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Presseschau

15. März 2002Marc Zitzmann
Neue Zürcher Zeitung

Multimediales Monument

Hans Holleins Vulkanpark in der Auvergne

Hans Holleins Vulkanpark in der Auvergne

Seit 1986 amtiert der frühere französische Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing als Präsident der Region Auvergne. Da die Mode der «grands travaux» erst durch seinen Nachfolger François Mitterrand lanciert wurde (zumindest auf dem Papier, in Wahrheit geht sie auf Giscards Vorgänger Georges Pompidou zurück), mag «VGE» - wie ihn die Franzosen mit ihrer Vorliebe für Kürzel nennen - mit der 1992 erfolgten Lancierung des Projekts «Vulcania» versucht haben, im kleinen Rahmen der Region nachzuholen, was er im grossen der Republik versäumt hatte: sich ein steinernes Denkmal zu setzen. Und tatsächlich: Was die Baukosten (rund 110 Millionen Euro) und den klangvollen Namen des Architekten, Hans Hollein, angeht, kann sich der nach zahlreichen Peripetien nun Ende Februar bei Clermont-Ferrand eröffnete Vulkanpark durchaus sehen lassen.

Ob sich dasselbe von der Architektur sagen lässt? Das Bauwerk solle mit der Landschaft verschmelzen, so Hans Hollein - doch davon kann einstweilen, wo die unmittelbare angrenzende «Landschaft» noch von den Bauarbeiten (buchstäblich) aufgewühlt ist, keine Rede sein. Eindrucksvoll dennoch der doppelte Zugang zum Gebäude: einerseits eine breite, sanft abfallende Allee, die direkt zu dem zentralen, 28 Meter hohen Konus führt - eine durch einen Schnitt in der Mitte halbierte und seitlich verschobene Paraphrase der umgebenden Vulkane, deren mit goldenen Titanrastern versehenes Inneres das durch die abgekappte Spitze einfallende Tageslicht in den unterirdischen Empfangsbereich weiterleitet -, anderseits eine abwärts führende Spirale um einen 35 Meter tiefen Krater, aus dem es drohend grollt und in dessen Abgrund rote Lampen glühende Lava evozieren (sollen).

Der in die Tiefe versenkte Platz rund um den Konus ist fast ganz durch Gebäude mit ebenerdigen Flachdächern umstellt. So ragen von fern gesehen einzig der Konus und das seitlich versetzte Restaurantgebäude, das mit diesem durch eine schmale Metallbrücke verbunden ist, aus der Erde. Dass das monumentale Ensemble architektonisch überwältige, kann man nicht sagen: Das Vokabular des rechteckigen Restaurants mit seinem leicht geschwungenen Flachdach und dem zu allen Seiten hin verglasten Ausblick ist kaum neu, der Konus wirkt klobig-neureich und der Krater, nun ja, eben wie eine Touristenattraktion.

Der von einem wissenschaftlichen Areopag konzipierte und von dem Pariser Architekten Rainer Verbizh gestaltete innere Rundgang ist abwechslungsreich und auf Schritt und Tritt interaktiv - wenngleich wie in fast jedem neu eröffneten High-Tech-Wissenschaftsmuseum ein Gutteil der multimedialen Apparate noch nicht oder schon nicht mehr funktioniert. Er wartet auf mit Sehenswürdigkeiten wie einer blubbernden Vulkanlandschaft, einem Kinosaal mit einer 415 Quadratmeter grossen Leinwand und einem anderen, in dem 3-D-Flugsaurier bei Kleinkindern panisches Kreischen auslösen: 2002 wird mit einer halben Million Besucher gerechnet.

In architektonischer Hinsicht haben die unterirdischen Räumlichkeiten, die meist im Halbdunkel liegen, wenig zu bieten: Die Überraschung, die - nach dem Initiationsgang durch die «Galerie des Grondements», bei welcher der Boden mitzittert, und den «Tunnel de Lave», eine finstere, ja fast klaustrophobische Folge von Gängen - der zentrale «Jardin volcanique» (ein hohes, lichtdurchflutetes Gewächshaus mit tonnenförmig gewölbtem Glasdach und anämisch-exotischen Riesenfarnen) bildet, wird in den seitlich anschliessenden Räumen durch plumpe Betonsäulen und im untersten Geschoss durch die wüstenhaft anonyme «Salle d'Auvergne» wieder zunichte gemacht. Für Liebhaber derartiger Attraktionen ist ein Besuch durchaus zu empfehlen: vorzugsweise aber erst in einigen Monaten, wenn die Vegetation nachgewachsen ist und die Technik überall funktioniert.

