Pläne

Details

Adresse
Schukowitzgasse 87, 1220 Wien, Österreich
Architektur
Georg W. Reinberg
Mitarbeit Architektur
Marta Enriquez-Reinberg, Uli Machold, Sigrid Müller-Welt
Tragwerksplanung
Gregor Pribek
Landschaftsarchitektur
Anna Detzlhofer
Fotografie
Rupert Steiner
Planung
2003
Ausführung
2005 - 2006
Nutzfläche
1.229 m²
Umbauter Raum
6.227 m³
Baukosten
2,4 Mio EUR

Nachhaltigkeit

Der kompakte Baukörper, die hohe Dämmung (Wand 30 cm bzw. Dach 30-47 cm) und die Lüftungswärmerückgewinnungsanlage reduzieren die Wärmeverluste
auf ein Minimum.
Die Glasfassade im Süden („Sonnenfenster“) nutzt die Sonnenenergie auf passive Weise (142 m² Südverglasung).
Im Zentrum des Atriums steht der Warmwasserspeicher der Solaranlage (3,8 m³) und macht das Solarbaukonzept
erlebbar. Die Speicherung der passiven Solargewinne wird durch die Gebäudemasse (Beton
ohne Oberflächenverkleidung) möglich. Der sommerliche Überhitzungsschutz erfolgt durch außenliegende Jalousien.
Bei Überhitzungsgefahr werden diese (automatisch mit manueller Eingriffsmöglichkeit) geschlossen. Das Oberlicht wird mit einem beweglichen außenliegenden
Sonnenschutz beschattet. Die Kühlung erfolgt durch „Nachtspülung“ (Durchlüftung mit kühler Nachtluft) und entsprechender Speicherung der Kühle im gesamten
Baukörper („free cooling“).

Heizwärmebedarf
13,0 kWh/m²a (Energieausweis)

Architekturwettbewerb

Das Projekt ist aus dem Verfahren Energiespar-Kindertagesheim hervorgegangen

1. Rang, Gewinner
3. Rang, Preis

Presseschau

21. April 2007Liesbeth Waechter-Böhm
Spectrum

Pionier der Peripherie

Was entsteht, wenn Architekt und Heimleitung kooperieren: ein helles, freundliches Haus, räumlich großzügig, nicht übermöbliert – und geplant nach allen Regeln der ökologischen Kunst. Ein Kindertagesheim in Breitenlee bei Wien.

Was entsteht, wenn Architekt und Heimleitung kooperieren: ein helles, freundliches Haus, räumlich großzügig, nicht übermöbliert – und geplant nach allen Regeln der ökologischen Kunst. Ein Kindertagesheim in Breitenlee bei Wien.

Breitenlee ist keine attraktive Gegend. Es gilt zwar als Peripherie von Wien, nördlich der Donau gelegen, aber es ist weit weg von jeglicher Urbanität. Es liegt im Flachen, und wie alle diese ursprünglichen Dörfer präsentiert es sich ziemlich zersiedelt und ruiniert. Die bemerkenswerte Ausnahme von den heutigen städtebaulichen und architektonischen Regeln dieses Umfelds hat Helmut Wimmer 1997 realisiert: eine Volksschule, die auf die tradierten Grundmuster dieser Gegend eingeht und in den zehn Jahren ihres Bestehens nichts an Relevanz verloren hat. Es ist ein eingeschoßiges Schulhaus mit einem Hof, der durch eine in die Erde abgesenkte, also ebenfalls niedrige Turnhalle zur Straße hin geschlossen ist. Ins Schulgebäude selbst sind fünf begrünte Atrien eingeschnitten und die Klassenzimmer dorthin orientiert.

