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21. Juni 2006Norbert Mayr
newroom

Ein Haus für Holzbauer

Eine „arglistige Täuschung“ durch eine demokratische Landesregierung nannte der Schweizer Juror Carl Fingerhuth den Alibi-Architektenbewerb für das „Haus für Mozart“ in Salzburg. Die Beauftragung Wilhelm Holzbauers brachte einen mittelmäßigen Neubau.

Eine „arglistige Täuschung“ durch eine demokratische Landesregierung nannte der Schweizer Juror Carl Fingerhuth den Alibi-Architektenbewerb für das „Haus für Mozart“ in Salzburg. Die Beauftragung Wilhelm Holzbauers brachte einen mittelmäßigen Neubau.

Es gab einen historischen Moment, an dem es gelungen ist, die konkurrierenden Projekte von Holzbauer und Valentiny zusammenzuführen – woran ich nicht ganz unbeteiligt war.“ Der Intendant der Salzburger Festspiele, Peter Ruzicka, zeigte sich gegenüber der apa zufrieden. Mit Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler und Landeshauptmann Franz Schausberger schwärmte er bereits vor dem Verhandlungsverfahren 2001 über Holzbauer, ohne freilich „Entscheidungen vorwegnehmen“ zu wollen (Kurier, 2. 9. 2001). Holzbauers Fanclub war nicht am Wettstreit der Konzepte der fünf geladenen Architektenteams zur Findung der optimalen Lösung interessiert. Das ist unverantwortlich. Den Festspielen, die in massiv wachsendem Wettbewerb mit anderen Festivals stehen, sollte eigentlich das Beste gerade gut genug sein.

Konkurrenz eliminiert

Ruzicka dirigierte bei der Eliminierung von Holzbauers Konkurrenten eifrig mit. Man sollte Eraldo Consolascio dahingehend informieren, dass er – so ein Aktenvermerk vom 12. 7. 2002 – „an sich auszuscheiden wäre, der Auftraggeber aber von einer Ausscheidung unter der Voraussetzung absieht, dass sich Consolascio im weiteren Vergabeverfahren ruhig verhält. Dies hätte für Arch. Consolascio den Vorteil, dass er sich die Peinlichkeit einer Ausscheidung aus dem Vergabeverfahren erspart und andererseits damit Werbung machen kann, dass er unter die letzten Fünf im Wettbewerb Kleines Festspielhaus gekommen ist.“ Derart überheblich-abfällig äußerste sich der feinsinnig-kultivierte Musikmann bei dem nach Auffassung von Juristen „grob rechtswidrigen“ Versuch einer Bieterabsprache. Sie scheiterte. Ausgerechnet das Projekt der renommierten Schweizer Architekten Bétrix & Consolascio wurde bei der Verfahrenswiederholung 2002 erstgereiht. Zur Eliminierung ihres ungleich besseren Konzepts beauftragte Landesbaudirektor Alfred Denk das fragwürdige Gutachten des Technikers Wilhelm Spirk. Der Auftrag an Holzbauer/Valentiny war Ruzickas „historischer Moment“. Über Holzbauer und das kontinuierlich in dessen Sinne entscheidende Bundesvergabeamt in Wien hatte sein ehemaliger Schüler François Valentiny am 17. 4. 2002 im Standard erklärt: „Hier werden Steuergelder verplempert, weil ein ignoranter, schlechter Architekt gemeinsame Sache mit einem Amt macht und ein Verfahren unnötig in die Länge zieht. […]

Er baut seit 20 Jahren nur mehr miese Investorenarchitektur.“ Valentiny bildete damals mit Hubert Hermann in arge mit Wimmer/Zaic ein Team und lief wenig später zu Holzbauer über. So musste er sich nicht mehr über das Bundesvergabeamt ärgern und durfte an der „Investorenarchitektur“ mitplanen.

