil – Tjuvholmen. Zum dortigen Aushängeschild soll der von Renzo Piano entworfene Neubau des privaten Astrup Fearnley Museums für Moderne Kunst werden.

Ob Aker Brygge oder Tjuvholmen – die Mietpreise sind selbst für Osloer Verhältnisse sehr hoch und die Stadtentwicklung dort stärkt zudem den Westen der norwegischen Hauptstadt, jene Gegend, wo traditionell das wohlhabende Bürgertum lebt. Die im Staate regierende sozialdemokratische Arbeiterpartei hingegen möchte traditionell den Osten der Stadt stärken. Deshalb wurde die neue Oper dort, mehr als einen Kilometer Luftlinie entfernt, platziert. In unmittelbarer Nähe soll in den kommenden Jahren auch das neue Munch Museum entstehen. Um den vom spanischen Büro Herreros geplanten Siegerentwurf gibt es aber Streit. Große Teile der Osloer Kulturszene meinen, das hohe Gebäude würde die Oper in den Schatten stellen. Entsprechende Bedenken gibt es gegen die teilweise schon fertig gestellten sogenannten Barcode-Hochhäuser hinter der Oper. Diese würden den Blick auf die Altstadt verbauen. Die Stadtautobahn E18 versperrt zurzeit den Weg vom Wasser in die Stadt. Die baldige Untertunnelung löst das Problem nicht komplett, weil ein Teil des Verkehrs weiterhin oberirdisch fließen wird. Bis 2020 soll zudem der erst 2001 umgebaute Hauptbahnhof nochmals erheblich erweitert werden. Über die konkreten Pläne wird noch diskutiert.

Problemkind Wohnungsbau

Jan Olav Jensen, Partner im Osloer Büro Jensen & Skodvin und Mitglied im Rat für Stadtarchitektur, einem beratenden Organ, hat an der Neuentwicklung des Hafengebiets wenig auszusetzen. Er klagt aber über die Mängel in der generellen Stadtplanung (unzureichender öffentlicher Nahverkehr, Dominanz des Automobils) und vor allem beim Wohnungsbau.

Oslo ist in den vergangenen Jahrzehnten massiv gewachsen und wie in den anderen nordischen Hauptstädten auch herrscht Wohnungsnot. Im historischen Stadtkern sind in den vergangenen drei Jahrzehnten so gut wie keine neuen Wohnbauten entstanden und was außerhalb gebaut wurde, sind eher Schlafstädte. Beispielhaft nennt Jensen die Umnutzung des Geländes des ehemaligen Flughafens Fornebu, westlich des Zentrums auf einer Halbinsel gelegen. In der Mitte der Wohnbauten dort befindet sich ein Park, von dem fingerartig Wege abgehen, die die einzelnen Häuser verbinden. »Es fehlt aber etwas, das urbanes Leben schafft«, so Jensen. Das Problem kennzeichne die meisten aller größeren Wohnbauprojekte im Hauptstadtgebiet. Auch im Inneren sind die Häuser oft nicht optimal. Die Wohnungsnot gibt den Investoren viel Macht. Sie müssen nicht mittels interessanter Gestaltung um Käufer buhlen, sondern können fast jede »Billigware« verkaufen.

Trotz einiger Positivbeispiele wie einem soeben fertiggestellten Zwölf-Parteien-Haus des Architekten Reiulf Ramstad meint Jensen, »das historische Urteil über das Gros der in den vergangenen Jahrzehnten entstandenen Wohnbauten wird nicht gut ausfallen«.

Ramstads auffälliger Bau mit Fassaden aus dunklem Ziegel und schwarz gerahmten Fenstern liegt im Stadtteil Grünerløkka, einem lebendigen Beweis dafür, dass trotz einiger Fehlplanungen in Norwegens Hauptstadt urbanes Leben entstehen kann. Das Arbeiterviertel war ehemals ein heruntergekommener und entsprechend billiger Stadtteil, der viele Studenten und Künstler anzog. Dann kamen die Cafés und mit ihnen die Kreativen, die mehr Geld zur Verfügung hatten und die Preise nach oben trieben. Doch weil jene, die vor zehn Jahren eine Wohnung kauften, immer noch in Grünerløkka leben, ist eine lebendige Mischung erhalten geblieben. Oft wird der Stadtteil, wenngleich um einiges kleiner, mit dem Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg verglichen. Die norwegische Künstlerin Ane Graff, in Oslo und Berlin ansässig, findet den Vergleich nicht ganz abwegig: »Grünerløkka ist wie ein kleines Dorf, hier gibt es eine zentrale Straße (Thorvald Meyers gate), an der alles angesiedelt ist: Vom lokalen Gemüsehändler und Bäcker bis zum Supermarkt.« In einem allerdings unterscheidet sich der Stadtteil von einem Dorf. Es gibt nicht nur eine Dorfkneipe, sondern jede Menge Bars und Cafés. »Außerdem gibt es erstaunlich viele Frisöre. Das sagt wohl etwas über die Sozialstruktur der Bewohner aus«, so Graff. Nur was die Preise angeht, ist Oslo mehr Weltstadt als Berlin: Der Frisörbesuch ist kaum unter 70 Euro zu haben und eine 40 m² große Zweizimmerwohnung in Grünerløkka kostet schon einmal über 1300 Euro.

db, Di., 2010.07.20



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db 2010|07 Norwegen

09. April 2008Clemens Bomsdorf
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Neubau hinter alter Fassade

Hinter der 100 Jahre alten Fassade des Gyldendal Verlags galt es, ein Konglomerat verschiedener Gebäudeteile zu entflechten und gleichzeitig mehr Mitarbeitern Platz zu bieten. Das Gebäude wurde entkernt, anstelle vieler kleiner Büros entstanden flexibel zu nutzende Großraumbüroetagen.

Hinter der 100 Jahre alten Fassade des Gyldendal Verlags galt es, ein Konglomerat verschiedener Gebäudeteile zu entflechten und gleichzeitig mehr Mitarbeitern Platz zu bieten. Das Gebäude wurde entkernt, anstelle vieler kleiner Büros entstanden flexibel zu nutzende Großraumbüroetagen.

Architekturfans in Oslo dürften derzeit vermehrt in seltsamen Haltungen am Sehested Platz anzutreffen sein: Den Rücken ans Gebäude des Aschehoug Verlags gelehnt, die Köpfe nach oben gereckt und den Blick auf die andere Straßenseite gerichtet, stehen sie da. Denn nur in dieser Position ist zu erkennen, dass sich der gegenüberliegende Gyldendal Verlag einen neuen Hauptsitz gegönnt hat. Da der Denkmalschutz vorschreibt, dass die Fassaden im historischen Viertel von Oslo im ursprünglichen Zustand belassen werden müssen, dürfen Umbaumaßnahmen von außen nicht sichtbar sein. So sind die zusätzliche Etage und das neue Dach des rund 100 Jahre alten Hauptsitzes des Verlags von außen kaum zu erkennen.
Wie weit die baulichen Veränderungen tatsächlich gehen, wird nach dem Eintreten deutlich. Sobald die schwere Kupfertür des Haupteingangs – eines der Wahrzeichen des Verlags – elektrisch aufschwingt, wird der Blick in den Lichthof frei: Beeindruckend hell und großzügig ist das vollständig entkernte Gebäude mit dem lichtdurchfluteten Atrium. Bis zur vierten Etage erheben sich Galeriegeschosse mit Sichtbeton-Brüstungen – die Materialwahl soll absichtlich in starkem Kontrast zu den Baumethoden und verwendeten Materialien von vor 100 Jahren stehen. Die Decke besteht aus einem Betonraster mit 18 aufgesetzten Betonelementen in Pyramidenform, deren Spitze abgeschnitten und durch Glas ersetzt wurde.

Das Projekt, das dass Büro Sverre Fehn für den Gyldendal Verlag realisiert hat, ist eigentlich kein Umbau eines Bürogebäudes, sondern ein Neubau hinter alter Fassade. »Für uns konnte die Geschichte ein Hemmnis sein oder zu einer identitätsstiftenden Kraft werden«, beschreibt Verlagschef Geir Mork die mit dem Bau verbundene Herausforderung. Der ursprünglich aus Dänemark kommende Verlag – neben dem Aschehoug der bekannteste norwegische Buchverlag – hat seinen Sitz seit der Etablierung in Norwegen im Jahr 1925 zwischen Universitetsgatan und Sehested Platz. Es ist eine der ersten Adressen im Zentrum von Oslo, gegenüber liegt die Nationalgalerie.

