Pläne

Details

Adresse
Roter Hof 5, 2000 Stockerau, Österreich
Architektur
Johannes Zieser
Mitarbeit Architektur
Robert Oberhuber (PL), Ernst Peter Kogler, Christian Voith
Tragwerksplanung
Hollinsky & Partner
Fotografie
Rupert Steiner
Planung
2003 - 2006
Ausführung
2004 - 2006
Grundstücksfläche
9.462 m²
Bruttogeschossfläche
10.216 m²
Nutzfläche
5.043 m²
Bebaute Fläche
3.240 m²
Umbauter Raum
32.000 m³
Baukosten
11,5 Mio EUR

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Presseschau

01. September 2007Isabella Marboe
Der Standard

Willkommen an Bord

Im Park des Landespflegeheims Arche Stockerau ließ Architekt Johannes Zieser einen dunkelroten, holzverkleideten Neubau wie ein rotes Schiff vor Anker gehen. Seine Architektur beweist, dass man auch vom Krankenbett aus ein bissl Freude am Wohnen haben kann.

Im Park des Landespflegeheims Arche Stockerau ließ Architekt Johannes Zieser einen dunkelroten, holzverkleideten Neubau wie ein rotes Schiff vor Anker gehen. Seine Architektur beweist, dass man auch vom Krankenbett aus ein bissl Freude am Wohnen haben kann.

„Es ist der erste dreigeschoßige Vollholzbau in Niederösterreich“, sagt Architekt Johannes Zieser stolz, „unsere Entwurfsphilosophie für den roten Pflegeheim-Riegel war die von einem hölzernen Schiff.“ Und dann: „Es sollte wie eine Arche in den Park hinausschwimmen.“ Zieser gewann mit seinem Entwurf den Wettbewerb für das neue Niederösterreichische Landespflegeheim Arche Stockerau. Im grünen Park, direkt neben dem Altbestand, ist das Gebäude nun vor Anker gegangen und wurde mit dem NÖ Holzbaupreis 2007 ausgezeichnet.

„Am Tag des Umzugs frühstückten die Senioren noch im alten Heim, zu Mittag waren sie schon im Neubau“, erinnert sich Zieser. Und damit gingen einige funktionelle und atmosphärische Neuerungen einher: Bis auf die erdberührenden Bauteile ist der Pflegetrakt komplett aus Holz, in die Aufenthaltsbereiche wurde es sogar sichtbar integriert. Energieeffizient ist das Gebäude zudem: Es nutzt den Estrich als Speichermasse, hat Erdkollektoren und eine Wärmerückgewinnungsanlage.

In stromlinienförmiger Eleganz wickelt sich der Pflegetrakt mit insgesamt 105 Betten S-förmig aus dem eleganten, gläsernen Empfangsgebäude im Westen. Das hohe Vordach bildet einen urbanen, gedeckten Vorplatz im Freien, der nahtlos auf das Terrassenplateau im Süden übergeht.

Schiff mit Freiraum ...

Wie es sich für ein Schiff gehört, ist der Pflegetrakt außen mit dunkelrot lackierten Sperrholztafeln verkleidet, wie der Bug eines Dampfers vollzieht er mit großzügigen, halbkreisförmigen Terrassen seine Kehrtwende an beiden Enden. Die echt schrägen Stützen bilden den dynamischen Abschluss. „Diese Anordnung war die ökonomischste Lösung, um dunkle Gänge zu vermeiden. Außerdem kann man so die Menschen mit ihren Betten leicht ins Freie evakuieren“, erklärt der Architekt.

Trapezförmig weitet sich das Gangfoyer mit der Decke aus sichtbar belassenem Kreuzlagensperrholz zum lichten Speisesaal, wo man auf einer Galerie im gläsernen Gelenk der beiden Bauteile sitzen kann. Stolze sechs Meter misst der Luftraum über der Cafeteria, von deren Brüstung sich eine grüne Kaskade zum inneren Garten vor der Terrasse hinunterstürzt. Und auch dafür gibt es eine architektonische Erklärung: „Wir wollten, dass der Park von außen hereinwächst.“ Schönes Detail am Rande: Es gibt einen mit edlem Stainzer Gneis verkleideten offenen Kamin. In den allgemeinen Räumen wurden mit dem schönen Stein sogar die Gänge verkleidet.

