Pläne

Details

Bauherrschaft
Stadt Weil am Rhein
Funktion
Verkehr
Wettbewerb
2001 - 2002
Planung
2003
Ausführung
2006 - 2007
Baukosten
3,4 Mio EUR

Preise und Auszeichnungen

2008 Deutscher Brückenbaupreis
2008 Ingenieurbaupreis
2008 Footbridge Award, Kategorie Technik
2008 ECCS Award for Steelbridges
2008 Deutscher Stahlbaupreis
2007 Renault Future Traffic Award

Publikationen

Presseschau

Fussverbindung

Das Dreiländereck bei Basel hat der neuen Fussgängerbrücke den Namen gegeben. Über den Rhein gespannt, verbindet sie Weil am Rhein (Deutschland) mit Hüningen (Frankreich) und steht keine 200 m von der Schweizer Landesgrenze entfernt. Seit der Eröffnung im März 2007 soll die neue Verbindung die Fussgängerinfrastruktur der industrialisierten Region verbessern und die Beziehungen über die Ländergrenzen hinweg fördern.

Das Dreiländereck bei Basel hat der neuen Fussgängerbrücke den Namen gegeben. Über den Rhein gespannt, verbindet sie Weil am Rhein (Deutschland) mit Hüningen (Frankreich) und steht keine 200 m von der Schweizer Landesgrenze entfernt. Seit der Eröffnung im März 2007 soll die neue Verbindung die Fussgängerinfrastruktur der industrialisierten Region verbessern und die Beziehungen über die Ländergrenzen hinweg fördern.

Im Juli 2001 schrieben die Stadt Weil am Rhein und die Communauté de Communes des Trois Frontières (CC3F) einen Wettbewerb für eine Fuss- und Radwegbrücke über den Rhein aus. Die Planungsgemeinschaft Leonhardt, Andrä und Partner / Feichtinger Architectes aus Berlin bzw. Paris gewannen die Konkurrenz und erhielten 2004 den Auftrag für die ­Planungsarbeiten der Dreiländerbrücke. Die Eröffnung der komplett aus Stahl gefertigten Bogenbrücke fand im März dieses Jahres statt.

Die Asymmetrie des Bauwerks

Die Fussgängerverbindung über den Rhein liegt in der Achse der Hauptstrasse von Friedlingen, einem Ortsteil von Weil am Rhein, und der Rue de France von Hüningen mit dem historischen Turm im Hintergrund. Die beiden Aussichten über die Brückenenden hinweg spielten für das architektonische Konzept eine wesentliche Rolle. Um die Sichtachse für die Fussgänger nicht zu unterbrechen, neigt sich der südliche Bogen um 16° zur Seite und gibt dem Brückenquerschnitt seine Asymmetrie – eine starke und eine schwache Achse prägen die Tragstruktur. Entsprechend sind die Querschnitte der Haupttragelemente ungleich ausgebildet. Der stärkere, vertikale Nordbogen besteht aus zwei hexagonalen, 900 mm hohen Stahlkästen, der schwächere, geneigte Südbogen hingegen aus einem Stahlrohr mit dem Durchmesser von 609 mm. Durch diese spezielle Formgebung wird der nördliche Bogen etwa doppelt so stark belastet wie der südliche.

Ein Teil des Bogenschubs wird an den Auflagerpunkten umgelenkt und an den Brücken­enden nach unten gespannt. Dadurch konnte die Gesamthöhe des Bauwerks auf 23 m ­gesenkt werden. Vom Schnittpunkt der Stahlbogen mit dem Fahrbahndeck bis zu deren Scheitelpunkt misst der Bogenstich sogar nur 16.95 m. Bei einer freien Spannweite von 229.40 m zwischen den Bogenfusspunkten erscheint die Brücke entsprechend flach und schlank. Um das erforderliche Lichtraumprofil der Rheinschifffahrt dennoch freizuhalten, wurde die Gehwegplatte mit einer Kuppenausrundung ausgebildet. Der Hochpunkt befindet sich in Brückenmitte. Die orthotrope Platte aus 10 mm dickem Deckblech und Trapezhohlsteifen hat ein Quergefälle von 2 % und liegt alle 3.10 m auf Querträgern auf. Die anfallende Last wird auf die beiden Längsträger weitergeleitet. Auch bei diesen Tragelementen wurde die Asymmetrie umgesetzt. Der nördliche Träger besteht aus zwei hexagonalen Querschnitten mit 600 mm Bauhöhe, der südliche ist ein Rohr mit 325 mm Durchmesser. Beidseitig hängt der Gehweg alle 9.30 m mit galvanverzinkten Spiralseilen an den Stahlbögen. Die Seildurchmesser variieren entsprechend der Belastung von 30 bis 36 mm.

