Pläne

Details

Adresse
Thurnfeldgasse 1a, 6060 Hall in Tirol, Österreich
Mitarbeit Architektur
Christian Farcher, Uta Giencke
Planungsvorgänger
Lois Welzenbacher
Bauherrschaft
Stadtwerke Hall
Bauphysik
Walter Prause
Lichtplanung
Conceptlicht
Weitere Konsulent:innen
Haustechnik: Tivoli Plan GmbH, 6020 Innsbruck
Haustechnik – Elektro-Planung: Eidelpes Elektrotechnik GmbH, Innsbruck
Licht-Planung: conceptlicht GmbH, Mils
Künstlerische Lichtgestaltung: Hans Weigand, Wien
Beschriftung: Ingeborg Kumpfmüller, Wien
ÖBA: BMO – Baumanagement Oswald & Partner, Hall
Maßnahme
Neubau, Umbau
Planung
2001
Ausführung
2002 - 2003

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

siehe auch

Turmhotel Seeber (heute: Parkhotel): von Lois Welzenbacher, 1931, Hall in Tirol (A)

Archbau

Genereller introtext zu Archbau der von nextroom geschrieben wird.

Archtour

Genereller introtext zu Archtour der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

22. Mai 2004Hubertus Adam
Neue Zürcher Zeitung

Ein Monument der Moderne

(SUBTITLE) Erweiterung von Lois Welzenbachers Meisterwerk in Hall

Vor Jahren noch vom Abriss bedroht, konnte das «Parkhotel» von Hall in Tirol, eines der raren Zeugnisse für die Hotelarchitektur des Neuen Bauens, überzeugend restauriert werden. Erweitert wurde das historisch wertvolle Gebäude durch einen Hotelturm der in Wien tätigen Architekten Dieter Henke und Marta Schreieck.

Vor Jahren noch vom Abriss bedroht, konnte das «Parkhotel» von Hall in Tirol, eines der raren Zeugnisse für die Hotelarchitektur des Neuen Bauens, überzeugend restauriert werden. Erweitert wurde das historisch wertvolle Gebäude durch einen Hotelturm der in Wien tätigen Architekten Dieter Henke und Marta Schreieck.

Es war weder Adolf Loos noch Josef Frank oder Ernst Anton Plischke, sondern der weniger bekannte Lois Welzenbacher, der 1932 die zeitgenössische Architekturavantgarde Österreichs im Rahmen der legendären Ausstellung «Modern Architecture» des MoMA repräsentierte - und zwar mit einem Wohnblock in Innsbruck. Tatsächlich zählt der 1889 in München geborene und dort an der Technischen Hochschule unter Theodor Fischer ausgebildete Architekt, welcher seit 1922 in Innsbruck praktizierte, zu den Vertretern seines Berufsstands, die sich am konsequentesten mit dem formalen Repertoire des «Neuen Bauens» auseinandersetzten und doch zu einer unorthodoxen Haltung fanden. Das Haus Heyrovsky, das Welzenbacher 1932 bei Zell am See über einem durch zwei sich schneidende Kurven gebildeten Grundriss errichtete, zählt mit seiner dynamischen Eleganz zu den Meisterleistungen einer organisch verstandenen Moderne.


Moderne Hotels im Alpenraum

Schon ein Jahr zuvor war in Hall in Tirol ein anderes Hauptwerk des Architekten fertig gestellt worden: das «Parkhotel Seeber», eines der wenigen Beispiele zeitgemässer Hotelarchitektur der zwanziger und dreissiger Jahre im Alpenraum. Auch wenn die Ideologie der Moderne mit ihrer Forderung nach Licht, Luft und Sonne, ihrer Verwurzelung im Hygienediskurs und ihrem Leitbild des sportlich aktiven Menschen einer touristischen Neuorientierung nach der Belle Epoque durchaus entsprach, wagten - kaum anders als heute - nur wenige Hotelbetreiber den formalen Bruch mit der zum baulichen Klischee geronnenen Alpenidylle. Zu den Ausnahmen zählten um 1930 Arnold Ittens Doppelhotel «Alpina-Edelweiss» in Mürren, Emil Fahrenkamps Hotel auf dem Monte Verità in Ascona, Gio Pontis «Albergo Sportivo Valmartello» in Südtirol, Franz Baumanns Hotel «Monte Pana» auf der Seiser Alp, das Welzenbacher-Hotel in Hall sowie die gattungsmässig verwandten Bauten des jüngst vorbildlich restaurierten Kurhotels «Bella Lui» in Crans-Montana von Rudolf Steiger und Flora Steiger-Crawford oder des Zürcher Kurhauses von Rudolf Gaberel in Davos Clavadel.

