Details

Adresse
Hardstrasse 211, 8005 Zürich, Schweiz
Mitarbeit Architektur
Wettbewerb:
Stefan Thommen
Planung/Ausführung:
Teamleitung: Stefan Thommen
Projektleitung: Stefan Thommen, Christoph Rothenhöfer (bis
04/2007), Christian Maggioni und Pieter Rabijns (ab 11/2007)
Planung/Ausführung: Franziska Bächer, Armin Baumann,
Raffaela Bisceglia, Martin Bischofberger, Urs Meyer,
Leander Morf, Karla Pilz, Roberto Outumuro, Rafael Schmid,
Karin Schultze, Alex Zeller
Bauherrschaft
Swiss Prime Site AG
Fotografie
Hans Ege
Weitere Konsulent:innen
ELT: Hefti Hess Martingnoni, Zürich
HK, MSRL: PB P. Berchtold, Sarnen
Lüftung: Hans Abicht AG, Zürich
Sanitär: GRP Ingenieure, Rotkreuz
Brandschutz: Gruner AG, Basel
Bauphysik: Bakus, Zürich
Verkehr: Enz & Partner GmbH, Zürich
Fassade: REBA Fassadentechnik AG, Chur
Farbgestaltung/Kunst am Bau: Adrian Schiess, Zürich und Mouans-Sartoux (F); Harald F. Müller, Öhningen (D)
Totalunternehmung: ARGE Prime Tower, Losinger Construction AG und Karl Steiner AG
Wettbewerb
2004
Planung
2004
Fertigstellung
2011
Bruttogeschossfläche
74.500 m²

Publikationen

Archfoto

Genereller introtext zu Archfoto der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

04. November 2011Jutta Glanzmann
TEC21

Flirrender Koloss

Nach rund 36 Monaten Bauzeit haben die ersten Mieter den Prime Tower auf dem Maag-Areal in Zürich bezogen. Die Lage des Gebäudes am Bahnhof Hardbrücke, seine vielgestaltige Fassade und seine Einbettung in die unmittelbare Umgebung überzeugen. Auch die Erdgeschossnutzungen des Hochhauses und seiner drei Nachbarbauten, alle von Gigon / Guyer Architekten entworfen, sind umsichtig gewählt.

Nach rund 36 Monaten Bauzeit haben die ersten Mieter den Prime Tower auf dem Maag-Areal in Zürich bezogen. Die Lage des Gebäudes am Bahnhof Hardbrücke, seine vielgestaltige Fassade und seine Einbettung in die unmittelbare Umgebung überzeugen. Auch die Erdgeschossnutzungen des Hochhauses und seiner drei Nachbarbauten, alle von Gigon / Guyer Architekten entworfen, sind umsichtig gewählt.

In der Ausstellung «Hochhaus – Wunsch und Wirklichkeit», die noch bis am 2. Januar 2012 im Museum für Gestaltung Zürich zu sehen ist (vgl. S. 18), zeigt eine Luftbildaufnahme des Zürcher Industriequartiers links und rechts der Hardbrücke, wie es 1998 ausgesehen hat: Am Escher-Wyss-Platz steht noch kein Bluewin-Hochhaus, der Turbinenplatz ist im Bau, und auf dem Steinfelsareal ist die erste Umbauetappe gerade erkennbar. Dreizehn Jahre später hat sich das Quartier stark verändert. Zahlreiche Neu- und Umbauprojekte wurden fertiggestellt oder sind noch im Bau. In kürzester Zeit ist das Gebiet als Ergänzung zur Innenstadt zu einem Zentrum Zürichs geworden, was sich nicht zuletzt an der veränderten Bevölkerungsstruktur offenbart (vgl. Kasten und Abb. S. 54).

