Pläne

Details

Adresse
Fontanastraße 3, 1100 Wien, Österreich
Bauherrschaft
WIGEBA
Tragwerksplanung
FCP
Fotografie
Hertha Hurnaus
Funktion
Wohnbauten
Wettbewerb
09/2015 - 12/2015
Planung
02/2016 - 12/2017
Ausführung
12/2017 - 11/2019
Grundstücksfläche
7.794 m²
Bruttogeschossfläche
11.167 m²
Nutzfläche
7.882 m²
Bebaute Fläche
2.836 m²
Umbauter Raum
32.943 m³

Nachhaltigkeit

Heizwärmebedarf
21,92 kWh/(m²a) (PHPP)
Primärenergiebedarf
18,29 kWh/(m²a) (PHPP)
Heizwärmebedarf
25,47 kWh/m²a (Energieausweis)
Endenergiebedarf
76,61 kWh/m²a (Energieausweis)
Primärenergiebedarf
123 kWh/m²a (Energieausweis)
Außeninduzierter Kühlbedarf
0,806 kWh/m³a (Energieausweis)
Energiesysteme
Fernwärme
Materialwahl
Stahlbeton

Ausführende Firmen

Swietelsky

Architekturwettbewerb

Das Projekt ist aus dem Verfahren Fontanastrasse 1 - Baufeld 2 hervorgegangen

1. Rang, Gewinner

nextroom fragt

Presseschau

23. November 2019Christian Kühn
Spectrum

Gemeindebau neu: Wie viel weniger ist mehr?

Das sollte der 2015 angekündigte „Gemeindebau neu“ jedenfalls sein. Und wo bleibt die Qualität? Jetzt ist das erste Projekt fertig, und es überzeugt: Zumindest in diesem Fall hat man am richtigen Platz gespart.

Das sollte der 2015 angekündigte „Gemeindebau neu“ jedenfalls sein. Und wo bleibt die Qualität? Jetzt ist das erste Projekt fertig, und es überzeugt: Zumindest in diesem Fall hat man am richtigen Platz gespart.

Selten hat ein Wohnbau in den vergangenen Jahren so viel gute Presse gehabt wie dieser. Das liegt nicht an der Architektur, zumindest nicht in erster Linie, sondern daran, dass er der erste neu errichtete Gemeindebau der Stadt Wien seit 15 Jahren ist. 2004 hatte die Stadt beschlossen, zusätzlichen geförderten Wohnbau nur noch über Genossenschaften zu errichten. Am Status der 220.000 bestehenden Wiener Gemeindewohnungen, in denen 500.000 Menschen leben, änderte das nichts. Mit Bruttomieten von durchschnittlich 6,28 Euro pro Quadratmeter liegen sie preislich deutlich unter den Mieten im privaten Sektor und helfen damit, die Preissteigerung zu dämpfen.

Der Gemeindebau wurde durch die Entscheidung des Jahres 2004 zwar nicht abgeschafft, aber zu einem historischen Modell erklärt, zu einem wichtigen, aber etwas verstaubten Symbol des „Roten Wien“. Tatsächlich kann man sich Projekte wie die Umnutzung der Gasometer in Simmering kaum als Gemeindebauten vorstellen, genauso wenig die autofreien oder gendergerechten „Themensiedlungen“ – nicht weil sie im Gemeindebau keinen Platz gehabt hätten, sondern weil der Gemeindebau stets dem utilitaristischen Prinzip des „größtmöglichen Glücks für die größtmögliche Zahl“ gefolgt war und so eher dem Durchschnittlichen als dem Besonderen zuneigte.

Die Verlagerung der Wohnbautätigkeit zu den gemeinnützigen Bauträgern erlaubte es der Stadt auch, mehr Konkurrenz zwischen diesen herzustellen. Seit 1995 gibt es Bauträgerwettbewerbe, bei denen Genossenschaften gemeinsam mit Architekten Projekte einreichen. Da die Baukosten im geförderten Wohnbau gedeckelt sind, geht es in diesen Wettbewerben vor allem um Qualität. Unabhängige Jurys bewerten die Einreichungen nach den Kriterien Architektur, Ökonomie, Ökologie sowie soziale Nachhaltigkeit. Vorgeschaltet sind diesen Wettbewerben meist städtebauliche Ideenwettbewerbe, wobei die Teilnehmer an Letzteren oft als sogenannte „Fixstarter“ zu den nachfolgenden Projektwettbewerben eingeladen werden. Der Begriff ist irreführend: „Fixstarter“ dürfen nicht nur teilnehmen, sondern haben bereits den Auftrag zugesichert, ganz gleich, wie gut oder schlecht das Projekt ist, das sie in dieser Phase abliefern.

