Details

Adresse
Rückertstraße 2-6, 60314 Frankfurt / Main, Deutschland
Bauherrschaft
Europäische Zentralbank
Maßnahme
Neubau
Wettbewerb
2003 - 2005
Planung
2006
Fertigstellung
2010

Publikationen

Links

FR-Dossier: Was bleibt von der Großmarkthalle?
http://www.fr-online.de/grossmarkthalle/

Presseschau

21. März 2015Christian Kühn
Spectrum

Was muss hier brennen?

In Frankfurt brennen zur Eröffnung der Europäischen Zentralbank fürs Erste die von Demonstranten angezündeten Autos. Ist dieser Turm ein Symbol für Europas Zukunft?

In Frankfurt brennen zur Eröffnung der Europäischen Zentralbank fürs Erste die von Demonstranten angezündeten Autos. Ist dieser Turm ein Symbol für Europas Zukunft?

In der Finanzkrise ducken sich auch die guten Banken lieber weg. Wer Geld beim Staat aufnehmen muss, um seine Liquidität zu sichern, gibt sich besser bescheiden. Pläne für neue „Headquarters“ kommen gerade in solchen Phasen schlecht an, selbst wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind. Als die Erste Bank 2008 den Wettbewerb für ihre neue Zentrale am Wiener Hauptbahnhof durchführte, geschah das weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Über den Entwurf der Architekten Henke und Schreieck, der den Wettbewerb gewann, konnte damals praktisch nicht berichtet werden, da weder Visualisierungen noch Pläne des 300-Millionen-Euro-Projekts freigegeben wurden.

Die Europäische Zentralbank hat mit 1,3 Milliarden Euro rund das Vierfache gekostet, und sie wäre wohl kaum in dieser Form realisiert worden, hätte der Wettbewerb für das Projekt nicht schon im Jahr 2004 stattgefunden, als von einer Finanzkrise noch nichts zu bemerken war. 2004 hatten die Europäischen Staatschefs in Rom gerade den Entwurf jener Unionsverfassung unterzeichnet, die im Jahr darauf an Referenden in Frankreich und in den Niederlanden scheitern sollte. In der kurzen Phase der EU-Euphorie, die diese Entwicklung begleitete, beschloss die EU gleich zwei neue Headquarters für ihre zentralen Organe zu errichten: Der Europäische Rat und der Rat der EU sollten ein neues, gemeinsames Gebäude in Brüssel erhalten, die Europäische Zentralbank eines in Frankfurt. Die übrigen vier Organe – Kommission, Parlament, Rechnungshof und EU-Gerichtshof – waren baulich bereits gut versorgt. Aus Anlass der Verfassungsgebung ein neues Parlament zu errichten – wie das in vielen Nationalstaaten der Fall war – wäre in der EU keine gute Idee gewesen: Mit den Parlamentsbauten in Straßburg und Brüssel leisten wir uns ja bereits zwei aktive Parlamentsstandorte mit Transferkosten von rund 200 Millionen Euro pro Jahr. Vom dritten Plenarsaal in Luxemburg, der nur einige Jahre in Betrieb war, wird heute lieber nicht mehr gesprochen.

Dass die Europäische Zentralbank zu einem Symbol für den Zusammenhalt der Europäischen Union wurde, ist ebensowenig Zufall wie ihr Standort. Die Einführung des Euro und damit die Aufgabe der Deutschen Mark waren der Preis, den Deutschland für die Wiedervereinigung zu leisten hatte. Obwohl zahlreiche Ökonomen die Einführung der gemeinsamen Währung für verfrüht hielten, behielten die politischen Argumente die Oberhand. Immerhin bekam die EZB ihren Sitz in Frankfurt, dem Finanzzentrum Deutschlands, um dem Euro ein wenig von der Aura der Deutschen Mark mitzugeben.

Der Turm der EZB ist daher weniger ein Monument des Kapitals als vielmehr ein Monument der Europapolitik. Wer hier aus österreichischer Perspektive eine Entsprechung sucht, kann sie im Projekt für die Nationalbank der k. u. k. Monarchie, der Österreichisch-Ungarischen Bank, finden, in deren Druckereigebäude am Otto-Wagner-Platz bis heute die Oesterreichische Nationalbank untergebracht ist.

