Pläne

Details

Adresse
Molkereistraße 1, 1020 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Eckehart Loidolt (PL), Peter Raab (Geschäftliche Leitung), Gregor Fasching, Jan Kircher, Florian Kühne, Christian Reischauer, Alfred Sedlacek, Alexander Spauwen
Bauherrschaft
MIGRA
Haustechnik / Elektro
Andreas Hecht
Fotografie
Eduard Hueber
Weitere Konsulent:innen
Passivhaustechnik: Team GMI
Maßnahme
Neubau
Funktion
Wohnbauten
Planung
2003 - 2004
Ausführung
2004 - 2005

Nachhaltigkeit

Energiesystem
Heiztechnik in Form von Fernwärme und Fundamentabsorber, passivhaustaugliche dezentrale Kleinlüftungsgeräte für je zwei Wohneinheiten mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung,Komfort-Zulufteinbringung mit optimaler Raumdurchströmung, Außenluftvorwärmung im Winter über Fundamentabsorber, Einzelraum-Temperaturregelung über Heizelemente (Fernwärme) und Raumthermostate, Fensterkontakt zur Reduktion von Nutzerfehlverhalten (Absenkbetrieb Heizung bei geöffnetem Fenster)

Baubiologie und Nutzungskomfort
Massivbauweise, alle Bau- und Dämmstoffen wurden hinsichtlich der Umweltverträglichkeit realisiert:Dämmstoffe sind HFKW-frei, Rohre, Folien, Fußbodenbeläge und Fenster, Türen und Fix-Verglasungen sind ebenfalls PVC-frei (Holz-Alufenster), tagesbelichtete Innenerschließung (»Lichtbrunnen«), alle Bereiche mit Komfortlüftung und Wärmerückgewinnung, hohe thermische Behaglichkeit durch Passivhaushülle, optimiertes Nutzflächenmanagement (Zimmergröße 14 m²)

Heizwärmebedarf
12,5 kWh/m²a (PHPP)
Zertifizierungen
klima:aktiv

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Archtour

Genereller introtext zu Archtour der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

14. Oktober 2006Isabella Marboe
Der Standard

Für die Studenten nur Gold

Als krönender Abschluss eines Stadtblocks setzt das Studentenheim der Architekten Baumschlager & Eberle neue Maßstäbe. Metallfarbene Beschattungspaneele mäandern über das kompakte Passivhaus. Innen sorgen Lichtschlitze für Helligkeit und Spannung.

Als krönender Abschluss eines Stadtblocks setzt das Studentenheim der Architekten Baumschlager & Eberle neue Maßstäbe. Metallfarbene Beschattungspaneele mäandern über das kompakte Passivhaus. Innen sorgen Lichtschlitze für Helligkeit und Spannung.

Die Lektüre von Weizsäckers und Lovins' Buch „Faktor 4“ habe ihn nachhaltig beeinflusst. Günther Jedliczka, seines Zeichens Geschäftsführer der studentischen Wohnraumverwaltung ÖAD, wollte für die Wiener Universitäten ein neues Gästehaus in Passivbauweise schaffen, das einen vorbildhaften Beitrag zum bewussten Umgang mit den Ressourcen dieser Erde leistet. 1998 erwarb der Bauträger ARWAG das Betriebsgelände an der alleegesäumten Molkereistraße im Stuwerviertel. Der mit Wegen und Freiraum durchzogene Stadtblock besteht aus neuen Wohnbauten, Geschäften, Cafés, einem Apartmenthaus und der Fachhochschule des BFI. Den krönenden Abschluss im Westen bildet ein Studentenheim der Architekten Baumschlager & Eberle.