Normalerweise bedeutet es einen Anlass zur Sorge, wenn neben einen solchen Bau ein anderer – in diesem Fall ein Kindertagesheim – gestellt werden soll. Noch dazu ein höheres Bauwerk – mit einem Obergeschoß. Tatsächlich haben die Teilnehmer am geladenen Wettbewerb von 2003 diese Möglichkeit auch genutzt. Nur Georg W. Reinberg nicht, der blieb mit seinem Projekt niedrig – und hat damit gewonnen.

Reinberg hat mit seinem Neubau städtebaulich wirklich etwas geleistet. Er hält Abstand zur Schule, sie wird in ihrer Wirkung nicht beeinträchtigt. Und er formuliert seinen Baukörper so, dass der Hof zwischen Schule und Turnsaal an der Schmalseite des Grundstücks geschlossen wird.

Außerdem wird mit diesem Nebeneinander von Schule und Kindertagesheim ein funktioneller Zusammenhang sichtbar. Das Tagesheim umfasst zwar auch Kinderkrippe und Kindergarten, vor allem aber vier Hortgruppen für die Schüler – und eine fünfte wird wohl demnächst hinzukommen und den Mehrzwecksaal vereinnahmen. Das wird der „Bewohnbarkeit“, der Brauchbarkeit des Tagesheims aber keinen Abbruch tun. Reinberg hat es so geplant, dass sich der Eindruck der räumlichen Großzügigkeit geradezu aufdrängt. Am bescheidensten sind noch die Räume für die Leiterin und die Mitarbeiter, sie liegen rechts vom Eingang. Da war ganz offensichtlich der Zweck und nicht die Repräsentation für Größe und Ausstattung bestimmend.

Kein unsympathischer Faktor. Aber die Atmosphäre in diesem Haus ist überhaupt sehr angenehm. Die Zufriedenheit der Leitung und die Freude der Kinder teilen sich mit. Tatsächlich haben sie ja auch ein sinnvoll organisiertes, dazu helles, freundliches Haus erhalten, das durch den demonstrativen Außenbezug der Gruppenräume – auf eine gut nutzbare Grünfläche – noch eine wesentliche Qualität hinzugewinnt.

Dreh- und Angelpunkt ist ein großes, hohes, glasüberdachtes Atrium, das als Aufenthalts- und Verteilerhalle fungiert. Die Gruppenräume – sie sind alle nach Süden orientiert – werden über die Garderoben erschlossen, die vom Atrium bis an den südlichen Freiraum reichen. Diese Garderoben sind übrigens besonders gut gelungen, weil sie Räume sind – und nicht bloß Gänge, flankiert von Spinden. Sie sind breit, und durch die raumhohe Verglasung schauen sie ins Grüne. Da zeigt sich auch, dass es von Vorteil ist, wenn der Architekt zumindest die fixen Wandeinbauten selbst entwerfen kann, das bringt einen deutlichen gestalterischen, atmosphärischen Gewinn.

Die Gruppenräume sind groß, voll auf den Grünraum orientiert und nicht übermöbliert. Sicher, es ist alles da, was gebraucht wird. Aber die Kinder haben Platz, sie können sich bewegen. Da merkt man einfach, dass Architekt und Heimleitung sich verständigen konnten. Es gibt andere Beispiele, da haben profilierte Architekten ähnliche Vorschläge gemacht, die dann von der Tagesstättenleitung durch eine eklatante Übermöblierung illusorisch wurden.

Reinberg hat sich vor allem auf dem Gebiet des ökologischen, energiesparenden Bauens einen Namen gemacht. Auch für die Entwicklung dieses Projekts waren solche Überlegungen inhaltlich ausschlaggebend. Die Positionierung des Baukörpers als südlicher Kopfbau der Schule kam diesen Ambitionen entgegen, die architektonische Lösung der Öffnung zur Sonne und zum Grünraum war eine logische Konsequenz.