Der Umbau ging mit einer Veränderung einher: Wegen eines Zusammenschlusses mit einem anderen Verlag arbeiten in dem Hauptsitz nunmehr knapp 300 Mitarbeiter statt wie zuvor nur 150. »Das bis vor einigen Jahren hinter der Fassade existierende Gebäude bestand ursprünglich aus mehreren Häusern, die Gyldendal nach und nach gekauft hat. Es hatte viele Treppen und Korridore sowie lauter Einzelbüros«, sagt Kristoffer Moe Bøksle, der den Bau als Projektarchitekt für Sverre Fehn betreut hat. Das »neue« Gyldendal Haus wurde Ende 2007 bezogen, Anfang März wurde in Oslo ein weiterer Fehn-Bau eröffnet, das Architekturmuseum in einem umgebauten Bankgebäude. Bøksle hat mittlerweile mit zwei Kollegen von Sverre Fehn ein eigenes Architekturbüro gegründet, das unter dem Namen Kima Arkitekter firmiert. Fehn selber wird dieses Jahr 84, arbeitet aber immer noch in seinem Büro mit. Er ist international wohl am ehesten für den nordischen Pavillon auf dem Biennale-Areal in Venedig bekannt.

Entflechtung des Labyrinths

»Es war ein Labyrinth, und immer wieder erzählte man sich Geschichten von verwirrten Schriftstellern, die sich darin verlaufen haben«, sagt Bøksle über den alten Verlagssitz. Wie anders die Übersichtlichkeit, die der Neubau mit sich bringt. Dank des Lichthofs und der Großraumbüros, die bis an die als Flure dienenden Balkone heranreichen, muss keiner der Angestellten von seinem Arbeitsplatz mehr als ein paar Schritte gehen, um die verschiedenen Einheiten des Verlags zu überblicken: Im Erdgeschoss sind außer dem Eingangsbereich mit Rezeption noch vier Konferenzräume, Sanitäranlagen, die Cafeteria und das Auditorium angesiedelt. Hier sollen künftig Lesungen und andere Veranstaltungen stattfinden, um die Käufer von Gyldendals Publikationen mehr mit dem Haus zu verbinden. Die erste, zweite und dritte Etage sind die Hauptarbeitsbereiche und ähneln einander vom Aufbau her. Dort sind je rund 80 Personen in Großraumbüros untergebracht, daneben etwa zehn Büros für ungestörtes Arbeiten sowie drei große Konferenz- und zwei kleine Kopierräume. Die oberste Etage besteht zu einem großen Teil aus einer Dachterrasse sowie – meist über kleinere Räume verteilt – Arbeitsplätzen für weitere 50 Mitarbeiter. Die Großraumbüros überzeugen vor allem, weil sie nur so vielen Mitarbeitern Platz bieten, dass sie trotzdem überschaubar bleiben. Auf den zur Verfügung stehenden Flächen arbeiten je nach Größe der Abteilung nur drei bis fünfzehn Leute. Die Hektik eines Großraumbüros kommt deshalb gar nicht erst auf. Will man in völliger Ruhe arbeiten oder sich mit einigen Kollegen zu einer Besprechung zusammensetzen, ist der Weg zum nächsten abgetrennten Raum oder Konferenzzimmer nie weit. Die Konferenzräume haben eine gläserne Front. Sollte ein konferierender Kollege dringend gebraucht werden, ist er schnell erreichbar und kann per Handzeichen herausgerufen werden, ohne dass die anderen gestört werden. Nachteil der Großraumlösung ist allerdings, dass – wie meist bei solchen Bürokonstellationen – Licht und Luft nur bedingt individuell reguliert werden können. Zwar können die am Fenster platzierten Kollegen diese öffnen, das aber stört die Ventilation. Die einzige Möglichkeit, andere Lichtverhältnisse zu schaffen als der Nachbar sie hat, geht über die eigene Schreibtischlampe.

Verweis auf die VerlagsGeschichte

Beim Blick von einem der Balkone fällt sofort das im Lichthof stehende »Danskehuset« (das dänische Haus) ins Auge. Es handelt sich um die im Originalmaßstab nachgebaute Front des Verlagshauses Gyldendal in Kopenhagen, wo das Unternehmen seine Wurzeln hat. »Als Verlagschef Mork sich die ersten Male mit Sverre Fehn traf, kamen die beiden auf die Idee, dass das neue Haus ein Stück von Gyldendals Historie enthalten sollte, indem die Fassade im neuen offenen Raum gezeigt wird«, sagt Camilla Frølich, die das Bauprojekt von Verlagsseite her betreut hat. Nun steht die Kopie der alten Eingangspartie im Erdgeschoss. Bereits vor dem Umbau hatte im Osloer Büro eine rund hundert Jahre alte Kopie der Fassade gestanden. Die jetzt errichtete ist allerdings neu und das sieht man ihr auch an. Die Front ist beinahe klinisch rein. Der Nachbau erinnert daher leider ein wenig an jene Wohnhäuser, die versuchen, mit ein paar Säulenelementen an klassische Baustile anzuknüpfen. Die Aufgabe, an die Geschichte des Verlages zu erinnern, erfüllt die Kopie aber. Als Neubau fällt sie zudem in dem neuen Lichthof weniger auf als es die alte Fassade getan hätte. Die Angestellten werden die die Historie des Hauses symbolisierende Kopie deshalb zwar ständig wahrnehmen, sie aber nicht als Fremdkörper empfinden.

Dem Büro Fehn ist ein funktioneller und ansprechender Bau gelungen, der es den Verlagsmitarbeitern dank der durchdachten Büroaufteilung erleichtert, miteinander zu arbeiten ohne einander zu stören. Der im inneren dominierende Sichtbeton steht in einem interessanten Kontrast zu der historischen Fassade. Dennoch: Das Danskehuset im Atrium wirkt etwas fehl am Platze.

db, Mi., 2008.04.09



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Hauptsitz des Gyldendal Verlags



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db 2008|04 Arbeitswelten

03. Dezember 2007Clemens Bomsdorf
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Kindgerecht gestaltet

An der Ecke Krausesvej/Skanderborggade im bürgerlichen Kopenhagener Stadtteil Østerbro steht ein bemerkenswert simples Gebäude, das fast den Eindruck erweckt nur temporär zu sein. Da Stadt und Architektin einander vertrauten, konnte hier eine aufsehenerregende Kindertagesstätte entstehen.

An der Ecke Krausesvej/Skanderborggade im bürgerlichen Kopenhagener Stadtteil Østerbro steht ein bemerkenswert simples Gebäude, das fast den Eindruck erweckt nur temporär zu sein. Da Stadt und Architektin einander vertrauten, konnte hier eine aufsehenerregende Kindertagesstätte entstehen.

Der eingeschossige Bau mit Flachdach wird zu den Straßenseiten hin fast vollständig durch transluzente Materialien begrenzt, wodurch der Kontrast zu den umstehenden, massiven Mehrfamilienhäusern besonders groß ist. Die Längsseite des Gebäudes wird ungefähr in der Mitte geteilt, während die Front zur einen Seite mit Siebdruck bearbeitetem Glas abschließt, steigt auf der anderen Seite eine Rampe an, die mit matt schimmerndem Polycarbonat unterbaut ist. Diese leicht milchige Haut wird noch ein Stück um die Ecke herumgezogen. Notunterkunft, Lagerhalle, Festzelt? Der matte Kunststoff, mit Siebdrucktechnik kombiniert, erschwert die Sicht nach innen. Nur ein Blick über den Zaun hilft, um herauszubekommen, welche Funktion der Bau hat: Ein runder Sandkasten signalisiert, hier wurde für kleine Kinder gebaut. Das Gebäude in der Skanderborggade ist nicht nur von außen interessant, auch innen gelang es, ansprechende Architektur für die kindlichen Benutzer zu schaffen. Statt schmaler, dunkler Gänge, gehen alle Räume ineinander über und alle von den Kindern genutzten Bereiche sind zumindest an einer Seite voll verglast, so dass auch in dunklen nordeuropäischen Wintern viel natürliches Licht einfällt.

Kommune als Bauherr: Für und Wider

Weil in Dänemark meist beide Elternteile arbeiten und der Staat Kinderbetreuung außer Haus großzügig subventioniert, werden erheblich mehr Kindertagesstätten benötigt und gebaut als etwa in Deutschland. Sie sind meist in kommunaler Hand, private Einrichtungen sind selten. Als die Stadt Kopenhagen im September 2003 entschied, das Architekturbüro Dorte Mandrup mit dem Entwurf zu beauftragen, ging das nur deshalb ohne Wettbewerb, weil damals die Obergrenzen für Auftragsvergaben ohne Ausschreibungen noch höher lagen als heute. Insgesamt betrug das Volumen für den Bau 1,4 Mio. Euro. Zu der Zeit machte Mandrup Architekten noch gut die Hälfte seines Umsatzes mit kommunalen Bauten, heute ist es etwa ein Drittel. »Zwar sind die Aufträge an sich meist nicht sonderlich lukrativ, aber dafür reizvoll, weil es interessant ist, für die Gesellschaft zu bauen, und weil es viel Aufmerksamkeit gibt. Ein gelungener öffentlicher Bau schafft einen größeren Imagegewinn als andere Projekte«, sagt Mandrup, die in Kopenhagen bereits mehrere extravagante kommunale Projekte realisiert hat. Dafür ist es oft komplizierter, die Kommune als Bauherrn zu haben als ein Unternehmen. Mandrup hat mehrfach erlebt, dass Projekte auf Eis gelegt wurden, nachdem Wahlen zu veränderten Mehrheitsverhältnissen geführt hatten, so zum Beispiel bei einer Kirche in Slagelse. Zwar gibt es in Dänemark etliche Kommunen wie Kopenhagen und Kolding, die sich mit interessanter Architektur profilieren wollen, doch oft zählt allein der Preis, nicht auch die Qualität. Mandrup erwartet, dass die von der Regierung verkündete »Architekturpolitik«, die vor allem darin besteht, in unterschiedlichen Ministerien gefasste Beschlüsse zur Architektur zusammenzutragen, und zum Ziel hat, Architektur in Dänemark einen höheren Stellenwert zu geben, dazu führt, dass die qualitätvolle Gestaltung öffentlicher Bauten in immer mehr Kommunen wichtig wird. Kopenhagen hat bereits jetzt einen Stadtarchitekten, der die architektonische Qualität eines Entwurfs begutachtet, bevor die Baugenehmigung erteilt wird.

