Pläne

Details

Adresse
Via Dante Alighieri 5, 6830 Chiasso, Schweiz
Mitarbeit Architektur
Michele Zanetta
Bauherrschaft
Stiftung Max Huber-Kono
Tragwerksplanung
Grignoli+Muttoni Partner
örtliche Bauaufsicht
Diego Ostinelli
Weitere Konsulent:innen
Klimakonzept: Colombo & Pedroni, Bellinzona
Beleuchtung: Modaluce SA, Lugano
Fertigstellung
2005

Publikationen

Links

m.a.x.Museo Chiasso
http://www.maxmuseo.ch

Presseschau

02. Juli 2015Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Lichtbalken und Auto-Rimesse

(SUBTITLE) Das Kunstquartier von Chiasso

Mit dem MAX Museo und der Spazio Officina genannten Kunsthalle besitzt Chiasso seit zehn Jahren ein Kunstquartier. Nun werden dessen Architekten, Durisch & Nolli aus Lugano, mit einer Schau geehrt.

Mit dem MAX Museo und der Spazio Officina genannten Kunsthalle besitzt Chiasso seit zehn Jahren ein Kunstquartier. Nun werden dessen Architekten, Durisch & Nolli aus Lugano, mit einer Schau geehrt.

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22. Januar 2006Benedikt Loderer
hochparterre

Chiasso erwacht

Chiasso wird neu erfunden. Der übel beleumdete Grenzort ist zur exklusiven Adresse für die oberitalienischen Kulturmenschen geworden. Denn in Chiasso entstand eine kleine Kulturinsel mit Kino / Theater, Kunsthalle, Stadtsaal und Platz. Das m.a.x. Museo ist der Kern des neuen Kraftorts. Man staunt beim Besuch in der Agglomeration Mailand.

Chiasso wird neu erfunden. Der übel beleumdete Grenzort ist zur exklusiven Adresse für die oberitalienischen Kulturmenschen geworden. Denn in Chiasso entstand eine kleine Kulturinsel mit Kino / Theater, Kunsthalle, Stadtsaal und Platz. Das m.a.x. Museo ist der Kern des neuen Kraftorts. Man staunt beim Besuch in der Agglomeration Mailand.

Was reimt sich auf Chiasso? Grenzbahnhof, Schwarzgeld, il posto piu brutto del Ticino? Wer nach Chias-so fährt, bringt stabile Vorurteile mit. Die geraten aber ins Wanken, wenn man auf dem Corso San Gottardo steht, dem Rückgrat der Stadt. Der einst unerträgliche Durchgangsverkehr hat einer Fussgängerzone Platz gemacht. Chiasso schöpft Atem. Der Taumel des zwielichtigen Finanzplatzes ist vorüber, Ernüchterung trat ein, Chiasso erwachte und begann mit der ‹Neugründung der Stadt›, wie dem ihr Sindaco Claudio Moro sagte. Man spürt einen Willen, hier wieder leben zu wollen.

Die Kulturinsel

Ein wichtiger Bestandteil dieser Erneuerung ist Chiassos neu geschaffene Kulturinsel. Etwas abseits der Hauptachse steht seit 1936 das Cinema Teatro, ein wohl erhaltener Art-déco-Bau aus dem Jahr 1936 des Architekten Americo Marazzi. (Mit Dachaufbauten allerdings vor kurzem lieblos erweitert.) Seine dem Corso San Gottardo zugewandte Rückwand ziert ein riesiges Wandbild des Malers Carlo Basilico, ein Bilddenkmal. Dem Teatro gegenüber stand eine verwahrloste, verlassene Garage in einem Stück Niemandsland. Mit diesem Grundstück beginnt die Geschichte der Kulturinsel und des m.a.x. Museo, genauer, mit seiner Entdeckung durch die Architekten Durisch + Nolli.