22. Februar 2002Reinhold Smonig
Die Presse

Dröhnendes Beben: Holleins Vulcania

Show und Didaktik sind Trumpf im neuen Vulkanismus-Zentrum im französischen Zentralmassiv bei Clermont-Ferrand. „Vulcania“ trägt die Handschrift zweier Österreicher: von Hans Hollein (Bau) und Rainer Verbizh (Regie).

Show und Didaktik sind Trumpf im neuen Vulkanismus-Zentrum im französischen Zentralmassiv bei Clermont-Ferrand. „Vulcania“ trägt die Handschrift zweier Österreicher: von Hans Hollein (Bau) und Rainer Verbizh (Regie).

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20. Februar 2002Reinhold Smonig
Die Presse

Hans Holleins „Vulcania“ darf endlich explodieren

Bei Clermond-Ferrand im französischen Zentralmassiv eröffnet diese Woche der Attraktionspark zum Thema Vulkanismus, den der österreichische Architekt Hans Hollein gestaltet hat.

Bei Clermond-Ferrand im französischen Zentralmassiv eröffnet diese Woche der Attraktionspark zum Thema Vulkanismus, den der österreichische Architekt Hans Hollein gestaltet hat.

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12. Februar 2002ORF.at

„Eindringen in die Erde“

Der Österreichische Stararchitekt errichtete in der Auvergne einen neuartigen Museumskomplex. Eröffnung am 20. Februar.

Der Österreichische Stararchitekt errichtete in der Auvergne einen neuartigen Museumskomplex. Eröffnung am 20. Februar.

Um die Realisierung seines „Museum im Berg“ in Salzburg kämpft Hans Hollein seit vielen Jahren. Durch die jüngst vorgestellte Reduktion des Projektes (statt einer Milliarde Schilling soll es nun 650 Millionen kosten) hofft er, der Umsetzung einen Schritt näher gekommen zu sein.

Dafür kommt für ein anderes Museum, das der Stararchitekt zu großen Teilen unterirdisch angelegt hat, nach acht Jahren Planungs- und Bauzeit in Kürze der große Tag: Der „Parc européen du volcanisme“, kurz „Vulcania“ genannt, wird am 20. Februar in der Nähe von Clermont-Ferrand durch den ehemaligen französischen Staatspräsidenten und nunmehrigen Regionalpräsidenten der Auvergne, Valery Giscard d'Estaing, dem Publikum übergeben.


Projekt-Parallelen

„Die Projekte haben Parallelen, aber auch ganz andere Aspekte“, erläutert Hans Hollein im Gespräch mit der APA, „das Erlebnis des Eindringens in die Erde“ sei jedenfalls das Gleiche.

Tatsächlich steht am Anfang der Beschäftigung des österreichischen Architekten mit „Vulcania“ eine Empfehlung Giscard d'Estaings an die örtliche (und nun Hollein unterstützende) Architektengruppe Atelier 4, mit jenem Planer Kontakt aufzunehmen, der in Salzburg so großes Interesse am Bauen im Fels bewiesen habe. Und was liegt näher, dachte Hollein, als ein Vulkanismus-Museum großteils in den Untergrund zu bauen. 1994 gewann er den Wettbewerb, 1997 wurde mit dem Bau begonnen.


Rundblick auf Vulkankegel

„Die Urkräfte der Erde, Vulkanismus und Plattentektonik haben mich schon immer interessiert“, meint Hollein, „aber in der Zwischenzeit bin ich ein richtiger Vulkanologe geworden“. Der Bauplatz liegt in kargem, Wind und Wetter ausgesetztem Gebiet auf rund 1000 Meter Seehöhe, auf dem Areal eines ehemaligen Munitionsdepots.

Ein 57 Hektar großes Gelände, Kilometer entfernt von jeglicher Zivilisation, aber mit herrlichem Rundblick auf jene erloschenen Vulkankegel, die der Gegend ein bizarres, urtümliches Aussehen geben. "Das sind so genannte „schlafende Vulkane“", erklärt der Architekt, „sie könnten jederzeit wieder ausbrechen.“


Künstliche Glut

Einen Beweis für die unruhige Vergangenheit liefert auch die Baustelle: „Das Projekt ist direkt in einen Lavastrom hineingebaut.“ Von einem speziellen Aussichtspunkt können die Besucher einen Blick ins Innere der Erde werfen und sehen, wie sich Basalt- und Aschenschichten abwechseln.