»Die Zusammenarbeit zwischen Kommune und Architekturbüro hat hervorragend funktioniert«, so die bei der Stadt für das Projekt zuständige Architektin Susanne Slot Hansen und Dorte Mandrup einhellig. Beide loben, wie engagiert der Gegenpart hinter dem Projekt gestanden hat, was nicht immer der Fall ist. »Die Tagesstätte in Østerbro ist ein Positivbeispiel für die Zusammenarbeit. Wir haben gemeinsam auf ein Ziel hingearbeitet, die Kooperation mit den Nachbarn klappte bestens und großes Glück war auch, dass die zukünftige Leiterin der Tagesstätte bereits eingestellt war und den Bau verfolgen konnte«, so Mandrup. Da das Gebäude in der Skanderborggade eine Zweigstelle einer anderen Tagesstätte ist, war ein Jahr vor Eröffnung bereits klar, wer das Haus nach Fertigstellung leiten würde. Dadurch habe die zukünftige Leiterin auf ihr wichtige Details Einfluss nehmen können und beispielsweise die Bodenfarbe geändert. »Das trägt dazu bei, das Risiko, dass die Leitung das Gebäude später ablehnt, zu minimieren«, sagt Mandrup, die genau das bei einer anderen kommunalen Tagesstätte erlebt hat, wo zudem die Kommune ihrer Ansicht nach zu sehr auf die Kritik der Bürger aufgesprungen ist, statt sich mit dem Bau auseinanderzusetzen. Anders in der Skanderborggade, wo die Zusammenarbeit mit den Nachbarn konstruktiv war. Die Kita ist in einen Block integriert, der von Vereinigungen mit Anteilswohnungen, einer dänischen Variante des Genossenschaftsbaus, dominiert wird. Die Bürger können in Dänemark Projekte blockieren oder verändern, selbst wenn sie dazu kein formales Recht haben, manchmal reicht ihr politischer Druck aus. So wurde die Idee, dort wo Mandrups Tagesstätte nun steht, eine mehrstöckige Kita zu errichten, verworfen, weil die Nachbarn befürchtet hatten, dass dann kaum noch Sonne in ihren Hinterhof scheinen würde. Deshalb sollte Mandrups Entwurf nicht über das Erdgeschoss hinausgehen. Um dennoch genauso viel Freifläche wie Innenraum zu bieten, wurden große Teile der Spielfläche kurzerhand aufs Dach verlegt. Jetzt geht es vom Gemeinschaftsraum ins Freie und von dort aus über die Dachschräge in die Freiluftetage. Der ganze Außenraum ist mit rotem Gummigranulat beschichtet, damit die Kinder weich fallen. Die Schräge sowie kleine, runde Unebenheiten entsprechen dem kindlichen Wunsch, nicht nur über eine flache Ebene zu laufen. Der Kommune war es zu teuer, das komplette Dach zur Spielfläche auszubauen, dafür gibt es im Erdgeschoss noch zwei weitere kleinere Außenflächen. Um die Nachbarn zu erfreuen, wurde ihnen gestattet, das Dach, sobald die Tagesstätte um 17 Uhr schließt, ebenfalls zu nutzen.

Der fast perfekte Bau

Das Flachdachgebäude ist ein Skelettbau aus Beton. Ein großer Teil der Außenwände besteht aus Fenstern aus Kiefernholz und teilweise aus Polycarbonat, so dass in den Innenräumen Betonsäulen als tragende Teile zur Unterstützung eingesetzt wurden. Das brachte aber ein Verletzungsrisiko für die Kinder mit sich – die Säulen wurden deshalb im Nachhinein mit weichem Material ummantelt und die Abstände zwischen Säulen und Wänden so verringert, dass sich die Kinder dort nicht hineinzwängen und hängen bleiben können.
Trotzdem haben Kommune und Architektin hier einen äußerst gelungenen Bau geschaffen, den vorhandenen Platz allerdings nur fast optimal genutzt. Der Eingangsbereich mit Garderobe sowie ein Stauraum nehmen viel Platz des Erdgeschosses ein und aus Kostengründen wurde leider darauf verzichtet, das Dach komplett zum Spielen auszubauen. Zudem heizt sich einer der Räume im Sommer so stark auf, dass er zeitweilig nicht genutzt werden kann. Mit Fußboden und Gummigranulat in verschiedenen Farben und den vielen Erhebungen sowie der Dachterrasse mit Aufsicht auf die umgebenden Straße und Wege kommt das Gebäude den kindlichen Bedürfnissen entgegen, ohne die Sinne zu stressen. Das Haus ist – auch im übertragenden Sinne – farbig, aber nicht bunt.

db, Mo., 2007.12.03



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Kindertagesstätte in Kopenhagen



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db 2007|12 Kommunale Bauten

Presseschau 12

01. September 2016Clemens Bomsdorf
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Der Eingang als Bühne

Üppiges Gold und karger Beton sind wesentliche Elemente des Rockmuseums in Roskilde. Besucher betreten den faszinierenden Bau zwar über einen bereits kurz nach Fertigstellung verblassten »Roten Teppich« aus Asphalt, werden von der spektakulären Auskragung des Bauvolumens aber überbordend willkommen geheißen. Diese – teils unfreiwillige aber sehr passende – Dramaturgie führt bildhaft vor Augen, welche zwei Seiten das unstete Musikgeschäft hat.

Üppiges Gold und karger Beton sind wesentliche Elemente des Rockmuseums in Roskilde. Besucher betreten den faszinierenden Bau zwar über einen bereits kurz nach Fertigstellung verblassten »Roten Teppich« aus Asphalt, werden von der spektakulären Auskragung des Bauvolumens aber überbordend willkommen geheißen. Diese – teils unfreiwillige aber sehr passende – Dramaturgie führt bildhaft vor Augen, welche zwei Seiten das unstete Musikgeschäft hat.

Sollte der dänische, in Los Angeles lebende, Regisseur Nicolas Winding Refn wieder einmal in seiner Heimat filmen wollen, gäbe es derzeit wohl kaum eine bessere Kulisse als den Ragnarock genannten Museumsneubau in Roskilde.

Es hätte gut gepasst, das Gebäude in der Schlussszene seines aktuellen Films »Neon Demon« plötzlich in einer kargen Landschaft auftauchen zu lassen: Wie ein kopfstehender l-förmiger Baustein des Computerspielklassikers Tetris kragt das Bauvolumen in 11 m Höhe spektakulär 22 m über dem Eingangsbereich aus. Dessen mit glänzend goldenen Pyramiden bestückte Fassade und die knallrote Eingangspartie symbolisieren jenen Glamour und jene Perfektion für die auch die Models sowie einige nicht minder stylishe Gebäude im Film von Refn stehen.

Die Umgebung des glamourösen Neubaus könnte jedoch – mit ihren alten ­Fabrikhallen und Industrieruinen sowie wild wachsendem Unkraut – kaum trostloser und karger sein. Doch genau durch diese Szenerie führt ein Weg aus eingefärbtem Asphalt auf den Museumseingang zu, der für einen jener roten Teppiche stehen soll, wie sie frisch gewaschen vor VIP-Eingänge gelegt werden. Dass er sich bereits eineinhalb Jahre nach Eröffnung des Museums in verblichenem Rosa zeigt, als habe er Jahrzehnte unbeachtet in der Sonne gelegen, hat etwas Tragisches – wie bei einer ehemals gefeierte Rockband, die statt auf angesagten Festivals nun bei Autohauseröffnungen spielt.

Glanz und Verfall

Der vormals rote Asphaltteppich sollte ursprünglich, wie das Gebäude selbst, Glamour versprühen und evoziert nun unfreiwillig genau das Gegenteil. Das passt aber dennoch bestens: Es ist das Zusammenspiel aus Glanz und Verfall, das die Architekturbüros COBE und MVRDV bewusst für den Neubau des Rockmuseums gewählt haben. »Wir wollten, dass erkennbar bleibt, dass hier einmal ein Industriegebiet war und gleichzeitig all das zeigen, was mit der Welt der Musik verbunden wird«, so Thomas Krarup, projektverantwortlicher Architekt bei COBE in Kopenhagen.

