Pläne

Details

Adresse
Kleiner Schloßplatz, Stuttgart, Deutschland
Tragwerksplanung
Werner Sobek AG (Werner Sobek)
örtliche Bauaufsicht
Kappes + Scholtz
Fotografie
Brigida Gonzalez
Planung
2002
Fertigstellung
2004
Grundstücksfläche
8.691 m²
Bruttogeschossfläche
13.000 m²
Nutzfläche
11.080 m²
Baukosten
67,0 Mio EUR

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Presseschau

15. Juni 2005Architektur + Wettbewerbe

Kunstmuseum in Stuttgart

Kaum ein Stuttgarter Bauprojekt wurde so viel diskutiert wie der Neubau für die städtische Kunstsammlung – nicht zuletzt wegen seiner prominenten Lage...

Kaum ein Stuttgarter Bauprojekt wurde so viel diskutiert wie der Neubau für die städtische Kunstsammlung – nicht zuletzt wegen seiner prominenten Lage...

Kaum ein Stuttgarter Bauprojekt wurde so viel diskutiert wie der Neubau für die städtische Kunstsammlung – nicht zuletzt wegen seiner prominenten Lage mitten im Zentrum der Stadt: Im März 2002 musste der Kleine Schlossplatz – ein von Anfang an problematisches Verkehrsbauwerk der Nachkriegszeit – dem Museumsneubau weichen. Bis es soweit war, brauchte es jedoch zwei Jahrzehnte, drei Wettbewerbe und ein Gutachten. 1999 schließlich war der Entwurf der Berliner Architekten Hascher + Jehle als Sieger aus einem internationalen Wettbewerb hervorgegangen. Da der gesamte Schlossplatz von Bauwerken unterschiedlicher Epochen begrenzt ist, die ihre jeweils eigene Sprache sprechen, entschieden sie sich für einen architektonischen Solitär, der städtebaulich eindeutig in der Königstraße steht und mit seiner Umgebung ein Ensemble bildet. Bewusst springt der Neubau leicht aus der Bauflucht der Königstraße zurück. Dadurch entsteht ein Eingangsbereich vor dem Museum, der dem Ort Großzügigkeit verleiht und den Blick auf den Portikus des Königsbaus frei gibt.

Die minimalistische Glasfassade des 26 Meter hohen Kubus hat mit ihrer verdichteten Bedruckung im unteren Bereich etwas Abgehobenes, bis zu einem gewissen Grad auch Abweisendes, Kühles. Der Haupteingang und das große Foyer dagegen sollen einladen, ohne aufdringlich zu sein. Kasse, Espressobar, Museumsshop und Garderobe machen das mit schwarzen Basalt-Lava-Platten ausgelegte Foyer zum Dreh- und Angelpunkt des Hauses und zugleich zur Übergangszone. Eine große Stahltreppe verbindet die vier Geschosse des Kubus mit den beiden Hauptausstellungsebenen im Erd- und Untergeschoss. Die ersten beiden Ausstellungsebenen des Kubus sind über einen zentralen Raum, der sich durch beide Etagen zieht, miteinander verbunden. Der größte Ausstellungsraum des gesamten Museums befindet sich im 3.Obergeschoss. Die selbst öffnenden Glastüren erlauben in allen Stockwerken jederzeit ein Hinaustreten in die Kubusumgänge mit ihrem Panoramablick auf Stuttgarts Innenstadt und die umliegenden Hänge.

Für die Verkleidung des inneren Würfels wurden Krustenplatten in Solnhofer Jura-Kalkstein gewählt. Der warme Farbton, die prähistorischen Einschlüsse und die raue Oberfläche der Platten stehen in bewusstem Kontrast zur kühlen Glasfassade und zum silbrig-matten Glasbelag der Umgänge und des Haupttreppenhauses. Auf der Oberseite des Steinwürfels bietet ein rundum verglastes Restaurant ebenfalls einen Rundblick über die Stadt.