Blieben die baulichen Veränderungen lange Zeit in der Fläche und waren entweder nur vor Ort oder aus der Höhe erkennbar, hat sich das mit dem Bau des Prime Tower und des benachbarten Mobimo Tower schlagartig geändert; das Quartier hat eine neue Dimension erhalten und beginnt, sich in die Höhe zu entwickeln. Vor allem der Prime Tower, mit 126 m das zurzeit höchste Gebäude der Schweiz, macht die Veränderung weithin sichtbar. Bereits die Baustelle konnte stadtweit beobachtet werden. Schicht um Schicht wuchs das Haus zunächst in die Höhe, um dann mit einer gläsernen Haut umgeben zu werden und die Stadtansicht Zürichs neu zu prägen. Die Architekten haben das Volumen des Turmes so gestaltet, dass er abhängig vom Standpunkt sehr unterschiedlich wahrgenommen wird: in der Verlängerung der Hardbrücke als schlanke Silhouette, die sich je nach Lichtsituation fast aufzulösen scheint, im Fluss des Gleisfeldes als breiter Rücken, der sich dem Strom des Limmattals entgegenstellt. Manchmal taucht das Gebäude ganz unerwartet im Blickfeld auf und wirkt so gar nicht wie ein hohes Haus – zum Beispiel, wenn man im Tram 4 oder 13 vom Hauptbahnhof Richtung Escher-Wyss-Platz sitzt.

Kaum fassbares Bild des gläsernen Körpers

Steht man am Fuss des Prime Tower, geschieht etwas Merkwürdiges: Das Hochhaus wirkt weniger gross als aus der Ferne. Man spürt zwar die Höhe, aber sie erdrückt einen nicht. Das mag mit dem unregelmässigen Achteck als Grundrissform zusammenhängen – und mit den Auskragungen, die das Volumen nach oben weiter werden lassen, in der Höhe gliedern und es zu den umgebenden Gebäuden sowie zur unmittelbar angrenzenden Hardbrücke in Beziehung setzen. Nur eine der acht Fassadenflächen liegt von ganz unten bis ganz oben in derselben Ebene. Ausgangslage für die Entwicklung der Grundform war im Rahmen des international ausgeschriebenen Wettbewerbs, den Gigon / Guyer Architekten 2004 gewonnen haben, die Suche nach einem Grundriss, der ein Maximum an optimal belichteten Arbeitsplätzen ergibt und gleichzeitig ein einprägsames Volumen erzeugt. Dies dokumentieren die Arbeitsmodelle, die gegenwärtig im Rahmen der eingangs erwähnten Ausstellung zu sehen sind. Das ebenfalls gezeigte Situationsmodell transportiert den zweiten Entwurfsschwerpunkt, der auch bereits im Wettbewerbsprojekt bestand: die Konzeption des Gebäudes als «gläsernen Stalaktiten» und vertikalen Gegenstücks zur bestehenden Bebauung, der es sich trotz aller räumlichen Integration damit auch entzieht.

Annette Gigon und Mike Guyer haben dieses Bild der gläsernen Haut kompromisslos und äusserst präzise umgesetzt. Vom Sockel bis zum Dachabschluss bilden die rechteckigen, geschosshohen Fensterelemente, die nach aussen rahmenlos erscheinen, eine glatte Aussenhülle. Je nach Witterung oder Lichtsituation changiert diese zwischen Dunkelgrün, manchmal fast Schwarz bis zu einem ganz hellen Blaugrün. Dabei erinnert die facettenreiche Aussenhülle, die einmal gestochen scharf und dann wieder flirrend in Erscheinung tritt, an die Spiegelung eines Gewässers. Die unterschiedlich ausgerichteten Fassadenflächen lösen das Gebäude in ein Mosaik von Spiegelungen auf und generieren eine verblüffende Vielfalt von Bildern. Je nach Reflexion hebt sich das Gebäude hart von seiner Umgebung ab oder verschwindet fast vollständig darin. Jedes zweite bis dritte Fenster kann zu Lüftungszwecken ausgestellt werden, was aus der Distanz zu einem pixelartig wechselnden Fassadenbild führt.