Holzbauers neues Auditorium ist erfüllt vom Pathos, das sein ganzes Œuvre durchzieht, wurde hier allerdings zu spröder, konventioneller und kraftloser Dekoration. Überreichlich Goldfarbe kann – eingesetzt bei der unbeholfenen Rasterstrukturierung der Wände, den Decken und Ranguntersichten – den heterogenen Raumeindruck nicht übertünchen. Die Anbindung der schräg angeordneten Ränge zum gestuften Wandraster ist ebenso holprig wie die Überleitung des Wandrasters mit Abschlussgesims zur Deckenwölbung. Kein intimer Raum für Mozarts feinsinnig-sinnliche Kunst wurde geschaffen. Eine der vielen zeitgemäßen Alternativen ist der gleichzeitig neu strukturierte Saal des Bregenzer Festspielhauses von Dietrich & Untertrifaller. Ihr Wettbewerbsiegerprojekt ist wie ein Musikinstrument in warm getöntem Akazienholz konzipiert.

Konnte Holzbauer zumindest die optischen und akustischen Unzulänglichkeiten beseitigen? Die weiteste Entfernung Bühne-Sitzplatz bei dem gleichförmigen „Holzschlauch“ von 1963 lag bei 43 Metern. Der schlechteste Sitzplatz ist leider noch immer 39 (!) Meter vom Eisernen Vorhang entfernt. Die Reduktion der Entfernung Bühne-Zuschauer auf ein Maß „kleiner als 30 Meter“ war 2001 eine richtige Forderung an alle Architektenteams. Optimale Mozart-Spielstätten wie das Theater an der Wien, das Opernhaus Zürich oder Glyndebourne liegen alle unter der 30 Meter-Marke. Rund 400 Plätze überschreiten sie bei Holzbauers Neubau: Das 2002 erstgereihte Umbau(!)-Projekt von Bétrix & Consolascio kam – bei ebenfalls 1500 Sitzplätzen – auf maximal 35 Meter und 113 Plätze über 30 Meter, das Neubauprojekt von Domenig/Eisenköck/Lorenz sogar auf 33 Meter herunter.

Holzmeister-Erbe zerstört

Holzbauer machte trotz der erstmaligen Möglichkeiten zu einem Neubau das Auditorium nicht zum räumlich-architektonischen Nukleus, sondern betonierte die Mauern an die gleiche Stelle nur etwas dünner wieder auf. Im Zusammenhang mit der sinnvollen Neustrukturierung der benachbarten Felsenreitschule wäre sogar eine deutliche Verbreiterung ohne Abriss der Fassade des Festspielhauses von Clemens Holzmeister von 1926 leicht möglich gewesen.

2001 erklärte Holzbauer – „Holzmeisters Erbe“ –, die Aufstockung der Fassade seines Lehrers Holzmeister im erstgereihten Projekt des Verhandlungsverfahrens schützen zu wollen. Die Sorge war nur vorgeschützt. 2002 riss Holzbauer den Planungsauftrag endgültig an sich, 2003/04 mittels Statikergutachten die Holzmeister-Fassade von 1926 komplett ab. Diese war die „Basis und der Auftakt für das ganze Ensemble“ des Festspielbezirks, so der renommierte Architekturhistorikers Friedrich Achleitner. Der Meilenstein für die Architektur der Zwischenkriegszeit in Salzburg drückte gemeinsam mit dem benachbarten Kolleg St. Benedikt in St. Peter von Peter Behrens (1924/26) erstmalig in der Altstadt eine neue Haltung aus: Anstelle plakativ-historisierender Anpassung bezogen sich die Architekten kreativ auf Bautradition, Geschichte und Ort, erzielten eine Eingliederung in den historischen Kontext. In diesem Geist interpretierte Holzmeister auch 1937/38 den neuen monumentalen Bühnenturm als Bastion des anschließenden Mönchsbergfelsens.