Für den Besucher überraschend mag die unerwartete Dimension der unter dem Kleinen Schlossplatz liegenden Ausstellungsfläche im Erdgeschoss sein, die man unmittelbar nach Passieren der so genannten Spange – eines quer liegenden Ausstellungs- und Veranstaltungsraums – erreicht. Entlang der durch ein Oberlicht natürlich belichteten 60 Meter langen Hauptachse gehen links verschiedene Ausstellungsräume ab, rechts öffnen sich große Durchbrüche zum Untergeschoss. Brücken schaffen den Übergang zu einer Reihe annähernd gleich großer, rechteckiger Räume.
Die Sichtbetonwände des Erdgeschosses lagern auf der darunter verlaufenden langen Wand im Untergeschoss. Sie und auch die ihr gegenüber liegende Wand bilden die Begrenzung zu den unmittelbar neben dem Museumsbau verlaufenden Tunnelröhren. Erst mit Betreten des Untergeschosses wird erkennbar, dass die 115 Meter lange und 14 Meter breite Fläche sich ihrerseits aus einer still gelegten Tunnelröhre ergeben hat. Von diesem Standort aus erklärt sich auch die Ausrichtung des gesamten Gebäudes: Der Verlauf des Tunnels bildet die Achse, nach der sich Erd- und Untergeschoss orientieren. Auch die um sechs Grad aus dem rechten Winkel abweichende, zum Königsbau parallel verlaufende Wand in allen Kubusetagen folgt dieser Vorgabe. Aus diesem Grund haben alle Räume im Untergeschoss maximal zwei rechte Winkel.
In nicht öffentlichen Bereichen hinter den Ausstellungsflächen im Erd- und Untergeschoss befinden sich Depots, Lager- und Packräume. Da für Sonderausstellungen Kunstwerke angeliefert und abgeholt werden müssen, wurde im Untergeschoss eine Anlieferungszone integriert, die aus dem Tunnel abzweigt. Im Museum selbst gibt es keine Verwaltungsräume oder Werkstätten. Dafür wurden Räume in einem benachbarten Geschäftshaus angemietet.



verknüpfte Zeitschriften
Architektur + Wettbewerbe 202 Museen und Galerien

23. März 2005Axel Simon
TagesAnzeiger

Der glimmende Kunstglaswürfel

Stuttgart hat sich ein neues Kunstmuseum geschenkt und ein städtebauliches Problem glänzend gelöst.

Stuttgart hat sich ein neues Kunstmuseum geschenkt und ein städtebauliches Problem glänzend gelöst.

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14. März 2005Gabriele Hoffmann
Neue Zürcher Zeitung

In bester Lage

(SUBTITLE) «Angekommen» - das neue Stuttgarter Kunstmuseum

«Angekommen», mit diesem Ausruf der Freude und Erleichterung hat die Stadt Stuttgart ihr neues Kunstmuseum eröffnet. Zwar sorgt der gläserne Kubus schon...

«Angekommen», mit diesem Ausruf der Freude und Erleichterung hat die Stadt Stuttgart ihr neues Kunstmuseum eröffnet. Zwar sorgt der gläserne Kubus schon...

«Angekommen», mit diesem Ausruf der Freude und Erleichterung hat die Stadt Stuttgart ihr neues Kunstmuseum eröffnet. Zwar sorgt der gläserne Kubus schon seit vier Monaten für einen unübersehbaren baulichen Akzent am Kleinen Schlossplatz (NZZ 22. 11. 04) und in der Flucht der Königstrasse, wo 1963 die Ruine des Kronprinzenpalais abgerissen wurde. Doch «angekommen» als Museum ist der Solitär erst jetzt mit der Ausstellungspremiere, die Museumsdirektorin Marion Ackermann ausschliesslich der über achtzig Jahre gewachsenen Städtischen Sammlung widmet. Graf Silvio della Valle di Casanova hatte 1925 mit der Schenkung seiner Gemäldesammlung den Grundstock für die Städtische Gemäldesammlung gelegt, die bis 1943 ihr Domizil in der für den Kronprinzen erbauten Villa Berg hatte und 1961 als Galerie der Stadt Stuttgart in das wiederaufgebaute Kunstgebäude von Theodor Fischer einzog. Eugen Keuerleber, Leiter der Galerie seit 1945, legte den Schwerpunkt seiner Ankäufe auf südwestdeutsche Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts mit Adolf Hölzel, Otto Dix und Willi Baumeister im Zentrum.