Die Ansprüche an das erste Studentenheim des Vorarlberger Architektenduos waren denkbar hoch: Die Passivbauweise erfordert einen kompakten Baukörper, hocheffizient gedämmte Wandstärken von 45 Zentimetern, maximal 35 Prozent Fensterfläche und die maximale Ausnutzung der Kubatur. Insgesamt 278 Studenteneinheiten waren im Kopfbau mit seinen zwei kurzen Seitentrakten unterzubringen - trotz seiner 60 Meter Länge eine stolze Zimmerzahl.

Passivhaus mit Stil

Mit dem alleinigen Komfort der allseits bekannten kontrollierten Wohnraumbelüftung gaben sich die Architekten gar nicht erst zufrieden. Trotz hoher Dichte und einer Trakttiefe von 18 Metern wohnen die Studenten in voll möblierten Mini-Garçonnieren mit natürlich belichteter Kochzeile, Bad und wohlproportionierten Zimmern. Ausblick, Sonne und die Möglichkeit zum Lüften sind Selbstverständlichkeiten.

Technische Vorgaben werden zum Gestaltungselement. In fein schimmernder Eleganz wird der Block gefasst, lebendig wandern die manuell verschiebbaren Beschattungspaneele aus Messingblech über die Fassade, geben tief sitzendes Glas oder ein Stück grüner Putzfläche frei. Paarweise sind die Fenster von Führungsschienen gerahmt; als lebhaftes, schmuckes Relief mäandern sie um die Ecken. Am reflektierenden Metall - hier gibt es Güldenes für die Studenten - spielen die Sonnenstrahlen mit den Schatten der Bäume.

Gelassen tritt der gläserne Eingang die Nachfolge des Molkerei-Portikus an. Stufen führen ins verglaste Foyer, durch das der grüne Hof auf die Straße schimmert. Eine Lederbank in der Wandnische lädt zum Lümmeln ein, oben wird der lichte Raum von einer Galerie umrandet. Ressourcenschonend wurde das Haus auf seine Kelleraußenwände gestellt. Dieser birgt nun Annehmlichkeiten wie Fahrradgarage, Partyraum und Wäscherei, aber auch Essenzielles wie Müllraum und Haustechnik.

Wohnen mit Licht

Das Wohnen in den Obergeschoßen steht ganz im Zeichen des Lichts. Durchgehende Lichtschächte tanzen, rhythmisch versetzt, den breiten Mittelgang entlang. Die weiß reflektierenden Wände leiten die Helligkeit vom Schrägdach bis in die Tiefen des Erdgeschoßes weiter und verwandeln das Stiegenhaus in eine abwechslungsreiche Kommunikationszone.

Je vier bis fünf Zimmer werden mit einem gemeinsamen Haustechnikschacht versorgt. Durch diesen strömen Frischluft, Wärme, Wasser und Strom. Das Passivhaus-klima, das mittels Wärmetauschung, Lüftung, Energiesparlampen und Heizkörperregulierung erzielt wird, lässt keinen Wunsch offen. Auch die Möblierung hält liebevolle Details parat: Orange Max-Platten heben die Kochlaune, ein Rollwagen bietet den Luxus vom Frühstück im Bett. Hier lässt sich's leben.

Gülden wandern die gefassten Fenster und Schiebepaneele über die Fassade des Studentenheims. Hinter der spielerischen Fassade verbirgt sich ein Passivhaus. Fotos: Eduard Hueber

Für die Studenten nur die beste Ausstattung: voll möblierte Zimmer mit Parkettboden, gesunder Luft und ein bissl Orange.

20. Mai 2006Liesbeth Waechter-Böhm
Spectrum

Passiv und ganz von selbst

Ein konsequentes Passivhaus-Konzept, wie man es bei Großobjekten selten findet: das Studentenheim in der Wiener Molkereistraße von Baumschlager|Eberle.

Ein konsequentes Passivhaus-Konzept, wie man es bei Großobjekten selten findet: das Studentenheim in der Wiener Molkereistraße von Baumschlager|Eberle.