Von außen präsentiert sich das Gebäude als sehr ruhiger, niedriger Baukörper, der ins grüne Umfeld sensibel eingebettet ist. Vom Hof her ist dem Körper gewissermaßen ein Eck ausgeschnitten – wodurch der Hof zum geschlossenen Rechteck und der Eingang deutlich sichtbar wird. An der Nordseite, die dem Schulhaus zugewandt ist, liegen alle Verwaltungs- und Nebenräume. Hier ist die Fassade verhältnismäßig geschlossen, es gibt Oberlichtbänder (also indirektes Sonnenlicht, ohnehin die bessere Lösung für Arbeitsplätze). Die an sich völlig unspektakuläre, voll verglaste Südfassade ist trotzdem interessant, denn durch die über der Raumverglasung liegenden, dunkleren Solarpaneele wird die Horizontale des Gebäudes noch einmal betont. Obendrein verwandelt der außen liegende Sonnenschutz das Ganze – je nachdem – in eine offene oder geschlossene Schatulle.

Drinnen legt Reinberg eine gewisse Robustheit an den Tag – denn alle Installationen sind sichtbar geführt, und der Warmwasserspeicher der Solaranlage steht sozusagen im „Zentrum“ des Atriums. Reinberg misst der Sichtbarkeit seiner technischen Maßnahmen didaktischen Wert zu. Wichtig ist, dass er in seinen Überlegungen nicht bei missionarischen Ansprüchen stehen bleibt. Allein schon sein Spiel mit Raumhöhen – entsprechend der Bedeutung der Räume – macht einen Rundgang durchs Haus interessant. Auch sein Spiel mit der Tagesbelichtung (die sogenannten Nebenbeschäftigungsbereiche in den Gruppenräumen etwa sind nur über das Atrium belichtet).

Das Haus wäre nicht von Reinberg, wäre darin nicht ein Optimum ökologischer, energiesparender Baumaßnahmen realisiert. Hohe Dämmung sowieso, passive Sonnenenergienutzung, Solaranlage, Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung – bis hin zu einem ausgeklügelten manuellen Belüftungssystem, das bei Hitze und in der Nacht für Kühlung sorgt. Und das Regenwasser versickert auch. Ich handle diesen wichtigen Aspekt von Reinbergs Arbeit nur kursorisch ab, weil die Entwicklung der letzten Jahrzehnte längst dazu geführt haben müsste, dass solche Überlegungen und Kenntnisse zum selbstverständlichen Know-how jedes Architekten gehören und im Bewusstsein jedes Bauträgers und Nutzers verankert sein müssten. Natürlich ist es immer noch nicht so. Reinberg gehört vor allem im Wiener Raum jedenfalls zu den Pionieren.

03. März 2007Isabella Marboe
Der Standard

Kinder, Sonne, Wärmetank

Wien-Breitenlee erfreut sich regen Zuzugs und vieler Kinder. Neben die Volksschule setzte ihnen Architekt Georg Reinberg ein Kindertagesheim in Passivbauweise in die Wiese.

Wien-Breitenlee erfreut sich regen Zuzugs und vieler Kinder. Neben die Volksschule setzte ihnen Architekt Georg Reinberg ein Kindertagesheim in Passivbauweise in die Wiese.

Kindergärten haben im roten Wien eine lange Tradition, einige Bauten waren wegweisend. Den Architekten Friedl Dicker und Franz Singer glückte im Kindergarten des Goethe-Hofs eine Symbiose aus Raum und Montessori-Pädagogik. Doch auch in neueren Tagen ist der Kindergarten eine gern gesehene Aufgabe unter Architekten.

In Breitenlee war ein neues Kindertagesheim dringend nötig. Die Gemeinde Wien schrieb daher einen geladenen Wettbewerb im Niedrigenergiestandard aus. Nach Süden ist das Grundstück offen. „Mit Solarmaßnahmen kamen wir auf Passivhaus-Standard“, erklärt Architekt Georg Reinberg.

Der Extrabedarf an Warmwasser für Windeln und Geschirr wird von Warmwasserkollektoren abgedeckt. Das dunkle, schmale Band, das aktiv und passiv die Solarenergie nutzt, fasst die Nurglasfront im Süden. Hier liegen die Gruppenräume am Garten.