Die Witwe des 1992 verstorbenen Grafikers Max Huber, Aoi Huber Kono, gründete eine Stiftung, die das Werk ihres Mannes und ihres Vaters, dem japanischen Grafiker Takashi Kono, zugänglich machen sollte. Sie entschloss sich, einen kulturellen Kraftort zu bauen, das m.a.x. Museo. ‹m› steht für Museum, Max Huber und Multimedia; ‹a› für Art, Avantgarde und Architektur; ‹x› ist die Unbekannte, die darauf hinweist, dass das Museum allen Kunstgattungen offen stehen soll und dies besonders für junge Künstler. Pia Durisch und Giancarlo Nolli wurden mit dem Projekt beauftragt. Sie mussten sich nicht bloss überlegen wie, sondern auch wo. Da fanden sie das Niemandsland der Garage, sie brachten die Stadt dazu, es zur Verfügung zu stellen. Doch sahen sie sich den Ort genauer an. Hinter der Garage stand ein leerer Hangar in einem dreieckigen Grundstück, der verdächtig nach Abbruch roch. Doch sahen Durisch + Nolli die Chance: der Museumsbau ist nicht ein Einzelobjekt, sondern der Kern einer Kulturinsel. Das Museum stellten sie als schmalen Riegel an die Strasse, den Hangar bauten sie zu einem ‹Spazio Officina›, einem Stadtsaal um, setzten gegen die anschliessende Schule einen Portikus als Abschluss, gestalteten die Umgebung als städtischen Platz mit einem Brunnen und gewannen damit die Kulturinsel. Sie hat heute vier Bestandteile: Kunsthalle, Kino / Theater, Stadtsaal und Platz. Geplant ist noch eine Tanzschule, die die Kalifornierin Carolyn Carlson in einer am Platz liegenden Fabrik einrichten will. Das kulturelle Programm Chiassos lockt unterdessen auch Besucher aus dem nahen Mailand an.

Schrein und Laterne

Das Museum ist eine karges Schatzhaus, eine weiss leuch-tende Laterne nachts, ein geheimnisvoller Schrein tags-über. Das Bauprogramm ist einfach: Im Obergeschoss drei Ausstellungssäle, im hochliegenden Erdgeschoss Vorplatz, Eingangszone mit Kasse, Caffetteria und Shop, im Unterge-schoss Lager, und zwei Ausstellungsräume. Erst im Längs-schnitt wird die statische Raffinesse klar: Die Auskragung über dem Vorplatz wiederholt sich am gegenüberliegenden Gebäudeende, was dort einen zweigeschossigen Saal im Untergeschoss ermöglicht. Zur Raffinesse gehört auch die seitliche Versetzung der Treppenläufe und der Lichthof im Obergeschoss. Die volle Höhe des an sich kleinen Gebäudes wird dem Besucher beim Treppensteigen deutlich gemacht. Ebenso gehören die präzis gesetzten Höhensprünge des Vorplatzes dazu.

Die Ausstellungsräume sind überall durch Bandfenster mit hohem Seitenlicht belichtet. Oben nur an den Längswänden, im doppelhohen Saal des Untergeschosses dreiseitig. Alle diese Glasbänder sind geätzt, das Licht wirkt, wie wenn man in ein Luftbecken eingetaucht wäre, man schwimmt durch die Räume. Es gibt nur an zwei Orten gewählt inszenierte Klarsicht: beim Innenhof des Oberge-schosses und die Aussicht aus dem Foyer auf das Cinema Teatro. Das Museum hüllt sich in einen Mantel aus Pro-filglas, der im Obergeschoss sechzig Zentimeter vor der tragenden Wand steht. Der Zwischenraum ist eine Vitrine in Gebäudegrösse. Sie ist zugänglich und kann als verfremdetes Schaufenster für die Ausstellungen benützt werden.Das knappe Gebäude ist, was es ist, Details sind selten. Es regiert die heilige Nüchternheit der sparsamen Verwendung der Mittel, der architektonischen und der finan-ziellen. Die Tragstruktur entspricht der Raumstruktur, Ver-kleidungen und ‹Innenausbau› gibt es keinen. Das Museum lebt vom Licht, dem innern und dem äussern. Innen das introvertierte milde Licht, das zur Kontemplation einlädt, aussen die Ausstrahlung der Laterne und des weissen Schreins. Wir müssen Chiasso neu zur Kenntnis nehmen, hier ist ein neuer Kraftort entstanden.



verknüpfte Zeitschriften
hochparterre 2006-01|02

14. November 2005Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Die kulturelle Neuerfindung einer Stadt

(SUBTITLE) Einweihung des Max-Museo für zeitgenössische Kunst in Chiasso

In den vergangenen Jahren ist die längst mit Como zusammengewachsene Tessiner Grenzstadt Chiasso zu einem Zentrum für Gegenwartskultur im Grossraum Mailand geworden. Nach Tanz, Musik und Fotografie kommen nun mit der Neueröffnung des Max-Museo auch die bildenden Künste und die Architektur zu ihrem Recht.

In den vergangenen Jahren ist die längst mit Como zusammengewachsene Tessiner Grenzstadt Chiasso zu einem Zentrum für Gegenwartskultur im Grossraum Mailand geworden. Nach Tanz, Musik und Fotografie kommen nun mit der Neueröffnung des Max-Museo auch die bildenden Künste und die Architektur zu ihrem Recht.

