Pläne

Details

Bauherrschaft
Port Authority
Tragwerksplanung
LERA
Ausführung
1966 - 1972

Presseschau

10. Januar 2002Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Erinnerung an die Twin Towers

Zwei Bildbände über das World Trade Center in New York

Zwei Bildbände über das World Trade Center in New York

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

05. Oktober 2001Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die Twin Towers als Mahnmal?

Wiederaufbauideen für Lower Manhattan

Wiederaufbauideen für Lower Manhattan

Die Terrorattacken auf die Zwillingstürme des World Trade Center haben im Weichbild Manhattans eine klaffende Wunde hinterlassen, die nach Vorstellung der New Yorker möglichst schnell vernarben soll. Dabei reichen die Ideen von einem Mahnmal bis hin zu neuen Wolkenkratzern. Die exakte Rekonstruktion der Twin Towers, deren neue Existenz stets an das Attentat erinnern würde, könnte beide Aufgaben erfüllen.

Auch wenn wir über die Medien am Untergang des World Trade Center teilnahmen, bleibt doch der Verlust dieses New Yorker Wahrzeichens für alle, die die Zerstörungen nicht vor Ort erlebten, bis zu einem gewissen Grade virtuell. In unseren Köpfen jedenfalls lebt ein doppeltes Bild von Manhattans Skyline weiter: eines mit und eines ohne Zwillingstürme; und letzteres möchten wir so schnell wie möglich wieder loswerden. Deshalb empfanden viele es wie eine Befreiung, als New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani kurz nach der Katastrophe die «Reconstruction» des WTC ankündigte. Ihm pflichtete der Immobilienmakler Larry Silverstein bei, der erst im vergangenen April das WTC zum Preis von 3,2 Milliarden Dollar für 99 Jahre von der Port Authority erworben hatte. Von einer Rekonstruktion der zeichenhaften Twin Towers war bei Silverstein allerdings nicht mehr die Rede, sondern von mehreren kleineren Türmen und einem Mahnmal.


Vorschläge aus New York

Nachdem am 17. September die Wiederaufbaukommission unter Vorsitzt von Giuliani ins Leben gerufen worden ist, denkt man auch in New Yorks Künstler- und Intellektuellenkreisen, vor allem aber in der Architektenszene laut über die Zukunft des Schreckensortes nach. Die Ideen reichen dabei vom intimen Mahnmal bis zum monumentalen neuen Sitz des um eine kulturelle Institution wie das Guggenheim Museum erweiterten New York Stock Exchange. Solch kommerzielle Bauten möchte der Soziologe Richard Sennett allerdings einer Gedenkstätte untergeordnet sehen. Diese kann sich der Kunsthistoriker Robert Rosenblum als leeres Phantomgebäude in der Form der Twin Towers vorstellen. Bescheidener geben sich die Künstler: Altmeisterin Louise Bourgeois legte in der «New York Times» einen Entwurf für ein sternförmiges Mahnmal vor; und in Umfragen derselben Zeitung äusserten sich etwa Barbara Kruger und John Baldessari zugunsten eines meditativen Parks, während Joel Shapiro das Areal leer lassen möchte. Wie James Turrell ist er gegen ein Denkmal, das ohnehin mit der Zeit seine Bedeutung verlieren werde.

Anders als Shapiro stellt sich Turrell jedoch drei Neubauten vor, die höher sein sollten als die zerstörten. Damit spricht er jenen Architekten aus dem Herzen, die schon davon träumen, sich am Unglücksort zu verewigen. Eine Ausnahme bildet das hierzulande durch das Projekt der Arteplage in Yverdon bekannt gewordene New Yorker Starteam Elizabeth Diller und Ricardo Scofidio, das sich gegen eine Wiederherstellung der «verlorenen Skyline» wendet. Dem widerspricht David Childs vom Büro SOM, der Lower Manhattan «absolut atemberaubend» machen möchte mit mehreren nur noch halb so hohen Türmen, einer Skulptur, die an die Tragödie erinnert, einem der Kontemplation dienenden Grünraum sowie einem Kulturzentrum.