Ein kleines Lächeln hat mir der Folder schon abgenötigt, der in einem der Gemeinschaftsräume des Studentenheims von Baumschlager Eberle P.Arc aufliegt: Er enthält eine verständliche Gebrauchsanweisung für die technischen Obliegenheiten im Passivhaus. Ein Gebäude, für das man eine Bedienungsanleitung braucht? Nein, so schlimm ist es nicht. Hier steht nur, dass man nicht gerade dort etwas davorhängen darf, wo die Frischluft eingeblasen wird, und nicht bei Temperaturen unter 16 Grad das Fenster stundenlang offen halten soll, denn dann stellt sich die Heizung ab. Im Grunde ist Lüften in einem solchen Haus ohnehin überflüssig: Hier wird die Luft automatisch im Zwei-Stunden-Takt ausgetauscht.

Das Studentenheim steht im zweiten Wiener Gemeindebezirk in der Molkereistraße. Das Viertel - im Volksmund Stuwerviertel genannt - hat ein etwas anrüchiges Image. Rotlichtmilieu und so. Die Lage - zwischen Lassalle- und Ausstellungsstraße, Praternähe - ist trotzdem nicht schlecht. Früher einmal bildete hier eine Molkerei das lokale Zentrum. Die gibt es längst nicht mehr. Statt dessen entstanden eine Fachhochschule, eine Wohnbebauung mit Geschäften und einem Café und direkt an der Molkereistraße das U-förmige Studentenheim, das den grünen Innenhof der Wohnbebauung im Osten schließt.

Dieses Studentenheim - errichtet von Migra - Gemeinnützige Bau- und Siedlungsgesellschaft und betrieben vom Österreichischen Austauschdienst, bewohnt von Erasmus-Studenten - stellt zweifellos das architektonische Highlight der Neubebauung dar. Baumschlager Eberle P.Arc und ihr Projektleiter Eckehart Loidolt haben einen sehr kompakten Baukörper hingestellt. Es gibt keine Balkone, keine Terrassen, nur französische Fenster. Es gibt auch kein Flachdach mit zurückgesetztem Dachaufbau, sondern das, was auf gut Wienerisch „Sargdeckel“ heißt: ein voll ausgebautes Dachgeschoß mit Fenstern in der Dachschräge. Baumschlager[*]Eberle haben es immer schon verstanden, den formalen Aufwand bei ihren Bauten scheinbar spartanisch zu bemessen, noch dazu streng geometrisiert, und trotzdem eine Handschrift zu entwickeln, die unverkennbar ist.

Das Haus ist Ost-West-orientiert, der Hauptzugang liegt an der Molkereistraße. Er wurde als zweigeschoßiger Raum formuliert, in den einer von zwei Gemeinschaftsbereichen als Galerie eingeschoben ist. Die Trakttiefe an dieser Hauptfassade beträgt ungewöhnliche 19 Meter, an den beiden Schenkeln des U nur 14 Meter. Dass es ein Passivhaus ist, merkt man von außen kaum. Man muss sich schon gut auskennen, um gewisse Anzeichen richtig zu deuten. Die Dachgeschoß-Lösung fällt aus dem Rahmen des üblichen Baumschlager[*]Eberle-Vokabulars. Ein zurückgesetzter Dachaufbau mit rundum liegender Terrasse hätte wesentlich mehr Oberfläche zur Folge gehabt als die Lösung mit der diagonalen Schräge. Für ein Passivhaus ist so etwas bedeutsam.

Wenn man aufmerksam hinschaut, merkt man, dass das Studentenheim den Anschluss an die benachbarte Wohnbebauung nicht nahtlos bewältigt: Es springt einige Zentimeter vor. Daraus kann man ablesen, dass die Wärmedämmung dicker ist. Sie sollte ursprünglich 30 Zentimeter betragen, wurde aber dann - nicht zuletzt aufgrund eines besseren Dämmmaterials - auf 26 Zentimeter reduziert. Durch die Wärmedämmung sind die Fensterlaibungen ungewöhnlich tief. Baumschlager[*]Eberle haben sie jeweils an einer Seite abgeschrägt und damit eine Reflexionsfläche für den natürlichen Lichteinfall geschaffen.