Holzmeisters von Kunstwerken begleitete Raumfolge vom Eingansportal zum Faistauer-Foyer beeindruckte in ihrer Kompakt- und Klarheit. Die von Jakob Adlhart 1926 geschaffene Mimenmaske in der Portal-Lünette vermittelte raffiniert zwischen Innen und Außen. Seinen Vorbau von 1937 ersetzte Holzbauer durch ein sehr massives, zu hoch situiertes Flugdach. Holzbauer schloss die Lünette von 1926 und präsentiert die symbolträchtige Maske auf einem schweren, gestockten Betonsockel. Was als „Weiterentwicklung“ der holzmeisterlichen Fassade gesehen werden soll, ist deren monumentalisierende Aufblähung. Holzmeisters „Kleines Haus“ besaß mit dem Terrassenvorbau 1926 und den Volumina von 1937/38, dem Garderobentrakt und schließlich der Bühnenturmbastei eine plastische Steigerung in drei Stufen. Holzbauers verdoppelter Terrassenvorbau tritt nicht mehr mit Holzmeisters feingliedrig monumentalisiertem Bühnenturm in Dialog. Das Erdgeschoß als Sockel aus gestocktem Beton erhielt die Aufgabe, der in den Obergeschoßen spannungslosen Fassade Halt zu geben.

Die „Sachverständigen“

Während die für die unesco tätige Organisation ICOMOS Österreich die Erhaltung der Holzmeister-Fassade von 1926 forderte, genehmigte die Sachverständigenkommission für die Altstadterhaltung (svk) den Abbruch. Sie begutachtete auch unzählige Male Holzbauers Neubauprojekt. Besonders unüberlegt platzierte Holzbauer vor dem Eingang als „erweitertes Foyer“ Dach und Wandscheibe hakenförmig. Dieser so genannte Sichtschutz war eine Abmauerung quer zum Gehsteig und reichte sogar in die Straße. Zwar verschwand bei der Realisierung die absurde Mauerscheibe quer zum Gehsteig, dafür sitzt das zu hohe Vordach nun zusammenhanglos in einer Fassade, deren gliedernde Akzentuierungen verloren gingen. Der Terrassenvorbau „gewann“ an Banalität.

„Es wird nur noch Sieger geben“, meinte Ruzicka im apa-Interview. Sieger sehen aber anders aus, auch Meister. Holzbauer suchte oberflächlich Referenzen bei Holzmeister, dessen architekturhistorisch für das 20. Jahrhundert bedeutende Fassade er eliminierte. Das konventionelle Haus von Holzbauer wird weder Holzmeister gerecht, noch bietet es Ansätze, die es zu einem gewichtigen architektonischen Beitrag des frühen 21. Jahrhunderts in Salzburg machen könnten.

Erschienen in „Die Furche“,
http://www.furche.at/archivneu/archiv2003/fu2504/05.shtml

Eine ausführliche Analyse erscheint Anfang Juli in Norbert Mayrs Buch „Stadtbühne und Talschluss“ (Otto Müller Verlag), das sich aber auch erfreulicheren Aspekten der Baukultur in Salzburg widmet.

18. Juni 2006Liesbeth Waechter-Böhm
Spectrum

Falscher Marmor für Mozart

Innen: viel güldene Repräsentation, außen: ein Debakel. Die Decke: schlampig, die Traufe: ein grauenhafter Balken. Und wer ist für diese entsetzliche Eiche verantwortlich? Das neue „Haus für Mozart“ in Salzburg.

Innen: viel güldene Repräsentation, außen: ein Debakel. Die Decke: schlampig, die Traufe: ein grauenhafter Balken. Und wer ist für diese entsetzliche Eiche verantwortlich? Das neue „Haus für Mozart“ in Salzburg.

Es ist ein altmodisches Haus, dieses neue „Haus für Mozart“. Und es ist kein großer architektonischer Wurf. Es steckt nicht die Kraft einer individuellen künstlerischen Handschrift dahinter. Und es ist kein Statement, das die heutige Architektur irgendwie beeinflussen, weiterbringen wird. Nur darf man zum jetzigen Zeitpunkt bei solchen Bilanzen nicht stehen bleiben. Auch wenn in Zukunft kein Mensch mehr danach fragt, wie dieses Ergebnis zustande gekommen ist: In diesem „historischen“ Moment, an der Schnittstelle vom Fertigwerden zum Entlassen des Gebäudes in den Gebrauch, muss man auch die Umstände in Betracht ziehen, die dazu geführt haben, dass es so ist, wie es nun einmal ist.