Spektakuläres schwebt auch Hyman Brown, einem der Ingenieure des WTC, vor, der eine identische Rekonstruktion der Türme fordert, wobei er deren einstige Höhe von 417 und 415 Metern um dreissig Etagen oder rund 120 Meter aufstocken möchte. Auch Bernard Tschumi, der aus Lausanne stammende Leiter der Architekturabteilung der New Yorker Columbia University, votiert für ein noch höheres, geschäftlichen und kulturellen Aktivitäten dienendes Bauwerk von zukunftsgerichteter Erscheinung mit integriertem Ort der Trauer. Sein Kollege Robert Stern von der Architekturschule in Yale möchte die Türme als Symbol dafür rekonstruiert sehen, dass Amerika nicht besiegt werden kann, während Philip Johnson den Terroristen zeigen will, dass alles, was sie zerstören, wiedererrichtet wird. Peter Eisenman hingegen sieht «die Kultur und die Werte des Westens angegriffen». Deshalb sollten wir nicht davon zurückschrecken, erneut so hoch zu bauen wie die zerstörten Türme. Ähnlich versteht Cesar Pelli, der Entwerfer der rekordhohen Petronas Towers in Kuala Lumpur, die Errichtung von zwei Türmen derselben Dimension als Demonstration «unserer Stärke». Renzo Piano, der demnächst als erste «Icon» nach dem WTC-Attentat das 260 Meter hohe «New York Times»-Building an der Ecke 8. Avenue und 41. Strasse errichten soll, möchte die technisch überholten Türme durch etwas Neuartiges ersetzen. Auch Richard Meier kann sich mit einer mimetischen Rekonstruktion nicht anfreunden, weil «die Türme 1966 entworfen wurden und wir nun im Jahre 2001 leben». Ihm schwebt ein Ensemble vor, «das ein ebenso mächtiges New Yorker Symbol abgeben wird, wie es die World Trade Towers waren».


Fehlende architektonische Qualität

In Architektenkreisen dominiert ganz offensichtlich die Vorstellung, die Terrence Riley vom MoMA auf den Punkt bringt: «We should build an even greater and more innovative skyscraper.» Dies ist bei Designern wie Richard Meier verständlich, der 1987 das Scheitern seines (nicht wirklich gelungenen) Doppelturmprojekts für den Madison Square erleben musste. Dennoch darf die Ruinenstätte des WTC nicht zum Ort architektonischer Eitelkeiten werden - allem voran aus Respekt vor den Opfern, aber auch aus Gründen der Vernunft. Denn ein Blick auf das von Investoren und Developern geprägte, völlig kommerzialisierte Bauwesen in den USA zeigt, dass dieses Land gegenwärtig kaum in der Lage ist, einen wirklich zukunftsweisenden Neubau an die Stelle der Twin Towers zu setzen. So ist in den vergangenen Jahren in Manhattan mit Ausnahme von einigen «Miniaturen» (den beiden rund 20-geschossigen Lückenfüllern des LVMH-Hauses von Portzamparc und des Österreichischen Kulturinstituts von Raimund Abraham, dem der Vollendung entgegengehenden Museum of American Folk Art von Williams und Tsien sowie dem gescheiterten Hotelprojekt von Herzog & de Meuron und Rem Koolhaas) kein einziger Bau von internationaler Ausstrahlung entstanden.

Selbst bei einem internationalen Wettbewerb wären daher auf Grund der gegenwärtigen Baubedingungen die Chancen äusserst klein, dass die Leerstelle des WTC durch einen überzeugenderen Bau ersetzt werden könnte als durch Minoru Yamasakis Meisterwerk, in dessen Zwillingstürmen sich Hochhausgotik und Minimal Art sinnfällig vereinen (NZZ 12. und 17. 9. 01). Wenn nun baulustige Architekten die Statik der Twin Towers als veraltet bezeichnen und schon Möglichkeiten für ihre eigenen Visionen wittern, dann dürfen die Ergebnisse neuster Untersuchungen nicht unerwähnt bleiben. Diese zeigen, dass die in Form einer quadratischen «Röhre» errichtete tragende Fassade nicht nur den Einsturz verzögert, sondern die stürzenden Decken senkrecht nach unten geleitet und so das noch viel schrecklichere Szenario eines unkontrolliertes Umkippens der Türme über Lower Manhattan vermieden hat.

Für eine exakte Rekonstruktion der zum Synonym für New York gewordenen Twin Towers spricht neben ihrer Formvollendung auch die Zeit. Denn um ein vergleichbares Meisterwerk zu schaffen, müsste zunächst die neue Nutzung des Orts der Katastrophe diskutiert, dann ein Wettbewerb ausgeschrieben und dieser schliesslich verwirklicht werden. Doch selbst dieses Prozedere wäre ungewiss, denn letztlich haben die Investoren das Sagen. Diese aber tendieren erfahrungsgemäss hin auf rein kommerziell bestimmte, architektonisch alles andere als zukunftsweisende Bauten - vergleichbar den Banalitäten rund um den Times Square und den unweit des Lincoln Center entstehenden Doppeltürmen des neuen «One Central Park»-Komplexes, die für einen Neubau des WTC kaum Gutes verheissen.

