Pläne

Details

Adresse
10. Oktoberstrasse 30, 9754 Steinfeld, Österreich
Bauherrschaft
Sozialhilfeverband Spittal/Drau
Tragwerksplanung
Kurt Pock, Gerolf Urban
örtliche Bauaufsicht
Harald Niederer
Wettbewerb
2003
Planung
2003 - 2004
Ausführung
2004 - 2005

Nachhaltigkeit

Energiesystem
Kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung – Erdregister, Heizung mit Zentralheizung im Winter, im Sommer E-Patronen, Fernwärmeübergabe, Heizung mit Lüftungsanlage über Erdwärmetauscher (Frischluftbrunnen), Abluft (Wärmetauscher) über Dach

Baubiologie und Nutzungskomfort
Regenwassernutzungsanlage für die Gartenbewässerung und die Versorgung der WC-Anlagen, alle Bau- und Dämmstoffen wurden hinsichtlich der Umweltverträglichkeit realisiert (Dämmstoffe sind HFKW-frei, Rohre, Folien, Fußbodenbeläge und Fenster, Türen und Fix-Verglasungen sind ebenfalls PVC-frei (Holz-Alufenster), Innenausbau mit emissionsarmen Verlegestoffen, Bodenbelägen und Holzwerkstoffen), zentraler Wintergarten im Gebäudekern als Atriumhof

Heizwärmebedarf
14,0 kWh/m²a (Energieausweis)
Materialwahl
Mischbau, Vermeidung von PVC für Fenster, Türen
Zertifizierungen
klima:aktiv

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Archtour

Genereller introtext zu Archtour der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

10. Juni 2006Anne Isopp
Der Standard

Räume für Wohnen und Pflege

Schon 2020 wird jeder vierte Österreicher älter als 60 Jahre sein. Innovative Modelle sind nötig, um die damit verbundenen Wohnungs- und Pflegefragen zu lösen. Nur eine von vielen Varianten werden Alters- und Pflegeheime sein, aber auch sie brauchen neue Zugänge.

Schon 2020 wird jeder vierte Österreicher älter als 60 Jahre sein. Innovative Modelle sind nötig, um die damit verbundenen Wohnungs- und Pflegefragen zu lösen. Nur eine von vielen Varianten werden Alters- und Pflegeheime sein, aber auch sie brauchen neue Zugänge.

Vor dem Eingang verabschiedet sich eine alte Dame. „Bis zum nächsten Sonntag“, sagt sie zu ihrem Besucher und winkt dem abfahrenden Auto nach. Dann dreht sie, auf ihre Gehhilfe gestützt, noch eine Runde um das Haus. Am Rande von Steinfeld, einer Ortschaft im Kärntner Drautal, steht ein dreigeschoßiger Baukörper frei in einem Park. Die beiden oberen Geschoße springen zu allen Seiten über dem Erdgeschoß hervor. „So entsteht ein überdachter Bereich rund um das Haus“, sagt Heimleiterin Sabine Haslacher, „und da sind die alten Leute oft und gern unterwegs“. Entworfen hat das Alters- und Pflegeheim der Grazer Architekt Dietger Wissounig. Er wollte eine Wohnatmosphäre schaffen, wie sie ihm selber angenehm sei, erklärt er. Deshalb habe das Haus einen Hotel-, ja fast einen Spa-Charakter bekommen.

„Medizinische Pflege allein - das reicht schon lange nicht mehr aus“, sagt Franz Kolland. „Die Leute wollen wohnen.“ Der Professor für Soziologie unterrichtet an der Universität Wien und beschäftigt sich unter anderem mit Lebensstilen und Wohnbedürfnissen alter Menschen. Medizinische Pflege allein „wird vielleicht von den Angehörigen als ausreichend empfunden“, räumt er ein, „aber nicht von den alten Menschen selbst“.

Die meisten Leute ziehen erst ins Altersheim, wenn sie kaum mehr gehen können, weiß Architekt Wissounig. „Dann müssen sie ihr gewohntes Milieu und ihre gewohnte, landschaftliche Umgebung verlassen.“ Das kompakte rechteckige Gebäude in Steinfeld hat er so orientiert, dass man von innen zu allen vier Himmelsrichtungen hinausschauen und den vertrauten Ausblick wiederfinden kann.

Von außen wirkt der Bau schlicht und kompakt, im Inneren entfaltet er seine räumliche Vielfalt. In jedem der oberen Stockwerke gibt es ebenfalls einen Rundgang entlang der Zimmer, Gemeinschaftsräume und Terrassen zur einen Seite und einem innen liegenden, dreigeschoßigen Wintergarten zur gegenüberliegenden Seite. Vor allem für Demenzkranke sei es wichtig, so der Architekt, die Übersicht immer zu behalten.