Die Vorgeschichte sollte man sich schenken. Sie ist ein einziger Krampf mit entsetzlichen Architekten-Querelen. Wilhelm Holzbauer (Holzbauer und Irresberger), engagierter Salzburger, hat all seine Macht eingesetzt, um eine Jury-Entscheidung rückgängig zu machen, die ihn um diese Aufgabe gebracht hätte. François Valentiny (Büro Hermann & Valentiny und Partner) fühlte sich zu einem gewissen Zeitpunkt herausgefordert, am eigenen Lehrmeister auch die eigene architektonische Potenz zu messen. Es gibt Hinweise, dass das durchaus erfolgreich gelungen ist. Es gibt aber auch Hinweise, dass Holzbauer mittlerweile die Gelassenheit des „alten Meisters“ hat.

Das „Haus für Mozart“ war zunächst eine konzeptuelle Aufgabe, die man als die Quadratur des Kreises bezeichnen könnte: Denn es ging um einen viel kürzeren Saal (zehn Meter), damit das Publikum besser sieht, es ging um eine Verbesserung der Akustik und zugleich um eine Steigerung der Sitzanzahl.

In funktioneller Hinsicht kann man Wilhelm Holzbauer und François Valentiny wenig ankreiden. Man geht ins Haus hinein, das legendäre Faistauer-Foyer hat eine - durch neue Öffnungen - hervorragend gelöste Verteilerfunktion. Überhaupt halte ich die neue Erschließung - auch der Felsenreitschule - für das große Plus des Neu- beziehungsweise Umbaus. Vor allem der Umgang - man geht ebenerdig hinein, verteilt sich, hat aber in der Pause die Möglichkeit, im ersten Obergeschoß auf eine Terrasse zu treten, die sich fast über die volle Gebäudelänge erstreckt und in einer Treppe hinunter mündet. Also ein richtiger Kreislauf, das hat schon etwas. Auch das Foyer im Neubauteil ist mit seinen 20 Metern Raumhöhe eine Attraktion. Die geschwungene, hinterleuchtete, goldene Lamellenwand vor einem Mozart-Bild aus Swarowski-Kristallen ist kein Willkürakt, sondern eine unverzichtbare Schall absorbierende Maßnahme.

Sicher stellt sich hier - und dann erst recht im neuen Saal - die Geschmacksfrage. Ist so viel „güldene“ Repräsentation heute noch verträglich? Ist es verträglich, dass man zur traditionellen Technik der Wandmalerei greift, die die Maserung von Marmor imitiert? Und das in einer Abfolge hochrechteckiger Felder, die wiederum golden gerahmt sind? Gut, jedes dieser Felder ist leicht schräg gestellt - wiederum eine akustische Maßnahme. Die Wände des Saals sind parallel, er hätte aber - um eine optimale Akustik zu gewährleisten - konisch sein müssen. Dafür war kein Platz. Nur sind sicher auch andere gestalterische Maßnahmen vorstellbar, die mehr mit heutigen Ausdrucksmöglichkeiten zu tun haben.

Das funktionelle Problem, fairerweise muss man das sagen, haben die Architekten bewältigt: weniger Distanz zur Bühne, eine Galerie mehr, Seitensitze, von denen man immer noch einen Großteil der Bühne sieht, sogar 50 Stehplätze.

Danebengegangen ist das Tonnengewölbe über dem Saal. Es besteht aus Stahlträgern, in die Betonfertigteile eingehängt sind. Die Träger mussten aus brandschutztechnischen Gründen anders behandelt werden als die Betonteile, die Decke sieht unheimlich schlampig aus. Lauter Unebenheiten, wo eigentlich eine glatte Haut sein sollte. Waren es Kostengründe? Zeitgründe? Oder war es einfach eine Fehlentscheidung, das Tonnengewölbe nicht zu schalen und zu betonieren? Mängel dieser Art, auch schwache Materialentscheidungen, lassen sich im Haus an allen Ecken und Enden ausmachen. Wer zum Beispiel ist für diese entsetzliche Eiche verantwortlich? Nur oben, in der VIP-Lounge, der sogenannten „Salzburg Kulisse“, wurde Holzbauers Lieblingsholz, Birne, verwendet. Die hat in der Tat eine ganz andere Anmutung.