Doch zunächst muss aufgeräumt werden; und das ist nicht ungefährlich: George Tamaro, der als Ingenieur für den Bau des Rückhaltebeckens, das die Fundamente des WTC vor dem Druck des Hudson River schützte, verantwortlich war, befürchtet nämlich, dass gegenwärtig nur die Trümmermassen die vermutlich schwer beschädigte Wanne stabilisieren. Eine schnelle Entfernung des Schuttes ohne vorangehende Sicherung der rund einen Kilometer langen Stützmauer könnte dazu führen, dass der Hudson sich durch den aufgeschütteten Untergrund einen Weg ins Herz von Lower Manhattan bahnen würde - mit unvorhersehbaren Schäden für das ohnehin schon arg in Mitleidenschaft gezogene Stadtviertel. Untersuchungen am WTC und an den Nachbarbauten - der schwer erschütterten One Liberty Plaza und mindestens zehn weiteren beschädigten Wolkenkratzern - können dem Hochhausbau aber auch neue Impulse betreffend strukturelle Sicherheit, Fluchtweggestaltung und Hitzeresistenz geben und so die den Terroristen so verhassten «Türme der westlichen Zivilisation» sicherer werden lassen. Zurzeit ist nämlich kein Konstruktionsprinzip bekannt, das deutlich günstiger reagiert hätte als jenes der Twin Towers. Jon Magnusson von der Ingenieurfirma Skilling hielt denn auch in der «New York Times» fest, dass 99 Prozent aller Hochhäuser unverzüglich nach einem Crash mit einer Boeing 757 eingestürzt wären, «but the perimeter structural tube allowed the building to stand, giving people more time to escape».


Mahnmal und Vorbild

Aber nicht nur die Vernunft spricht für einen Wiederaufbau der Twin Towers. Auch die Pietät verlangt ihn: Will man am Ort der Katastrophe einen Neubau erstellen, der Mahnmal, Symbol und Bürohaus zugleich ist, so kommt nur eine nach neusten technischen Erkenntnissen ausgeführte mimetische Rekonstruktion in Frage. Denn nur die wiedererrichteten Zwillingstürme werden alle Erinnerungsfunktionen erfüllen können und gleichzeitig in der Lage sein, den Terroristen zu zeigen, dass die freie Gesellschaft sich nicht in die Knie zwingen lässt. Dass eine Rekonstruktion nicht heillos veraltet wäre, beweist die in den letzten Jahren rapid gewachsene Popularität des WTC bei Studenten und jungen Architekten. Dieses Ensemble nahm nämlich in einem gewissen Sinn schon jene Stadt des 21. Jahrhunderts vorweg, die nun von selbsternannten Architekturgurus gepredigt wird. Auch deren Hochhäuser des 21. Jahrhunderts sind - das veranschaulichen die gegenwärtigen Erkenntnisse klar - von ihrer baulichen Struktur her noch ganz den herkömmlichen Prinzipien verpflichtet. Einzig im Erscheinungsbild würden sie sich von den Twin Towers unterscheiden. Das aber hiesse nichts anderes, als dass man die noble Erscheinung der Zwillingstürme mit ihrem meisterlichen Zusammenklang von Struktur und Licht einem modischen Fassadendesign opfern würde. Wären aber farbige Glashäute, Medienmembranen oder tätowierte Hüllen wirklich eine würdige Antwort auf die Katastrophe von Manhattan?

19. September 2001Der Standard

„Da müsste man nur Bunker bauen“

Die Debatten um die Stabilität amerikanischer und europäischer Hochhäuser gehen weiter. Die Experten sind uneins. Konsequenzen - zumindest für die Wiener Bauordnung - soll es nach dem WTC-Desaster nicht geben.

Die Debatten um die Stabilität amerikanischer und europäischer Hochhäuser gehen weiter. Die Experten sind uneins. Konsequenzen - zumindest für die Wiener Bauordnung - soll es nach dem WTC-Desaster nicht geben.