In den vergangenen Jahren wurden kaum mehr städtebauliche Ideenwettbewerbe, sondern sogenannte „kooperative“ oder „dialogorientierte“ Verfahren zur Schaffung von städtebaulichen Leitprojekten eingesetzt. Diese Verfahren behaupten, durch Dialog zwischen den Beteiligten Qualität zu fördern, führen aber oft zu Kompromissen und zu schwachen Lösungen, für die am Ende niemand verantwortlich sein will. Insgesamt hat sich das System des geförderten, genossenschaftlichen Wohnbaus in Wien in den vergangenen 25 Jahren aber kontinuierlich entwickelt und eine hohe Qualität erzielt. Dass diese Qualität Seiteneffekte hat, ist aber klar. Der geförderte Wohnbau ist heute eine Mittelstandsförderung: Die Obergrenze des Jahreseinkommens für eine Anspruchsberechtigung liegt für Einzelpersonen bei 46.450 Euro, bei einem Zweipersonenhaushalt bei 69.200. Mit diesen Einkommen kann man sich auch in guten Lagen den bei gemeinnützigen Bauträgern geforderten Eigenmittelanteil und Monatsmieten leisten, die spürbar über denen in den 220.000 Gemeindewohnungen liegen. Gleichzeitig steigt die Nachfrage am unteren Ende der Einkommensskala, nicht zuletzt, weil das Angebot an sehr günstigen Substandardwohnungen durch Sanierung zurückgeht. Die Antwort der Stadt war vorerst das „Smart Wohnen“-Modell, das günstigere Mieten durch Reduktion der Fläche pro Wohnung erreichen sollte. Es war daher eine Überraschung, als der damalige Bürgermeister Michael Häupl im Jahr 2015 den „Gemeindebau neu“ ankündigte. War damit eine Rückkehr zum Massenwohnbau der 1950er- bis 1970er-Jahre gemeint, der standardisierte Typengrundrisse übereinandergestapelt hatte?

Der erste fertiggestellte „Gemeindebau neu“ in der Fontanastraße, in alter Gemeindebautradition Barbara-Prammer-Hof genannt, weist in eine andere Richtung. Sein Entwurf ist Ergebnis eines zweistufigen Architekturwettbewerbs, in dem dieselben Kriterien galten wie im geförderten Wohnbau, also Architektur, Ökonomie, Ökologie und soziale Nachhaltigkeit, allerdings gebunden an Errichtungskosten von 1850 Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche und unter Wegfall des Eigenmittelbeitrags, der im geförderten Wohnbau von den Nutzern verlangt wird. Das Resultat beweist, dass das möglich ist, aber zeigt auch, wo Abstriche gemacht werden müssen.

Die in einem dialogischen Verfahren ermittelte städtebauliche Vorgabe bestand darin, drei unterschiedlich hohe Baukörper auf einem Sockel zu platzieren. Der Entwurf aus dem Büro NMPB, verantwortet vom „B“ dieses Akronyms, Sascha Bradic, deutet diese Vorgabe um. Er stellt einen massiven Block auf seinen Bauplatz und nimmt dann wie ein Bildhauer Masse weg. Durch dieses umgekehrte Verfahren – Subtraktion statt Addition – entstehen drei unterschiedliche, schön proportionierte Innenhöfe und Terrassen, die gemeinsam das Herz der Anlage bilden. Die Wohnungen sind kompakt und gut nutzbar, verfügen über Balkon oder Loggia und bieten eine Vielfalt von Typen, fünf Maisonetten eingeschlossen. Das Haus hat eine repräsentative Eingangshalle mit tanzenden Säulen, die nicht nur den Kindern gefallen. Die Zugänge zu den Wohnungen sind großzügig, Lufträume verbinden die Geschoße und bringen Licht von oben. (Unter dem aktuellen Regime des Brandschutzes in Wien braucht es dafür einen besonderen Kampfgeist; an der Vorgabe, die Lufträume im Brandfall alle zwei Geschoße horizontal abzuschotten, hätten die meisten Planer resigniert.)