Anders als Ponti oder Baumann indes realisierte Welzenbacher sein Projekt nicht in der Abgelegenheit des Hochgebirges, sondern in einem urbanen Kontext, unmittelbar nördlich des Altstadtkerns der sechs Kilometer flussabwärts von Innsbruck gelegenen Stadt Hall in Tirol. Das Kurhaus, das der Architekt Hans Illmer - auch er ein Schüler Theodor Fischers - 1930 in einer zwischen Neoklassizismus und Moderne oszillierenden Diktion errichtet hatte, stand für den Versuch der Stadt, als Thermalsolebad und Wintersportort neue Besucherschichten zu erschliessen; Welzenbachers direkt hinter dem Kurhaus gelegenes Turmhotel komplettierte ein Jahr später die touristische Infrastruktur.

Nach verschiedenen Umbauten setzte mit der Schliessung der Saline 1967 auch der Niedergang des Hotels ein. Dreissig Jahre später erwarben die Stadtwerke Hall den heruntergewirtschafteten Welzenbacher-Bau. Es ist dem unermüdlichen Engagement der Wiener Architekten Inge Andritz, Feria Gharankhanzadeh und Bruno Sandbichler zu verdanken, dass eines der bedeutendsten baulichen Zeugnisse aus der Zeit der österreichischen Ersten Republik bewahrt werden konnte und dem drohenden Abriss entging. Die Initiative «Lois Welzenbacher - eine Chance für Tirol» fand in Fachkreisen Gehör, aber auch in der Stadt Hall selbst, und so entschlossen sich die Stadtwerke Hall, im Sommer 2001 einen Wettbewerb auszuschreiben. Ziele waren die Sanierung und die Revitalisierung des (seit längerem als Veranstaltungszentrum genutzten) Kurhauses und des Welzenbacher-Hotels sowie die Ergänzung des Ensembles durch Räumlichkeiten, die den Betrieb eines Viersternehotels mit Konferenzzentrum ökonomisch tragfähig machen würden. Zur Ausführung kam indes massgeblich auf Initiative der Betreiber nicht der mit dem ersten Preis bedachte Entwurf von Gerold Wiederin und Andrea Konzett, sondern das zweitrangierte Projekte von Dieter Henke und Marta Schreieck.

Zweifellos hatte Wiederin mit seinem Konzept die architektonisch sensiblere Lösung vorgelegt: Die geforderten zusätzlichen Hotelzimmer und Funktionsräume sollten in einem separaten Baukörper gebündelt werden, der die Abfolge von Kurhaus und Parkhotel als dritter Solitär fortgesetzt hätte und nur unterirdisch mit diesem verbunden worden wäre. Die dadurch entstehenden betriebstechnischen Probleme führten schliesslich zur Entscheidung, den kompakteren Entwurf von Henke & Schreieck umzusetzen. Die Wiener Architekten nutzten eine eingeschossige, pavillonähnliche Struktur, welche Kurhaus und Welzenbacher-Hotel miteinander verbindet und sich nördlich von diesem zum neuen, von Konferenzräumen umgebenen Hotelfoyer weitet. Darüber erheben sich die sieben Geschosse eines leicht konischen, sich von Stockwerk zu Stockwerk weitenden Hotelturms, der mit seinen 25 Metern den Welzenbacher-Bau leicht überragt. Die eigentliche Glasfassade verbirgt sich hinter umlaufenden Lamellenringen; sie dienen als Brisesoleils, verleihen dem Gebäude aber auch eine einheitliche Optik und unterstützen seine geometrische Körperhaftigkeit. Trotz der Nähe zum restaurierten Hotelturm von 1931 erscheint der Ergänzungsbau nicht aufdringlich; vom Stadtkern aus gesehen wirkt er wie eine Folie, vor der sich das neu erstrahlende Weiss des alten Hotels abhebt.


Geschwungene Volumen

Mag die Doppelturmstrategie auch gewöhnungsbedürftig sein, mag die Einbindung des Hotels auf Erdgeschossebene auch den ursprünglichen Intentionen des Architekten widersprechen: Die Wiedergewinnung des Welzenbacher- Hotels in seiner früheren Gestalt ist ein Gewinn. Denn das Äussere war lediglich in verstümmelter Form über die Jahrzehnte gekommen und liess nur noch einen schwachen Abglanz des ursprünglichen Baus erkennen. Jetzt hat man die seitlich bis zu zweieinhalb Meter überstehenden Balkone rekonstruiert, die so versetzt an der West-, Süd- und Ostseite des Turms angeordnet sind, dass eine Spiralbewegung entsteht, welche das ohnehin leicht geschwungene Volumen in virtuelle Bewegung versetzt. Die Drehbewegung kulminiert in der nun ebenfalls rekonstruierten Dachterrasse.