Die Fenstergeometrie ist eine Bemerkung wert. Es sind durchwegs hochrechteckige Fenster, straßenseitig immer zwei und zwei zusammengefasst und geschoßweise versetzt. Zwischen den Fenstern leuchten intensiv grüne Putzflächen in der ansonsten blassgelben Gebäudehaut auf. Wichtigstes Charakteristikum für den Außenauftritt des Gebäudes stellen aber die großen, vorpatinierten Schiebeelemente aus Kupferblech dar, mit denen sich die Fenster nach außen abschirmen lassen. Dadurch kommt es zu einem reizvollen Fassadenspiel.

Das Haus bietet 278 Bewohnern Platz, die hauptsächlich in Zwei-, Drei- und Vier-Zimmer-Einheiten untergebracht sind, es gibt aber auch Ein-Zimmer-Einheiten. Alle Zimmer haben rund 14 Quadratmeter, meistens einen rechteckigen Zuschnitt, manche einen quadratischen. Die Einrichtung stammt ebenfalls von Baumschlager[*]Eberle, sie ist einfach, aber höchst praktikabel. Außerdem gehört zu jeder Wohneinheit eine gut ausgestattete Kochnische, die zur Mittelgangerschließung im Haus ein fix verglastes, horizontal rechteckiges Fenster - zwischen Ober- und Unterschränken - hat. Das macht den ansonsten nicht natürlich belichteten Raum angenehmer und den Rundgang durchs Haus abwechslungsreich. Denn jeder geht anders mit dieser Öffnung um: Die einen lassen sie offen, die anderen hängen sie zu, es wurden aber auch „Vorhänge“ aus gestapelten Red-Bull- oder Bierdosen gesichtet.

Die Mittelgangerschließung ist an der Molkereistraßenseite immerhin 50 Meter lang. Es gibt zwei Lifte und sehr bescheidene (Flucht-)Stiegenhäuser, die keiner benutzt. Nun hat das Haus sechs Vollgeschoße plus Dachgeschoß. Das ist nicht wenig. Trotzdem braucht man auch auf der Null-Ebene, selbst wenn die Sonne nicht scheint, kein Kunstlicht. Die Architekten haben sogenannte Lichtkamine eingeschnitten, die das Tageslicht von ganz oben hinunterholen. Seitlich sind diese „ausgestanzten“ Leerräume durch Glasbrüstungen geschlossen, sodass sich vor jeder Eingangstür ein natürlich aufgehellter Vorplatz ergibt. Diese Lösung ist so einfach wie intelligent. Und sie strukturiert den langen Gang, sie verkürzt ihn quasi.

Das technische Konzept ist sehr komplex. Es gibt kontrollierte Be- und Entlüftung, Wärmerückgewinnung aus der verbrauchten Luft, individuell regelbare zusätzliche Heizung, über einen Fundamentabsorber Nutzung der Erdwärme. Wichtig dabei: Alle diese Einrichtungen sind dezentral in Haustechnik-Schächten untergebracht und versorgen jeweils die zwei benachbarten Wohneinheiten. Sie sind also auch leicht zugänglich, und im Fall eines technischen Problems sind nicht alle Wohneinheiten betroffen, sondern immer nur zwei.

Es heißt, dass das Gebäude international großes Interesse gefunden hat. Ein so konsequentes Passivhauskonzept findet man bei großen Objekten nach wie vor selten. In der Errichtung ist es um etwa 15 Prozent teurer als ein herkömmliches Haus. Dafür reduzieren sich die Betriebskosten erheblich. 380 Euro zahlt man für eine Einzimmereinheit. Dafür wird einem aber auch etwas geboten.

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1