Und wo sind die Abstriche? Mehr als Stahlbeton, in Wärmedämmung verpackt, ist konstruktiv zu diesem Preis nicht zu haben; Sanitärbereiche und Küchen sind minimalistisch ausgestattet; die Balkone und Loggien entwässern über kleine Wasserspeier, die sich in der Fassade wichtigmachen, und die Details der Geländer sind mit „schlicht“ nur unzureichend beschrieben. Zumindest bei den Fenstern aus Holz und Aluminium wurde nicht gespart. Trotzdem: Für dieses Segment des geförderten Wohnbaus ist hier eine hervorragende Lösung entstanden, an der sich der „Gemeindebau neu“ zu messen haben wird.

16. November 2019Wojciech Czaja
Der Standard

Auf der Suche nach dem Rot im Himmelblau

Vergangene Woche wurde nach 15 Jahren Pause der erste neue Wiener Gemeindebau fertiggestellt. Wie viel hat der Barbara-Prammer-Hof in Oberlaa mit der einstigen Idee des Roten Wien zu tun? Ein Besuch vor Ort.

Vergangene Woche wurde nach 15 Jahren Pause der erste neue Wiener Gemeindebau fertiggestellt. Wie viel hat der Barbara-Prammer-Hof in Oberlaa mit der einstigen Idee des Roten Wien zu tun? Ein Besuch vor Ort.

Eine Wohnung im zweiten Stock, durch das Küchenfenster am Laubengang dringen Licht und Bohrmaschinengeräusche nach außen. „Ein Reporter also? Das heißt, ich komme in die Zeitung? Na dann kommen Sie herein und machen Sie es sich bequem!“ Željka Mašin, gebürtige Kroatin, ist vor einer Woche eingezogen. Ihr Handwerker, ein Kollege ihres Sohnes, montiert gerade die Oberschränke in der Küche. „Das Haus gefällt mir super“, sagt die 63-jährige Reinigungskraft, „es ist ruhig und so hellblau angemalt, da kann man schlafen wie ein Baby. Vor allem aber ist die Miete billig. Ich zahle 265 Euro für 35 Quadratmeter. Das ist echt okay.“

Mašin ist eine der ersten Bewohnerinnen, die nach 15 Jahren kommunaler Bautätigkeitspause in Wien letzte Woche wieder einen Schlüssel in eine neu errichtete Gemeindewohnung in die Hand gedrückt bekommen hat. Ihre Adresse: Fontanastraße 3, ein paar Gehminuten von der U1-Endstation Oberlaa entfernt. Wie bei den meisten Gemeindebauten des Roten Wien handelt es sich auch hier nicht bloß um ein Wohnhaus, sondern um einen Hof, der nach einer österreichischen Persönlichkeit benannt ist, in diesem Fall nach der 2014 verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Und wie schon damals prangen große rote Lettern über dem Eingang.

Der erste Gemeindebau in der Geschichte Wiens, der Metzleinstaler Hof in Margareten, wurde kurz nach dem Ersten Weltkrieg 1923 von Robert Kalesa und Hubert Gessner fertiggestellt. Der letzte Gemeindebau wurde 2004 in Liesing an seine Mieter übergeben. Von da an deckte die Stadt Wien ihren Bedarf an leistbaren Wohnungen für die breite Masse über die gemeinnützigen Bauträger ab. 2015 kündigte der damalige Bürgermeister Michael Häupl an, den Gemeindebau wieder zum Leben erwecken zu wollen. Die Gemeindewohnungen sind als Ergänzung zu den geförderten Bauträgerwohnungen gedacht – mit dem Unterschied jedoch, dass die Wohnungen im Eigentum der Stadt verbleiben und dass sich die Mieter dadurch den Eigenmittelanteil sparen, der bei manchen Bauträgerprojekten je nach Lage und Wohnungsgröße mitunter auf bis zu 40.000 Euro hochklettern kann.