„Die Kinder sollen die Kraft der Sonne im Haus erleben. Alle Leitungen sind frei geführt, im Innenatrium steht der Wärmetank. Am Thermometer sehen die Kinder die Energie regelrecht fließen.“ Vornehm gleitet der kompakte, ebenerdige Baukörper als neuer Kopf im Süden vor die Schule, schafft im Westen einen sicheren Durchstich zum grünen Breitenleer Siedlungsteppich und schließt den einstigen Vorplatz zum geschützten Innenhof. Die hier anschließende Halle ist das soziale Herz des Kindertagesheims.

Raum für Bewegung

Tische und Sessel stehen um den Wärmetank, von den Lüftungsrohren hängen Industrielampen herab, durchs schräge Atriumglas winkt der Himmel. „Wir sind eine Riesenfamilie mit 140 Kindern von null bis zehn Jahren“, sagt Leiterin Ulrike Schwarzkopf, „Bewegung und das Erlernen von Sprache hängen eng miteinander zusammen, der weite Gang gibt uns die Möglichkeit, alle optimal zu unterstützen.“ Hier wagen die Kinder erste Schritte in Gemeinschaft und Selbstständigkeit und lernen ihre Grenzen und Bedürfnisse kennen. Mittels einer Rampe gleitet die offene Mitte zum Laufen, Essen und Spielen in den hohen Bewegungsraum im Osten herab.

In der Garderobe für die Minis steht ein Birkenholzmöbel, wo Erwachsene den Kindern beim An-und Ausziehen helfen können. Jeder Gruppenraum hat einen Sanitärblock in seiner eigenen Farbe und eine intime Nische mit Fenster zum Gang. Da türmen sich Bauklötze, dort liegt eine textilumhangene Matratze. „Die Kinder können sich aufhalten, wo sie sich am wohlsten fühlen“, erklärt Schwarzkopf.

Durch feine Lamellen fällt Streiflicht auf den sonnengelben Kautschukboden, durchs Glas strömen Sonne und Natur in den Raum. Die schallschluckenden Heraklithplatten ziehen feine Bahnen über die Betondecke. Sind die Garderobentüren zwischen den Gruppen offen, entsteht eine fließende Verbindung, in der sich die Kinder frei bewegen.

„Ein Kindergarten wird intensiv beansprucht“, sagt Architekt Reinberg, „entweder sind ganz viele Menschen drinnen - oder keiner.“ Die ständige Bewegung produziere viel Energie, erfordere aber massives Lüften. Die Speichermasse der Betondecke gleicht die Spitzen aus, hohe Dämmung und eine Lüftungsanlage hält die Wärmeverluste gering und den Komfort hoch.

Normalerweise dürfen Kindergartenfenster laut Regelwerk nicht zum Boden reichen, weil die Scheiben zu kalt sind. Hier liegen die Kleinen bei Schlechtwetter am warmen Isolierglas und sehen fasziniert zu, wie der Regen ins Gras fällt. Ihr Kindergarten kostete nicht mehr als andere.

Ensemble

Das städtebauliche Konzept des Architekten Helmut Wimmer, der für die Planung der Volksschule Breitenleer Straße verantwortlich zeichnet, sah bereits 1997 eine Erweiterungsmöglichkeit Richtung Süden durch eine Kinderbetreuungsstätte vor. Der Kindergarten Schukowitzgasse I wurde 2006 eröffnet (Architektur: Georg Reinberg). Steigender Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen im Stadterweiterungsgebiet Breitenlee war ausschlaggebend für die Errichtung eines weiteren Kindergartengebäudes, angrenzend an das bestehende (Architektur: Clemens Kirsch). Durch Zusammenlegung der beiden Freiflächen entstand ein großzügiger gemeinsamer Spielbereich, der nun von beiden Kindergärten genützt wird.

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