Als ein strahlendes Fanal der Moderne erhebt sich der Turm von Welzenbachers Parkhotel nördlich der wohlerhaltenen Altstadt von Hall, und er wirkt höher, als er mit seinen sechs Geschossen und gut zwanzig Metern in Wahrheit ist. Die Weiternutzung erforderte die unvermeidlichen Eingriffe: So wurden aus jeweils drei Zimmern zwei, um Platz für Bäder zu schaffen. Grundsätzlich haben Henke & Schreieck all dies mit Geschick und Respekt getan. Zu den 24 Zimmern des Altbaus passt das klassisch-moderne Mobiliar, während die 35 Zimmer des neuen Turms auf angenehme Weise zeitgemässen Designer-Chic ausstrahlen. Geschosshohe Verglasung entschädigt hier für die Balkone, die sich nur am Altbau finden. Und die Ringsumorientierung des neuen Turms stört nicht, da sich in alle Richtungen attraktive Ausblicke ergeben: auf den Welzenbacher-Bau, auf die Altstadt von Hall, auf das Inntal und auf das Massiv der Nordkette.

27. Juni 2003Liesbeth Waechter-Böhm
Spectrum

Lust auf Torte?

Lois Welzenbachers Parkhotel in Hall/Tirol war gleichzeitig an heutige Bedürfnisse anzupassen wie in seinem ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Wie Henke|Schreieck die Quadratur des Kreises schafften.

Lois Welzenbachers Parkhotel in Hall/Tirol war gleichzeitig an heutige Bedürfnisse anzupassen wie in seinem ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Wie Henke|Schreieck die Quadratur des Kreises schafften.

Es war schon im Wettbewerbsverfahren ein ungewöhnliches, ein riskantes Konzept, das Dieter Henke und Marta Schreieck vorgeschlagen haben, als es um die Instandsetzung und vor allem die Erweiterung des Turmhotels Seeber, später Parkhotel, von Lois Welzenbacher in Hall/Tirol ging. Denn vom Welzenbacher-Bau (1930/31) war der eigentliche Korpus zwar noch da, aber er war an der einen Seite, Richtung Kurmittelhaus, so zugebaut, dass man ihn als Turm kaum noch wahrnehmen konnte. Und das von außen so Besondere der an den Gebäudeecken weit vorkragenden Balkone, die den Eindruck einer Drehbewegung vermittelten, mit der sich das Haus optisch gewissermaßen aus der Erde herausschraubt, das gab es nicht mehr. Die hatte man irgendwann abgeschnitten. Der frei stehende Turm von Welzenbacher war also in seiner turmartigen Wirkung schon extrem reduziert. Und dann noch der Vorschlag von Henke[*]Schreieck: neben den kleinen Turm Welzenbachers einen zweiten, größeren zu setzen!

Der schöne Kurpark, gleich angrenzend an die wundervolle Altstadt von Hall, auf einem ansteigenden Gelände gelegen, begrenzt auf der einen Seite durch das Kurmittelhaus von Hans Illmer (ebenfalls 1930/31) und daneben, aber abgesetzt das Turmhotel von Welzenbacher: In einem solchen Umfeld einen Erweiterungsbau zu realisieren, der nicht das gesamte Grünareal „auffrisst“, der den Welzenbacher nicht tangiert, der ja im Gegenteil frei gelegt und im ursprünglichen Zustand wieder hergestellt werden sollte, gleichzeitig aber eine Verbindung zwischen Neubau, Welzenbacher und Kurmittelhaus zu schaffen, das war das Kunststück. Und erschwerend kam dann noch dazu, dass eine gewaltige Erweiterung der städtischen Tiefgarage unter dem Parkareal gefordert war.

Dass das alles geht, davon kann man sich jetzt überzeugen. Noch ist das Kurmittelhaus zwar eingerüstet, weil es geputzt wird, und die Grünanlagen, die durch den Tiefgaragenbau ziemlich gelitten haben, sind erst im Entstehen (Grünplanung: Auböck/Karasz), aber dass hier ein ausgesprochen spannendes Gebäudeensemble entstanden ist, darüber lässt sich nicht streiten.

Der Turm neben dem Turm: der neue rund, 23 Meter hoch und fast schwarz; der alte quadratisch, niedriger und ganz weiß. Und alles verbunden durch ein Sockelbauwerk, das im Neubau ins ansteigende Gelände eingebettet ist und bis hinunter zum Kurmittelhaus in einer großzügigen, aber nicht aufdringlichen Geste alle Bauten verbindet.