Ragnarock steht inmitten einer alten Betonfabrik auf halber Strecke zwischen dem Stadtzentrum von Roskilde und dem Gelände des international bekannten »Roskilde Festival« auf dem jährlich Tausende bei Rock- und Popkonzerten zusammenströmen. Als Gewinner des Wettbewerbs für den Masterplan des vormaligen Industriegeländes – zur Ansiedlung kreativer Unternehmen auf dem Areal unter Erhalt seines historisch gewachsenen Charakters – sowie für die im Zentrum projektierten Neubauten ging 2011 der gemeinsame Beitrag der Büros hervor. Beide stehen bereits seit Jahren in engem Austausch. Krarup hat selbst sieben Jahre in den Niederlanden und dort auch bei MVDRV in Rotterdam gearbeitet.

Offiziell heißt das Haus »Museum für Pop, Rock und Jugendkultur«. So pädagogisch dieser Name bereits klingt, so didaktisch aufbereitet zeigt sich auch die Ausstellung, die den Großteil des 3100 m² großen Gebäudes im 2. und 3. OG einnimmt. Recht konventionell, aber dank der vielen Hör- und Mitmachstationen dennoch anregend, wird hier durch die jüngere Musikgeschichte und die mit der jeweiligen Zeit verbundene Jugendkultur, angepasst oder aufbegehrend, geführt. Auf überdimensionierten Schallplatten liegend können Besucher Musikstücke erraten und ein Bühnenraum bietet Platz für kleinere Konzerte.

Blick zu den Sternen

Das Äußere samt Umgebung vermittelt ästhetisch, was das Leben vieler letztlich ausmacht: das Streben nach Ruhm und gleichzeitig den unaufhaltsamen (Ver-)Fall. Es ist, als hätte Oscar Wilde für diesen Bau und seine Platzierung Pate gestanden – »We are all in the gutter, but some of us are looking into the stars. – Wir liegen alle in der Gosse, aber einige von uns betrachten die Sterne.« [1] COBE und MVRDV haben gewagt, die Tristesse der Umgebung zu erhalten und ihr mit dem auffallenden Bau etwas entgegenzusetzen – ganz so wie Popmusik das Versprechen eines aufregenden Lebens in sich birgt.

Es sind die Außenansicht, v. a. die Fassade und der Eingangsbereich von Ragnarock, die dies versprechen. Die lichtreflektierende Bekleidung aus goldenen Aluminiumpyramiden lässt an jenen »Glitzer« denken, der spätestens seit ­Abba mit dem Eurovision Song Contest, dem Schlager und anderer leichter Musik verbunden wird. »Glanz und Form der Fassadenbekleidung stammen vom Nietengürtel, den manche Musiker und Fans zur ­alten Jeans tragen«, so Krarup. Teile der Fassade bestehen aus durchbrochenen Versionen der Pyramiden – die Verwaltungsetage im 1. OG sowie ein größerer Ausstellungsraum darüber erhalten so natürliches Licht und zugleich wirkt das Gebäude durch die Perforierung etwas leichter.

Tor in eine andere Welt

Die enorme Auskragung des Bauvolumens sorgt für die Beschattung der durchgängig verglasten EG-Fassade am Haupteingang und ermöglicht zudem, dass der Vorplatz viel besser genutzt werden kann. »Wir wollen ein lebendiges Haus und dabei hilft das große Vordach, denn darunter können Konzerte stattfinden, selbst wenn das dänische Wetter nicht mitspielt und es mal wieder regnet«, so Museumsdirektor Jacob Westergaard Madsen.

Als regulärer Zugang zum Museum dient ein Windfang in der roten Pfosten-Riegel-Fassade des EGs. Bei größeren Veranstaltungen kann das Foyer mit Museumsshop und Kasse anhand eines rund 4 m breiten ebenfalls verglasten Hebeelements weit geöffnet werden. Meist allerdings geht es nur durch eine gewöhnlich dimensionierte Tür hinein und schon ist das goldfarbene Äußere beinahe vergessen. Denn im Foyer erstrahlt alles in Rot. Die Wände und Decken des Foyers sind mit den gleichen Pyramiden ausgestattet wie die Fassade, hier jedoch erhielt die Farbbeschichtung eine samtene Textur und so erinnert der Raum an ein Tonstudio. Die Nebenbereiche, wie Garderoben und die Bar leiten dann in zweiter Reihe mit Sichtbeton und schwarz beschichteten Oberflächen bereits in die ebenfalls dunkel gehaltenen Räume des Museums über.

Die Farbigkeit des Gebäudes hat mit Politischer Symbolik nichts zu tun, vielmehr steht auch sie für die beiden Seiten des Musikgeschäfts: Der Glamour (Rot und Gold) der Rockmusik trifft auf deren Ehrlichkeit, die so viele an ihr schätzen (Schwarz und Sichtbeton). »Innen wollten wir eine Black Box haben, die möglichst neutral ist und von den Ausstellungsmachern gut bespielt werden kann«, so Architekt Krarup. Sozusagen die Rock Version des White Cube der Kunstmuseen. So wurde, neben anderen Bauteilen, auch die Stahl­konstruktion des angehobenen Museums, die im Foyer auf vier Quadern u. a. für Erschließung, Leitungsführung und Nebenräume ruht, der Industrie­architektur entlehnt.

Den Architekten lag viel daran, einen großen Teil der alten Fabrik, die teil­weise für temporäre Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt wird, und damit die Erinnerung an die Lokalhistorie zu erhalten, gleichzeitig aber schon aus der Entfernung sichtbar zu machen, dass sich das Industrieareal gewandelt hat und neue Institutionen Einzug gehalten haben. »Unser Masterplan sah vor, drei Bauten – das Rockmuseum, eine Hochschule und die Büros des Roskilde-Festivals – auf den alten Hallen der Fabrik zu platzieren, als seien es drei Bandmitglieder auf einer Bühne«, so Thomas Krarup. Die Gebäude sollten durch ihre Form auffallen, aber nicht zu verspielt sein. Schließlich ist auch Rock-Musik alles andere als filigran. Also wurde für deren Formen die Grundelemente Kreis (Hochschule), Quadrat (Festivalbüro) und Quader (Rockmuseum) gewählt.

Realisiert wurde bisher einzig das Museum, an der Umsetzung der Hochschule arbeiten die Architekten derzeit. Die Umsetzung des Festivalbüros ist bislang aus Kostengründen nicht absehbar.

Es bleibt zu hoffen, dass der reizvolle Kontrast zwischen dem Bestand und dem Museumsneubau mit seiner außergewöhnlichen Eingangssituation ­erhalten bleibt – auch dann noch, wenn die beiden Ergänzungen, die der ­Masterplan noch vorsieht, verwirklicht wurden.

[1] Lady Windermere’s Fan, Oscar Wilde

db, Do., 2016.09.01



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db 2016|09 Tür und Tor

02. März 2011Clemens Bomsdorf
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Elefantenhaus im Zoo von Kopenhagen

10 % der gesamten Kopenhagener Zoofläche soll das neue Elefantengehege angeblich ausmachen – bei der Größe von Elefanten scheint dies durchaus gerecht-fertigt. Die Dickhäuter stehen in dem dänischen Zoo aber nicht nur in der Gunst der Besucher, sondern auch in der des Architekten und somit im Rampenlicht: Ihre Gehege haben dank großzügiger Glaskuppeln weit mehr Tageslicht als der dunkel geratene Publikumsbereich. Die Elefanten können nun nicht nur in Schlamm und Sand, sondern auch in Licht baden.

10 % der gesamten Kopenhagener Zoofläche soll das neue Elefantengehege angeblich ausmachen – bei der Größe von Elefanten scheint dies durchaus gerecht-fertigt. Die Dickhäuter stehen in dem dänischen Zoo aber nicht nur in der Gunst der Besucher, sondern auch in der des Architekten und somit im Rampenlicht: Ihre Gehege haben dank großzügiger Glaskuppeln weit mehr Tageslicht als der dunkel geratene Publikumsbereich. Die Elefanten können nun nicht nur in Schlamm und Sand, sondern auch in Licht baden.

Wäre da nicht dieser leichte, doch recht angenehme warme Geruch nach Mist – man würde erwarten, beim Betreten von Norman Fosters neuem Elefantenhaus Handtücher gereicht und den Weg zur Massageabteilung gezeigt zu bekommen. Denn die Eingangspartie des Gebäudes erinnert an die eines Spa oder Schwimmbads: Der Bau ist flach und der ausladende Vorhof menschenleer. Erreicht wird dieser über eine flache langgezogene Treppe oder eine geschwungene Rollstuhlrampe. Der von oben bis unten verglaste Eingang ist 6 m breit und die gläserne Schiebetür öffnet automatisch. Nicht nur von der Ästhetik her ist die Spa-Bad-Assoziation angebracht, denn »hier sollen sich alle wohlfühlen, die Tiere wie die Menschen«, sagt Zoodirektor Lars Lunding Andersen. Damit hat er auch gleich den Hauptgrund dafür genannt, dass der Kopenhagener Zoo ein neues Elefantenhaus brauchte. Das alte war von 1914 und symbolisierte, wofür Elefanten damals v. a. standen: Stärke und Unnahbarkeit. Es war ein hoher, aber schmaler Bau mit dicken, fast fensterlosen Backsteinmauern – »ein Gefängnis«, so Andersen. Nun gibt es neben Schlammbad und Wasserbecken, mehr Fläche und ausreichend Tageslicht auch einen eingesprühten Wassernebel und eine Fußbodenheizung.

