Pläne

Details

Adresse
Am Hofgartel 16, 1110 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Wolfgang Kralovics, Goran Prkacin, Gerardo Rodriguez Court, Alexander Fitzek, Christian Schmölz (Renderings)
Bauherrschaft
Neues Leben
Mitarbeit Tragwerksplanung
Peter Hörmann
Fotografie
Manfred Seidl
Weitere Konsulent:innen
Kunst am Bau: Fridolin Welte ("Kommunizierende Gefässe”)
Funktion
Wohnbauten
Planung
1998 - 2003
Ausführung
2001 - 2003

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Presseschau

27. April 2003Liesbeth Waechter-Böhm
Spectrum

Schräg am Gartel

Wie man Licht und Sonne in Wohnungen und zugehörige Freibereiche bekommt und trotzdem Privatheit wahrt: Anschauungsbeispiel Leberberg von Geiswinkler & Geiswinkler Architekten.

Wie man Licht und Sonne in Wohnungen und zugehörige Freibereiche bekommt und trotzdem Privatheit wahrt: Anschauungsbeispiel Leberberg von Geiswinkler & Geiswinkler Architekten.

Was da so silbrig schimmert am Rand der Leberberg-Bebauung in Wien, das ist eine Wohnanlage, der man auf den ersten Blick gar nicht ansieht, dass sie im Rahmen der herrschenden Baubestimmungen etwas Besonderes ist - nämlich Geschoßwohnungsbau (Bauklasse 3) in Holz-Leichtbauweise, wofür es in der Bundeshauptstadt einer Sondergenehmigung bedarf. Geiswinkler & Geiswinkler Architekten haben diese Sondergenehmigung (mit einigen Auflagen) bekommen und diese Chance auch genutzt: Sie führen höchst überzeugend vor, dass der industriell vorgefertigte Holzbau, die Tafelbauweise, eine Technologie der Zukunft ist.

In Vorarlberg müsste man das nicht mehr beweisen, da gibt es längst ausgetüftelte Systeme. Aber in Wien bedeutet ein solches Unterfangen Pionierarbeit. Die Geiswinklers haben schon vor Jahren, bei ihrem Kindergarten, auf diese Bauweise gesetzt. Dass sich der Bauträger am Leberberg, das „Neue Leben“, noch unter seinem früheren Direktor Klemen, darauf eingelassen hat, zeigt wieder einmal, was in den eingefahrenen Bahnen des geförderten Wohnbaus zu bewegen wäre, wenn auf Bauherren-Seite nicht gar so fest gefahrene Vorstellungen darüber herrschten, was ankommt und was nicht. „Gott sei Dank gibt es in der Architektur diese Regeln nicht“, geben sich die Geiswinklers erleichtert: „Es gibt nicht richtig oder falsch. Es stimmt auch nicht, wie das manche Bauträger behaupten, dass die Leute keine Maisonetten wollen. Man könnte sogar Turmhäuser bauen. Was wirklich zählt im Wohnbau, in der Architektur allgemein, das ist immer noch: Ist es gut oder schlecht.“

Ist es gut oder schlecht? Die Antwort, die Geiswinkler & Geiswinkler Architekten geben, hat eine feine Analyse zur Voraussetzung. Sie haben sich gefragt, was man bieten muss, um Menschen den Entschluss zu erleichtern, auf den Leberberg zu ziehen - schließlich ist das eines der problematischen Wiener Stadterweiterungsgebiete: unheimlich dicht bebaut, verkehrstechnisch ganz schlecht angeschlossen an das innere Stadtgebiet.

Die Antwort der Geiswinklers: Wenn ausnahmslos jeder Wohnung ein Freibereich zugeordnet ist, der mehr kann als der simple Balkon, die Terrasse, die Loggia. Es ging also um einen Freiraum-, einen Grünbezug, der nicht nur Alibifunktionen erfüllt. Bei den heutigen städtebaulichen Dichten ist das ein ziemlich schwieriges Unterfangen. Man sieht es daran, dass das Grundstück ursprünglich einem anderen Bauträger gehört hat, der einen anderen Architekten beauftragt hatte. Und der hat über 9000 Quadratmeter Nutzfläche erzielt. Dann hat das „Neue Leben“ das Grundstück übernommen, und die Geiswinklers haben einen Vorschlag gemacht. Der umfasst allerdings nur 5400 Quadratmeter Nutzfläche - sicher ganz im Interesse der künftigen Bewohner.