An der Piazza Elvezia hat man die Wahl: Man kann in einem Stadtbus hinunterfahren ins vornehme Como oder - neu - auf dem Corso San Gottardo flanieren. Denn ein Hauch von Eleganz ist nun auch in Chiasso zu verspüren, seit der erste Teil der jahrzehntelang vom Grenzverkehr verstopften Hauptarterie der Stadt im Sommer zur Fussgängerzone wurde. Zwar streiten die Einwohner noch immer über die Vor- und Nachteile des nach den Plänen von Luca Bellinelli und Dario Bettello gestalteten Strassenraums, der gleichsam das innerstädtische Pendant zu Mario Bottas grünlich sich dem Zoll entgegen schlängelndem Schallschutzdach der Autobahn darstellt. Dennoch hat Chiasso, das lange als hässliches Entlein und als «posto più brutto del Ticino» galt, mit dem vom jungen, kulturinteressierten Bürgermeister Claudio Moro vorangetriebenen Stadtumbau gewonnen. Jetzt erkennt man den italienischen Charakter des im Geist des Klassizismus angelegten Corsos wieder, an dessen bald qualitätvollen, bald abschreckenden Bauten sich die Geschichte der letzten 150 Jahre ablesen lässt.

Nach der Eröffnung der Gotthardbahn wurde Chiasso bald schon zur lärmigen Grenzstadt. Die Gründerzeit sah die Entstehung üppig dekorierter Handelshäuser, in den zwanziger Jahren kündeten Robert Maillarts Magazzini Generali vom Aufbruch in die Moderne, und die dreissiger Jahre protzten mit monumentalen Stadtpalästen und einer Bahnhofshalle, in welcher sich «L'Italia e la Svizzera» von Margherita Oswald-Toppi zärtlich umarmen und Pietro Chiesas Fresko vom bitteren Los der Emigranten kündet. Die Wirtschaftswunderjahre wälzten dann das Ortsbild um: Bankenriesen bedrängten die lombardisch- neobarocke Stadtkirche, und manch altes Haus musste einer Tankstelle oder einem Parkplatz weichen.

Janusköpfige Grenzstadt

Bis in die jüngste Zeit war es die Grenze, die gab und nahm. Sie bestimmte nicht nur Fortschritt und Niedergang, sondern auch den geistigen Horizont. Nach einer dramatischen Strukturkrise sucht nun Chiasso, das vor allem mit Staus und hohen Ozonwerten von sich reden macht, nach seiner Identität. Der Fremde findet diese vielleicht in den widersprüchlichen Bildern von mailändisch anmutenden Hinterhöfen, düsteren Lagerhäusern und glänzenden Granitfassaden, von einer von Palmlilien umschmeichelten Säulenallee hinter den Gleisen oder den übereinander getürmten Häusern und Autobahnbrücken jenseits des Zolls in Ponte Chiasso, die einen ganz kurz ins Hinterland von Genua entführen.

Hier scheint alles zwei Seiten zu haben, sogar das Cinema Teatro. Klein, aber mit grosser kultureller Ausstrahlung, ist dieses architektonische Janusgesicht zum Symbol eines neuen Chiasso geworden, das seine Zukunft in der Gegenwartskultur sieht. Der 1936 von Americo Marazzi errichtete Bau gefällt sich zur Via Dante Alighieri hin in einem monumentalen Neuklassizismus. Die Sachlichkeit des neuen Bauens bestimmt dagegen seine zum Corso San Gottardo gewandte Rückseite mit dem wohl schönsten Murale der Schweiz: einem zwischen Pittura metafisica und Futurismus oszillierenden Werk von Carlo Basilico, das mit Wasser und Häuserfronten den durch den Monte Olimpino verwehrten Blick hinunter nach Como ebenso vorgaukeln will wie die Traumbilder der Filmwelt.

Beinahe wäre Basilicos Meisterwerk zerstört worden. Dem Cinema Teatro drohte nämlich der Abriss. Doch dann konnte das Haus von der Stadt erworben, restauriert und Ende 2001 als Kulturzentrum wiedereröffnet werden. Seither stösst es mit einem anspruchsvollen Programm - Theater, Tanz, Musik und Film - selbst im grossen Mailand bei einem an gegenwärtiger Kunst interessierten Publikum auf Interesse. Das hielt die Spekulanten jedoch nicht davon ab, direkt vor dem zum Signet des Theaters gewordenen Wandbild einen ungestalten Palazzo zu planen. Der Widerstand der Öffentlichkeit führte jedoch dazu, dass man dem Architekten Ivano Gianola den Auftrag zu einem denkmalpflegerisch verträglichen Projekt erteilte, welches dem Murale dank einer auf den Corso ausgerichteten Blickachse den nötigen Resonanzraum lassen wird.