Henke[*]Schreieck haben das neue Haus konisch geplant, ein bisschen wie einen Trichter, der sich nach oben verbreitert und rundum verglast ist. Und diese Verglasung wiederum ist eingepackt in ganz regelmäßig geschichtete Lamellen, die die Rundung erst herstellen, denn die Glashaut selbst konnte aus ökonomischen Gründen natürlich nicht gebogen sein; gleichzeitig dienen die Lamellen der Beschattung und dem Sichtschutz.

Die verglaste Fassade macht die Zimmer von der Decke bis zum Boden vollkommen auf - der Ausblick ist in alle Richtungen sensationell, ob man jetzt die Nordkette oder die Altstadt von Hall oder auch den Welzenbacher vor Augen hat. Auf diesen visuellen Mehrwert wollte man einfach nicht verzichten, noch dazu, wo man ja auf Balkone bewusst verzichtet hat, um den Welzenbacher-Bau, dessen Charakteristikum die Balkone sind, auf keinen Fall zu konkurrenzieren.

Die Hotelzimmer im Neubau haben durch die runde Gebäudeform eine Art „Tortenstück“-Zuschnitt. Das klingt vertrackter, als es tatsächlich ist: Dadurch, dass sich jedes Zimmer zur Aussicht, zum fantastischen Panorama hin öffnet, erweitert sich der Innenraum sozusagen virtuell. Im Welzenbacher-Haus bedurfte es da schon größerer Anstrengungen, um auf einen Standard zu kommen, der einer heutigen Vier-Sterne-Kategorie entspricht. Denn da musste man in einer Drei-Zimmer-Abfolge jeweils das mittlere Zimmer streichen und für räumlich versetzte Badezimmer nutzen.

Das alte Parkhotel hat dem Bauherrn und den Architekten überhaupt einiges aufzulösen gegeben. Ursprünglich wusste ja gar niemand wirklich etwas mit diesem wunderbaren Zeugnis einer regional infiltrierten, gleichwohl internationalen Moderne anzufangen. Die Stadt Hall hat es zwar gekauft - aber was tun damit? Es waren Architekten, nämlich Inge Andritz, Feria Gharakhanzadeh und Bruno Sandbichler, die bei der Stadt vorstellig wurden, um auf die Bedeutung des Welzenbacher-Hauses aufmerksam zu machen. Konsequenz ihrer Initiative war ein EU-weites Auswahlverfahren und ein Wettbewerb unter 15 Teilnehmern. Den hat allerdings das Team Wiederin-Konzett gewonnen, das einen nur viergeschoßigen Neubau vorschlug, der aber entsprechend mehr Grundfläche im Park verbraucht hätte, weil sich ja am Umfang des Programms nichts geändert hat. Henke[*]Schreieck waren damals Zweite. Das Hauptproblem beim Projekt von Wiederin-Konzett war, dass sie die Verbindung der einzelnen Baukörper ausschließlich unterirdisch geplant hatten und davon auch nicht abgerückt sind. Während der Betreiber - verständlicherweise - argumentierte, dass eine Tunnelverbindung für ein Vier-Sterne-Hotel nicht zumutbar sei und es obendrein eine Restaurantlösung geben müsse, die alle Bauten gleichermaßen bedient und obendrein für ein externes Publikum attraktiv ist, sind doch die Haller früher auch ins Parkhotel speisen gegangen.

Bevor Henke[*]Schreieck, als ursprünglich Zweitgereihte, den Auftrag akzeptierten, bestanden sie auf einer neuerlichen Jury-Sitzung, bei der die verschiedenen Standpunkte, natürlich vor allem der Betreiber, gehört wurden. Erst dann kam es zur jetzigen Lösung.

Wie schwierig die Sanierung des Welzenbacher-Hauses werden sollte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Die Zimmer waren heutigen Anforderungen anzupassen, so viel war klar. Aber kein Mensch konnte ahnen, dass etwa die Bewehrung in den Balkonplatten auf der falschen Seite lag, dass sie statisch nicht sicher waren. Da war ein ungeheurer Aufwand nötig - und der wurde immer größer, wo immer man auch hingefasst hat.

Das ist aber jetzt alles geschafft. Man weiß beim besten Willen nicht, was man jemandem raten soll: im Welzenbacher zu logieren oder im Neubau. Ich habe im Neubau gewohnt, mit Blick auf die Nordkette, den Welzenbacher habe ich besichtigt, immer und immer wieder. Ich habe die feinen, sehr, sehr feinen Eingriffe von Henke[*] Schreieck bewundert, etwa wie sie die viel zu niedrigen Geländer im Stiegenhaus „aufgedoppelt“ haben, ohne den Charakter zu zerstören. Und ich muss sagen, dass die Abfolge Hotelhalle - Bar - Frühstücksraum - Restaurant, allem vorgelagert eine großzügige Terrasse mit Restaurantbetrieb, aufs selbstverständlichste funktioniert. Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn man nicht darüber nachdenkt, wie es einmal war, wie es hätte sein können. Solche Fragen stellen sich beim Parkhotel gar nicht. Nein, was man als Eindruck mitnimmt, kann nur sein: So ist es, und anders soll es gar nicht sein.