Unmittelbar hinter der Galerie liegt, angeordnet in der offenen Mitte des Bettentrakts, der Pflegestützpunkt des Personals. Jede Station hat ihren eigenen, gemeinsamen Essplatz. Doch auch Glaube und Geist wollen gesättigt werden: Die Wände der Kapelle sind rundum mit hellem Seekiefernsperrholz verkleidet. Gleichmäßig fällt das Licht von oben in den ruhigen Raum. Der Kreuzweg aus dem alten Pflegeheim wurde in eine Seitenwand eingelassen. Es ist eine respektvolle Geste der Architektur, dass auf der Galerie auch Bettlägrige an der Messe teilnehmen können.

... und viel Licht

Orientierung, viel Licht und Ausblick sind wichtig für die Bewohner. Jedes der Ein- und Zweibettzimmer hat daher ein raumhohes Fenster, das sich wie ein kleiner Erker aus der Wand stülpt und so die Natur gleichsam ins Innere saugt. Boden und Laibungen dieser Sitzerker sind weiß - als reflektiertes Licht bleibt die Südsonne damit lange im Raum. Die behindertengerechten weißen Bäder sind durch Oberlichtbänder erhellt. „In der Nacht dringt das Licht vom Gang herein“, erklärt Johannes Zieser. Stockfinster wird es in diesem Pflegeheim nicht.

01. Juli 2006Walter Zschokke
Spectrum

Wenn wir alt sind

Eine Fassade, die in warmem Rot leuchtet, Fenster, die auch einem Liegenden den Blick ins Freie gewähren. Keine Spur von Klinik oder Kälte: das Landespensionistenheim in Stockerau.

Eine Fassade, die in warmem Rot leuchtet, Fenster, die auch einem Liegenden den Blick ins Freie gewähren. Keine Spur von Klinik oder Kälte: das Landespensionistenheim in Stockerau.

Östlich des Ortskerns von Stockerau befand sich bis vor kurzem das alte Landespensionistenheim in einem sechsgeschoßigen Bau aus den späten 1960er-Jahren. Bauphysikalisch und vor allem betrieblich war er nicht mehr zeitgemäß, und ansehnlich ist er auch nicht. Man wird ihn demnächst abbrechen und den Grund neu bebauen. Neben dem Altbau entstand in den vergangenen zwei Jahren ein neues Landespensionistenheim, dessen Fassade in einem warmen Rotton freundlich leuchtet. Als Zweites fallen die halbrunden Stirnseiten des Zimmertrakts auf, wo Bewohnerinnen und Bewohner in großen Loggien, gut beschattet und betreut, frische Luft genießen können. Denn es gilt zu bedenken, dass nicht wenige der Hochbetagten sich - wenn überhaupt - nur mehr im Rollstuhl bewegen können.

Betriebsökonomische Studien legten in den vergangenen Jahren optimale Bettenzahlen für die Pflegestationen fest, die sich jeweils auf einer Ebene befinden müssen. Dies bestimmte die Ausdehnung des dreigeschoßigen Zimmertrakts, der im Süden und im Norden über die genannten halbrunden Loggien verfügt, die wie gestapelte Achterdecks eines Ausflugschiffes wirken. Die Zimmer liegen beidseitig an einem Mittelgang und sind nach Osten oder Westen gerichtet. Große Kastenfenster mit niedrigen Brüstungen bieten selbst Liegenden einen Blick nach draußen.

An der Westseite des Zimmertrakts stößt ein gedrungener Quertrakt auf den Langbau. Er enthält die vielen allgemeinen Räume für Aufenthalt, Haarpflege, Café und dergleichen. Die Hauskapelle befindet sich hier, aber auch der Servicebereich mit der Küche, die Eingangshalle und die Verwaltung. An der Gelenkstelle springen die Geschoßdecken zurück, sodass das von Süden eindringende Licht bis tief in die hohen Hallen gelangen kann. Ein weit auskragendes Dach schützt vor der harten Sommersonne.

Bei der architektonischen Gestaltung eines Pensionisten- oder Pflegeheims gilt es immer zu bedenken, dass drei ziemlich verschiedene Nutzergruppen zu berücksichtigen sind: die alten Menschen, das Betreuungspersonal und die Angehörigen, Freunde und Bekannten, die zu Besuch kommen. Bewohnerinnen und Bewohner, die sich noch selbst bewegen, sollen sich unschwer orientieren können und räumlich abwechslungsreiche Allgemeinbereiche vorfinden. Sollten sie jedoch bereits immobil sein, ist ihnen ein freundliches Zimmer zu wünschen.