1911 konnte der Wagner-Schüler Leopold Bauer, der sich zu diesem Zeitpunkt schon von seinem Lehrer entfremdet und dem Neoklassiszismus zugewandt hatte, den Wettbewerb für ein monumentales Zentralbankgebäude an der Alser Straße für sich entscheiden, das mit einem fast 100 Meter hohen, pyramidenförmigen gekrönten Turm als Symbol für die k. u. k. Monarchie als supranationale Einheit gedacht war. Begonnen wurde der Bau mit dem Druckereitrakt, einem schlichten Industriebau, der mit der Bank über eine Brücke verbunden gewesen wäre. 1917 stand dieses Gebäude im Rohbau und wurde von 1923 bis 1925 zum Verwaltungsbau der Nationalbank umgestaltet, dessen Dimension dem geschrumpften Österreich entsprach. Statt dem monumentalen Turm findet sich heute eine lieblos gestaltete Grünfläche, die sinnigerweise Ostarrichi-Park heißt.

Der Europäischen Zentralbank ist ein solches Schicksal erspart geblieben, da alle wesentlichen Entscheidungen noch vor der Finanzkrise gefällt wurden. Für den Standort östlich außerhalb des Bankenviertels, in dem die EZB bisher untergebracht war, hatte man sich bewusst entschieden, um den Unterschied zwischen der Zentralbank und den anderen Banken hervorzuheben. Auf dem Areal am Main, das für das Projekt zur Verfügung stand, befand sich eine denkmalgeschützte Großmarkthalle, 1928 nach einem Entwurf von Martin Elsaesser errichtet.

Die Halle, mit 250 mal 50 Metern zur Bauzeit eines der größten Gebäude der Welt, liegt in der Mitte des annähernd quadratischen, 300 mal 300 Meter großen Grundstücks und musste in den neuen Komplex integriert werden. Das Ergebnis ist sicher eines der markantesten und schönsten Hochhäuser der Welt. Wer von Coop Himmelb(l)au und den Tragwerksplanern Bollinger und Grohmann dekonstruktivistische Collagen erwartet, wird von der disziplinierten und trotzdem mysteriösen Geometrie des Turms überrascht sein, der eigentlich aus zwei durch eine Halle miteinander verbundenen Türmen besteht. Die seitlichen Außenflächen sind sogenannte HP-Flächen, doppelt gekrümmte hyperbolische Paraboloide, die aus geraden Elementen konstruiert werden können. Da die beiden Türme leicht gegeneinander verschoben sind und das Gesamtgebäude keinen horizontalen oberen Abschluss hat, sondern einen schräg angeschnittenen, bietet es aus unterschiedlichen Blickrichtungen jeweils ein völlig anderes Erscheinungsbild: kompakt und fast wuchtig in der Ostansicht, schlank und dynamisch in der Westansicht vom Stadtzentrum aus.

Die besondere typologische Innovation des Turms ist die innere Halle, die in mehrere bis zu 60 Meter hohe vertikale Abschnitte geteilt ist. Auf den Zwischenebenen halten offen geführte Expresslifte, in jedem der beiden seitlichen Bürotürme gibt es weitere Liftgruppen, die über die Halle zugänglich sind. Wer von einem Bürogeschoß in ein anderes wechseln möchte, betritt dafür zuerst die Halle, statt einfach von einem identischen Bürogeschoß in ein anderes katapultiert zu werden.

Das ist eine Veränderung der Alltagsdramaturgie, die nicht gering zu schätzen ist. Einzelne Stege zwischen den beiden Bürotürmen stellen weitere Verbindungen zwischen bestimmten Abteilungen her. Zusätzliche, der Stabilisation der beiden Türme dienende Stahlträger laufen schräg durch den Raum. Die Glaswände, die beiderseits die Atrien nach außen abschließen, sind konstruktive Meisterwerke mit einem markanten Knick in der Mitte, der Bewegungen der Fassade abfedert.

Der Turm steht seitlich neben der mit großem Aufwand restaurierten Markthalle. Sie wurde durch Einbauten in ein Konferenzzentrum verwandelt und bildet auch den Hauptzugang zum Gebäude. Hier entsteht tatsächliche eine Collage zwischen Alt und Neu: Ein horizontaler Trakt durchschneidet die Halle schräg und verfällt dabei in eine heftige Krümmung, die sich über den Eingang schiebt. Dahinter entwickelt sich eine gut rhythmisierte Raumfolge, die schließlich in das erste, unterste Atrium des Turms führt. Frei zugänglich ist nur ein kleiner Teil des Areals, dessen Außenanlagen von Günther Vogt gestaltet wurden. Das Konferenzzentrum ist ein zumindest halböffentlicher Bereich, hinter dem dann die Hochsicherheitszone des Turms beginnt.