Rundum durchdacht

Das Alters- und Pflegeheim in Steinfeld ist nicht nur ein „außerordentlich gut durchdachter“ Bau, wie ihn schon die Wettbewerbsjury lobte, er erfüllt auch die geforderten ökologischen Kriterien: Er ist bis auf das Erdgeschoß ein reiner Holzbau und als Niedrigenergiehaus konzipiert.

Neben Alters- und Pflegeheimen gibt es erst wenige andere Wohnformen für alte Menschen wie zum Beispiel Wohngemeinschaften, mobile Hausbetreuungen oder das betreute Wohnen. „Das Thema der Hochaltrigkeit gibt es erst seit 20-30 Jahren“, sagt der Soziologe Kolland, „wir haben also wenig Erfahrung damit.“ In Zukunft werden sich daher noch viel mehr Wohnvarianten herausbilden müssen.

Denn die bestehenden sind oft zu kurz gedacht: Das betreute oder betreubare Wohnen etwa, eine Kombination von gemieteten Wohnungen und verschiedenen Serviceleistungen, bezeichnet Franz Kolland als eine Übergangssituation: „Wenn die Menschen pflegebedürftig werden, müssen sie erneut umziehen. Das ist eine große Belastung für sie.“ Er fordert flexiblere Strukturen der Gebäude.

Genau damit hat sich erst kürzlich die Abteilung Facility Management der Hochschule Wädenswil in der Schweiz beschäftigt. Mit dem Ziel, ein flexibles Wohnmodell zu entwickeln, in dem die Bewohner auch beim Eintreten des Pflegefalls nicht umziehen müssen, simulierte man die Entwicklung des Wohnens im Alter. Die Parameter für die Simulation - wann wird jemand pflegebedürftig, verliert seinen Partner oder ändert sein Raumbedürfnis - entnahm man der Statistik. Das dabei entstandene Modell soll nun in die Realität umgesetzt werden.

Allzu strikte Bauregeln

Auch Josefine Mair, Geschäftsführerin von „Caritas für Betreuung und Pflege“, fordert eine größere Vielfalt an Wohnformen: „Wir brauchen Wahlmöglichkeiten.“ Sie spricht von den zu strikten Regeln für den Bau von Alters-und Pflegeheimen, die diese Vielfalt nicht zulassen, und fordert Lockerungen. Um für dieses Thema zu sensibilisieren, veranstaltet die Caritas am 28. und 29. September einen Kongress in der FH Linz unter dem Titel „Wohnen im Alter - Bauen fürs Alter“.

27. März 2006Karin Tschavgova
Spectrum

When I get older

Wer für alte Menschen bauen will, muss etwas über das Altern wissen. Dietger Wissounig zeigt, dass ein Seniorenheim keine triste Verwahrungsstätte sein muss.

Wer für alte Menschen bauen will, muss etwas über das Altern wissen. Dietger Wissounig zeigt, dass ein Seniorenheim keine triste Verwahrungsstätte sein muss.

Wir werden immer älter. 2050 wird ein Sechstel der Österrei cher über 75 sein - eine für den Einzelnen erfreuliche Perspektive, die für die Gesellschaft aus heutiger Sicht jedoch erschreckend sein muss. Wer wird all diese alten Menschen betreuen und ihnen altersadäquate Wohnformen bieten? Die Segregation der Alten wird auch im ländlichen Raum zur Norm. Wo früher mehrere Generationen, unter einem Dach vereint, gegenseitig Hilfe geleistet haben, leben heute Klein- und Kleinstfamilien separiert im Einfamilienhaus. Ist ein alter Mensch alleinstehend, so ist er häufig auf Hilfe gegen Bezahlung angewiesen. Altenhilfe wird zur öffentlichen Angelegenheit. Die Länder lagern diese in kirchliche Einrichtungen, Sozialhilfeverbände und Vereine aus, denen langfristige Darlehen zur Errichtung von Pflegeplätzen gewährt werden.

Schon in den 1990er-Jahren wurden in Vorarlberg Altenpflegekonzepte mit hohem Anspruch an die Architektur erarbeitet, um aus Verwahrungsstätten für alte Menschen Einrichtungen zu machen, die nicht als triste Endstation empfunden werden. Beispiele wie in Feldkirch, wo den Bewohnern der Heime von Rainer Kölberl und Noldin&Noldin durch die zentrale Situierung der Häuser die Teilhabe am kleinstädtischen Leben weiterhin ermöglicht werden sollte und Einrichtungen wie Postamt, Bibliothek oder ein Café integriert wurden, waren Vorgaben für Standards in anderen Bundesländern.