Beim Betreten des in Hufeisenform aufgebauten, in die Erde gegrabenen Neubaus gelangt man zunächst in einen Ausstellungsbereich, der sich mit der Geschichte der Elefanten befasst. Über eine Rampe zieht sich dieser in die untere Ebene. Doch die Wege im Innern sind so angelegt, dass die Besucher immer wieder einen Blick auf die Tiere erhaschen können – gleich zu Beginn durch eine Glasscheibe rechts des Eingangs auf das Innengehege der weiblichen Elefanten, später bietet ein Balkon Sicht auf das Außengehege. Die mächtigen Tiere leben wie in freier Wildbahn getrennt, die Bullen sind Einzelgänger, die Kühe leben im Rudel. Die recht lieblose Ausstellung hinter sich gelassen, führt ein breiter Steg, nur durch zwei Zäune von den Tieren getrennt, am Innengehege der Weibchen vorbei und schließlich nach draußen zum Außengehege.

Acht Elefanten, zwei Kuppeln

Wie andere Bauten von Foster kennzeichnet auch das Kopenhagener Elefantenhaus eine Glaskuppel, in diesem Fall sind es sogar zwei – über jedem Innengehege eine. Die Kuppeln sorgen dafür, dass die Tiere auch im grauen nordischen Herbst und Winter, wenn sie sich fast den ganzen Tag drinnen aufhalten, großzügig Tageslicht bekommen. »Sie fühlen sich merklich wohler, sie sind viel lebhafter als zuvor«, erklärt Tierpfleger Allan Oliver. Zugleich bekommt der flache, eingegrabene Bau, dessen ellipsenförmige Gehege ohne Kuppeln architektonisch kaum wahrzunehmen wären, zwei markante Krönungen.

Die Glaskuppeln waren ausschlaggebend dafür, Fosters Büro zu beauftragen. »Nachdem ich seine Lösung für den Hof des britischen Museums in London gesehen hatte, war mir klar, dass er unser neues Elefantenhaus bauen sollte«, so Andersen. Weil Stiftungen den 37,5 Mio. Euro teuren Bau finanzierten, war kein Architekturwettbewerb nötig, das Büro konnte direkt beauftragt werden.

Dunkel und beengend – hell und befreiend

Trotz der zwei gläsernen Kuppeln – die größere mit einer Spannweite von 45 x 23 m, die kleinere von 30 x 15 m – geht das Publikum in Sachen Tageslichteinfall leer aus, solange es sich im Innern des Hauses aufhält. Die geringe Deckenhöhe von meist nur 2,50 m und die Dominanz dunkler Farben sorgen zusätzlich für ein unbehagliches Gefühl. Unweigerlich zieht es den Betrachter daher in Richtung Elefanten. Doch das Besucherareal wurde ganz bewusst dunkel gehalten: »So lenkt das lichte Elefantenareal noch mehr Aufmerksamkeit auf sich«, erläutert Spencer de Grey, Senior Partner und Chefdesigner bei Foster und Partners, diese Entscheidung. Nach Passieren des Ausstellungsbereichs an das helle und luftige Innengehege oder auf die Besucherwege des Außengeheges zu treten, ist eine Befreiung. Mag sein, dass es vom Architekten so nicht geplant war, aber beides – das dunkle Beengende und das helle Befreiende – zu erleben, lässt die Besucher selbst erahnen, welchen Unterschied es für die Tiere ausgemacht haben dürfte, vom alten ins neue Elefantenhaus umgezogen zu sein.

Terracotta-Optik als Kontrast

Wie der Boden des Vorhofs sind auch die Wände im Haus und im Innen- gehege sowie alle Mauern im Außenbereich in Terracotta-Farbe gehalten, als Baumaterial wurden vor Ort gegossener Beton oder Betonelemente verwendet. »Wir arbeiten gewöhnlich weniger mit Beton als dänische Architekten; die Farbe direkt in diesen einzumischen, war aber auch für Kopenhagen eine ungewöhnliche, wenngleich recht simple Lösung«, so de Grey. Für die Tiere spielt die Farbigkeit natürlich keine Rolle, aber den Sichtbeton grau zu lassen, hätte einfach zu wenig Kontrast zu den Elefanten bedeutet.

Dimension Elefant

Auf diese Idee wäre das Architekturbüro vielleicht noch von alleine gekommen. Doch es gibt viele andere Details, die Foster nicht wissen konnte, weil der Kopenhagener Auftrag sein erstes Elefantenhaus war. Also setzte sich Andersen mit dem hauseigenen Architekten und den Tierpflegern zusammen und schrieb ein detailliertes Handbuch. Darin wird die Prozedur der täglichen Tierpflege erläutert, die klimatischen Bedingungen werden festgeschrieben und kleine wie große Änderungen, die den Neubau vom alten Haus unterscheiden sollen. Andersen und seinem Team war es beispielsweise wichtig, dass der Boden mit einem halben Meter (und stellenweise auch mit erheblich mehr) Sand bedeckt werden konnte, statt platzsparender mit Gummi ausgelegt zu werden. »Das hat neben der Größe vielleicht am meisten Verbesserung für die Tiere gebracht, denn nun können wir ihnen Essen vergraben, das sie dann wieder ausbuddeln können«, so der Zoodirektor. Elefanten sind Vegetarier und verspielte Tiere, die ständig unterhalten werden wollen. So wie kleine Kinder aus der Reichweite von Steckdosen fern gehalten werden, war es auch wichtig, alle empfindlichen Bauteile meterweit von Stellen fern zu halten, an denen eines der Tiere gelangen kann. Denn aufgerichtet und mit dem Rüssel gestreckt können sie 6 m weit greifen. »Glasscheiben, Lampen und dergleichen mussten weit weg platziert werden und jede Wand dem Druck von bis zu 15 t standhalten können«, so de Grey. Zum Glück ist es Beton.

Trotz Tierschutz gab es nur die normalen dänischen Bauvorschriften ein- zuhalten. Nie gegeben hat es für Andersen zudem die Zeiten, wo Zoobauten verspielt sein oder die Architektur der Herkunft der Tiere nachahmen mussten. An indische Paläste erinnernde Fassaden sind in Kopenhagen deshalb nicht zu finden. Allerdings ist die Glaskuppel mit künstlichen Blättern beschichtet, die im Sommer die Strahlung der Sonne etwas abmildern sollen. Konsequenterweise hätte hier wie bei anderen Foster-Kuppeln auch kein Muster aus der Natur genommen werden müssen. Doch die Elefanten stört es nicht.

db, Mi., 2011.03.02



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db 2011|03 Bauen für Tiere

20. Juli 2010Clemens Bomsdorf
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Oslo

Die nordische Metropole galt lange Zeit als verschlafen. Seit viele soziale Ziele des Wohlfahrtsstaats in trockenen Tüchern sind, stehen nun auch Gelder für Stadtentwicklungsprojekte zur Verfügung: Industriell geprägte Hafengebiete werden als Erweiterung der Innenstadt erschlossen; ehedem verrufene Arbeiterstadtteile mausern sich zu In-Quartieren, es weht ein neuer Wind. Doch sind dabei auch Fehlentwicklungen zu beklagen: Dem Wohnungsbau fehlt es an Qualität und der Glanz der prominenten Leuchtturmprojekte wird von städtebaulichen Mängeln in ihrem Umfeld getrübt.

Die nordische Metropole galt lange Zeit als verschlafen. Seit viele soziale Ziele des Wohlfahrtsstaats in trockenen Tüchern sind, stehen nun auch Gelder für Stadtentwicklungsprojekte zur Verfügung: Industriell geprägte Hafengebiete werden als Erweiterung der Innenstadt erschlossen; ehedem verrufene Arbeiterstadtteile mausern sich zu In-Quartieren, es weht ein neuer Wind. Doch sind dabei auch Fehlentwicklungen zu beklagen: Dem Wohnungsbau fehlt es an Qualität und der Glanz der prominenten Leuchtturmprojekte wird von städtebaulichen Mängeln in ihrem Umfeld getrübt.