Wer dieses Gebäude als Inbegriff all dessen interpretiert, was in der Europäischen Union falsch läuft, wird es von Herzen hassen. „Architektur muss brennen“, haben Coop Himmelb(l)au vor vielen Jahren gefordert, und vielleicht wird dieses Gebäude in einigen Jahren tatsächlich in Flammen aufgehen. Es ist teuer, dominant und elitär. Es könnte aber auch ein Symbol für den Versuch werden, Rationalität und Leidenschaft miteinander in Verbindung zu bringen, sich in einem vereinten Europa große, schwer erreichbare Ziele zu setzen und dabei erfolgreich zu sein. Wofür dieses Gebäude am Ende steht, werden die nächsten Jahre entscheiden.

03. Februar 2015Corinne Elsesser
Neue Zürcher Zeitung

Funktionaler Glasbau

(SUBTITLE) Das neue Hochhaus der Europäischen Zentralbank in Frankfurt

Wie ein unregelmässig geschliffener Kristall steht das neue Hochhaus der Europäischen Zentralbank (EZB) dicht neben der Grossmarkthalle im Frankfurter Ostend. Ende Jahr sind die Angestellten vom Bankenviertel hierher umgezogen. Bis zur Eröffnung Mitte März müssen sie sich nun zwischen spitzen Winkeln einleben.

Wie ein unregelmässig geschliffener Kristall steht das neue Hochhaus der Europäischen Zentralbank (EZB) dicht neben der Grossmarkthalle im Frankfurter Ostend. Ende Jahr sind die Angestellten vom Bankenviertel hierher umgezogen. Bis zur Eröffnung Mitte März müssen sie sich nun zwischen spitzen Winkeln einleben.

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13. Dezember 2008Ute Woltron
Der Standard

Versteckerlspielen im Paragrafenwald

Wolf D. Prix würde im nächsten Leben lieber Rechtsanwalt für Planer werden als Architekt. Vorher muss allerdings die Europäische Zentralbank gestemmt werden

Wolf D. Prix würde im nächsten Leben lieber Rechtsanwalt für Planer werden als Architekt. Vorher muss allerdings die Europäische Zentralbank gestemmt werden

Vor drei Jahren gewann Coop Himmelb(l)au den Wettbewerb für ein neues Hochhaus der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt: Ein gigantisches Projekt, ein avancierter Entwurf - und nicht zuletzt ein Kristallisationspunkt für Neid und Häme unter den Kollegen, die dieses Ding allesamt sehr gern gebaut hätten.

Als vergangenen Sommer mit Züblin nur ein einziger Anbieter auf die Ausschreibung für Generalunternehmer ein Anbot legte und den zuvor von den Wiener Architekten mit rund 500 Millionen Euro kalkulierten Preis auf kolportierte 1,6 Milliarden pushte, raschelte es nur so im deutschen Blätterwald. Das Projekt sei zu kompliziert, hieß es, und - eine derartige Architektur, das habe man immer schon gewusst, könne eben nur um völlig abartige Summen errichtet werden.

Die Zentralbank legte eine Denkpause ein. Coop Himmelb(l)au blieben derweil cool. Denn, wie Wolf D. Prix sagt: „Wir konnten nachweisen und durch Marktrecherchen feststellen, dass unsere Kostenrechnung plus/minus dennoch richtig war.“ Die EZB beauftragte in der Folge die Wiener Architekten mit der Ausführungsplanung und mit einer neuerlichen Ausschreibung. Die wird im Laufe des kommenden Jahres allerdings nicht als Gesamtpaket für Generalunternehmer, sondern in Häppchen erfolgen, also auf die einzelnen „Gewerke“ verteilt. Nachvollziehbar und nachkalkulierbar.

Prix: „Ende 2009 wird es eine Entscheidung der Bank geben, wenn es uns gelingen wird, die Kosten zu halten - woran aber kein Zweifel besteht. Dann gäbe es Anfang 2010 den Baubeginn und die Fertigstellung 2013/14.“

Wie kann es allerdings in den Berechnungen der Bauindustrie zu einer derartigen Kostensteigerung kommen? Und warum bietet überhaupt nur ein einziges Unternehmen an? Prix verweigert aus gutem Grund bei laufenden Verhandlungen jegliche Aussagen über das spezielle EZB-Verfahren, außerdem seien die kolportierten 1,6 Milliarden sowieso falsch.

