Details

Adresse
Akademiestraße 4, 80799 München, Deutschland
Bauherrschaft
Freistaat Bayern
Maßnahme
Erweiterung
Funktion
Bildung
Wettbewerb
1992
Planung
1995
Ausführung
2003 - 2005
Eröffnung
2005
Bruttogeschossfläche
9.909 m²
Nutzfläche
5.666 m²
Umbauter Raum
44.761 m³
Baukosten
15,2 Mio EUR

Publikationen

Presseschau

18. November 2005Klaus Englert
Neue Zürcher Zeitung

Der konservierte Protest

Die neue Kunstakademie München von Coop Himmelb(l)au

Die neue Kunstakademie München von Coop Himmelb(l)au

Coop Himmelb(l)au, die Himmelsstürmer aus dem barocken Wien, gefallen sich als notorische Spielverderber. Angetreten ist das Team um Chefdenker Wolf Prix in den revolutionären Wirren von 1968, als man sich der Idee verschrieb, «Architektur veränderbar wie Wolken zu machen». Ihr erstes architektonisches Manifest wider die «pragmatisierte Mittelmässigkeit» (Prix) war vor knapp zwanzig Jahren ein Dachausbau in Wien, ein gläsernes Gebilde, das einem lauernden Insekt ähnelt. Seither wurden die geneigten Ebenen, sich kreuzenden Winkel und Lichtpyramiden, die gekippten Wände und sich verschiebenden Böden zum Markenzeichen von Coop Himmelb(l)au. 1988 machte Philip Johnsons Dekonstruktivismus-Ausstellung im New Yorker Museum of Modern Art die Wiener weltweit bekannt. Spätestens als sie vor fünf Jahren sogar den Grossen Österreichischen Staatspreis erhielten, war klar, dass der löckende Stachel ihres Revoluzzertums stumpf geworden ist. Spätestens seitdem die dekonstruktivistische Attitüde staatlicherseits honoriert wird, hätten die Wiener Architekten an eine Weiterentwicklung ihres Stils denken können. Aber nein, ihre Manier haben sie gefunden, und ihr blieben sie treu.

Zahmer Erweiterungsbau

Diese konservierte Protesthaltung merkt man dem neuesten Werk von Coop Himmelb(l)au, dem Erweiterungsbau der Münchner Akademie der Bildenden Künste, deutlich an. Deswegen wetterten einige Münchner Architekten, der Annex neben der alten Akademie, Gottfried von Neureuthers Neorenaissance-Palast von 1886, käme etliche Jahre zu spät, die Erweiterung des Risalit-Gebäudes mute heute etwas fahl und abgestanden an. Dazu muss man aber wissen, dass der Wettbewerb 1992 entschieden wurde, also zu einer Zeit, als der Dekonstruktivismus seinen Zenit gerade überschritten hatte.

Trotz aller Kritik lässt sich schwerlich verleugnen, dass der neueste Wurf von Coop Himmelb(l)au im kleinteiligen Schwabing mit seiner alten Bausubstanz noch immer wie eine gebaute Provokation erscheint. Vielleicht liegt dies ja daran, dass München derlei Provokationen kaum zu bieten hat. Selbst die «Fünf Höfe» von Herzog & de Meuron an der Theatinerstrasse wurden von der Münchner Bürgerschaft zurechtgestutzt und erscheinen heute fast nur im Blockinneren als Neubau. Und in Stefan Braunfels «Pinakothek der Moderne», einer mit viel majestätischem Pomp aufgeblähten Herrschaftsarchitektur, umweht einen der kühle Geist des bayrischen Freistaats.

Zu diesem «Nationalsymbol» haben sich Coop Himmelb(l)au an der Ecke von Türken- und Akademiestrasse den geeigneten Gegenpol ausgedacht. Das gesamte Gebilde wirkt zunächst neben dem Neureuther-Bau wie eine verwegene architektonische Skulptur mit kastenförmiger Auskragung und hoch aufragendem, schrägem Glasschild, das an massiven Rohren aufgehängt ist. Frappierend auch das betonierte Vordach, das so gar nicht mit der gestuften, aus Holzplanken gefertigten Terrasse harmonieren will. Selbst im Foyer setzt sich der erste Eindruck fort. Der überraschend noble Parkettboden kontrastiert mit den Sichtbetonwänden und den gewalzten Stahlblechplatten der Fassade. Die Wiener haben offenbar alles darangesetzt, der Kunstakademie jegliche kreative Atmosphäre auszutreiben.