Am besten nähert man sich der Stadt vom Wasser her, mit der Fähre aus Kiel oder Dänemark. Schon eine gute halbe Stunde, bevor das Boot am Terminal festmacht, ist die bescheidene Skyline von Deck aus zu sehen und wird erkennbar, wie die Natur Oslos Stadtbild prägt. Die Landschaft ist wie ein Kessel geformt, in dessen Grund das Stadtzentrum liegt. Im Osten steigt der Ekeberg empor und im Westen der Holmenkollen mit der berühmten Skisprungschanze – das aktuelle, im März erst eröffnete Modell hat JDS aus Kopenhagen entworfen. Holmenkollen und Ekeberg gehören zu den teuersten Wohngegenden der Stadt. Moderne Architektur ist hier eher selten, ältere Einfamilienhäuser dominieren das Bild. Beide Berge sind – mit viel Wald und guter Aussicht versehen – gleichzeitig Naherholungsgebiete.

Zwei Gebäude stechen hervor: in Pipervika, der westlichen Hafenbucht, das dunkelrote Rathaus und in der östlichen, Bjørvika, die schneeweiße Oper. Mit seiner monumentalen Architektur und der Schwere, die der dunkle Stein ausstrahlt, steht das von Arnstein Arneberg und Magnus Poulsson 1930 entworfene, aber erst 1950 fertig gestellte Rathaus für das alte Oslo. Die aus Carrara-Marmor gebaute Oper des Büros Snøhetta hingegen liegt wie ein steinerner Eisberg am Ufer des Oslofjords und symbolisiert den Aufbruch in neue architektonische Zeiten.

Lange schien es unmöglich, so viel Geld für Architektur auszugeben. Erst, so hieß es, müsse in dem durch Öl und Gas so reich gewordenen Land noch mehr in den Wohlfahrtsstaat investiert werden. Doch letztlich hatte das lang anhaltende Bohren dicker Bretter der Kulturszene Erfolg. Nachdem klar war, dass nicht nur ein überdurchschnittliches Wohlfahrtsniveau gesichert ist, sondern auch die Peripherie Kulturbauten zugesichert bekommen hat, war Oslo bereit für eine neue, für das pietistisch geprägte Land eigentlich viel zu teure Oper, die im April 2008 eröffnet wurde.

Hafenblüte

Architektonisch geschieht in Oslo derzeit am meisten im Hafengebiet, das vom Containerhafen zum Wohn- und Kulturgebiet umgebaut wird. Die Oper ist das augenfälligste Zeichen dieser Umwidmung, die bereits in den 80er Jahren mit der kombinierten Shopping-, Wohn- Büro- und Vergnügungsmeile Aker Brygge beim Rathaus begann. Doch erst jetzt ist der Umbau so umfassend, dass nicht nur punktuell Bauten entstehen, sondern in weiten Teilen des Hafengebiets. »Was wir momentan in Oslo sehen, sind die größten Veränderungen im Stadtbild seit 1840 die Prachtstraße Karl Johan und das Schloss gebaut wurden«, sagt Ulf Grønvold, Architekt und Kurator am norwegischen Nationalmuseum. Auch sein Arbeitsplatz wird in nicht allzu ferner Zukunft umgesiedelt werden.

Zwischen Rathaus und Aker Brygge soll auf dem Vestbanetomten bis 2017 das neue norwegische Nationalmuseum entstehen. Als Sieger des Architekturwettbewerbs wurde im April 2010 Kleihues + Schuwerk mit Büros in Berlin und Neapel gekürt. Obwohl kantig und durchaus monumental wird das neue Nationalmuseum sich im wahrsten Sinne des Wortes im Hintergrund halten und das in einem alten Bahnhofsgebäude davor untergebrachte Nobel Friedenszentrum nicht in den Schatten stellen. In der Verlängerung von Aker Brygge, also nur ein paar hundert Meter entfernt, entsteht derzeit ein weiterer neuer Stadtteil – Tjuvholmen. Zum dortigen Aushängeschild soll der von Renzo Piano entworfene Neubau des privaten Astrup Fearnley Museums für Moderne Kunst werden.

Ob Aker Brygge oder Tjuvholmen – die Mietpreise sind selbst für Osloer Verhältnisse sehr hoch und die Stadtentwicklung dort stärkt zudem den Westen der norwegischen Hauptstadt, jene Gegend, wo traditionell das wohlhabende Bürgertum lebt. Die im Staate regierende sozialdemokratische Arbeiterpartei hingegen möchte traditionell den Osten der Stadt stärken. Deshalb wurde die neue Oper dort, mehr als einen Kilometer Luftlinie entfernt, platziert. In unmittelbarer Nähe soll in den kommenden Jahren auch das neue Munch Museum entstehen. Um den vom spanischen Büro Herreros geplanten Siegerentwurf gibt es aber Streit. Große Teile der Osloer Kulturszene meinen, das hohe Gebäude würde die Oper in den Schatten stellen. Entsprechende Bedenken gibt es gegen die teilweise schon fertig gestellten sogenannten Barcode-Hochhäuser hinter der Oper. Diese würden den Blick auf die Altstadt verbauen. Die Stadtautobahn E18 versperrt zurzeit den Weg vom Wasser in die Stadt. Die baldige Untertunnelung löst das Problem nicht komplett, weil ein Teil des Verkehrs weiterhin oberirdisch fließen wird. Bis 2020 soll zudem der erst 2001 umgebaute Hauptbahnhof nochmals erheblich erweitert werden. Über die konkreten Pläne wird noch diskutiert.

Problemkind Wohnungsbau

Jan Olav Jensen, Partner im Osloer Büro Jensen & Skodvin und Mitglied im Rat für Stadtarchitektur, einem beratenden Organ, hat an der Neuentwicklung des Hafengebiets wenig auszusetzen. Er klagt aber über die Mängel in der generellen Stadtplanung (unzureichender öffentlicher Nahverkehr, Dominanz des Automobils) und vor allem beim Wohnungsbau.

Oslo ist in den vergangenen Jahrzehnten massiv gewachsen und wie in den anderen nordischen Hauptstädten auch herrscht Wohnungsnot. Im historischen Stadtkern sind in den vergangenen drei Jahrzehnten so gut wie keine neuen Wohnbauten entstanden und was außerhalb gebaut wurde, sind eher Schlafstädte. Beispielhaft nennt Jensen die Umnutzung des Geländes des ehemaligen Flughafens Fornebu, westlich des Zentrums auf einer Halbinsel gelegen. In der Mitte der Wohnbauten dort befindet sich ein Park, von dem fingerartig Wege abgehen, die die einzelnen Häuser verbinden. »Es fehlt aber etwas, das urbanes Leben schafft«, so Jensen. Das Problem kennzeichne die meisten aller größeren Wohnbauprojekte im Hauptstadtgebiet. Auch im Inneren sind die Häuser oft nicht optimal. Die Wohnungsnot gibt den Investoren viel Macht. Sie müssen nicht mittels interessanter Gestaltung um Käufer buhlen, sondern können fast jede »Billigware« verkaufen.

Trotz einiger Positivbeispiele wie einem soeben fertiggestellten Zwölf-Parteien-Haus des Architekten Reiulf Ramstad meint Jensen, »das historische Urteil über das Gros der in den vergangenen Jahrzehnten entstandenen Wohnbauten wird nicht gut ausfallen«.

Ramstads auffälliger Bau mit Fassaden aus dunklem Ziegel und schwarz gerahmten Fenstern liegt im Stadtteil Grünerløkka, einem lebendigen Beweis dafür, dass trotz einiger Fehlplanungen in Norwegens Hauptstadt urbanes Leben entstehen kann. Das Arbeiterviertel war ehemals ein heruntergekommener und entsprechend billiger Stadtteil, der viele Studenten und Künstler anzog. Dann kamen die Cafés und mit ihnen die Kreativen, die mehr Geld zur Verfügung hatten und die Preise nach oben trieben. Doch weil jene, die vor zehn Jahren eine Wohnung kauften, immer noch in Grünerløkka leben, ist eine lebendige Mischung erhalten geblieben. Oft wird der Stadtteil, wenngleich um einiges kleiner, mit dem Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg verglichen. Die norwegische Künstlerin Ane Graff, in Oslo und Berlin ansässig, findet den Vergleich nicht ganz abwegig: »Grünerløkka ist wie ein kleines Dorf, hier gibt es eine zentrale Straße (Thorvald Meyers gate), an der alles angesiedelt ist: Vom lokalen Gemüsehändler und Bäcker bis zum Supermarkt.« In einem allerdings unterscheidet sich der Stadtteil von einem Dorf. Es gibt nicht nur eine Dorfkneipe, sondern jede Menge Bars und Cafés. »Außerdem gibt es erstaunlich viele Frisöre. Das sagt wohl etwas über die Sozialstruktur der Bewohner aus«, so Graff. Nur was die Preise angeht, ist Oslo mehr Weltstadt als Berlin: Der Frisörbesuch ist kaum unter 70 Euro zu haben und eine 40 m² große Zweizimmerwohnung in Grünerløkka kostet schon einmal über 1300 Euro.

db, Di., 2010.07.20



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db 2010|07 Norwegen

09. April 2008Clemens Bomsdorf
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Neubau hinter alter Fassade

Hinter der 100 Jahre alten Fassade des Gyldendal Verlags galt es, ein Konglomerat verschiedener Gebäudeteile zu entflechten und gleichzeitig mehr Mitarbeitern Platz zu bieten. Das Gebäude wurde entkernt, anstelle vieler kleiner Büros entstanden flexibel zu nutzende Großraumbüroetagen.