Der Außenauftritt des Hauses: ein ziemliches Debakel. Er hat keine Gesetzmäßigkeit, keine Logik. Die Eingangstore unten stehen in einer zufälligen Beziehung zu den fünf schmalen, hohen Fixverglasungen, die nur einen fragmentierten Ausblick auf das spektakuläre architektonische Vis-à-vis erlauben. Es gibt ein großes Schaufenster für Plakate, Informationen. So etwas Läppisches habe ich überhaupt noch nie gesehen. Lauter hochformatige Glasstreifen, aneinander gereiht. Und von der Traufe will ich überhaupt nicht reden: Die ist als grauenhafter Balken ausgebildet, der den Anschluss an den Holzmeister überhaupt nicht bewältigt.

Aber der kritische Punkt sind die Verglasungen: Im Wettbewerb haben die Architekten eine Art Panorama-Glaselement vorgeschlagen, ein gefasstes Bild des architekturhistorischen Gegenübers. Das hat die Altstadtkommission als unmaßstäblich abgeschmettert. Die Frage, was denn den Maßstab abgibt, bleibt bei solchen Entscheidungen allerdings immer unbeantwortet.

Und damit sind wir bei einer Kernfrage zum Projekt: Wie kann man über Architektur reden, wenn ununterbrochen irgendwelche Leute, die in irgendwelchen Gremien sitzen, ihre Existenzberechtigung beweisen wollen. Ein Hydrant unmittelbar vor dem Eingang, dabei ist der nächste schräg gegenüber; eine kleine Bar, in einem der oberen Geschoße - ein eigener Brandabschnitt; tausend Fluchtschilder, so dass im Notfall sicher niemand weiß, wo er hinrennen soll; Garderoben, die aus Brandschutzgründen abschließbar sein müssen (wie soll sich das im Gebrauch jemals bewähren?), und das lässt sich beliebig fortsetzen.

Wenn es immer nur um absurde Vorschriften geht, um Geldknappheit, sodass bei jeder speziellen Maßnahme erst ein Sponsor aufgetan werden muss, dann werden grundsätzlichere Fragen illusorisch. Was bleibt, wenn man die so genannte Geschmacksfrage und den ganzen Zeitgeist von einer architektonischen Lösung subtrahiert? Unter diesen Umständen muss ich die Antwort schuldig bleiben.

17. Juni 2006Ute Woltron
Der Standard

Aus für Mozart

In Salzburgs neuem „Haus für Mozart“ ertönen dieses Wochenende erstmals die Melodien des Unsterblichen. Sie werden sich wie tröstliche Klangschleier über die Unvollkommen- heiten der Sterblichen legen.

In Salzburgs neuem „Haus für Mozart“ ertönen dieses Wochenende erstmals die Melodien des Unsterblichen. Sie werden sich wie tröstliche Klangschleier über die Unvollkommen- heiten der Sterblichen legen.

Wer Wolfgang Amadeus Mozart wirklich war, werden auch seine Biografen nie wirklich ergründen. Was bleibt, ist die Musik - und sein Talent, mit leichtfüßiger Brillanz die unterschiedlichsten Genres mit noch höheren Sprüngen - und schelmischem Gelächter - zu durchhüpfen als alle anderen.

Das ist eine Gabe, die im vergleichsweise schwerfüßigen Adagio der Architektur natürlich nicht so leicht umzusetzen ist. Die einen Bauleute beherrschen den Kanon des Wohnbaus, die anderen die Fuge des Industriebaus. Doch wenn Architekten nach eigenen Worten den Anspruch erheben, ein „Haus für Mozart“ zu bauen, erwartet man ein Präludium der Sonderklasse, eine leichte, bezaubernde Fingerübung, eine Architektur, die ihre Besucher schon vor Konzertbeginn auf jenes Entzücken einstimmt, das die zu ihrer Zeit avantgardistische Musik des Unsterblichen auch heute noch auszulösen imstande ist.

Wilhelm Holzbauer und François Valentiny wissen beide, dass ihnen diese Übung in Salzburg misslungen ist. Doch schuld daran sind nicht nur die beiden Kompositeure des Konzerthauses. Schuld sind auch die unzähligen Nebendirigenten, die mit ihrem Kleingeist der Architektur stets verbissen den falschen Takt aufzwingen und die womöglich in Salzburg zahlreicher anzutreffen sind als anderswo.