Ein bisschen, gesteht Hollein, wird der Fantasie freilich nachgeholfen: „Wir erzeugen Dämpfe, die nach Schwefel riechen, und haben in der Tiefe auch eine künstliche Glut entfacht.“


Exotische Atmosphäre

Mit Hilfe des Szenografen Rainer Verbizh soll aber nicht nur der Schrecken der Naturgewalten sinnlich nahe gebracht werden. Um die besondere Fruchtbarkeit von Vulkanböden zu demonstrieren, wurde ein großes Glashaus errichtet.

Neuseeländische Farne schaffen hier eine exotische Atmosphäre, die gemeinsam mit dem prächtigen Ausblick zu einer der Attraktionen des Komplexes werden dürfte.


Vulkanschlot als Wahrzeichen

Mittelpunkt und Wahrzeichen von „Vulcania“, dessen Er- und Einrichtung rund 250 Millionen Franc (38,1 Mio. Euro / 524 Mio. Schilling) kostete, ist jedoch ein großer, eindrucksvoller Konus, ein in der Mitte aufgeschnittener metaphorischer Vulkanschlot, dessen Hälften leicht gegeneinander verschoben sind.

Außen aus Vulkangestein, besteht seine Innenfläche aus einem goldschimmernden Metall (eine auf rostfreiem Stahl aufgetragene und durch Anlegen elektrischer Spannung verfärbte Titanschicht), das durch seine vielfältige Reflexion des Lichteinfalls an vulkanisches Feuer erinnern soll.


Hall-Effekt

Der Aufenthalt im Konus soll aber nicht nur visuelle, sondern auch akustische Erlebnisse bieten: „Die Transistorradios der Bauarbeiter hörten sich dort jedenfalls eindrucksvoll an“, schmunzelt Hollein.


[Tipp
Vulcania in St.-Ours-les-Roches bei Clermont-Ferrand. Ab 21. Februar für die Öffentlichkeit zugänglich. Eintritt: 18 Euro, Kinder: 12 Euro.]

12. Februar 2002ORF.at

Weltweit einzigartiges Projekt

„Vulcania“ soll jährlich 700.000 Besucher in die Region bringen.

„Vulcania“ soll jährlich 700.000 Besucher in die Region bringen.

„Das Absteigen, das Eindringen, das Erleben - das ist bei dem Projekt das wichtigste“, meint Hans Hollein. Schon die Anreise zum Areal und die Annäherung an den eigentlichen Museumskomplex, die über eine lange, sanft abfallende Rampe entlang einer Mauer aus vulkanischem Gestein verläuft, bietet Einstimmung und Perspektivenwechsel.

Hollein hat auch bei den Baumaterialien laufend Bezüge hergestellt und nicht nur „vulkanische Bomben“ (ausgestoßenes und im Flug erkaltetes Magma) eingebaut, sondern bis hin zu den Toilettenanlagen möglichst viel Material vulkanischen Ursprungs verwendet.


Museum und Themenpark

Das Projekt ist weltweit ohne Präzedenzfälle. Nur auf der französischen Insel Reunion gibt es ein kleines Vulkanmuseum, 35 Quadratmeter groß. Die gesamte Nutzfläche von „Vulcania“ beträgt über 16.000 Quadratmeter, davon 4.700 Quadratmeter für die Ausstellung. Anhand verschiedener szenografisch aufbereiteter Themenbereiche und benutzbarer Laboratorien soll eine Mischung aus Museum und Themenpark geboten werden.