Die statische Berechnung des asymmetrischen Gesamtsystems erfolgte mit einem räumlichen Stabwerksmodell. Zur Erfassung der korrekten Quersteifigkeit wurde die Gehwegplatte mit einer Finite-Element-Struktur in das Programm eingegeben. Der massgebende Bemessungslastfall für die schlanke Tragkonstruktion war in Querrichtung die Windbelastung. In Brückenlängsrichtung war die Verkehrslast auf der halben Brückenlänge bemessungsrelevant. Die Durchbiegung in diesem Lastfall beträgt 1275 mm, was in etwa L/200 entspricht.

Die schlanke Konstruktion

Um den Einfluss der grossen Durchbiegungen zu berücksichtigen, erfolgte die Schnitt-kraftermittlung nach Theorie III. Ordnung. Die Überhöhung musste bei der Dimensionierung der Tragelemente ebenfalls berücksichtigt werden. Sie konnte infolge der Nichtlinearität nicht direkt aus der Durchbiegung, sondern musste aus der Überlagerung der einzelnen Abtriebskräfte infolge des Eigengewichtes ermittelt werden.

Wegen der schlanken Konstruktion ist die Brücke schwingungsanfällig – man spürt regelrecht die Dynamik, wenn man über die Gehwegplatte geht. Um die Schwingungsanfälligkeit der leichten Konstruktion zu testen, wurden im Januar 2007 am Bauwerk Untersuchungen mit bis zu 1000 Teilnehmern durchgeführt. Nennenswerte Schwingungen stellten sich erst bei einer Brückennutzung von über 500 Personen ein. Bei üblicher Nutzung treten sie nicht auf. Es besteht somit kein relevantes Gefährdungsbild.

Die sich aus der statischen Berechnung ergebenden Auflagerreaktionen wiesen grosse ­Horizontalkräfte in Richtung Süden auf. Demgegenüber waren die vertikalen Auflagerkräfte wegen der leichten Stahlkonstruktion relativ klein. Darum war die Anordnung von konven­tionellen, horizontal ebenen Auflagern nicht möglich. Mit Kalottenlagern an den beiden Bogenenden auf der französischen Seite und der längsverschieblichen Lagerung am Ufer von Weil am Rhein konnte die Lastabtragung jedoch gewährleistet werden. Konstruktiv aufwändig waren auch manche Knotenpunkte. Die unterschiedlichen Profilquerschnitte und die grosse Spannweite in Verbindung mit der geringen Brückenhöhe verursachten beispielsweise «schleifende» Schnittpunkte der Bögen mit dem Gehbahndeck. Am nördlichen Bogen beträgt die Länge eines Knotenpunktes ganze 7.70 m. An dieser Stelle wurde ein geschweisster Knoten mit Stahl- und Gussblechen ausgebildet. Die Schweisszugänglichkeit war aber bei den geringen Querschnittshöhen teilweise schwierig. Ausserdem entstanden bei einigen Knotenpunkten in den Stahlquerschnitten hohe Spannungen. Eine konventionelle Ausbildung von Schweissknoten war dann nicht immer möglich. So wurden an den Auflagern zur Verbindung der Haupttragglieder Gussknoten angeordnet. Die freie Formwahl bei der Verbindung der Querschnitte und die einfache Anpassung der Wandstärke entsprechend der statischen Beanspruchung begünstigten diese Konstruktionsweise.