Diese Möglichkeit, Fenster zu öffnen, ist ein in Hochhäusern seltener Komfort, der indes auch die feuerpolizeilich vorgeschriebene Möglichkeit der Entrauchung nach einem Brandfall unterstützt (vgl. Kasten S. 34). Damit ist die Stadt im Prime Tower nicht nur visuell, sondern auch mit ihren Geräuschen präsent. Gleichzeitig bildet sich das Innenleben des Gebäudes nach aussen ab: Bürotrennwände, offene und geschlossene Fenster, der innen liegende Sonnenschutz und die Beleuchtung machen es jetzt, nachdem die ersten Bürogeschosse bezogen sind, weithin sichtbar.

Durchdachte Gestaltung und Nutzung der Erdgeschosse

Eine weitere Entwurfsabsicht wird spürbar, wenn man um den Prime Tower herumgeht: Das Hochhaus schafft einen neuen Mittelpunkt im Quartier. Zusammen mit den Neubauten Platform und Cubus sowie dem denkmalgeschützten Altbau Diagonal, die als Teile des Planungsperimeters ebenfalls von Gigon / Guyer Architekten entworfen beziehungsweise instand gestellt wurden, definiert der Prime Tower städtische Aussenräume (Abb. 2). Diese werden von den Menschen, die im Quartier arbeiten, aufgrund der öffentlichen Nutzungen bereits stark frequentiert. Während im Prime Tower und in seinen neu erstellten Annexbauten vorwiegend Büroflächen entstehen, werden im umgebauten Industriegebäude Diagonal zwei Kunstgalerien und ein Restaurant einziehen. Im Erdgeschoss des Prime Tower selbst gibt es auf der dem Bahnhof Hardbrücke zugewandten Seite eine Bankfiliale und auf der anderen Seite eine Café-Bar, die sich über zwei Geschosse erstrecken und Anfang Oktober eröffnet wurden. Damit sind alle Gebäude im Erdgeschoss öffentlich zugänglich. Auf dem kleinen Platz zwischen dem Haupteingang des Prime Tower und dem Bürogebäude Cubus mit einem kleinen Lebensmittelladen im Erdgeschoss herrscht tagsüber reges Kommen und Gehen. Auch auf der gegenüberliegenden, südwestlichen Seite des Hochhauses verbringen bereits einige Leute ihre Mittagspause auf dem Platz, der von Prime Tower, Diagonal- und Platform-Gebäude aufgespannt wird und auch Aussensitzflächen für die Restaurants bietet. Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten haben ihn mit drei baumbestandenen Grünflächen gestaltet, die sich formal auf die umliegenden Gebäude beziehen und aus dem Hartbelag des Platzes herauszuwachsen scheinen (Abb. 7 8; zur Ermittlung der Windkräfte auf Gebäude und Aussenräume vgl. TEC21 29-30/2008). Zwischen dem Prime Tower und dem denkmalgeschützten Industriegebäude Diagonal entsteht eine schmale Gasse, die räumliche Spannung erzeugt und den Blick lenkt. Ähnlich ergibt sich durch die Lage des Prime Tower bis hinüber zur Geroldstrasse eine perspektivische Verlängerung, welche die beiden Stadtteile trotz der trennenden Wirkung von Strasse und Hardbrücke verbindet. Der Einschnitt im parallel zum Gleisfeld verlaufenden Platform-Gebäude schafft eine Verbindung zum Gleisbogen, der Zürich West als begehbarer, parkähnlicher Weg grossräumig durchquert. Gleichzeitig befindet sich hier der quasi hauseigene Zugang zum SBB-Bahnhof Hardbrücke (Abb. 9). Dieser soll demnächst dem erhöhten Publikumsverkehr angepasst werden.

Im Sommer 2011 hat das Team Gigon / Guyer, Walt Galmarini, Ernst Basler+Partner, B+P Baurealisation und Weber Haberke Partners den Studienauftrag für den Ausbau gewonnen (vgl. TEC21 33-34/2011).