Der Umbau des Kleinen Festspielhauses zu einem „Haus für Mozart“ wurde von den Akteuren nie als das begriffen, was er hätte sein können: nämlich die von vielen lange ersehnte Chance für diese so prachtvolle kleine Stadt, endlich in der Gegenwart anzukommen, ein neues, wundervolles Kleines Festspielhaus zu bauen und das alte, nie gut gewesene Ungetüm von Clemens Holzmeister nach einer kurzen Gedenkminute in die Luft zu jagen.

Doch jede Gehsteigkante der Salzburger Altstadt, jedes Geschäftsschild, jede Auslage stinkt nach Anbiederung an die jüngere und ältere Vergangenheit, mit der man die Touristenhorden nach Strich und Faden abzuzocken sucht. Die Edeltouristen Salzburgs sind seine Festspielgäste. Ihnen ist das „Haus für Mozart“ zugedacht, nicht dem Komponisten selbst, und sie bekommen nun die zeitgenössische Variante der Anbiederung serviert: einen von außen wirklich nur als unansehnlich zu bezeichnenden Bau, der innen brav, aber ohne Bravour seine Funktion erfüllt. Sie bekommen einen Architektur gewordenen Werbeslogan - und es wird niemanden sonderlich bekümmern.

Das „Haus für Mozart“ ist das Resultat vielschichtiger historischer Missinterpretationen, das Produkt menschlicher Anmaßung und bürokratischer Kompromisse: Da wäre einmal Wilhelm Holzbauer, ein erwiesenermaßen solider, in manchen Arbeiten sogar hervorragender Architekt, der nie verhehlte, dass er selbst sich für den einzig Würdigen hielt, Clemens Holzmeisters ursprüngliche Festspielhaus-Architektur als dessen Schüler umzubauen, und der über genug Charisma, Charme und Überzeugungskraft verfügte, dieses Hohelied architektonischer Ahnenfolge den Entscheidungsmächtigen so lange vorzusingen, bis sie selbst daran glaubten. Dann wäre da eine mächtige Fraktion von Stadtbildfanatikern, denen der Zeitgenosse Holzbauer zwar egal, der gute, verblichene Holzmeister dafür umso teurer war und die einen Neubau an dieser Stelle nie gebilligt hätten.

Doch von der alten Holzmeister-Fassade, deren Erhaltung eines der wichtigsten, wenn auch fadenscheinigsten Argumente für Holzbauers Projekt gewesen war, ist absolut nichts übrig geblieben.

Tatsächlich befindet sich dort, wo man ein Haus umbauen wollte, jetzt ein Neubau, der sich in die unsichtbar gewordene Kubatur eines scheinbar übermächtigen Vorgängerbaus zwängt. War schon Holzmeisters Festspielhaus-Vorderfront eine eher gequälte Angelegenheit, so hat sich die Qual nun gewissermaßen zeitgenössisch multipliziert.

Ohne auf die Querelen des fragwürdig gebliebenen Vergabeverfahrens nochmals einzugehen: Holzbauer erzwang damals einen Sieg, den er später nur verlieren konnte; und wenn er nun mit seinem ehemaligen Erzrivalen und nunmehrigen Verbündeten François Valentiny durch die neue Architektur schlendert, dann ist es, als ob sie beide endlich wüssten, dass ein schneller Sieg auch eine dauerhafte Niederlage bedeuten kann.

Die Fassade", sagt Valentiny vorsichtig, „ist nicht nur unser Produkt.“ „Tatsächlich!“, witzelt Holzbauer, „Man müsste zur Architektur auch die Altstadtkommission befragen, denn die hat schließlich mitentworfen.“ Frei von Talent, wie man sieht, denn die graue Front aus gestocktem Beton mit ihrem Balkon, den braun umrandeten Fensterscharten und einem an Sozialwohnbauten der Vergangenheit gemahnenden Geländer ist an Einfallslosigkeit nicht zu überbieten. Was ein großes „Stadtfenster“ hätte werden sollen, wurde auf drei Fensteröffnungen aufgerastert, weil man sich offenbar vor zu großen Glaselementen in Salzburg fürchtet.