„So viel? Ich glaube, das hätten wir uns nicht leisten können“, sagt eine Frau, die mit Mann und Tochter im dritten Stock wohnt und aus beruflichen Gründen anonym bleiben möchte. „Wir haben uns schon vor langer Zeit bei Wiener Wohnen um eine geförderte Wohnung beworben. Aufgrund unseres Haushaltseinkommens haben wir ganz gut ins Schema für den Gemeindebau gepasst. Wir zahlen knapp 620 Euro für 83 Quadratmeter. Die Wohnung ist extrem hell, und wir haben sogar eine Loggia und Terrasse.“ Aus ihrem Wohnzimmer blickt man in einen der drei Innenhöfe, um die herum die Anlage mit ihren insgesamt 120 Wohnungen gruppiert ist.

Wie viel Gemeinde im Bau?

„Mit circa 1350 Euro Baukosten pro Quadratmeter haben wir hier am denkbar untersten Budgetlimit gebaut“, sagt Saša Bradiæ, Partner im Wiener Büro NMPB Architekten. „Mehr als eine konventionelle Bauweise mit Stahlbeton, Wärmedämmung und Putzfassade ist da nicht drin. Das architektonische Spiel beschränkt sich auf das Himmelblau und auf ein paar Gestaltungsmittel wie etwa Fensterfaschen und schlossermäßige Balkongeländer.“ Nichts von alledem ist von umwerfender architektonischer Raffinesse, aber es zeugt von einer sozialen Sensibilität, dass NMPB die Energie nicht in technische Leitdetails hineinbutterte, sondern auf ein paar schöne Ideen wie etwa das gläserne Foyer und die drei Innenhöfe mit Parkbänken und Hochbeeten konzentrierte.

Für zwei Kunst-am-Bau-Projekte hat das Geld noch gereicht. Ingeborg Kumpfmüller steuerte eine baulich billige, aber visuell wirksame Arbeit bei, indem sie die Eingangsbereiche verflieste und mit Wortfragmenten aus dem Bereich der sozialen Nachhaltigkeit aufwertete: Erlebnis, Begegnung, Kommunikation, Gemeinschaft und Nachbarschaft. Und der italienische Keramikkünstler Elio Macoritto, ein Wunschkandidat der Stadt Wien, klatschte im Foyer eine feuerrote Hymne an Barbara Prammer von so unterirdischer Qualität an die Wand, dass man anfangen möchte, dem echten Roten Wien nachzuweinen.

Spätestens an dieser Stelle fragt man sich, während man an den Karl-Marx-Hof, an den Reumannhof, an den Sandleitenhof und an all die anderen expressionistischen Glanzlichter der Zwanziger- und Dreißigerjahre denkt, wie viel Gemeindebau im neuen Gemeindebau wirklich drinsteckt. „Ich sehe im Gemeindebau neu einen weiteren Mosaikstein am Wohnungsmarkt, der sich nicht maßgeblich vom bisherigen geförderten Wohnbau unterscheidet, dafür aber an eine spezielle Klientel gerichtet ist – und zwar unbefristet, kautionsfrei, komplett ohne Eigenmittel, und das alles um monatlich 7,50 brutto pro m2“, sagt Ewald Kirschner, Vorstandsdirektor der Gesiba und Geschäftsführer der neu gegründeten Wigeba, einer 100-prozentigen Tochter von Wiener Wohnen und Wien Holding.

Fazit: Mit der einzigartigen Gemeindebaukultur des vorigen Jahrhunderts teilt der neue Gemeindebau bestenfalls seinen Namen. Und seine roten Buchstaben über dem Portal. Ein Bekenntnis zum sozialen Gesamtkunstwerk wie anno dazumal wird man vergeblich suchen. Doch in Zeiten exorbitant steigender Wohnkosten, in denen sich die Einkommensschwächeren nicht einmal mehr den klassischen geförderten Wohnbau leisten können, ist der Gemeindebau neu immerhin ein Bekenntnis zum wirklich billigen Bauen – ganz okay und ohne jeden themenprogrammatischen Firlefanz. Die jungen Bewohner des Barbara-Prammer-Hofs wissen dieses Angebot zu schätzen. Mehr braucht es auch nicht.

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1