Elegantes Innenleben

Der Haupteingang des Prime Tower befindet sich gegenüber der Hardbrücke; über den Drehtüren kragt die Fassade aus und bildet eine repräsentative Eingangssituation. Von der Parkgarage, deren Einfahrt sich am westlichen Rand des Areals befindet, gelangt man über Korridore und Treppen in die Empfangshalle. Begleitet wird man dabei von den Lochblech elementen «First Cuts» des Künstlers Harald F. Müller, die verschiedene gestanzte Bilder wie die Sicht vom Mond auf die Erde oder eine Szene aus dem Film «Jurassic Park» zeigen. Die gut 9.5 m hohe Lobby (Abb. 10) evoziert mit ihrer Wandverkleidung aus grünem Naturstein (Verde Aver aus dem Aosta-Tal) Eingangshallen, wie man sie von New Yorker Hochhäusern kennt. Als erste Adresse im Prime Tower überzeugt sie sowohl räumlich als auch in Bezug auf die verwendeten Baustoffe: Im Zusammenspiel von edlen, hochwertig verarbeiteten Materialien und spannungsvoll proportionierten Räumen entsteht eine in ihrer Selbstverständlichkeit umso wirkungsvollere Eleganz. Die wesentlichen Funktionen stehen im Vordergrund. Links vom Eingang befindet sich ein schlichtes weisses Sofa für Wartende; darüber hängen zwei übergrosse Pendelleuchten, die dahinterliegende Wand soll künftig mit Wasser bespielt werden. Die parallel zum längsgerichteten Raum angeordnete Rezeption wird von einem grossen Lichtobjekt markiert, das die Architekten zusammen mit Hannes Wettstein entworfen haben. Ein hoch in die Wand eingelassenes, grossformatiges Werk des Künstlers Adrian Schiess – eine Fläche aus rotem, hochglänzenden Lack – tritt mit dem vorhandenen Natur- und Kunstlicht in einen raffinierten Dialog: Je nach Lichteinfall wirkt die irisierend rote Fläche fast grün.

Gleich neben der Rezeption öffnet sich der Raum zur Zugangskontrolle. Wer diese passieren will, braucht einen Badge. Dahinter liegen die acht Personenlifte: Vier bedienen das 1. bis 21. Obergeschoss, die anderen vier führen vom Erdgeschoss direkt ins 21. Geschoss und bedienen dann die darüberliegenden Etagen. Damit konnte in den oberen Stockwerken mehr Fläche für Büros gewonnen werden. Die Kerne und Fluchttreppen im zentralen Bereich sind so angeordnet, dass sich die Bürogeschosse auf zwei, drei oder vier verschiedene Mieter aufteilen lassen. Es ist aber auch möglich, Büros über mehrere Geschosse mit internen Treppen zusammenzufassen.

Bis auf wenige Flächen ist der Prime Tower vermietet. Neben den Ausbauten der Bürogeschosse, unter anderem für eine Anwaltskanzlei, eine Handelsfirma und eine Bank, sind Gigon / Guyer Architekten für die Gestaltung der Café-Bar im Erdgeschoss, des Restaurants im 35. Geschoss (Abb. 13+14) und des darunterliegenden Konferenzbereichs verantwortlich.



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2011|45 Prime Tower

04. November 2011Gregorij Meleshko
TEC21

Skelett auf Pfählen

Im Juli 2008 begannen die Bauarbeiten für die Baugrube des Prime Tower, deren Sohle man fünf Monate später erreichte. Es folgten die Fundationsarbeiten, und ab April 2009 bis Juli 2010 kletterte der Rohbau bis ins 36. Geschoss. Zu diesem Zeitpunkt baute man die unteren Geschosse bereits im Innern aus. Das Tragwerk erfüllt unprätentiös seine Funktion: Es ermöglicht die dicht gestaffelt geplanten Ausführungsarbeiten und leitet die hohen Lasten des Hochhauses ausgewogen in den Baugrund – einfach und effizient.