Einen würdigen Nachbarn hat das Cinema Teatro nun an der Via Dante Alighieri mit dem an diesem Wochenende eingeweihten Max-Museo erhalten. Das rund 400 Quadratmeter Ausstellungsfläche bietende Zentrum für die visuelle Kunst der Gegenwart, das in seinen Depots den Nachlass des bedeutenden Grafikers Max Huber (1919-1992) sowie ein Archiv für Videokunst beherbergt, wurde im Auftrag der Stiftung Max Huber-Kono von den Luganeser Architekten Pia Durisch und Giancarlo Nolli erbaut. Die Eröffnungsausstellung ist dem Schaffen Hubers gewidmet. Zu einem späteren Zeitpunkt ist zudem eine Retrospektive von Hubers Schwiegervater, dem japanischen Grafiker Takashi Kono, geplant. Sonst aber soll hier - im Sinne eines «museo aperto» - der zeitgenössische Diskurs auf den Gebieten Grafik, Design, Architektur, Fotografie und Video im Mittelpunkt der von freien Kuratoren eingerichteten Ausstellungen stehen.

Zeichenhafte Baufigur

Es waren Durisch & Nolli, welche die Stiftung auf den jetzigen Standort, ein ehemaliges Garagen-Areal, aufmerksam gemacht hatten. Im Laufe der Planungen gelang es ihnen, den Bürgermeister von der Idee zu überzeugen, die zum Abbruch bestimmte Autoeinstellhalle als Erinnerung an den Genius Loci der ehemaligen Industriezone zu erhalten, in ein kulturelles Mehrzweckgebäude, den «Spazio Officina», umzuwandeln und zudem einen städtischen Aussenraum zu gestalten. Realisiert werden konnte das Ganze für wenig Geld, weil die Architekten auf Einfachheit und preisgünstige Materialien setzten. Obwohl das Museumsgebäude ohne alle Extravaganzen auskommt, hat es mit seinem klaren, einprägsamen Erscheinungsbild zweifellos die Kraft, als kultureller Kristallisationskern zu wirken. Das Ideal, den Ort zu bauen, konnte in diesem Museumsbau überzeugend umgesetzt werden. Denn das für Chiasso und die Tessiner Architektur gleichermassen bedeutenden Werk bildet im einstigen Niemandsland eine zeichenhafte Baufigur, um die herum sich das Theater, der Spazio Officina und die Kulturräume der ehemaligen Calida-Fabrik zu einer «Cittadella della Cultura» verdichten.

Eine vitrinenartige Eingangshalle mit Kasse und Café empfängt den Besucher des minimalistisch konzipierten Museums. Dieses besteht aus einer langen, brückenartigen Konstruktion, bei der die Struktur den Raum und der Raum die Struktur bedingt. Das Obergeschoss mit den drei um einen kleinen, die Orientierung klärenden Lichthof angeordneten Ausstellungsräumen kragt auf der Eingangsseite weit auf den podestartigen, für Freiluftausstellungen konzipierten Vorplatz aus. Nach Süden hin überdacht es hingegen einen über das skulpturale Treppenhaus zugänglichen, doppelgeschossigen Mehrzwecksaal im Soussol, der wie die anderen Ausstellungsräume von seitlichen Oberlichtbändern erhellt wird.

Nach aussen tritt der Neubau als weisser Glaskörper von japanischer Leichtigkeit und Transparenz in Erscheinung. Hinter der aus preisgünstigem Industrieglas gebildeten Aussenhaut öffnet sich eine schmale, nachts erleuchtete Raumhülle, die von den Ausstellungsmachern bespielt werden und so die Botschaft des Hauses in die Stadt hinaustragen kann. Denn gemäss dem von den Architekten vertretenen Motto «vivere l'architettura» soll sich das Gebäude durch die Benutzung stetig verändern und so einen eigenen Charakter gewinnen. - Ganz im Hinblick auf die Nutzung haben Durisch & Nolli auch den Spazio Officina geformt, dessen von Oberlichtern erhellte Halle sich durch schwebende Wände unterteilen lässt. Hier wird die mexikanische Künstlerin Flor Garduño vom 26. November an neue Fotoarbeiten zeigen. Danach finden das Jazzfestival und im Herbst die Biennale del'immagine statt, die zuvor in der Calida-Fabrik durchgeführt wurden. Dort dürfte nun - wie jüngst sogar die italienischen Zeitungen berichteten - ein weiterer Traum des Bürgermeisters Wirklichkeit werden: die Schaffung einer Tanzschule unter Leitung der Kalifornierin Carolyn Carlson. Schon jetzt aber ist das mit seiner nächtlichen Beleuchtung etwas Broadway-Glamour verströmende Max-Museo zum Symbol der kulturellen Neuerfindung der Stadt geworden.

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