Das alte Holzmeister-Foyer mit den Fresken wurde restauriert, von hier aus verfügt man sich zu den sinnvollerweise neu geschaffenen zusätzlichen Zugängen zur Felsenreitschule und in das geräumige Stiegenhaus des neuen „Hauses für Mozart“.

Die neue Treppenanlage ist sehr schwer, sehr monumental. Warum die Brüstungen alle so massiv und fett ausgeführt seien? Holzbauer: „Weil wir gerne fette Brüstungen haben. Wir wollten hier keine Kaufhausatmosphäre.“ Das hohe Stiegenhaus ist mit golden lackierten Aluminiumpaneelen in einer Wellenform ausgekleidet, um die Akustik im Zaum zu halten. Dahinter blinken die bunten Glassteine des heimischen Glassteinindustrieadels und werfen funkelnde Sponsorenlichtspritzer in den ansonsten betont nüchternen Raum.

Auf drei Ebenen geht es von hier in den Saal, in dem Mozarts Musik die Hauptrolle spielen wird. Keine Frage, Parkett und Ränge sind wohlgeordnet, jeder der 1.650 Sitz- und der 60 Stehplätze bietet besten Ausblick auf die Bühne. Da Holzbauer selbst Konzerthauserfahrung hat und ein vorzüglicher Akustiker mit von der planenden Partie war, dürfte der Saal sicherlich auch die erforderlichen musikalischen Qualitäten aufweisen.

Der architektonische Raumklang selbst ist ein Akkord aus golden gestrichenen Türen und Lisenen, aus rosa Stukkolustro-Flächen (Kunstmarmor) und Holztönen. Ein tadelloser Saal, der weder alt noch neu wirkt, weder mondän noch elegant, und der deshalb charakterlos bleibt wie die billigen Klavierimporte aus Asien, die den uralten Klavierbauvirtuosen Europas fröhlich globalisierend den Lebensfaden abschneiden.

Doch Wilhelm Holzbauer hat Recht, wenn er sagt, dass man den Saal erst beurteilen möge, wenn er mit Menschen befüllt sei. Tatsächlich: Wenn dann schließlich im Sommer das Haus offiziell eröffnet wird, wenn sich die Festspielprominenz zum alljährlichen Stelldichein findet, verschwindet die Architektur ohnehin als Kulisse hinter dem Salzburger Edeltourismus. Ein Haus für Mozart, hineingekrampft in eine Stadt, die er selbst verachtete: „Ich hoffe nicht, dass es nötig ist, zu sagen, dass mir an Salzburg sehr wenig und am Erzbischof gar nichts gelegen ist und ich auf beides scheiße.“

27. Mai 2006Norbert Mayr
Salzburger Nachrichten

Hallo Nachbar

Produktionen der Salzburger Festspiele erreichen höchste Qualität. Beim „Haus für Mozart“ beauftragten sie konventionelle Architektur.

Produktionen der Salzburger Festspiele erreichen höchste Qualität. Beim „Haus für Mozart“ beauftragten sie konventionelle Architektur.

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02. November 2004Salzburger Nachrichten

Holzmeister ist weg

Der Abriss des Kleinen Festspielhauses in Salzburg geht in die letzte Runde. Bis zum Mozartjahr 2006 muss das „Haus für Mozart“ fertig sein.

Der Abriss des Kleinen Festspielhauses in Salzburg geht in die letzte Runde. Bis zum Mozartjahr 2006 muss das „Haus für Mozart“ fertig sein.

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08. August 2003Norbert Mayr
Salzburger Nachrichten

Handlungsanweisung zur Verkürzung des Holzbauerwegs

„Nicht gleiche Fehler machen“ – Ein Proponentenkomitee gibt Tipps für den siebenten Umbau des „Kleinen Festspielhauses“ zu Mozarts 225. Todestag im Jahre 2016

„Nicht gleiche Fehler machen“ – Ein Proponentenkomitee gibt Tipps für den siebenten Umbau des „Kleinen Festspielhauses“ zu Mozarts 225. Todestag im Jahre 2016

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