Die Anlage umfasst einen quer stehenden Nord-Süd-Riegel und drei Riegel, die ost-westorientiert sind. Die Haupterschließung führt zu einem zentralen Anger - mit drei Brunnen des Vorarlberger Künstlers Fridolin Welte in Beton, Stahl und Holz und einer Obstbaum-Bepflanzung: Kirsche, Apfel, Birne, Zwetschke.

Was einem hier, am Anger, zum ersten Mal so richtig auffällt, das ist die Lösung der Gärten zu ebener Erde: Sie sind durch Mauern gefasst und haben auch einen direkten Eingang vom Seitenweg her. Er führt durch einen überdachten Bereich zum offenen Vorgarten. Das Niveau der Gärten ist etwas höher. Das heißt, man sieht hinaus, aber vom tiefer liegenden Weg draußen nicht hinein. Das nennt man Privatheit.

Dieses Gebot der Privatheit war überhaupt ausschlaggebend für die Gesamtlösung. Die Hausfassaden kippen um acht Grad nach hinten. Das ist kein modisches Aperçu im Zeichen der Schräge, sondern eine Maßnahme, die zur Folge hat, dass man im Garten steht und über sich nichts hat, dass man sich wie im Vorgarten eines Reihenhauses fühlt. Die Maßnahme ist übrigens doppelt codiert: Sie relativiert auch die ziemlich engen Abstände innerhalb der Bebauung.

Beim Städtebau der Geiswinklers geht es eindeutig darum: Wie kriege ich Licht und Sonne überall hin. Und es geht um das Thema Privatheit. Heute wird so viel über das Thema Flexibilität geredet, auch im Wohnbau. Es werden Wohnbauten errichtet, die es ermöglichen, dass man je nach Bedürfnislage auch einmal das eine oder andere Zimmer der einen oder anderen Wohnung zuschlägt. Hier geht das nicht, es würde das Konzept der „Privatheit“ zerstören. Denn wenn man plötzlich hergeht und ein Zimmer der Nebenwohnung einer anderen Wohneinheit anschließt, dann würde der Bewohner seinen Nachbarn ja in den Garten schauen. Also, das geht nicht. Die Geiswinklers haben dieses Problem trotzdem gelöst: Sie haben mit den überdachten Bereichen zu ebener Erde, auch mit den gedeckten Dachbereichen, alle durch einen eigenen Zugang erschlossen, potenzielle Erweiterungsmöglichkeiten geschaffen. Es geht ganz leicht, aus diesen zusätzlichen, auch jetzt schon „gedeckten“ Bereichen, winterfeste Räume zu machen. Apropos Tafelbauweise: Man muss nur die einzelnen Elemente abschrauben, eine Wärmedämmung hineingeben, und dann - voilà - braucht man die Raumeinheiten nur noch zu schließen, einen eigenen Eingang haben sie sowieso.

Das Wohnungsangebot ist in dieser Anlage hinsichtlich der Größe an den Möglichkeiten im sozialen Wohnbau orientiert. Die Mehrzahl der Wohnungen umfasst zirka 80 Quadratmeter. Wenige haben über 100. Aber die haben dann auch zwei Dachterrassen. Und im Nord-Süd-Riegel gibt es erdgeschoßig Behindertenwohnungen, die nur auf einem Level und natürlich barrierenfrei abgewickelt wurden. Das Haus darüber ist dann so zoniert: unten die Behindertenwohnungen, darüber Maisonetten mit Garten, noch darüber Maisonetten mit Dachgarten.

Von diesem Standort, vom Dachgarten des Nord-Süd-Riegels, überblickt man dann auch die unheimlich aufgeräumten Dachflächen der Geiswinklers: Jeder Wohnung ihr Schacht und ansonsten - eine glatte Fläche. Mehr nicht. Weniger nicht.

Es gäbe viel zu den verschiedenen Grundrissen anzumerken. „Wir haben nie auf schräge Wände, spitze Winkel und Rampen gesetzt“, stellen die Geiswinklers klar: „Wenn man nur 80 Quadratmeter zu Verfügung hat, dann muss man alles sehr genau einteilen, und man muss immer im Auge haben, dass es darum geht, größer zu wirken, als man tatsächlich ist.“

Kein Mensch würde auf die Idee kommen, dass, was da an der Wohnanlage auf dem Leberberg ziemlich silbrig schimmert, Holz-Tafelbau ist: die Laminatplatten an der Fassade. In Beton ist der Liftturm ausgeführt, der mit Röhren an den Nord-Süd-Riegel angekoppelt und die Queraussteifung für den ganzen Baukörper ist. Aber das sind konstruktive Details der profilierten Statiker Gmeiner & Haferl. Komischerweise wird bei den Statikbüros heutzutage am meisten gespart. Das ist ein Fehler. Geiswinkler & Geiswinkler Architekten konnten glücklicherweise „ihr“ Statikbüro einbringen, das war auch entscheidend.