Bedeutendste Dix-Sammlung

Marion Ackermanns Vorgänger Johann-Karl Schmidt baute die Dix-Sammlung zur weltweit bedeutendsten Kollektion dieses Künstlers aus. Und so wundert es nicht, dass dem Olympier im neuen Haus zurzeit die gesamte oberste Ausstellungsebene zugewiesen ist. Hier hängen Hauptwerke aus den zwanziger Jahren: Die «Prager Strasse» mit den rhythmisch ineinander verhakten Elendsfiguren, das Lebensgier ausstrahlende «Grossstadt»-Triptychon und das schrille «Bildnis der Tänzerin Anita Berber». Und weil auch ein Otto Dix in dem geschlossenen Saal zu abgeschottet wäre, kam Bruce Naumans «Two Wolves, Two Deers» in die Saalmitte - geschundene Tierleiber, beäugt von Dix' Kriegskrüppeln, ältlichen Huren, Künstlern und Spiessern.

Ebenso präsent ist in dieser Eröffnungsschau der ab 1905 an der Stuttgarter Akademie lehrende Adolf Hölzel, Wegbereiter der deutschen Moderne. Von seinen Meisterschülern nimmt Willi Baumeister in der Sammlung den ersten Platz ein. Ein am Bauhaus entstandener Teppich von Hölzels Lieblingsschülerin Ida Kerkovius findet möglicherweise erstmals den Weg aus dem Depot ins Licht der Öffentlichkeit.

An der vom Foyer ausgehenden sechzig Meter langen Erschliessungsachse liegen kleinere Räume mit süddeutscher Malerei aus dem 19. Jahrhundert - herausragend bei den Impressionisten Hermann Pleuer mit «Lokomotive im Schnee». Unter den Expressionisten stand Heckel in der Gunst der schwäbischen Sammler besonders hoch. Den Gegenpol zur meditativ gestischen Malerei Bissiers bildet K. R. H. Sonderborgs impulsive Bearbeitung grosser Leinwände mit Messern und Spachteln.

Starke malerische Akzente setzt die Malerei der Grieshaber-Schüler Walter Stöhrer, Horst Antes und Dieter Krieg. Zu den bedeutenden Kunstsammlungen, die Schmidt als Dauerleihgaben an die Galerie der Stadt binden konnte, kam unter Marion Ackermann die Sammlung Teufel hinzu. Ihr verdankt die Ausstellung exemplarische Werke der konkreten Kunst von Schoonhoven, Lohse und Graeser, jetzt in Nachbarschaft mit Hard-Edge-Malerei von Georg-Karl Pfahler.
Grandioses Panorama

Schon die erste Ausstellung gibt den Berliner Architekten Hascher & Jehle Recht mit ihrem Konzept einer Verzahnung von «introvertierten Kunsträumen» und offenen «kommunikativen Bereichen». Wer vom Erdgeschoss aus den Parcours über die drei Ausstellungsebenen bis ins Höhencafé geschafft hat, wird erst einmal das grandiose Panorama mit Schlossplatz, Altem und Neuem Schloss und der sich an den Höhen hinaufwindenden Stadt geniessen, bevor er über die Treppe zwischen der Glashaut und der inneren Schale des Kubus aus krustigem Solenhofer Jurakalk hinabsteigt, um dann im Erd- und Untergeschoss den Werken der Gegenwartskunst zu begegnen. Im querliegenden 500 m² grossen Versammlungssaal provoziert eine Wandinstallation von Jannis Kounellis, «Senza Titolo», archaische Vorstellungen, wenn über Stahlplatten kleine Flammen zischen.

Die beiden kommunizierenden Ausstellungsebenen nutzen eine stillgelegte, leicht schräg verlaufende Autotunnelröhre unter dem Kleinen Schlossplatz. Alle Räume der 114 m langen und 14 m breiten Grundfläche sind durch diese Vorgabe nicht ganz rechtwinklig, und diese «Störung» wirkt auch im Kubus belebend. So richtig wohl fühlen kann sich im Untergeschoss die exzellente Dieter-Roth-Sammlung. Auch die Werkgruppen der international renommierten Künstler Wolfgang Laib, Joseph Kosuth und Günther Förg gehören seit langem zum Bestand, der in jüngster Zeit von Marion Ackermann durch Ankäufe aktueller Kunst, darunter mehrere Werke von Karin Sander, erweitert wurde. «Les Délices des Evêques» von Rebecca Horn wird im neuen Museumskonzept ein Kristallisationspunkt für Werke mit politisch-sozialkritischer Ausrichtung sein, so wie René Sraubs Video «Umsonst ist der Tod» für das Thema «Ornament». In Zukunft werden die beiden unteren Ausstellungsebenen mit Werken aus der Sammlung quasi als Fundament dienen für die jährlich drei Wechselausstellungen im gläsernen Kubus.