13. Oktober 2001Christian Kühn
Spectrum

Provokation und Konus

Wie behaust man den Menschen des 21.Jahrhunderts angemessen? Und warum findet das breite Publikum die Antworten der klassischen Moderne auf diese Frage scheußlich? Und was hat das alles mit Revitalisierung und Erweiterung von Lois Welzenbachers Turmhotel Seeber in Hall in Tirol zu tun?

Wie behaust man den Menschen des 21.Jahrhunderts angemessen? Und warum findet das breite Publikum die Antworten der klassischen Moderne auf diese Frage scheußlich? Und was hat das alles mit Revitalisierung und Erweiterung von Lois Welzenbachers Turmhotel Seeber in Hall in Tirol zu tun?

Das Wissen der Europäer über ihre Architekturgeschichte wird sich mit der Einführung des Euro schlagartig erhöhen: Die neuen Geldscheine zeigen einen Querschnitt dessen, was in der EU gerne als unser „architektonisches Erbe“ bezeichnet wird. Auf den Vorderseiten der Scheine finden sich Portale und Fenster, auf den Rückseiten Brückenbauwerke jeweils einer Epoche. Eine eigenwillige Stilgeschichte führt von der „Klassik“ auf dem Fünf-Euro-Schein über Romanik, Gotik und Renaissance zu Barock und Rokoko, dann etwas holprig zur „Eisen- und Glasarchitektur“ und schließlich, auf dem 500-Euro-Schein, zur „modernen Architektur des 20.Jahrhunderts“. Eine besondere Herausforderung für die Gestaltung bestand darin, keine spezifischen Objekte abzubilden – wodurch einzelne Länder bevorzugt worden wären –, sondern generelle, aus verschiedenen Vorbildern abgeleitete Typen. Wenn man bedenkt, daß derartige Generalisierungen immer schwächer sein müssen als konkrete Einzelobjekte, ist es dem österreichischen Banknotengestalter Robert Kallin für die meisten Epochen leidlich gelungen, generische Stilbeispiele zu schaffen. Nur bei der „modernen Architektur des 20.Jahrhunderts“ ist dieser Versuch derart mißglückt, daß man über die eher geringe Verbreitung der 500-Euro-Scheine froh sein muß: Eine Stahl- und Glasfassade, die verdächtig an eine Brüsseler Tintenburg erinnert, wird von einem im Schrägriß abgebildeten Portal überlagert, das in seiner gestalterischen Unbedarftheit dem Katalog eines Baumarkts entsprungen sein könnte.

Diese Darstellung ist symptomatisch für ein Grundmißtrauen gegenüber der Architektur des 20.und wohl auch des 21.Jahrhunderts, das in Österreich deutlicher zu spüren ist als in anderen europäischen Ländern. Das liegt nicht etwa daran, daß es hierzulande gröbere Fehlleistungen der Moderne gegeben hätte als anderswo. Eher im Gegenteil: Die klassische Moderne in Österreich war selbstkritischer und reflektierter als der europäische Durchschnitt. Architekten wie Adolf Loos und Josef Frank sahen ihre Aufgbe nicht in der Zerstörung aller Tradition, sondern darin, den Menschen des 20.Jahrhunderts mit seinen – wie Loos sich ausdrückte – unumkehrbar „modernen Nerven“ angemessen zu behausen. Daß dabei viele Traditionen zum Einsturz kamen, erschien ihm als evolutionäre Notwendigkeit. Auch die Auswüchse des „Bauwirtschafts-Funktionalismus“ nach dem Zweiten Weltkrieg – in formaler Hinsicht eine brutale Vergröberung der klassischen Moderne – waren hierzulande weniger dramatisch als etwa in Deutschland.