Auf dem Rhein zum endgültigen Standort

Die gesamte Brücke wurde auf dem Vormontageplatz gefertigt. Er befand sich etwa 500 m rheinabwärts auf französischer Seite. Nach dem etwa halbjährigen Zusammenbau der kompletten Konstruktion wurden temporäre Abspannungen an den Brückenenden eingebaut, um die Stabilität und die Steifigkeit zu gewährleisten. Mit Schwerlastfahrzeugen wurde das Bauwerk auf im Fluss treibende Pontons verladen und anschliessend im November 2006 an seine endgültige Lage geschifft. Dafür war die Rheinschifffahrt für einen Tag gesperrt. Nach dem Vorspannen der Zugabspannungen am Brückenende konnten die Lager vergossen werden. Die Brücke war den Fussgängern und Radfahrern nach den Abschlussarbeiten ab März 2007 zugänglich – und diente während des Hochwassers vom letzten August bereits als Aussichtsplattform.



verknüpfte Zeitschriften
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04. Februar 2007Walter Zschokke
Spectrum

Großer Wurf für weiten Bogen

Elegant, städtebaulich sensibel, und ein Weltrekord: die 230 Meter weite Rad- und Fußgängerbrücke über den Rhein. Ein Werk der Auslandsösterreicher Dietmar Feichtinger und Wolfgang Strobl.

Elegant, städtebaulich sensibel, und ein Weltrekord: die 230 Meter weite Rad- und Fußgängerbrücke über den Rhein. Ein Werk der Auslandsösterreicher Dietmar Feichtinger und Wolfgang Strobl.

Als Erste nahmen die Möwen Besitz vom neuen Bauwerk, das eine Fähre zwischen dem deutschen Weil am Rhein und dem französischen Huningue ersetzt. Während sie den Vögeln als temporärer Aufenthaltsort dient, ist die Brücke für die Menschen in den urbanen Gebieten beidseits des Stromes als verbindendes Element von alltagspraktischer und symbolischer Bedeutung. Sind es doch im Rheinknie, zwischen Groß- und Kleinbasel, wo der Strom, von Osten kommend, sich nach Norden wendet, fünf Brücken, ein Wehrübergang und vier Fähren, die den Austausch sichern, während erst weit unterhalb der „Pont Palmrain“ auch Fußgängern und Radfahrern einen Übergang anbietet.

Die neue Brücke ist trotz der Weite des Stromes von 240 Metern ein urbanes Bauwerk. Sie liegt auf deutscher Seite in der Verlängerung der „Hauptstraße“ von Weil und trifft auf französischer Seite auf die „Rue de France“, die nach 200 Metern in die zentrale „Place Abbatucci“ mündet. Dies legt ihre städtebauliche Bedeutung fest. Und selbst Bewohner von Kleinbasel freuen sich über diesen direkten Radweg ins Elsass. Von der Brücke aus genießt man stromaufwärts beste Sicht auf die manövrierenden Schiffe vor dem Basler Rheinhafen, und im Hintergrund sind die Bauten des in Transformation befindlichen Novartis-Campus zu erkennen.

Die Stadt Weil am Rhein als Vertreterin der Bauherrschaft, der „Communauté des Trois Frontières“, war daher gut beraten, als sie 2001 einen Wettbewerb ausschrieb, den die Arbeitsgemeinschaft Feichtinger Architectes, Paris und Leonhardt, Andrä und Partner, Berlin gewann. Knappe 200 Meter unterhalb des politischen Einflussbereichs der Basler Stararchitekten schlug das Siegerteam eine elegante Stahlbogenbrücke vor, die mit einer einzigen Öffnung von 230 Metern den Rhein überspannt. Die Fahrbahnplatte dient als Zugband, sodass außer den Windlasten nur senkrechte Auflagerkräfte zu bewältigen sind. Um die Sicht auf den historischen Turm am Hauptplatz von Huningue nicht zu verstellen, verläuft die Brücke an der Nordseite der beiden neu verbundenen Straßenräume - eine städtebauliche Sensibilität, die heute nicht selbstverständlich ist. Zudem weist sie ein asymmetrisches Tragwerkskonzept auf: Der nördliche Bogen ist erkennbar kräftiger und besteht aus zwei Sechseckrohren. Der südliche, ein Rundrohr, neigt sich Ersterem zu, sodass die Blickachse zwischen den benachbarten Orten offen bleibt. Die gute Nachbarschaft Frankreichs und Deutschlands sowie die städtebauliche Einbindung bilden den Symbolgehalt des nicht bloß funktionalen, sondern wohlproportionierten und eleganten Bauwerks.

Doch damit sind die gestalterischen Überlegungen, die integral zum Wesen des Tragwerks gehören, nicht abgeschlossen. Die Bogenform, zu Beginn des Entwurfs einer quadratischen Parabel folgend, was einen stärker gekrümmten Scheitel und geradere Schenkel ergeben hätte, wurde in den Viertelpunkten um 40 Zentimeter angehoben. Sie wirkt nun runder, auch weicher, und entspricht einer Polynomfunktion vierten Grades. Besonders in der Schrägsicht bleibt der Kurvenschwung stetiger, und in der Seitenansicht wirkt der Bogen ruhiger und weniger angestrengt.