[ Bis 31. Juli. Katalog (Hatje-Cantz-Verlag) Euro 39.80. ]

06. März 2005Gerhard Mack
Neue Zürcher Zeitung

Wo Autos durch den Tunnel rasten, hängen jetzt Bilder

Stuttgart eröffnet ein neues städtisches Kunstmuseum. Prunkstück ist die riesige Otto-Dix-Sammlung.

Stuttgart eröffnet ein neues städtisches Kunstmuseum. Prunkstück ist die riesige Otto-Dix-Sammlung.

„Man präsentiert hier nicht gerne, was man hat“, sagt Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster. Das gilt auch für das neue Museum, das der Kunstsammlung der Stadt nach Jahrzehnten in Dauerprovisorien für 67 Millionen Euro endlich eine Heimstatt gibt. Die Lage am Schlossplatz ist prominent, doch als Auswärtiger sucht man zunächst vergeblich: Die Glaskiste zwischen dem 1959 wieder aufgebauten Königsbau und dem Betonklotz der Buchhandlung Wittwer ähnelt eher einem weiteren Kommerzbau als einem der Häuser, mit denen Architekten rund um den Globus ihre Duftmarken setzen und die Augen von Tourismusmanagern zum Glänzen bringen.
Die Stuttgarter Rainer Hascher und Sebastian Jehle mit Büro in Berlin, die den vierten (!) Wettbewerb um den Neubau 1999 für sich entschieden, entwarfen einen rundum verglasten Kubus, der in seinen Innern einen zweiten massiven Betonwürfel umschliesst. Dieser ist mit Bruchsteinplatten aus Jurakalk verkleidet und enthält drei Ausstellungsgeschosse. Zwischen beiden liegen Wandelgänge, auf dem Steinklotz lockt ein Restaurant mit Rundblick auf die Stadt. Der hinsichtlich Klimatisierung und Belichtung ausgetüftelte Bau fügt sich so unauffällig in die heterogene Umgebung, dass man seitens der Stadt überlegt hat, noch einen Stock draufzusetzen, wie Wolfgang Schuster freimütig bekennt.

Stadtreparatur

Stuttgart tut Busse, die Architekten, die beauftragt wurden, sprechen unverhohlen von „Stadtreparatur“ und wählen dafür Unscheinbarkeit als Strategie. Was so übersehbar daherkommt, entfaltet auf den zweiten Blick nämlich stadträumliche Qualitäten. Eine riesige Freitreppe umfliesst den Museumsbau, lädt zum Sitzen ein und bindet den zuvor isolierten „Kleinen Schlossplatz“ dahinter ins städtische Wegenetz ein. Das Autobahnkreuz, das 1969 hier für eine „autogerechte Stadt“ brachial ins Stadtgewebe geschlagen und mit einer Betonplatte überdeckelt wurde, hinterliess in der Platzfront eine Lücke, welche die Glaskiste dezent schliesst. Überdies lockt sie, leicht zurückversetzt, Passanten nach innen. Vor allem aber ist es gelungen, den komplexen Untergrund einzubeziehen und vier Fünftel der 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche in längst stillgelegten Strassentunnels unterzubringen. Aus Strassenraum Kunstraum zu machen, wurde zum Kern des Konzeptes.

Diese Ausrichtung macht sich im Innern bemerkbar. Von einem hohen Atrium mit schicker Bar und offener Treppe ins Untergeschoss und zu den Räumen im Glaskubus gelangt man in einen quer angeordneten Raum, der separat für Veranstaltungen genutzt werden kann, und wird auf einen Weg geleitet, der sich über sechzig Meter in die Tiefe erstreckt und mit seiner unregelmässigen Steigung Erinnerungen an eine Strasse weckt. Während nach links Kabinette abzweigen, geben rechts grosse Durchbrüche den Blick ins Untergeschoss frei. Brücken führen in eine Suite von annähernd gleich grossen Räumen. Am Ende der zentralen Achse, die durch ein Glasband zum darüber liegenden Platz Tageslicht erhält, leitet eine zweite Treppe ins Untergeschoss, das mit seinen offenen Räumen für grössere Installationen geeignet ist. Während hinter den Wänden rechter und linker Hand täglich 50 000 Autos in benachbarten Tunnels vorbeirauschen, kann man auf beiden Ebenen abgasfrei und in vollkommener Stille Kunst geniessen.