In Kärnten hat der in Graz ansässige Architekt Dietger Wissounig nun mit einem Altenwohn- und Pflegeheim auf sich aufmerksam gemacht. Dieses Erstlingswerk in Steinfeld im Oberen Drautal hat 2005 den Architekturpreis des Landes und den Kärntner Holzbaupreis zugesprochen bekommen. Der auf den ersten Blick monolithisch wirkende Bau steht abgerückt von der Straße am Ortsrand, umgeben von saftigen Wiesen und Wald, in seiner Nähe nur die Volksschule und eine als öffentlicher Park angelegte große Grünfläche mit Teich. Isolation soll verhindert werden, indem „hausfremde“ Funktionen angeboten werden.

Hortschüler kommen täglich zum Mittagessen, der Ortsgottesdienst wird fallweise in der hauseigenen Kapelle abgehalten, und die Einrichtung der örtlichen Bibliothek im Haus ist geplant. Das Bauwerk präsentiert sich als kompaktes Volumen mit Anmut und Leichtigkeit. Hermetisch und schwer wirkt nur die zur Straße gewandte Nordseite, die sparsam Einblicke gewährt, weil sich hinter ihren Lamellen Pflege- und Verwaltungseinrichtungen verbergen. Und doch entsteht der Eindruck eines schwebenden Baukörpers nicht nur, weil der dem betonierten Sockelgeschoß aufgesetzte Holzbau allseitig auskragt, sondern auch, weil der Architekt es verstand, drei der Fassaden mit einer spielerischen, dabei präzisen Setzung großzügig verglaster Öffnungen und mehrerer raumtiefer Einschnitte für Loggien durchlässig und leicht wirken zu lassen.

Die landschaftliche Schönheit des Drautalbodens bestimmt den Grad der Öffnung des Altenheims nach außen. Die Offenheit im Inneren versetzt den Besucher erst einmal in Erstaunen. Wissounig löst den außen wie aus einem Guss wirkenden, langgestreckten Baukörper auf, indem er ihn der Länge nach mit zwei Bewegungsachsen durchschneidet; das daraus entstehende innere Volumen - der Kern - wird zum mehrgeschoßigen Atrium. Bis auf Brücken, die die Ebenen im ersten und zweiten Obergeschoß von Ost nach West verbinden, und raumhohe Bepflanzung bleibt das Atrium frei von Einbauten. Es bringt alle Ebenen in Sichtbeziehung zueinander.

Ein offenes Raumkontinuum von Windfang, Gang, Foyer und großem Saal eröffnet den Rundgang auf der Eingangsebene. Die beiden darüberliegenden Pflegeeinheiten sind ringförmig um diese immergrüne Insel angelagert. Ihre Wegeführung ist eine großzügig dimensionierte Bewegungszone, die zum Wintergarten verglast ist. Bezug zum Außenraum stellen die offenen Tagesräume als Übergänge zu den geschützten Terrassen dar, mehr noch achsiale Durchstiche bis zur Fassade, die reizvolle Bildausschnitte der Landschaft ins Haus holen.

In die Architektur des Altenheims Steinfeld ist das Wissen um Bedürfnisse, Vorlieben und sich bis ins Alter erhaltende Fähigkeiten subtil eingeschrieben. Für einen Teil der 50 Bewohner wird „ihre“ Einheit mit Pflegestützpunkt und der Möglichkeit, in den mit Küchen ausgestatteten Aufenthaltsräumen selbst zu kochen, zur neuen Welt.

Rückzugsmöglichkeit bieten (wie in anderen Häusern auch) Ein- und wenige Zweibettzimmer mit Hotelstandard in einer Größe, die erlaubt, ein eigenes Möbelstück mitzubringen. Wissounig hat Atmosphäre mit der Farbigkeit des Holzes erreicht und die raumhohe Verglasung zum individuell zu gestaltenden Objekt mit Regalfächern und lichtdurchlässigen Schiebeläden aufgewertet. Der Kenntnis über den Wandertrieb demenzkranker Menschen entsprechen die beschriebenen Rundgänge, die mit vielen Durch- und Ausblicken jedem ermöglichen, das Geschehen im Haus zu überblicken. Üppiges Grün bietet das Atrium, das als Klimapuffer fungiert, aus dem vorgewärmte oder -gekühlte Luft, über Erdkollektoren eingebracht, in die Wohnräume geleitet wird. Für Niedrigenergiestandard des gekonnt detaillierten Holzbaus sorgt neben der kontrollierten Belüftung eine Reihe energiesparender Maßnahmen, deren Mehrkosten in zehn Jahren amortisiert sein werden. Kalkuliert wurde beim Pflegeheim Steinfeld sehr genau, obwohl man dies der hohen Ausführungs- und Ausstattungsqualität nicht ansieht. Die Baukosten Euro pro Bett sind, obzwar hoch, deutlich niedriger als bei den Vorarlberger Beispielen, die in einer Zeit gebaut wurden, als die Frage der Kosten einer überalterten Gesellschaft noch nicht omnipräsent war.

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