Es muß also einen anderen Grund haben, daß die breite Mehrheit österreichischen Publikums Bauten der klassischen Moderne schlicht scheußlich findet. Am ehesten ist dieser Grund in der für österreichische Verhältnisse unerhörten Provokation zu finden, diese Gebäude nach wie vor ausstrahlen: Sie sind Symbolbauten einer Kultur, die schöpferisch sein möchte, ohne sich permanent an großen Vorbildern der Vergangenheit zu messen. Wer Zweifel daran hat, daß derartiges heute noch eine Provokation des „gesunden Volksempfindens“ ist, braucht nur die Kulturdebatten im Hohen Haus zu verfolgen, wo im vergangenen Jahr die Kultursprecherin der Freiheitlichen Partei – im Hauptberuf Fachärztin – ihre Rede folgendermaßen eröffnete: „Meine Damen und Herren! Österreich ist eines der traditionsreichsten Länder, was Kunst und Kultur betrifft. Sogar die Venus von Willendorf, eines der ältesten Kunstwerke der Welt, wurde in Österreich gefunden. Solch historischer Tiefgang verbindet sich gern mit dem Wunsch, ganz vorne dabei zu sein. Das Resultat ist jener Apetit auf Alt-Neu, vorsichtig auf kleiner Flamme gekocht und lauwarm serviert, der heute als typisch wienerisch bezeichnet werden muß und beispielsweise die Gasometer und das Museumsquartier hervorgebracht hat.

Als Provokation dieser Haltung und nicht nur wegen ihrer Seltenheit sind die Baudenkmäler der klassischen Moderne in Österreich schützenswertes Kulturgut ersten Ranges. Aus der Zeit nach 1918 sind hierzulande nur wenige Beispiele jener Richtung erhalten, die von den Architekturhistorikern Henry Russel-Hitchcock und Philip Johnson in ihrer im Wortsinn epochemachenden New Yorker Ausstellung des Jahres 1932 als „internationaler Stil“ bezeichnet wurde. Meist weiß verputzt, flach gedeckt und mit Bandfenstern belichtet, zeigten diese Bauten genug Gemeinsamkeiten, um daraus einen neuen Stil zu konstruieren. Als einziger Österreicher fand der Tiroler Lois Welzenbacher mit zwei Bauten Aufnahme in die New Yorker Ausstellung: mit dem Haus Schulz in Krefeld (1928/29) und dem Haus Treichl in Innsbruck (1929/31), beide heute durch Umbaumaßnahmen zerstört. Das eigentliche Hauptwerk Welzenbachers aus dieser Periode ist jedoch das Turmhotel Seeber in Hall in Tirol, 1930/31 für einen privaten Auftraggeber unmittelbar neben dem kurz zuvor entstandenen Kurhaus im Stadtpark errichtet.

Im kollektiven Gedächtnis der österreichischen Architektur ist dieses Gebäude vor allem durch eine Entwurfsskizze und eine Reihe hervorragender Photographien präsent, mit denen Welzenbacher seinen Entwurf nicht einfach abbildete, sondern unter verschiedenen Lichtverhältnissen und Perspektiven analysierte. Der knapp 25 Meter hohe, sechsgeschoßige Turm ist im Grundriß annähernd quadratisch, wobei allerdings zwei gegenüberliegende Seiten leicht gekrümmt sind, wodurch einmal eine konkave und einmal eine konvexe Fassade entsteht. Vor diesen Fassaden sind schmale Balkone geführt, die sich an den Ecken vom Baukörper lösen und frei auskragen. An der Westfassade löst sich schließlich der blockhafte Kern des Gebäudes in Flächen auf, die symmetrisch über Ecken gezogen sind und das windmühlenartige Spiel der auskragenden Balkone unterstützen.

Weder die gekrümmten Fassaden noch das freie Spiel der Balkone haben etwas mit Funktion zu tun: Welzenbacher lotet hier – Guiseppe Terragni viel näher als den Bauhaus-Funktionalisten – in manieristischer Weise die Möglichkeiten der neuen Architektur jenseits funktionalistischer Scheinzwänge aus. Daß Russel-Hitchcock und Johnson nicht dieses, sondern das zeitgleich fertiggestellte Haus Treichl in ihre Publikation aufnahmen, ist kein Zufall: Welzenbacher bricht im Turmhotel Seeber beinahe unmerklich alle Codes des Funktionalismus, an denen die Autoren die Moderne festmachen wollten. Derartige Überlegungen zum Turmhotel Seeber ließen sich bislang nur anhand von Skizzen und zeitgenössischen Photos anstellen: Das Haus selbst ist seit 1945 kontinuierlich heruntergekommen, die Dachterrasse zugebaut, die auskragenden Balkone abgeschnitten, durch mehrere Anbauten und eine bräunliche Färbelung bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

1997 kaufte die Stadt Hall das desolate Gebäude, um es mit einer Erweiterung als Seminarhotel zur Ankurbelung des Tourismus zu nutzen. Bruno Sandbichler, Gharakhanzadeh und Inge Andritz, die als Architekten eines Schulzentrums in Hall ein erstklassiges Beispiel für die neue Vitalität der Tiroler Baukultur realisieren konnten, erfuhren von dem Vorhaben und konnten die Gemeinde davon überzeugen, das einfältige Projekt ihres touristischen Beraters zu sistieren und einen Wettbewerb auszuschreiben, indem die Revitalisierung des Turmhotels und seine Verbindung mit der zu schaffenden Erweiterung ein zentrales Kriterium darstellte. (Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß diese Überzeugungsarbeit eine österreichweite Unterschriftenaktion für die Erhaltung des Hotels, ein kleines Symposium sowie eine Exkursion mit Gemeindevertretern und dem Leiter des Architekturforums Tirol zu neuen Hotelbauten in der Schweiz einschloß.)