Industrieller Charme

Die Eingangshalle versprüht den industriellen Charme einer Ruhrgebietszeche mit ihren charakteristischen Förderbändern. Blechtunnel durchstossen die Wände, durchziehen kreuz und quer den Lichthof des Foyers und verschwinden wieder in den gegenüberliegenden Geschossebenen. Dabei werden die kastenförmigen Stege von massiven, windschief stehenden Rundpfeilern abgestützt und versperren damit die mögliche Nutzung der Halle für Veranstaltungen. Wer dem Stiegenhaus folgt, vorbei an tief liegenden Fensterschlitzen, an Künstlerateliers und bestechenden Ausblicken auf den Akademiepark sowie die Münchner Kirchen, erreicht über dem Glasdach des Lichthofs die Panorama-Terrasse mit den Gästeappartements. Ein Steg führt hinab auf einen metallenen Gitterboden, inmitten einer chaotischen Dachlandschaft.

Trotz seiner verwirrenden Konstruktion hat der selbstverliebt wirkende skulpturale Block stadträumliche Vorzüge. Er öffnet nicht nur klare Sichtbezüge zum Neureuther-Altbau und zum städtischen Kontext, er nutzt auch sinnvoll die frei gewordene Ecksituation und lässt genügend Raum für einen kleinen Vorplatz. Hier, auf der Terrasse des Akademie-Cafés, zeigt sich der widerspenstige Koloss von seiner besten Seite, hier lässt es sich in der angenehmen Jahreszeit gut aushalten.

21. Juni 2005Anne Isopp
Salzburger Nachrichten

„Stützen sind total sinnlos“

Coop Himmelb(l)au gelten als Österreichs wichtigster Architekturexport. In München sind derzeit zwei ihrer prestigeträchtigen Gebäude im Bau.

Coop Himmelb(l)au gelten als Österreichs wichtigster Architekturexport. In München sind derzeit zwei ihrer prestigeträchtigen Gebäude im Bau.

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verknüpfte Bauwerke
BMW-Welt München

11. Juli 2003Thomas Trenkler
Der Standard

„Heiterer Dekonstruktivismus und anarchische Präzision“

Die Münchner Akademie wird erweitert - nach Plänen der Coops

Die Münchner Akademie wird erweitert - nach Plänen der Coops

München/Wien - 1992, als Wolf D. Prix, Helmut Swiczinsky und Partner den Wettbewerb um den Erweiterungsbau für die Akademie der bildenden Künste in München für sich entschieden (unter 178 Teilnehmern), nannten sich die Wiener Architekten noch „Coop Himmelblau“. Selbstbewusst klammerten sie dann das „l“ ein. Denn ihre gewagten Projekte wurden tatsächlich gebaut. Wenn auch nicht immer gleich: Der Spatenstich für das Münchner Projekt erfolgte erst vor wenigen Tagen.

Der Denkmalschutz - immerhin stellt der Neubau den denkbar größten Kontrast zum Hauptgebäude aus dem Jahr 1876 her - war aber nicht der Grund für die Verzögerung: „Unser Projekt hat gepasst“, sagt Prix. Nachsatz: „Obwohl es nicht angepasst ist.“ Die Realisierung scheiterte bisher nur an der Finanzierung. Erst durch die Gründung der „Stiftung Kunstakademie“ im Jahr 1999 wurden die Mittel (19,7 Millionen Euro) aufgebracht. Und bereits 2005 soll das Gebäude fertig gestellt sein:

Vorgesehen ist ein fünfgeschoßiger Bau an der Westseite der Akademie, dessen diagonale Rampen und Stege die einzelnen Bereiche miteinander vernetzen: Die Ateliers der Bildhauer liegen ebenerdig in zwei Bauteilen und erweitern sich über Terrassen zum Park, jene der Maler sind in den oberen Geschoßen angeordnet und haben Verbindung zu den Dachterrassen. Der Sitzungssaal und die Räume des Rektors sind über Stege mit den Verwaltungsräumen verbunden. Durch die Überdachung des zentralen Innenhofs entsteht ein halböffentlicher Raum, der die Bauteile zu einer Einheit zusammenfügt.

Die zwei- bis viergeschoßigen Baukörper werden in Stahlbetonbauweise errichtet, die auskragenden Bauteile als Stahlfachwerkkonstruktion. Die Nutzfläche umfasst 5670 Quadratmeter, die Bruttogeschoßfläche 9900 und der umbaute Raum 44.760 Quadratmeter. Laut Akademierektor Ben Willikens besteche das Gebäude durch „heiteren Dekonstruktivismus und anarchische Präzision“.

Und die Coop Himmelb(l)au baut eifrig weiter: Im Frühjahr 2004 soll mit der Errichtung des Museums für Menschheitsgeschichte in Lyon begonnen werden. Das Gebäude ist immerhin so groß wie das Guggenheim-Museum in Bilbao, wie Wolf D. Prix nicht ohne Stolz feststellt.

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