Doch generell lassen sich ein paar Faktoren heraussezieren, die derlei Preisexplosionen plausibel machen - und die vielleicht in Betracht gezogen werden sollten, bevor Kostensteigerungen immer und ausschließlich den Architekten in die Schuhe geschoben werden. Beispiele dafür gibt es genug. So wirft man etwa derzeit den gewöhnlich überaus korrekten und des Kalkulierens durchaus mächtigen Schweizern Herzog & de Meuron die Kostenexplosion ihrer Elbphilharmonie im Hamburger Hafenviertel vor.

Doch in Wirklichkeit ist das Spiel weitaus komplizierter als die simple Annahme, Architekten würden sich eben chronisch verrechnen. Dass es tatsächlich völlig untransparent abläuft, hat gleich mehrere Gründe: Nicht zuletzt liegt das an den verschlungenen Strukturen einer mächtigen, politisch normalerweise sehr gut abgefederten Bauindustrie.

Zur Erinnerung: Gerade die Bauwirtschaft ist diejenige, mit der Volkswirtschaften in Krisenzeiten bis zu einem gewissen Grad abgepuffert werden können. Außerdem befasst sie sich mit einer für Außenstehende so gut wie nicht nachvollziehbaren, nicht kontrollierbaren Materie.

Auf der anderen Seite sitzen Auftraggeber, die ab einer entsprechenden Größe selbstverständlich über mit allen Wassern gewaschene Rechtsabteilungen verfügen, deren Auftrag es ist, jedes auch nur erdenkliche Risiko zu minimieren, wenn nicht zu eliminieren. Jeder Anbieter, der diesen von den Paragrafenfuchsern geschnitzten ungeheuerlichen Vertragswerken entsprechend kalkuliert, lässt seinerseits erst einmal eine Heerschar der eigenen Juristen das Feld durchkämmen.

Schließlich und endlich sind alle Beteiligten - bis auf die Architekten natürlich - von derartigen Sicherheitswällen in Form von Auf- und Zuschlägen und unsichtbar hineingerechneten Sicherheitsspannen umgeben, dass die Kosten zu gewaltigen Gebirgen angewachsen sind. Generalunternehmer schlagen ihre Spannen auf die Subunternehmer, ein insgesamtes Spannen-Addieren findet statt, das eben in ordentlich Summen mündet.

Prix bestätigt das, und meint zudem: „Man kann die Preise selbstverständlich darüber hinaus noch mit allem Möglichen weiter erhöhen, zum Beispiel indem man unmöglich kurze Bauzeiten verlangt.“ Und: „Dazu kommt, dass in unserer Gesellschaft das I-win-Prinzip zum obersten Gebot geworden ist - sprich: Je toller man den anderen übers Ohr haut, desto größer ist das eigene Heldentum. Das Ausbalancieren von gemeinsamem Erfolg ist nicht mehr das Ziel - und bei solchen Großprojekten schon gar nicht.“

Doch gewinnen wollte doch immer schon jeder. Was hat sich also verändert im turbokapitalistischen System? Prix ist überzeugt: „Die frühere Handschlagqualität zwischen Architekt und Handwerker, die eine für beide gute Situation darstellte, weil beide etwas davon hatten, die hat sich aufgehört. Durch den Turbokapitalismus und die Ich-AGs ist das völlig verlorengegangen.“

Dazu kommt, dass die rechtliche Situation es oftmals verbietet, dass Architekten und Anbieter gemeinsam an der Lösung einer technischen Herausforderung arbeiten, bevor die Anbote gelegt werden. Auch das erhöht oftmals die Preise enorm. Wie man sich als Architekturbüro gegen all diese Tendenzen stellt und dennoch nicht verliert, liegt für Prix ebenfalls auf der Hand: „Ich denke, das Einzelkämpfertum, also der geniale Architekt, der ganz allein alles kann, das ist endgültig vorbei. Man muss lernen, die Aufgaben wie in einem guten Fußballteam zu verteilen. Als guter Architekt ist man dann halt der Zidane, der den tollen Querpass schlägt, der zum Ziel führt. Aber dass das einer allein schaffen kann - unmöglich!“

Die Verteidigung würden die Juristen stellen. Allein am EZB-Projekt arbeiten derzeit an die 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Prix: „Das sind nicht nur Architekten, sondern eine Vielzahl von Konsulenten, wie Bauphysiker, Haustechniker, die koordiniert, gemanagt werden müssen. Das ist eine hochkomplexe Aufgabe.“ Und die Juristen? - "Klar! Die arbeiten ordentlich mit."Auf die Frage, ob er selbst, so er noch einmal 18 wäre, wieder Architektur studieren würde, sagt er: „Nein. Ich würde Rechtsanwalt für Architekten werden. Weil die mehr verdienen.“

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