Der erste Preis im Wettbewerb ging einstimmig an Gerold Wiederin und Andrea Konzett: Sie schlugen einen frei im Park stehenden, im Grundriß leicht trapezförmig verzerrten Block mit einer strengen Fassadengliederung vor, die allerdings durch ein leichtes Zurückspringen der inneren Glasfassade von den Ecken zur Mitte hin gelockert ist. Welzenbachers subtile Behandlung der Fassaden wird hier ohne jede Anbiederung weitergedacht. Auf den zweiten Rang kamen Dieter Henke und Marta Schreieck mit dem Projekt eines kreisrunden, leicht konischen Turms mit Glasfassade und Metalllamellen, der Welzenbachers Turm noch um ein Stück überragt.

Die Vertreter des Bauherrn in der Jury verlangten einige funktionelle Änderungen am Projekt von Wiederin/ Konzett, die Fachjuroren schlugen vor, diese Überarbeitung der Jury nochmals vorzulegen. Eine solche zweite Vorlage eines ersten Preises dient vor allem dem Schutz des Projekts vor Zudringlichkeiten des Bauherrn: Wiederin/ Konzett konnten die Anbindung zwischen Neubau und Turmhotel konzeptionell schlüssig umsetzen, die geforderte Verbindung zum Kurhaus mit einem Küchentrakt, die eine beidseitige Umklammerung des Turmhotels mit Ergänzungen zur Folge hat, verweigerten sie jedoch. Statt dessen versuchten sie, unterstützt von Fachberatern aus dem Hotelmanagement, den Bauherrn von organisatorischen Alternativen zu überzeugen. Der Bauherr hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits die Zweitgereihten zur Überarbeitung ihres Projekts eingeladen. Henke/Schreieck willigten ein, forderten allerdings, daß die Jury beide Überarbeitungen begutachte. Die Architekten in der Jury wollten mehrheitlich an ihrer ursprünglichen Entscheidung für den ersten Preisträger festhalten, wurden aber schließlich überstimmt.

Welzenbachers Turm wird also einen jüngeren Bruder aus Stahl und Glas erhalten, der sich der architektonischen Konkurrenz durch die Auflösung der Tektonik ins Objekthafte geschickt entzieht. 2003, zur 700-Jahr- Feier der Stadt Hall, wird man sich, wenn alles läuft wie geplant, davon überzeugen können, ob dieses Konzept aufgegangen ist.



verknüpfte Bauwerke
Turmhotel Seeber (heute: Parkhotel)

18. August 2001Ute Woltron
Der Standard

Ohne Titel

Der famose und unbedingt empfehlenswerte amerikanisch-britische Reiseautor Bill Bryson beschreibt eine seiner Begegnungen mit einer jener Durchschnittshotelgrauenhaftigkeiten,...

Der famose und unbedingt empfehlenswerte amerikanisch-britische Reiseautor Bill Bryson beschreibt eine seiner Begegnungen mit einer jener Durchschnittshotelgrauenhaftigkeiten,...

Der famose und unbedingt empfehlenswerte amerikanisch-britische Reiseautor Bill Bryson beschreibt eine seiner Begegnungen mit einer jener Durchschnittshotelgrauenhaftigkeiten, wie sie heute überall am Rande idyllischer Buchten und Städte zu hocken pflegen - in diesem Fall im schönen Südstaatenstädtchen Savannah - folgendermaßen: „Ein bedrückender Anblick. Bei dem massiven Betonklotz handelte es sich um ein Produkt jener architektonischen Schule, deren Baumeister nach dem Grundsatz Leckt-mich-doch-alle-am-Arsch die Landschaft verschandeln. Nichts an diesem Bau, weder seine Größe noch sein Erscheinungsbild, passte sich in irgend einer Weise den alten Gebäuden seiner Nachbarschaft an. Der ganze Bau schien sagen zu wollen: ,Du kannst mich mal, Savannah.'“