In zwei Kinosälen - einer davon mit einer 20 Meter hohen Leinwand für IMAX-Formate - werden speziell gedrehte Filme für die Vertiefung des Eindruckes sorgen. „Zweieinhalb, drei Stunden wird ein Rundgang schon dauern“, meint Hollein, „aber wir haben Abkürzungsmöglichkeiten eingebaut. Niemand ist gezwungen, einem vorgeschrieben Parcours zu folgen.“


„Ganz arme Region“

700.000 Besucher soll „Vulcania“ jährlich nach St.-Ours-les-Roches bringen und für die Region als touristisches Zugpferd dienen. „Die Auvergne ist ja eine ganz arme Region“, sagt Hollein, „sie hat zwar den St.-Nectaire-Käse und einige sehr schöne romanische Kirchen, aber sonst ist sie nur sehr spärlich besiedelt und besucht.“

Die besonderen geologischen Verhältnisse der Region, so lautete die Überlegung Valery Giscard d'Estaings, sollten helfen, dies zu ändern. „Ohne Giscard gäbe es dieses Projekt nicht“, meint Hollein, „Es ist sein Baby, und er hat sich auch laufend auf der Baustelle informiert.“


Jury überzeugt

Zur Eröffnung am 20. Februar lässt sich Giscard nun mit einer „Eruption de joie“, einem „Ausbruch der Freude“, von 1.200 Schulkindern feiern - kleiner Trost dafür, dass er als Staatspräsident nie ein eigenes „Grand Projet“ eröffnen durfte. Und im Juni soll dann nochmals eine offizielle Feier folgen.

Mit einer selbst gefertigten Collage aus Stichen von Gustave Doré zu Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ und aus Illustrationen zu Dantes „Inferno“ hatte Hans Hollein 1994 die Wettbewerbs-Jury beeindruckt. „Und ganz ähnlich ist es jetzt tatsächlich geworden“, freut sich der Architekt auf die Eröffnung.


Jubelnde Vorberichte

Und auch die örtliche Bevölkerung, die zeitweise massive Naturschutz-Bedenken geäußert hatte, scheint seine Freude mittlerweile zu teilen. Eine französische Zeitung beendete dieser Tage einen jubelnden Vorbericht mit den Sätzen: „Vive le Massif central, vive l' Auvergne, vive Vulcania.“

12. Februar 2002Salzburger Nachrichten

Ein anderes Hollein-Museum

Das „Museum im Berg“ in Salzburg ist noch nicht beschlossen. In Südfrankreich wird indes ein unterirdisches Hollein- Museum eröffnet.

Das „Museum im Berg“ in Salzburg ist noch nicht beschlossen. In Südfrankreich wird indes ein unterirdisches Hollein- Museum eröffnet.

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03. November 2001Judith Eiblmayr
Spectrum

Zum Mittelpunkt der Erde

„Architektur beherrscht den Raum, indem sie in die Höhe schießt, die Erde aushölt, weit auskragend über dem Land schwebt.“ Was Hans Hollein vor 40 Jahren schrieb, liest sich wie das programmatische Konzept zu seinem Vulkanmuseum in der Auvergne, das demnächst eröffnet wird: eine Erlebniswelt im besten Sinne.

„Architektur beherrscht den Raum, indem sie in die Höhe schießt, die Erde aushölt, weit auskragend über dem Land schwebt.“ Was Hans Hollein vor 40 Jahren schrieb, liest sich wie das programmatische Konzept zu seinem Vulkanmuseum in der Auvergne, das demnächst eröffnet wird: eine Erlebniswelt im besten Sinne.

„Architektur beherrscht den Raum. Beherrscht ihn, indem sie in die Höhe schießt, die Erde aushöhlt, weit auskragend über dem Land schwebt, sich in alle Richtungen ausbreitet. Beherrscht ihn durch Masse und Leere. Beherrscht Raum durch Raum. In dieser Architektur geht es nicht um Schönheit. Wenn wir schon eine Schönheit wollen, dann weniger eine der Form, der Proportion, sondern eine sinnliche Schönheit elementarer Gewalt. ... Alles Bauen ist kultisch.“

Was Hans Hollein 1962/63 - hier auszugsweise wiergegeben - in seinem Manifest „Absolute Architektur“ geschrieben hat, klingt, als ob ein Vulkanmuseum schon immer ein Traumprojekt von ihm gewesen wäre. Denn wo ist die elementare Gewalt unmittelbarer spürbar — sowohl in ihrer Sinnlichkeit, als auch in ihrer Brutalität — als bei Bewegungen, die aus dem Inneren des Erdballs herrühren. Eigentlich ist es ein Vulkanausbruch, der den Raum beherrscht. Ihn beherrscht, indem Lava in die Höhe schießt, die Erde aushöhlt, weit auskragend über dem Land schwebt, sich in alle Richtungen ausbreitet.
Seine Theorie der frühen sechziger Jahre erklärt unter anderem all jene durch technische Machbarkeit entstandenen Negativräume in der Natur zur Architektur, ein Ansatz, dem Hollein 1990 beim preisgekrönten Wettbewerbsbeitrag für das Guggenheim-Museum in Salzburg konkrete Form gab. In kaum einem anderen architektonischen Projekt jemals wurde die Dialektik zwischen Architektur und Landschaft so deutlich zum Ausdruck gebracht wie in Holleins Entwurf für „Das Museum im Fels“.