Hinter der 100 Jahre alten Fassade des Gyldendal Verlags galt es, ein Konglomerat verschiedener Gebäudeteile zu entflechten und gleichzeitig mehr Mitarbeitern Platz zu bieten. Das Gebäude wurde entkernt, anstelle vieler kleiner Büros entstanden flexibel zu nutzende Großraumbüroetagen.

Architekturfans in Oslo dürften derzeit vermehrt in seltsamen Haltungen am Sehested Platz anzutreffen sein: Den Rücken ans Gebäude des Aschehoug Verlags gelehnt, die Köpfe nach oben gereckt und den Blick auf die andere Straßenseite gerichtet, stehen sie da. Denn nur in dieser Position ist zu erkennen, dass sich der gegenüberliegende Gyldendal Verlag einen neuen Hauptsitz gegönnt hat. Da der Denkmalschutz vorschreibt, dass die Fassaden im historischen Viertel von Oslo im ursprünglichen Zustand belassen werden müssen, dürfen Umbaumaßnahmen von außen nicht sichtbar sein. So sind die zusätzliche Etage und das neue Dach des rund 100 Jahre alten Hauptsitzes des Verlags von außen kaum zu erkennen.
Wie weit die baulichen Veränderungen tatsächlich gehen, wird nach dem Eintreten deutlich. Sobald die schwere Kupfertür des Haupteingangs – eines der Wahrzeichen des Verlags – elektrisch aufschwingt, wird der Blick in den Lichthof frei: Beeindruckend hell und großzügig ist das vollständig entkernte Gebäude mit dem lichtdurchfluteten Atrium. Bis zur vierten Etage erheben sich Galeriegeschosse mit Sichtbeton-Brüstungen – die Materialwahl soll absichtlich in starkem Kontrast zu den Baumethoden und verwendeten Materialien von vor 100 Jahren stehen. Die Decke besteht aus einem Betonraster mit 18 aufgesetzten Betonelementen in Pyramidenform, deren Spitze abgeschnitten und durch Glas ersetzt wurde.

Das Projekt, das dass Büro Sverre Fehn für den Gyldendal Verlag realisiert hat, ist eigentlich kein Umbau eines Bürogebäudes, sondern ein Neubau hinter alter Fassade. »Für uns konnte die Geschichte ein Hemmnis sein oder zu einer identitätsstiftenden Kraft werden«, beschreibt Verlagschef Geir Mork die mit dem Bau verbundene Herausforderung. Der ursprünglich aus Dänemark kommende Verlag – neben dem Aschehoug der bekannteste norwegische Buchverlag – hat seinen Sitz seit der Etablierung in Norwegen im Jahr 1925 zwischen Universitetsgatan und Sehested Platz. Es ist eine der ersten Adressen im Zentrum von Oslo, gegenüber liegt die Nationalgalerie.

Der Umbau ging mit einer Veränderung einher: Wegen eines Zusammenschlusses mit einem anderen Verlag arbeiten in dem Hauptsitz nunmehr knapp 300 Mitarbeiter statt wie zuvor nur 150. »Das bis vor einigen Jahren hinter der Fassade existierende Gebäude bestand ursprünglich aus mehreren Häusern, die Gyldendal nach und nach gekauft hat. Es hatte viele Treppen und Korridore sowie lauter Einzelbüros«, sagt Kristoffer Moe Bøksle, der den Bau als Projektarchitekt für Sverre Fehn betreut hat. Das »neue« Gyldendal Haus wurde Ende 2007 bezogen, Anfang März wurde in Oslo ein weiterer Fehn-Bau eröffnet, das Architekturmuseum in einem umgebauten Bankgebäude. Bøksle hat mittlerweile mit zwei Kollegen von Sverre Fehn ein eigenes Architekturbüro gegründet, das unter dem Namen Kima Arkitekter firmiert. Fehn selber wird dieses Jahr 84, arbeitet aber immer noch in seinem Büro mit. Er ist international wohl am ehesten für den nordischen Pavillon auf dem Biennale-Areal in Venedig bekannt.

Entflechtung des Labyrinths

»Es war ein Labyrinth, und immer wieder erzählte man sich Geschichten von verwirrten Schriftstellern, die sich darin verlaufen haben«, sagt Bøksle über den alten Verlagssitz. Wie anders die Übersichtlichkeit, die der Neubau mit sich bringt. Dank des Lichthofs und der Großraumbüros, die bis an die als Flure dienenden Balkone heranreichen, muss keiner der Angestellten von seinem Arbeitsplatz mehr als ein paar Schritte gehen, um die verschiedenen Einheiten des Verlags zu überblicken: Im Erdgeschoss sind außer dem Eingangsbereich mit Rezeption noch vier Konferenzräume, Sanitäranlagen, die Cafeteria und das Auditorium angesiedelt. Hier sollen künftig Lesungen und andere Veranstaltungen stattfinden, um die Käufer von Gyldendals Publikationen mehr mit dem Haus zu verbinden. Die erste, zweite und dritte Etage sind die Hauptarbeitsbereiche und ähneln einander vom Aufbau her. Dort sind je rund 80 Personen in Großraumbüros untergebracht, daneben etwa zehn Büros für ungestörtes Arbeiten sowie drei große Konferenz- und zwei kleine Kopierräume. Die oberste Etage besteht zu einem großen Teil aus einer Dachterrasse sowie – meist über kleinere Räume verteilt – Arbeitsplätzen für weitere 50 Mitarbeiter. Die Großraumbüros überzeugen vor allem, weil sie nur so vielen Mitarbeitern Platz bieten, dass sie trotzdem überschaubar bleiben. Auf den zur Verfügung stehenden Flächen arbeiten je nach Größe der Abteilung nur drei bis fünfzehn Leute. Die Hektik eines Großraumbüros kommt deshalb gar nicht erst auf. Will man in völliger Ruhe arbeiten oder sich mit einigen Kollegen zu einer Besprechung zusammensetzen, ist der Weg zum nächsten abgetrennten Raum oder Konferenzzimmer nie weit. Die Konferenzräume haben eine gläserne Front. Sollte ein konferierender Kollege dringend gebraucht werden, ist er schnell erreichbar und kann per Handzeichen herausgerufen werden, ohne dass die anderen gestört werden. Nachteil der Großraumlösung ist allerdings, dass – wie meist bei solchen Bürokonstellationen – Licht und Luft nur bedingt individuell reguliert werden können. Zwar können die am Fenster platzierten Kollegen diese öffnen, das aber stört die Ventilation. Die einzige Möglichkeit, andere Lichtverhältnisse zu schaffen als der Nachbar sie hat, geht über die eigene Schreibtischlampe.

Verweis auf die VerlagsGeschichte

Beim Blick von einem der Balkone fällt sofort das im Lichthof stehende »Danskehuset« (das dänische Haus) ins Auge. Es handelt sich um die im Originalmaßstab nachgebaute Front des Verlagshauses Gyldendal in Kopenhagen, wo das Unternehmen seine Wurzeln hat. »Als Verlagschef Mork sich die ersten Male mit Sverre Fehn traf, kamen die beiden auf die Idee, dass das neue Haus ein Stück von Gyldendals Historie enthalten sollte, indem die Fassade im neuen offenen Raum gezeigt wird«, sagt Camilla Frølich, die das Bauprojekt von Verlagsseite her betreut hat. Nun steht die Kopie der alten Eingangspartie im Erdgeschoss. Bereits vor dem Umbau hatte im Osloer Büro eine rund hundert Jahre alte Kopie der Fassade gestanden. Die jetzt errichtete ist allerdings neu und das sieht man ihr auch an. Die Front ist beinahe klinisch rein. Der Nachbau erinnert daher leider ein wenig an jene Wohnhäuser, die versuchen, mit ein paar Säulenelementen an klassische Baustile anzuknüpfen. Die Aufgabe, an die Geschichte des Verlages zu erinnern, erfüllt die Kopie aber. Als Neubau fällt sie zudem in dem neuen Lichthof weniger auf als es die alte Fassade getan hätte. Die Angestellten werden die die Historie des Hauses symbolisierende Kopie deshalb zwar ständig wahrnehmen, sie aber nicht als Fremdkörper empfinden.

Dem Büro Fehn ist ein funktioneller und ansprechender Bau gelungen, der es den Verlagsmitarbeitern dank der durchdachten Büroaufteilung erleichtert, miteinander zu arbeiten ohne einander zu stören. Der im inneren dominierende Sichtbeton steht in einem interessanten Kontrast zu der historischen Fassade. Dennoch: Das Danskehuset im Atrium wirkt etwas fehl am Platze.

db, Mi., 2008.04.09



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Hauptsitz des Gyldendal Verlags



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db 2008|04 Arbeitswelten

03. Dezember 2007Clemens Bomsdorf
db

Kindgerecht gestaltet

An der Ecke Krausesvej/Skanderborggade im bürgerlichen Kopenhagener Stadtteil Østerbro steht ein bemerkenswert simples Gebäude, das fast den Eindruck erweckt nur temporär zu sein. Da Stadt und Architektin einander vertrauten, konnte hier eine aufsehenerregende Kindertagesstätte entstehen.