Wien - „Bei so einem Ereignis spielt die Bauweise keine Rolle mehr“ - ist Helmut Rubin, Vorstand des Instituts für Baustatik an der TU Wien, im STANDARD-Gespräch überzeugt. Dennoch: Der zerstörerische Anschlag auf die World-Trade-Center-Türme in New York hat unter den heimischen Architekten und Bauingenieuren durchaus zu Auffassungsunterschieden über die amerikanische und europäische Art des Hochhausbaus geführt.

Otto Raschauer, Projektleiter für den kurz vor der Fertigstellung stehenden Florido-Tower in Wien-Floridsdorf, etwa ist der Ansicht, dass die europäische Stahlbetonbauweise bei Wolkenkratzern einem Flugzeugeinschlag eher standgehalten hätte als die amerikanische Konstruktion aus bloßen Stahlteilen. Ein europäisches Hochhaus, so der Bauingenieur, hätte seinen Bewohnern eine längere Fluchtzeit gegeben.

Für Helmut Rubin sind solche Diskussionen „völlig uninteressant“. Sei ein Hochhaus statisch starr oder flexibel gebaut - es gebe für Hochhäuser keine Modellrechnungen, in denen (wie etwa bei AKW) die Auswirkungen eines Flugzeugabsturzes berechnet werden. Außerdem: „Der Einschlag einer Maschine setzt sich nach unten bis in die Fundamente fort. Versagt dabei ein Geschoß, versagt - auch bei Stahlbeton - alles, was darüber ist.“


Symbole der Eitelkeit

Stararchitekt und Hochhausgegner Roland Rainer indes wird in Konstruktiv, der Zeitschrift für Architekten und Ingenieure Österreichs, mit einer sehr eigenwilligen Meinung zitiert: „Sie bauten einen Turm, denn sie wollten sich einen Namen machen“, referiert Rainer die Bibel. Heute gelte: „Und sie wollen auch ein gutes Geschäft machen. Man sollte nicht über die Ursachen der Zerstörung des WTC grübeln, sondern über Objekte, die Symbole der Macht, der Eitelkeit sind. In Wien werden die Hochhäuser sicherlich auch nur deshalb gebaut. Ich hoffe man beginnt nun nachzudenken.“

Silja Tillner - Architektin und Autorin einer internationalen Hochhausstudie - kennt das statische Konzept des WTCs wie Pläne der Architekten Minoru Yamasaki und Emery Roth genau. Sie ist überzeugt, dass die beiden Tower wegen der besonderen Statik nicht sofort zusammenfielen. „Man hätte im Fall der Katastrophe in New York von Statikerseite her sicherlich nicht mehr tun können. Die Fluchtwegsituation in den Gebäuden war in Ordnung.“ Allerdings wird die Katastrophe laut Tillner großen psychologischen Einfluss haben.

Wiens Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SP) meint unterdessen: „Ich sehe keine drängenden Konsequenzen für unsere Bauordnung. Es kann nicht sein, dass keine Hochhäuser mehr gebaut werden. Man kann nicht das ganze Stadtbild auf Katastrophen ausrichten. Da müsste man ja nur noch Bunker bauen.“

15. September 2001Christoph Prantner
Der Standard

Stahlgerüste in USA Stahlbeton in Europa

Bauexperten uneinig über statische Haltbarkeit

Bauexperten uneinig über statische Haltbarkeit

Wien - „Wir Hochhausbauer waren alle von den Socken“ - Otto Raschauer, der als Projektleiter den Bau des 113 Meter hohen Florido-Towers in Wien-Floridsdorf abwickelt, kann die Ereignisse in New York immer noch kaum begreifen. Nach den Terrorattacken auf das WTC sei in seiner Firma, der UBM-Realitätenentwicklung AG (eine Porr-Tochter), die Arbeit stillgestanden. Alle hätten gebannt in die Fernseher gestarrt und den Zusammensturz der Skyscraper live miterlebt.

Einen solchen Einsturz hätte es nach Einschätzung des Experten bei einem österreichischen Gebäude nicht - oder nicht so unvermittelt - gegeben. „Ich habe die Hoffnung, dass durch unsere massiveren Konstruktionen die unteren Geschoße stehen bleiben und den Flüchtenden einen Ausweg bieten würden“, so Raschauer.