Im Juli 2008 begannen die Bauarbeiten für die Baugrube des Prime Tower, deren Sohle man fünf Monate später erreichte. Es folgten die Fundationsarbeiten, und ab April 2009 bis Juli 2010 kletterte der Rohbau bis ins 36. Geschoss. Zu diesem Zeitpunkt baute man die unteren Geschosse bereits im Innern aus. Das Tragwerk erfüllt unprätentiös seine Funktion: Es ermöglicht die dicht gestaffelt geplanten Ausführungsarbeiten und leitet die hohen Lasten des Hochhauses ausgewogen in den Baugrund – einfach und effizient.

Im Jahr 2004 schrieb die SPS Swiss Prime Site AG einen Wettbewerb für ein 126 m hohes Bürohochhaus auf dem ehemaligen Industrieareal der Maag-Zahnradfabrik in Zürich West aus. Aus einem internationalen Teilnehmerfeld wurde das Projekt von Gigon / Guyer Architekten ausgewählt (vgl. «Flirrender Koloss», S. 22). Das Tragwerk hatten sie zusammen mit Dr. Schwartz Consulting entworfen. Die beiden Ingenieurbüros Dr. Lüchinger Meyer Bauingenieure und Freihofer & Partner verstärkten das Team während der darauffolgenden Planung bis zur Ausschreibung. 2006 schrieb die Bauherrschaft das Projekt als Totalunternehmungsauftrag aus, mit der Auflage, es auf mögliche Optimierungen zu untersuchen. Losinger Construction als mitbietende Unternehmung fragte das Ingenieurbüro Walt Galmarini für diese Aufgabe an. Als Losinger Ende 2007 den Zuschlag erhielt, erteilte sie Walt Galmarini den Auftrag, die in der Offertphase angegebenen Ideen zu überprüfen und darauf basierend die Ausführungsplanung für das Tragwerk des Hochhauses anzugehen. Die bis zur Ausschreibung beteiligten Ingenieurbüros wurden als Verstärkung beigezogen: Sie planten die weiteren Bauwerke auf dem Areal wie die Baugrube, die Gebäude Cubus, Diagonal und Platform. Vom Geripp e über Platt e und Pfähl e in den Baugrund Der Prime Tower ist als Skelettbau aus Stahlbeton konzipiert. Flachdecken tragen die Lasten zu den massiven Kernen und den vorfabrizierten Stützen an den äusseren Deckenrändern. Dieses Deckensystem ist für eine gegebene Spannweite die schwerste Konstruktion und deshalb im internationalen Vergleich eher ungewöhnlich für ein Hochhaus. Systeme mit Unterzügen und teilvorfabrizierten Deckenplatten oder Stahlbeton-Verbunddecken sind beispielsweise wesentlich leichter. Da die Gebäudehöhe des Prime Tower aber gegeben war, galt es im Wettbewerb, ein Deckensystem mit kleinen Konstruktionshöhen zu wählen, um ein Geschoss mehr einplanen zu können. Eine Flachdeckenkonstruktion zeichnet sich gerade dadurch aus.

Kerne und Stützen tragen die Lasten direkt über die Fundation in den Baugrund aus typischem Limmatschotter. Bis in 20 m Tiefe besteht dieser aus dichtem Kiessand, gefolgt von mitteldichtem siltigem Sand. Er ist ein wichtiger Grundwasserleiter und muss entsprechend geschont werden. Die Oberkante der Bodenplatte liegt wegen der beiden Untergeschosse der umliegenden Bauten und wegen der Platzanforderungen an die Haustechnik aber nur 40 cm über der Mittelwasserkote. Dies beeinträchtigt den Grundwasserstrom, weshalb Ersatzmassnahmen erforderlich waren. Seitlich der Bodenplatte des Prime Tower stellt deshalb eine durchlässige Kiespackung den Durchfluss auf einer Breite von 2 m sicher. Das Hochhaus ist über eine Pfahlplattengründung fundiert. Durch die kombinierte Wirkung von Platte und Pfählen konnten die Bauingenieure die Stärke der Bodenplatte minimieren – ebenso reduzierten sie dadurch die prognostizierten Setzungen. Für die abzutragenden 800 MN auf Gebrauchsniveau wurden 79 Bohrpfähle mit einem Durchmesser von 1 m und eine Bodenplatte von 2.20 m Stärke ausgeführt. Lüftungskanäle mit Abmessungen bis zu 350×92 cm, die in der Bodenplatte eingeplant werden mussten, erschwerten dabei die Bodenplattendimensionierung. Da der grösste Anteil der vertikalen Last über den Kernbereich des Gebäudes abgeleitet wird, wurden die Pfähle unter den Kernwänden mit 35 m Länge ausgeführt; unter den Fassadenstützen sind sie 15 m lang (Abb. 8).