Die Idee im historisch gewachsenen, dichten Stadtkern von Salzburg zusätzlichen Raum zu schaffen, indem man unter Tag abbaut statt hoch aufbaut und dem Mönchsberg Räume „herausreißt“, entspricht exakt der Umsetzung des Gedankens von der „sinnlichen Schönheit elementarer Gewalt.“ Denn natürlich macht es einen Unterschied, ob man den Fels für einen Zweckbau wie einen Tunnel oder eine Garage aushöhlt oder ob man diesen Höhlen kultischen Charakter verleiht, indem man sie zu einem Museum für bildende Kunst macht.
Valérie Giscard d´Estaing dürfte die Entsprechung des Holleinschen Architekturbegriffs für die Bauaufgabe eines Vulkanmuseums bewusst gewesen sein, denn angeblich war er es, der einem lokalen Architekturbüro in der Auvergne empfahl, für den diesbezüglichen Architekturwettbewerb Hans Hollein beizuziehen. Giscard d´Estaing — so wie jeder französiche Präsident mit dem lebenslangen Titel „Président de la République Française“ versehen — blieb zu Amtszeiten (1974-81) die Fertigstellung eines von ihm initiierten großen Bauwerks versagt, da es jedoch durchaus zum Selbstverständnis der Französischen Staatspräsidentschaft gehört, sich auch über Architektur zu definieren, wollte er dies zu einem späteren Zeitpunkt nachholen; In seiner jetzigen Funktion als „Président du Conseil Régional d’Auvergne“ war es seine Idee im strukturschwachen, mittelfranzösischen „Avernerland“ den Tourismus zu forcieren und inmitten der beeindruckenden Landschaft erloschener Vulkane das „Europäische Zentrum für Vulkanismus“ anzusiedeln, womöglich durch einen berühmten Architekten realisiert.

Hans Hollein - in Kooperation mit „Atelier Quatre“ aus der Nähe von Clermont-Ferrand - gewann den 1994 ausgeschriebenen Wettbewerb gegen hochkarätige internationale Konkurrenz, nicht zuletzt deshalb, weil sein Konzept das einzige war, das auch in die Tiefe ging, indem er die Hälfte der musealen Ereignisse in das aus Vulkangestein gebildete Gelände eingegraben hat.

Nachdem es für ein Museum dieserart keinerlei Vorbild gab, war ein interessanter Aspekt bei dieser Bauaufgabe, das Thema Vulkanmuseum an sich zu entwickeln und das geforderte Nutzungsprogramm in eine räumliche Komposition zu bringen. Hollein verfolgte dabei einen poetischen Ansatz und bezog sich nicht nur auf Werke der Literatur, wie Jules Vernes „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ oder Dantes „Göttliche Komödie“, indem er zum Beispiel den Abstieg in einen künstlichen Krater für das Publikum infernalisch inszenierte, sondern zitierte auch aus der (französischen) Architekturgeschichte, wie etwa aus dem Werk des Revolutionsarchitekten Etienne-Louis Boullée oder des Architektur- und Geschwindigkeitstheoretikers Paul Virilio.

„Vulcania“, dessen programmatisches Konzept von einem wissenschaftlichen Beirat begleitet wird, wird jedoch nicht nur ein Ziel für Erlebnistouristen darstellen, sondern auch als weltweit einzigartiges wissenschaftliches Zentrum auf dem Gebiet der Vulkanologie dienen. Es soll sowohl als Kongress- und Forschungszentrum entsprechen, als auch für Schülerinnen und Schüler einen spannenden, interaktiven Geologieunterricht bieten.
Das Museumsgelände ist in einen großen von Gilles Clément geplanten Landschaftspark eingebettet, der unter striktem Naturschutz steht und als Erholungsgebiet genutzt werden wird. Zur Sicherung der nahen unterirdischen Wasserreservoirs von Volvic und aus Angst vor einer Disneyfizierung der Gegend wurden sehr strenge Richtlinien für den Umweltschutz erstellt und ein rigoroses Bauverbot für Hotels und ähnliches in der näheren Umgebung verhängt. Gleichzeitig hofft man, dass sich für die zehn Kilometer entfernt liegende Stadt Clermont-Ferrand durch das Anbieten der tourismusorientierten Infrastrukur neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnen.