19. April 2003Ute Woltron
Der Standard

Stadtgärtchen in der Sonne

Wenn die Bedürfnisse der Bewohner an erster Stelle gründlicher Überlegungen stehen, kann kaum etwas schiefgehen: Eine ambitionierte Siedlung von Kinayeh und Markus Geiswinkler in Wien

Wenn die Bedürfnisse der Bewohner an erster Stelle gründlicher Überlegungen stehen, kann kaum etwas schiefgehen: Eine ambitionierte Siedlung von Kinayeh und Markus Geiswinkler in Wien

Wieder einmal dürfen wir bemerken, dass der Wohnbau, zumal der geförderte, eines der wichtigsten und zugleich schwierigsten Aufgabengebiete der Architektur ist: Die Mittel sind immer äußerst knapp, die zur Verfügung stehenden Grundstücke selten optimal, die Planungen entsprechend aufwändig und kompliziert - wenn die beteiligten Architekten ihren späteren Kunden, den Bewohnern, gute Dienste leisten wollen.

Die beiden jungen Wiener Architekten Kinayeh und Markus Geiswinkler haben am Leberberg in Wien gerade eine kleine Siedlung bestehend aus 65 Wohnungen in vier Bauteilen fertiggestellt, mit der sie große Hingabe an die Leute bewiesen, die dort einziehen werden.

Jede einzelne Wohneinheit verfügt über mindestens einen kleinen Garten in Form vollständig begrünter Terrassen oder ebenerdiger Grünflächen, denn, so die Überlegung der Planer: An die Stadtperipherie ziehen vor allem Leute mit Kindern, oder Menschen, die von Zuhause aus arbeiten können. Und die wollen gelegentlich Freiluft schnappen. Außerdem verfügt der Komplex über erdgeschoßige Behindertenwohnungen, denen ebenfalls kleine Gärten vorgelagert sind.

Der Luxus eines eigenen kleinen Grünflecks ist eine begehrte Wohnbau-Ware, die Kooperation mit der Wohnbaugenossenschaft Neues Leben scheint hier optimal gewesen zu sein: Die eigentlich vorgegebene extrem hohe Dichte der Grundstücksbebauung konnte ein wenig aufgelockert werden. Verantwortungsvoll zeigten sich also auch die Auftraggeber.

Die Geiswinklers beobachteten erst einmal, wie hier die Sonne zieht, in welchen Einfallswinkeln sie auch noch die unteren Geschoße durchleuchtet, und wo die Fenster in den einzelnen Wohnungen zu sitzen haben, um ihr überhaupt Einlass gewähren zu können. Apropos Fenster: Mit Glasflächen, Glasschiebetüren und raffinierten Lichtschlitzen wurde hier geradezu verschwenderisch Umgang getrieben, was die Siedlung von manch anderem sozialen Wohnbau wohltuend abhebt.

Die äußere Form der einzelnen Bauteile treppt sich also, den Sonnenstrahlen folgend, ab. Brüstungen sind so gestaltet, dass sich möglichst wenig Einblicke von oben in die privaten Freiflächen ergeben.

Auch konstruktiv ist das neue kleine Dorf mit Plätzchen und gemeinschaftlichen Freiflächen interessant, es handelt sich um den ersten teils in Holz ausgeführten vier bis fünfgeschoßigen Wohnbau Wiens (Bauklasse 3). Viele Wohnungen sind mit zwei separaten Eingängen so angelegt, dass sich nach Mieterwunsch Büros, kleine Werkstätten oder eigene Wohneinheiten für die erwachsen werdende Jugend ergeben können.

Auffällig auch die Fassadengestaltung: Die wurde mit silbrig schimmernden MAX-Exterior-Platten ausgeführt, einem mit Aluminiumpapier beschichteten Werkstoff aus Papier und synthetischen Harzen.

Fazit: Eine engagierte Arbeit von Leuten, denen am Wohlergehen anderer gelegen ist. Eine gekonnte Verschachtelung schöner Wohnräume, in denen das Licht eine Hauptrolle spielt. Ein vorbildliches Engagement eines Wohnbauunternehmens, das offenbar nicht auf Masse, sondern Qualität setzt.

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