Das Betreuungspersonal wird sich in vielen Fällen für eine längere Dauer im Gebäude aufhalten als die meisten Bewohner. Praktische Arbeitsverhältnisse und angenehme Aufenthaltsbereiche und -räume sind das eine. Ein positiver Gesamtcharakter des Gebäudes, der eine Identifikation mit dem Arbeitsort fördert, ist jedoch mit Sicherheit ebenso wichtig, weil dies die Qualität der Arbeitsleistung positiv beeinflusst. Gewiss gibt es andere und gewichtigere Faktoren, aber die sind in der Regel meist leichter veränderbar als die Architektur des Hauses.

Wer seine Angehörigen, Freunde oder Bekannten besuchen kommt, möchte wohnliche Bereiche vorfinden, wo er dem besuchten Menschen nahe sein und ein, zwei angenehme Stunden verbringen kann, im Gespräch oder in stillem Beisammensein. Dazu kann ein eher privater oder eher öffentlicher Rahmen sinnvoll sein. Jedenfalls ist es gut, wenn man aus einem Angebot wählen kann. So kommen viele verschiedene und anspruchsvolle Forderungen an die Architektur eines Pensionistenheims zusammen, die nicht immer glücklich erfüllt werden. Nicht selten greift ein kalter Klinikcharakter Platz, den man sich auch im Spitalsbereich eigentlich nicht wünscht.

Ganz anders im vorliegenden Fall von Stockerau. Architekt Johannes Zieser ist es gelungen, eine positive Atmosphäre zu schaffen, in der man sich in jeder der drei Benützerrollen wohl fühlen kann. Gewiss wird diese Stimmung weder Altersgebrechen oder Alltagssorgen noch subjektive Ängste wegzaubern, aber positive raumgestalterische Voraussetzungen sind jedenfalls eine gute Ausgangslage.

Der Tagesaufenthaltsbereich zeichnet sich durch doppelte, teils dreifache Raumhöhe aus, mit Galerien und mancherlei Sichtbeziehungen, die einen guten Überblick erlauben. Die große Glaswand trennt klimatisch und bietet dennoch einen intensiven Bezug zum Außenraum. Die Materialien: Parkettböden in warmfarbigem Holz, Natursteinverkleidungen von Mauern in ockerfärbigem Stein - das Muster erinnert an die 1950er-Jahre, an die sich wohl nicht wenige Bewohner erinnern werden. Schlanke runde Stützen tragen die Galerie, über der ein Glasdach noch einmal Licht in den großen Binnenraum einlässt.

Am überraschendsten ist jedoch, dass der Trakt mit den Zimmern aus Holz errichtet wurde, das an den Decken der Gänge und in den Zimmern zu sehen ist und die positive Raumwirkung mitbestimmt. Die Deckenplatten und Wandscheiben bestehen aus Brettsperrholz. Das sind kreuzweise zu großen Tafeln verleimte Brettschichten. Ihre Größe wird nur durch die Transportfähigkeit begrenzt. Diese massiven Holzwerkstoff-Elemente werden konstruktiv und statisch wirksam eingesetzt. Architektonisch erscheinen sie flächig, was bisher die Domäne des Stahlbetons war oder in Holz durch Verkleidung erreicht werden musste. Der Rohbau gleicht dem anderer Massivbauweisen, hat aber neben dem geringeren Gewicht den Vorteil der schnellen und trockenen Montage sowie der werkseitigen Vorfertigung.

Der Aufbau der Außenwände beginnt außen mit hinterlüfteten, rot lackierten Sperrholztafeln, deren Horizontalfugen gegen eindringenden Schlagregen sorgsam mit einem Wetterschenkel versehen sind. Zementgebundene Spanplatten schützen die Dämmung und sichern gegen Brandüberschlag. Hinter der Dämmung steht das tragende Brettsperrholz, innenseitig wurde es mit einer brandhemmenden Schicht versehen und dann mit Gipskarton verkleidet.

Damit ist das Bauwerk auch bautechnisch äußerst interessant und nützt die Möglichkeiten des modernen Holzbaus. Dabei werden auch die anderen Materialien je nach ihren Eigenschaften sinnvoll eingesetzt. Wir finden Stahlbeton, Holz und Holzwerkstoffe, Stahl und Glas, die zusammen die jeweils angemessene Stimmung erzeugen. Denn nicht eines allein vermag sämtliche Ansprüche zu erfüllen. Erst im Zusammenspiel der richtigen Kombination und Konstellation wird daraus Architektur.

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