Grund dafür sind dem Bauingenieur zufolge die unterschiedlichen Hochbauphilosophien in Amerika und Europa. In Übersee würden die Wolkenkratzer in reiner Stahlbauweise, hierzulande als Stahlbetonkonstruktionen errichtet. „Diese haben um 30 bis 40 Prozent mehr Gewicht, halten höhere Temperaturen und eine höhere kinetische Energie bei Aufprallen aus.“

Das Problem bei den WTC-Türmen, so Raschauer, sei die große Hitzeentwicklung des brennenden Kerosins gewesen. Diese habe Träger und Verstrebungen des Stahlgerüsts schmelzen lassen. Damit sei die statische Verspannung durcheinander geraten und das habe die Türme letzten Endes gefällt. Wäre ein Flugzeug in ein Hochhaus europäischer Bauart gerast, hätte es an der Explosionsstelle natürlich auch große Zerstörungen gegeben, aber die Konstruktion wäre wahrscheinlich stehen geblieben, ist der Baumanager überzeugt.

Natürlich, so Raschauer, sei dies keine Wertung: „Die Amerikaner bauen seit 100 Jahren nach ihrer Art und bisher ist nichts passiert.“ Gegen ein derart perfides Attentat gebe es kaum baulichen Schutz. Wer absolut sichere Hochbauten errichten wollte, müsse schon AKW oder einen Flakturm bauen.


Keine Chance

Etwas anderer Ansicht sind Bauexperten, die in Konstruktiv, der Zeitschrift der Architekten und Ingenieure Österreichs, zitiert werden. Laut dem Statikexperten und Zivilingenieur für Bauwesen Wolfdietrich Ziesel etwa hat „das beste Statikkonzept keine Chance, wenn drei oder vier Geschoße von oben nach unten beschädigt werden. Damit ist das Haus nicht mehr zu retten, eine Decke fällt auf die andere. Es gibt auch bis dato noch keine Konstruktionen, die solchen Anschlägen standhalten würden.“

Ziesel ist überzeugt, dass der Trend zu Hochhäusern nicht aufhört. Architekt Boris Podrecca, einer der Planer des höchsten Wolkenkratzers Österreichs, des Millennium-Towers in Wien, ist anderer Meinung: „Der Hochhausbau wird sicher einen Dämpfer bekommen. Es wird neue Kriterien geben. Das sehe ich auch für Österreich. Rein psychologisch gibt es sicher ein Nachdenken.“

15. September 2001Norbert Mayr
Salzburger Nachrichten

Ein Symbol wurde ausgelöscht

Hochhäuser sind die Wahrzeichen des 20. Jahrhunderts. Das World Trade Center in New York prägte die Silhouette des Südens von Manhattan. Die zwischen 1969 und 1973 errichteten Zwillingstürme standen als Symbole für den amerikanischen Traum einer himmelstürmenden Weltwirtschaft.

Hochhäuser sind die Wahrzeichen des 20. Jahrhunderts. Das World Trade Center in New York prägte die Silhouette des Südens von Manhattan. Die zwischen 1969 und 1973 errichteten Zwillingstürme standen als Symbole für den amerikanischen Traum einer himmelstürmenden Weltwirtschaft.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Salzburger Nachrichten“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

13. September 2001Michael Freund
Der Standard

Den Stadtraum beherrschen

Das World Trade Center war ebenso sehr Metapher wie massiver Bau, finanzielles wie phallisches Projekt - und damit eine ideale Zielscheibe.

Das World Trade Center war ebenso sehr Metapher wie massiver Bau, finanzielles wie phallisches Projekt - und damit eine ideale Zielscheibe.

„Wolkenkratzer bauen kommt in Friedenszeiten einem Krieg am nächsten.“ W. Starrett, Skyscrapers & the Men Who Build Them, 1928 „Das World Trade Center ist ein lebendes Symbol dafür, dass sich die Menschheit dem Welt- frieden widmet.“ Minoru Yamasaki, Architekt des WTC, 1974


Selbst in dem an Superlativen gesättigten New York hatte der Wolkenkratzer eine Ausnahmestellung. Zahlen allein können nicht ermessen, wofür er stand. Am World Trade Center kristallisierten sich Anmaßung und Durchsetzungswille von Planern, Liebe und Hass gegenüber dem Urbanen wie an wenigen anderen Gebäuden der letzten Jahrzehnte. Die finanzielle wie die phallische Dimension, die ästhetischen wie die allegorischen Wirkungen dieses Baus konnte man ahnen, wenn man davor stand. Klarer wurden sie, wenn man den Blick von weiter weg auf die beiden Türme warf - sei es aus der Entfernung einiger Kilometer, wenn sie alles um sich herum schrumpfen ließen und monoman den Stadtraum beherrschten, sei es aus dem Kontext der Geschichte dieses Kolosses.