Rohbau als Hauptbestandteil der Vertikallasten

Auf dem Pfahlplattenfundament steht das massive Untergeschoss mit den tragenden Kernen. Ab dem Ergeschoss lösen sich die massiven Aussenwände in die tragenden Betonstützen auf. Von den in der Mitte angeordneten Ortbetonkernen spannen die Ortbetondecken zu den Fassaden, wo sie auf den Stützen aufliegen (Abb. 5). Wo die Decken auskragen – bei den auffälligen Versätzen in der Fassade –, fangen schräg angeordnete Stützen die Grundrissveränderung auf; sie bestehen aus einem Stahlkern und einer Betonummantelung (Abb. 3). Der Beton dient nur als Brandschutz, die Kraft wird vollumfänglich von einem Vollstahl RND 260 aufgenommen. Um die Umlenkkräfte in die Decken einleiten und zu den Kernwänden führen zu können, wurden konzentrierte Deckenbewehrungen eingelegt. Die Deckenspannweiten betragen etwa 7.50 beziehungsweise 9.50 m. In Abhängigkeit davon sind die Decken 25 cm oder 28 cm stark ausgeführt. Die Wände der Ortbetonkerne sind über die Gebäudehöhe viermal abgestuft und haben eine Stärke von 22 bis 50 cm. Sie wurden im Kletterverfahren und im Schutze eines Windschildes (Abb. 6) erstellt und kragten während der Ausführung jeweils bis zu drei Geschosse über das Deckenniveau aus (Abb. 1). Sowohl die Kletterschalung wie auch der Windschild waren selbstkletternd konzipiert: Nach dem Erhärten des Betons konnte man die Schalung zurückfahren und dank den im bereits etwas älteren Beton der unteren Wände verankerten Schienen ein Geschoss hochfahren (Abb. 7). Die beiden Krane mussten für diese Arbeiten nicht eingesetzt werden; sie dienten hauptsächlich der Materialförderung. Der für Wände und Decken notwendige Beton wurde ohne Zwischenpumpstation bis in die obersten Geschosse gepumpt.

Ein Vergleich der Einwirkungen am Gebäude zeigte, dass bei dieser Konstruktionsart 80 % aller abzutragenden Vertikallasten aus dem Rohbau stammen, das heisst aus dem Eigengewicht der Decken, der Stützen und der Wände. Deswegen resultieren aus der Flachdeckenkonstruktion hohe vertikale Kräfte. Es lohnte sich deshalb, das Tragwerk gewichtsspezifi sch zu optimieren. Denn die vertikalen Lasten bestimmten auch die Dimension der vertikalen Bauteile und die Grösse der Erdbebenkräfte. Um die Tragkonstruktion möglichst schlank zu halten, betrieben die Bauingenieure während der Ausführung entsprechenden Aufwand. Die Decken wurden beispielsweise überhöht, und man liess sie länger eingespriesst, um den Kriechanteil der Endverformungen zu reduzieren.