Um diese Leichtigkeit auch in die Uferbereiche auszudehnen, verzichteten die Planer bewusst auf massive Brückenköpfe und lösten die anfallenden Kräfte in ein räumliches Fachwerk auf. Leichtfüßig setzen die Bogen auf den nahe dem Ufer im Wasser befindlichen Fundamentpfeilern auf. Zwei kräftige Druckstreben leiten den Horizontalschub wieder zum Ende der Fahrbahnplatte hinauf, diese verbindet die Zugkräfte über den Strom hinweg. Die verbleibenden Vertikalkomponenten werden mit zwei Zugstäben im Untergrund verankert. Optisch bilden die Druckstäbe einen Auftakt zum großen Bogen und lassen den Übergang dynamischer wirken. Damit wird die Kontinuität betont. Schwere Brückenköpfe hätten unnötigerweise militärische Erinnerungen geweckt und in die Uferwege Zäsuren gesetzt.

Gewiss ist die Gestaltung eines Fußgänger- und Radfahrerstegs, bei dem die Hauptlasten das Eigengewicht und die Windkräfte sind, einfacher als etwa eine Autobahnbrücke. Aber die 230 Meter Spannweite bedeuten in dieser Kategorie derzeit Weltrekord, und der geringe Bogenstich von 23 Metern war ingenieurtechnisch eine Herausforderung. Bis in die Details reicht die planerische Sorgfalt. So wurden die Durchdringungen der Fahrbahnrandträger mit den Bogen als anspruchsvolle, exakte Stahlgussteile hergestellt, und alle übrigen Gelenke, Stäbe und Kraftanschlüsse sind bewusst, aber nicht verspielt gestaltet.

Das sensationelle, aber eben nicht sensationalistische Bauwerk verdankt seine Qualität zwei österreichischen Fachleuten, die seit Jahren im europäischen Ausland leben und arbeiten. Der Architekt Dietmar Feichtinger hat in Graz an der Technischen Universität studiert, arbeitet seit 1989 in Paris, seit 1994 mit eigenem Büro und ist auch in Österreich aktiv, wie der Campus Krems und das Kunsthaus Weiz sowie Wettbewerbsteilnahmen und -gewinne belegen. In Paris wurde voriges Jahr die Passarelle Simone-de-Beauvoir über die Seine, auch ein Wettbewerbsgewinn, eingeweiht. Seine konstruktive Kompetenz kommt bei den von ihm entworfenen Bauwerken in unaufdringlicher Weise zum Ausdruck.

Der Bauingenieur Wolfgang Strobl stammt aus Weiz, hat ebenfalls an der Technischen Universität Graz studiert und ist seit 1994 im Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner tätig; seit 2000 als Gruppenleiter Hoch- und Ingenieurbau im Zweigbüro Berlin. Der vor wenigen Jahren verstorbene Gründer der Firma, Fritz Leonhardt, war einer der gezählten großen Bauingenieure im 20. Jahrhundert. Wolfgang Strobl konzentrierte sich früh auf die Softwareentwicklung zur statischen und dynamischen Berechnung anspruchsvoller Tragwerke. Als verantwortlicher Bauingenieur für die Brücke über den Rhein übernahm er in der Arbeitsgemeinschaft mit Dietmar Feichtinger, den er seit Studienzeiten kennt, die kaufmännische und technische Federführung.

Neben den beachtlichen gestalterischen und ingenieurtechnischen Qualitäten verweist das Bauwerk überdies auf ein Problem, das vor allem kleinere Staaten betrifft, dessen man sich aber meist kaum bewusst ist: das des Kaderexports. Zahlreiche Fachleute werden an den heimischen Universitäten ausgebildet. Oft sind es die Fähigsten und Kreativsten, denen es im Kleinstaat zu eng wird, sodass sie im nahen oder fernen Ausland nach Entfaltung suchen. Es ist aber die Ausnahme, dass solche kompetente Köpfe samt ihrer gesammelten Erfahrung zurückgeholt werden. Oft genug ist dem das Kartell der Daheimgebliebenen davor.

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