Savannah ist mittlerweile überall, wo sich Touristen hin verirren, und die Tradition, Liebe, Kultur, Muße und Geschmack - jawohl, Geschmack - in neue Hotelarchitekturen fließen zu lassen, tröpfelt eher spärlich in das alles verschlingende Meer der Hyatt Regencys, Intercontinentals und Holiday Inns. Umso erfreulicher ist die Botschaft, die zu berichten wir an dieser Stelle nun das Vergnügen haben: Heimlich und nur von architektonischen Insidern als solche erkannt, hat eine angetagte und entsprechend nur mehr matt schimmernde Hotelperle in Hall in Tirol die Zeiten von 1931 bis heute überdauert. Das Warten hat sich ausgezahlt, der vormals ausnehmend elegante, von diversen Um- und Zubauten allerdings etwas ramponierte Bau von Lois Welzenbacher wird demnächst restauriert, erweitert, neu belebt. Er wird, wohlgemerkt, nicht weggerissen und durch einen Standardklotz ersetzt, sondern gerettet und zu altem Glanze aufpoliert.

Zu verdanken ist das natürlich keiner internationalen Hotel-, sondern einer kleinen Architektengruppe, die das abgewrackte einstige Kurflaggschiff der Region dauerte, weshalb Unterschriften und Unterstützungsschreiben gesammelt, Ausstellungen, Homepages und Kongresse zum Thema organisiert wurden, so lange, bis etwas erreicht war, was in der Architektur so selten ist wie ein geschmackvolles Bild an einer Hilton-Hotelzimmerwand: Konsens.

Mittels eines Architekturwettbewerbes (DER STANDARD hat über die Vorgeschichte berichtet) entschied man schließlich diese Woche, dass das in Wien ansässige Tiroler Architektenteam Marta Schreieck und Dieter Henke den Welzenbacher-Komplex zu einer Vier-Sterne-Seminarhotel-Anlage umbauen werden: „Die ursprüngliche räumliche Konzeption des Parkhotels wird durch den Abbruch aller Zu- und Einbauten annähernd in den Originalzustand versetzt. Dem bestehenden Turmhotel wird ein zweiter kreisrunder Solitärkörper hinzugefügt. Das neue Gebäude ist auf Grund seiner Geometrie und seiner architektonischen Gestaltung als Gesamtform lesbar, wodurch die sensible Gliederung des von Welzenbacher gebauten Hotels nicht gestört, sondern vielmehr verstärkt bewusst gemacht wird.“

Lois Welzenbacher (1889 - 1955) verkörperte seinerzeit das Gegenteil der forschen Leckt-mich-und-so-weiter-Architekturmentalität, die Bill Bryson angesichts der unsensiblen Blockherbergen anprangert. Der Tiroler inhalierte quasi das räumliche Umfeld seiner Baustellen und komponierte zu den natürlichen Umgebungsharmonien seine eigene Architekturmusik dazu. Er verwob dabei Bodenständiges mit den klaren Klängen der Moderne und spielte sich damit in die allererste Architektenliga, die im Österreich des vergangenen Jahrhunderts den Ton angab. Nur wenige, viel zu wenige seiner Bauten sind erhalten. Das ehemalige Turmhotel der Familie Seeber, seit etwa vier Jahren im Besitz der Stadt Hall, kann, wenn man jetzt auch seinen neuen Architekten die nötige Kompositionsfreiheit lässt, ein aufregender Wohlklang aus Alt und Neu werden. Die Stadt Hall und ihr Bürgermeister Leo Vonmetz darf sich eines Architekturjuwels rühmen, die Architektengruppe, die sich so engagiert hat, verdient den entsprechenden Architekturorden.

1999 hatte sich die Initiative Lois Welzenbacher - Eine Chance für Hall in Tirol formiert, die Gründer waren Feria Gharakhanzdaeh, Inge Andritz und Bruno Sandbichler. Ihre Bemühungen wurden vom Architektur Zentrum Wien (www.azw.at), nextroom - architektur im netz (www.nextroom.at) sowie silverserver (www.sil.at) unterstützt. Auf der Homepage der Initiative, anzusurfen unter http://welzenbacher.sil.at, wird man nicht nur über die Aktion und ihre zahlreichen Unterstützer informiert, man kann auch historische Aufnahmen des Hotels besichtigen und über die Person des Architekten Welzenbacher sowie seinen Einfluss nachlesen. „Je stärker der Pulsschlag einer Zeit ist, umso stärker macht sich sein Pochen beim Schaffen geltend“, hatte er seinerzeit niedergeschrieben: „Starke Individuen bilden starke Werke, gehen eigene Wege, drücken ihren Erzeugnissen unverkennbar den Stempel einer persönlichen Eigenart auf.“ Die riesigen Kommerzhotelkisten, die mit ihrer persönlichen Eigenart das Grauens ihrerseits in die Landschaft stempeln, werden mit dem neuen Welzenbacher-Henke&Schreieck-Seminarhotel in Hall eine feine Konkurrenz bekommen.

Produkte

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1