Mit dem Bau des WTC sollte viel bewiesen werden. Seit den 50er-Jahren gab es die Idee, dem bis dahin höchsten Gebäude der Stadt etwas entgegenzusetzen. Dieses war nach dem Staat New York, dem Empire State, benannt und stand am Rand von Midtown, dem Geschäftszentrum von Manhattan. Das neue sollte das Finanzzentrum ganz im Süden beherrschen, natürlich höher sein - taller is better - und sozusagen nach der ganzen Welt benannt werden. Nach langwierigen Grundstück-Deals mit den Rockefellers entschieden sich die Bauherren für einen Platz am Rande des Hudson, und 1969 begann der Bodenaushub.

Die Erde und der Felsen, die Platz machen mussten, wurden in den Strom gekippt, dorthin, wo vorher der Hafen der Stadt verfallen war: Statt des ehemaligen Handelsplatzes schuf man mit faustischer Geste zehn Hektar neues Land und besetzte es mit riesigen WTC-Satellitenbauten. Vorher aber wuchsen die Zwillingstürme in die Höhe, so schnell, dass man ihnen buchstäblich dabei zusehen konnte: Die Verantwortlichen führten vor, dass der Bau eines Wolkenkratzers eine militärisch organisierte Logistik verlangt, und kaum zuvor wurden so viele Kubikmeter so schnell und, wie es bis vorgestern schien, so sicher in den Raum gesetzt wie mit diesem „Welthandelszentrum“.

Seine schiere Präsenz fachte die Diskussion um die Sinnhaftigkeit von Wolkenkratzern an und erdrückte sie quasi zugleich. Schon vorher hatte man darüber gestritten, ob die Gebäude ab einer gewissen Höhe sich überhaupt noch rentierten, und tatsächlich trat dies nur ein, wenn die Grundstücke günstig, die Büros vermietet und die Mieten hoch waren. Doch auch wenn dies nicht der Fall war: Sie standen nun mal da und erfüllten noch andere, weniger rationale Anforderungen.

Mit very tall buildings konnten sich Bauherren ein deutlich herausragendes, womöglich noch nach ihnen (Chrysler, Seagram, Rockefeller etc.) benanntes Monument leisten. Eine feministisch inspirierte Kritik setzte an diesem Aspekt an und brauchte nur die Nebenwirkungen der Bauten auf Licht und Mikroklima in der Umgebung, auf Infrastruktur und Verkehrssituation zu addieren: Das Gesamtimage eines lebensfeindlichen Bauprinzips ergab sich wie von selbst.

Andererseits ist die Freude der New Yorker über Superlative nicht zu unterschätzen. Als das World Trade Center 1974 417 Meter hoch da stand, definierte es nicht nur die Skyline der Stadt neu. Es gehörte sehr bald zum Identitätsbaukasten ihrer Bewohner. Der Autor diese Zielen lebte damals in New York, als die Architekturkritik sich bemühte, dem gigantischen Zweckbau einen ästhetischen Zusatznutzen abzugewinnen: Als „gotisch“ wurden die seltsamen Spitzbögen im untersten Zehntel gewürdigt, und in dem öffentlichen Raum zwischen den Türmen wähnte man etwas „San-Marco-haftes“ wie in Venedig. Quatsch, hatte Frank Lloyd Wright Jahrzehnte vorher gesagt: „Wolkenkratzer haben kein höheres Ideal als den geschäftlichen Erfolg.“

Wie auch immer, die symbolhafte Aufgeladenheit des Baus regte die, die unter ihm lebten, zu extremen Aktionen an. Kaum standen die Türme, balancierte der französische Seiltänzer Philippe Petit vom einen zum anderen, und drei Jahre später kletterte George Willig aus Brooklyn entlang den senkrechten Schienen an der Außenwand bis zum 110. Stock. Beide wurden verhaftet, aber beide hatten die Sympathien der New Yorker, die wieder einmal die Chuzpe in ihrer Stadt bewiesen sahen. Die Kampagne für Willig war so nachdrücklich, dass der auf 750.000 Dollar verklagte Mann schließlich mit 1,10 Dollar Strafe davonkam - einen Cent für jeden Stock . . .

Erst durch den Bombenanschlag 1993 merkte man, dass die Hybris aus Größe, Massivität und „Welthandels“-Anspruch zur Zielscheibe geworden war. In einem Krieg um Symbole hätten sich die Gegner am vergangenen Dienstag kein besseres Objekt aussuchen können.

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1