An der Ecke Krausesvej/Skanderborggade im bürgerlichen Kopenhagener Stadtteil Østerbro steht ein bemerkenswert simples Gebäude, das fast den Eindruck erweckt nur temporär zu sein. Da Stadt und Architektin einander vertrauten, konnte hier eine aufsehenerregende Kindertagesstätte entstehen.

Der eingeschossige Bau mit Flachdach wird zu den Straßenseiten hin fast vollständig durch transluzente Materialien begrenzt, wodurch der Kontrast zu den umstehenden, massiven Mehrfamilienhäusern besonders groß ist. Die Längsseite des Gebäudes wird ungefähr in der Mitte geteilt, während die Front zur einen Seite mit Siebdruck bearbeitetem Glas abschließt, steigt auf der anderen Seite eine Rampe an, die mit matt schimmerndem Polycarbonat unterbaut ist. Diese leicht milchige Haut wird noch ein Stück um die Ecke herumgezogen. Notunterkunft, Lagerhalle, Festzelt? Der matte Kunststoff, mit Siebdrucktechnik kombiniert, erschwert die Sicht nach innen. Nur ein Blick über den Zaun hilft, um herauszubekommen, welche Funktion der Bau hat: Ein runder Sandkasten signalisiert, hier wurde für kleine Kinder gebaut. Das Gebäude in der Skanderborggade ist nicht nur von außen interessant, auch innen gelang es, ansprechende Architektur für die kindlichen Benutzer zu schaffen. Statt schmaler, dunkler Gänge, gehen alle Räume ineinander über und alle von den Kindern genutzten Bereiche sind zumindest an einer Seite voll verglast, so dass auch in dunklen nordeuropäischen Wintern viel natürliches Licht einfällt.

Kommune als Bauherr: Für und Wider

Weil in Dänemark meist beide Elternteile arbeiten und der Staat Kinderbetreuung außer Haus großzügig subventioniert, werden erheblich mehr Kindertagesstätten benötigt und gebaut als etwa in Deutschland. Sie sind meist in kommunaler Hand, private Einrichtungen sind selten. Als die Stadt Kopenhagen im September 2003 entschied, das Architekturbüro Dorte Mandrup mit dem Entwurf zu beauftragen, ging das nur deshalb ohne Wettbewerb, weil damals die Obergrenzen für Auftragsvergaben ohne Ausschreibungen noch höher lagen als heute. Insgesamt betrug das Volumen für den Bau 1,4 Mio. Euro. Zu der Zeit machte Mandrup Architekten noch gut die Hälfte seines Umsatzes mit kommunalen Bauten, heute ist es etwa ein Drittel. »Zwar sind die Aufträge an sich meist nicht sonderlich lukrativ, aber dafür reizvoll, weil es interessant ist, für die Gesellschaft zu bauen, und weil es viel Aufmerksamkeit gibt. Ein gelungener öffentlicher Bau schafft einen größeren Imagegewinn als andere Projekte«, sagt Mandrup, die in Kopenhagen bereits mehrere extravagante kommunale Projekte realisiert hat. Dafür ist es oft komplizierter, die Kommune als Bauherrn zu haben als ein Unternehmen. Mandrup hat mehrfach erlebt, dass Projekte auf Eis gelegt wurden, nachdem Wahlen zu veränderten Mehrheitsverhältnissen geführt hatten, so zum Beispiel bei einer Kirche in Slagelse. Zwar gibt es in Dänemark etliche Kommunen wie Kopenhagen und Kolding, die sich mit interessanter Architektur profilieren wollen, doch oft zählt allein der Preis, nicht auch die Qualität. Mandrup erwartet, dass die von der Regierung verkündete »Architekturpolitik«, die vor allem darin besteht, in unterschiedlichen Ministerien gefasste Beschlüsse zur Architektur zusammenzutragen, und zum Ziel hat, Architektur in Dänemark einen höheren Stellenwert zu geben, dazu führt, dass die qualitätvolle Gestaltung öffentlicher Bauten in immer mehr Kommunen wichtig wird. Kopenhagen hat bereits jetzt einen Stadtarchitekten, der die architektonische Qualität eines Entwurfs begutachtet, bevor die Baugenehmigung erteilt wird.

»Die Zusammenarbeit zwischen Kommune und Architekturbüro hat hervorragend funktioniert«, so die bei der Stadt für das Projekt zuständige Architektin Susanne Slot Hansen und Dorte Mandrup einhellig. Beide loben, wie engagiert der Gegenpart hinter dem Projekt gestanden hat, was nicht immer der Fall ist. »Die Tagesstätte in Østerbro ist ein Positivbeispiel für die Zusammenarbeit. Wir haben gemeinsam auf ein Ziel hingearbeitet, die Kooperation mit den Nachbarn klappte bestens und großes Glück war auch, dass die zukünftige Leiterin der Tagesstätte bereits eingestellt war und den Bau verfolgen konnte«, so Mandrup. Da das Gebäude in der Skanderborggade eine Zweigstelle einer anderen Tagesstätte ist, war ein Jahr vor Eröffnung bereits klar, wer das Haus nach Fertigstellung leiten würde. Dadurch habe die zukünftige Leiterin auf ihr wichtige Details Einfluss nehmen können und beispielsweise die Bodenfarbe geändert. »Das trägt dazu bei, das Risiko, dass die Leitung das Gebäude später ablehnt, zu minimieren«, sagt Mandrup, die genau das bei einer anderen kommunalen Tagesstätte erlebt hat, wo zudem die Kommune ihrer Ansicht nach zu sehr auf die Kritik der Bürger aufgesprungen ist, statt sich mit dem Bau auseinanderzusetzen. Anders in der Skanderborggade, wo die Zusammenarbeit mit den Nachbarn konstruktiv war. Die Kita ist in einen Block integriert, der von Vereinigungen mit Anteilswohnungen, einer dänischen Variante des Genossenschaftsbaus, dominiert wird. Die Bürger können in Dänemark Projekte blockieren oder verändern, selbst wenn sie dazu kein formales Recht haben, manchmal reicht ihr politischer Druck aus. So wurde die Idee, dort wo Mandrups Tagesstätte nun steht, eine mehrstöckige Kita zu errichten, verworfen, weil die Nachbarn befürchtet hatten, dass dann kaum noch Sonne in ihren Hinterhof scheinen würde. Deshalb sollte Mandrups Entwurf nicht über das Erdgeschoss hinausgehen. Um dennoch genauso viel Freifläche wie Innenraum zu bieten, wurden große Teile der Spielfläche kurzerhand aufs Dach verlegt. Jetzt geht es vom Gemeinschaftsraum ins Freie und von dort aus über die Dachschräge in die Freiluftetage. Der ganze Außenraum ist mit rotem Gummigranulat beschichtet, damit die Kinder weich fallen. Die Schräge sowie kleine, runde Unebenheiten entsprechen dem kindlichen Wunsch, nicht nur über eine flache Ebene zu laufen. Der Kommune war es zu teuer, das komplette Dach zur Spielfläche auszubauen, dafür gibt es im Erdgeschoss noch zwei weitere kleinere Außenflächen. Um die Nachbarn zu erfreuen, wurde ihnen gestattet, das Dach, sobald die Tagesstätte um 17 Uhr schließt, ebenfalls zu nutzen.

Der fast perfekte Bau

Das Flachdachgebäude ist ein Skelettbau aus Beton. Ein großer Teil der Außenwände besteht aus Fenstern aus Kiefernholz und teilweise aus Polycarbonat, so dass in den Innenräumen Betonsäulen als tragende Teile zur Unterstützung eingesetzt wurden. Das brachte aber ein Verletzungsrisiko für die Kinder mit sich – die Säulen wurden deshalb im Nachhinein mit weichem Material ummantelt und die Abstände zwischen Säulen und Wänden so verringert, dass sich die Kinder dort nicht hineinzwängen und hängen bleiben können.
Trotzdem haben Kommune und Architektin hier einen äußerst gelungenen Bau geschaffen, den vorhandenen Platz allerdings nur fast optimal genutzt. Der Eingangsbereich mit Garderobe sowie ein Stauraum nehmen viel Platz des Erdgeschosses ein und aus Kostengründen wurde leider darauf verzichtet, das Dach komplett zum Spielen auszubauen. Zudem heizt sich einer der Räume im Sommer so stark auf, dass er zeitweilig nicht genutzt werden kann. Mit Fußboden und Gummigranulat in verschiedenen Farben und den vielen Erhebungen sowie der Dachterrasse mit Aufsicht auf die umgebenden Straße und Wege kommt das Gebäude den kindlichen Bedürfnissen entgegen, ohne die Sinne zu stressen. Das Haus ist – auch im übertragenden Sinne – farbig, aber nicht bunt.

db, Mo., 2007.12.03



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