Wenn man sich der Museumsanlage nähert, die sich im Innen- und Aussenraum erstreckt, sind nur zwei Baukörper als Blickattraktoren ausnehmbar, das Empfangsgebäude, in dessen Obergeschoß ein Restaurant mit Rundblick auf die vulkanische Landschaft untergebracht ist und „Le Cône“, der das Zentrum der Anlage signalisiert.

Über eine lange, von einer Zyklopenmauer aus herausgesprengtem Lavagestein einerseits und einer begrünten Böschung andrerseits begrenzten Rampe dringt man ins Gelände ein und gelangt auf die unter Niveau liegende Ebene der so bezeichneten „Caldera“. Hier umschreitet man den aussen mit dezenten hellgrauen Basaltgesteinsplatten belegten Konus, der aus zwei versetzt angeordneten Halbschalen von unterschiedlicher Höhe besteht. Seine Innenseite erstrahlt allerdings in Gold und man erkennt sehr schnell, dass es sich hier um einen Archetypus kulthaften Bauens handelt, der symbolträchtig das Sonnenlicht einfängt und ins Untergeschoß weiterleitet.

Diese innere Haut des Konus wird aus Edelstahlplatten gebildet, die durch ein spezielles, in Korea entwickeltes Titanbedampfungsverfahren ihren goldfarbenen Glanz erhalten und eine unterschiedliche Oberflächenstruktur aufweisen: An der sonnenzugewandten Seite werden die Strahlen über eine kassettenförmige Anordnung der in sich strukturierten Bleche gestreut, das gleichmäßige Licht von Norden wird hingegen über eine glatte Oberfläche reflektiert. Bei Dunkelheit soll der Innenraum mit künstlichem Licht und sogar mit Feuer bespielt werden. Die Sockelzone des „Cône“ ist gleichzeitig die Hauptebene des Museums, das sich den BesucherInnen in einem abwechslungsreichen Rundgang erschließt: Die Ausstellungsräume, die einer eigenen Szenografie von Rainer Verbizh unterliegen, der „Jardin Volcanique“, ein Gewächshaus, das die fruchtbare Bodenbeschaffenheit nach einem Vulkanausbruch thematisiert, die zwei Kinosäle, wo Vulkaneruptionen im Imax-Format verfolgt werden können.
Schlussendlich gerät man über eine gewundene Rampe im Krater, der einen Blick in die Natur der Sache gewährt und die freigelegten, echten Schichtungen von Lavagestein zeigt, wieder auf die Ebene der „Caldera“. Begleitet wird man dabei von einem künstlichen, erdinneren Grollen und aufsteigenden Dämpfen sein.

Bei der Gesteinswahl hat sich Hollein vorwiegend an regional Vorhandenes gehalten, sei es beim grauen Basalt und rötlichen Sandstein, oder beim Basalt als Zuschlagsstoff des anthrazitfarbenen Betons mit vereinzelt roter Körnung.
Sogar der Name „Vulcania“ wurde in der Region in einem eigenen Schülerwettbewerb kreiert, was beweist, dass Star Trek auch die Kinder in der Auvergne kreativ beflügelt.

„Vulkane sind die konstante Erinnerung an den fortwährenden Prozess der Bildung unseres Planeten. Es gibt einen starken rituellen und symbolischen Aspekt in der Idee eines Zentrums für Vulkanologie. Architektonisch gesehen ist dieses Konzept wirklich dreidimensional. Da es gleichzeitig substraktiv und additiv ist, erlaubt es eine freie Entwicklung der Räume und ihre Bewegung in jede Richtung: horizontal, vertikal und diagonal“, schreibt Hans Hollein.
Nach fünfjähriger Bauzeit wird das Vulkanmuseum Anfang nächsten Jahres eröffnet, eine Erlebniswelt im besten Sinne, wo das beeindruckende Naturschauspiel eines Vulkanausbruchs inszeniert, gleichzeitig jedoch ein Bildungsauftrag erfüllt wird und diese beiden Aspekte in einer poetischen Gesamtkonzeption miteinander verbunden werden.

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