Ausgewogene Lastverteilung

Neben dem ausführungsspezifi schen Aufwand betrieben die Bauingenieure auch planerischen Aufwand, um ein effi zientes Tragwerk zu entwickeln. Vor allem in der Steifi gkeit der vertikal tragenden Bauteile sahen sie Potenzial, die Lastabtragung im hochgradig statisch unbestimmten System zu optimieren. Im Unterschied zu sechsgeschossigen Bauten beeinfl usst die Steifi gkeit nämlich massgebend den vertikalen Kräftefl uss. Die Stützen aus hochfestem Beton (C80/95) mit einem Bewehrungsgehalt von bis zu 12 % – etwa die Hälfte mehr als üblich – erfahren bei gleicher Normalkraft eine grössere elastische Stauchung als die in einem wesentlich kleineren Querschnitt ausgeführten Kernwände. Die Kernwände aus Ortbeton schwinden und kriechen hingegen stärker als die vorfabrizierten Stützen. Ausserdem setzt sich die Bodenplatte unterhalb der Kerne stärker als unter den Fassadenstützen, da dort zusätzlich zu den Deckenlasten das gegenüber den Stützen wesentlich höhere Gewicht der Kernwände wirkt. Diese Wechselwirkung der Verformungen (Abb. 2) untersuchten die Bauingenieure genau, um schliesslich einen Ausgleich in der Lastverteilung zwischen Fassadenstützen und Kernwänden zu fi nden. Das ermittelte statische System sorgt für einen solchen ausgewogenen Kräftefl uss über die beiden Lastabtra- gungswege: Aussenfassade mit Stützen und Kernwände im Gebäudeinneren. Die Decken sind konstruktiv in den Kernwänden eingespannt. Wenn sich die Stützen der Last entziehen – infolge der vertikalen, gegenüber dem Kernbereich grösseren Stauchung –, wandert die Last wegen dieser Einspannung verstärkt in die Wände.

Im Sturmfall unter Druck und in Schwingung

Die Druckkräfte in den Tragwänden sind sehr hoch. Selbst wenn die horizontalen Kräfte infolge Wind (qp auf 126 m Höhe: 1.61 kN/m2) und Erdbeben wirken – beziehungsweise das daraus folgende vertikal wirkende Kräftepaar –, sind die Tragwände nur an wenigen Stellen auf Zug beansprucht. Allerdings entstehen auf der Druckseite bereits im Gebrauchszustand sehr hohe Druckspannungen. Deshalb sind die Wände in den hoch beanspruchten Zonen stark bewehrt und verbügelt, was beispielsweise im Erdgeschoss zu einem Bewehrungsgehalt von bis zu 250 kg/m3 führte.

Die Horizontaleinwirkungen infolge Wind und Erdbeben wirken nicht nur statisch, sondern regen das Hochhaus auch dynamisch an. Dadurch entstehen Schwingungen, die von Menschen in den obersten Stockwerken als störend empfunden werden können. Berechnungen mit konservativen Annahmen betreffend Wind, Gebäudesteifigkeit und Dämpfung aus dem Gebäude haben jedoch gezeigt, dass die Beschleunigungen aufgrund von Wind in der obersten Etage im Durchschnitt nur alle 10 Jahre während einer Dauer von 10 Minuten schwach wahrnehmbar wären. Die Auslenkung bei einem solchen Sturm würde 21 cm betragen; im Verhältnis zur Höhe von 126 m ist das 1/600, was nach SIA-Norm 260 unter dem Grenzwert von 1/300 liegt.

Prognostizierte Setzungen grösser als die gemessenen

Neben den Verformungen aus dynamischen Einwirkungen kontrollierten die Bauingenieure vor allem auch die Verformungen infolge Baugrundsetzungen. Obwohl die Bodenkennwerte des Limmatschotters bei drei geologischen Büros angefragt wurden, erwies sich die Setzungsberechnung als komplex. Einerseits wurden die Setzungen von Hand mit der Approximation nach Boussinesq berechnet, andererseits an einem FE-Halbraummodell mit Berücksichtigung der Pfähle. Die Berechnungen ergaben Setzungen zwischen 80 und 120 mm, je nach Eingabewerten. Die 80 mm waren mit den Erwartungswerten der verschiedenen Bodenschichten ermittelt worden und deshalb der wahrscheinlichste Wert. Die Bauingenieure entschieden sich aus diesem Grund, die Überhöhungen und die Anschlusskonstruktionen an die umliegenden Gebäude auf diesen Wert auszulegen. Sie liessen zudem eine Setzungsgasse um die Bodenplatte herum offen, bis die Setzungen abgeklungen waren. Auf diese Weise wollte man Risse in angrenzenden Gebäuden vermeiden. Aufgrund der prognostizierten hohen Setzungen wurde ein umfangreiches Netz von Messpunkten in der Umgebung des Tower gesetzt. Periodische Messungen zeigten den Verlauf der vertikalen und horizontalen Bewegungen (Abb. 13), so auch an den Pfeilern der zeitgleich instand gesetzten Hardbrücke: Die Pfeiler hoben sich während der Aushubarbeiten um 1 bis 2 mm, setzten sich aber während der Rohbauarbeiten durch das aufgebrachte Gewicht um etwa den gleichen Wert. Diese Setzungen fielen kleiner aus als prognostiziert, weshalb die aufwendigen, mittels hydraulischer Pressen geplanten Hebearbeiten an der Brücke obsolet wurden. Auch die laufenden Messungen auf der Höhe der Bodenplatte fielen tiefer aus. Statt der prognostizierten 80 mm mass man nur 40 mm. Deshalb musste von Fall zu Fall wieder neu vor Ort entschieden werden, wie der Konstruktionsdetails der Gebäudeanschlüsse ausgeführt werden sollten.

Die Vertikalität des Tower wurde ebenfalls periodisch gemessen, um eine allfällige Verkippung korrigieren zu können. Die Messungen zeigten einzig eine leichte Verkippung der Bodenplatte um 1 bis 3 mm, die sich in der Richtung der Exzentrizität des Massenschwerpunktes einstellte – dies war in der Toleranz.

Die Tragkonstruktion bewährt sich

Das Tragwerkskonzept und dessen Weiterentwicklung haben sich bewährt: Die Setzungen sind dank der kombinierten Fundation gering geblieben, die Deckenverformungen entsprechen den Berechnungen, und die zahlreichen Messungen bestätigten das prognostizierte Schwingungsverhalten der obersten Geschosse. Das Skelett auf Pfählen – letztlich lässt sich das Tragwerk des Prime Tower darauf reduzieren – erfüllt seine Funktion somit tatsächlich einfach und effizient.



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2011|45 Prime Tower

07. Mai 2011Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Grüner Torso

(SUBTITLE) Der Prime Tower von Gigon Guyer als skulpturales Anschauungsobjekt

Mit dem Prime Tower hat Zürich das höchste Haus der Schweiz erhalten. Doch die schillernde architektonische Skulptur steht isoliert in der Stadtlandschaft.

Mit dem Prime Tower hat Zürich das höchste Haus der Schweiz erhalten. Doch die schillernde architektonische Skulptur steht isoliert in der Stadtlandschaft.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

08. Oktober 2008Neue Zürcher Zeitung

Der Prime Tower als Flaggschiff

Mit 126 Metern Höhe wird der Prime Tower das höchste Gebäude Zürichs. Für seine «Erfinder», Annette Gigon und Mike Guyer, sind solche Überlegungen allerdings zweitrangig. Im Gespräch erläutern sie, warum der Turm genau dort stehen muss, wo er steht, und wie er seine heutige Form fand – zwischen Rentabilitätsanspruch und Kreativität.

Mit 126 Metern Höhe wird der Prime Tower das höchste Gebäude Zürichs. Für seine «Erfinder», Annette Gigon und Mike Guyer, sind solche Überlegungen allerdings zweitrangig. Im Gespräch erläutern sie, warum der Turm genau dort stehen muss, wo er steht, und wie er seine heutige Form fand – zwischen Rentabilitätsanspruch und Kreativität.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1