Zur Eröffnung präsentiert Direktorin Marion Ackermann 450 zentrale Werke aus der 15 000 Arbeiten zählenden Sammlung des Kunstmuseums Stuttgart. Der Bogen beginnt bei Eisenbahnbildern Hermann Pleuers, der den schwäbischen Impressionismus vertritt, und reicht bis zu Ankäufen aus der jüngsten Gegenwartskunst. Dabei setzen Ortsbezug und internationale Ausstrahlung den Takt. Adolf Hölzel, der 1905 an die Stuttgarter Akademie berufen wurde, sind zwei Räume gewidmet. Sein Changieren zwischen Ornament und Figuration gehört genauso zum Kernbestand des Museums wie Werkgruppen seiner Schüler Johannes Itten, Oskar Schlemmer und Willi Baumeister, dessen Archiv ans Haus gebunden wurde. Über ein wunderbares Ensemble von Klee- Miniaturen, denen Geistesverwandte wie Julius Bissier folgen und über Werkgruppen des deutschen Expressionismus aus der Sammlung Stangl schreitet man die Moderne ab, so wie sie in Baden-Württemberg, vor allem in Stuttgart, bei Künstlern und Sammlern ihren Widerhall gefunden hat.

Gediegene Sammlung

Dabei ist ganz erstaunlich, wer im Südwesten Deutschlands gelebt oder gearbeitet hat. Emil Schumacher zählt ebenso dazu wie Markus Lüpertz, Joseph Kosuth und Wolfgang Laib, dessen betörend duftender Wachsraum im Untergeschoss eine Energiezelle der Ausstellung ist. Dieter Roth ist zentral vertreten, die konkrete Kunst aus der Sammlung Teufel ein weiterer Schwerpunkt. Als krönender Abschluss ist das Werk von Otto Dix im dritten Ausstellungsgeschoss des Glaskubus inszeniert, von dem man mit 250 Arbeiten weltweit das grösste Konvolut besitzt.

Wenn in der Saalmitte vier hängende Tierattrappen hinzugefügt sind, die Bruce Nauman zersägt und bizarr zusammengeklebt hat, so werden darin zwei Elemente des neuen Museumskonzepts deutlich: Kunstwerke werden, auch unter Risiko, über Epochen hinweg miteinander ins Gespräch gebracht, und Sammler sollen ans neue Haus gebunden werden. Josef Froehlich, der die Nauman-Arbeit von 1989 auslieh, sitzt im Stiftungsrat und bietet ein Vorrecht bei der Ausleihe an.

Die Voraussetzungen für einen guten Start sind nicht schlecht. 4,6 Millionen Euro stellt die Stadt, zunächst einmal auf fünf Jahre, jährlich zur Verfügung. Einnahmen und Sponsorengelder kommen hinzu. Der alte Personalbestand wurde auf dreissig Stellen verdoppelt, einen Teil der Angestellten bezahlt die Stadt. Sie nimmt Museum und Werke auch in ihre Versicherung, das spart Geld. Die Stiftung als Rechtsform erlaubt es, freier mit den Mitteln umzugehen. Vielleicht gehen die Hoffnungen der Stuttgarter ja in Erfüllung, dass ihre Stadt mit dem neuen Museum endlich aus dem Dornröschenschlaf in Sachen Kunst erwacht.

[ Kunstmuseum Stuttgart, Angekommen - Die Sammlung im eigenen Haus, bis 31. 7. Sammlungskatalog: Verlag Hatje Cantz. Gebäudemonografie: Verlag Walther König. ]

22. November 2004Gabriele Hoffmann
Neue Zürcher Zeitung

Glaswürfel am Schlossplatz

(SUBTITLE) Das neue Kunstmuseum Stuttgart

Stuttgarts städtische Kunstsammlung, die in „Kunstmuseum Stuttgart“ umbenannte Städtische Galerie, darf in einen Neubau umziehen. Vorbei sind die Zeiten...

Stuttgarts städtische Kunstsammlung, die in „Kunstmuseum Stuttgart“ umbenannte Städtische Galerie, darf in einen Neubau umziehen. Vorbei sind die Zeiten...

Stuttgarts städtische Kunstsammlung, die in „Kunstmuseum Stuttgart“ umbenannte Städtische Galerie, darf in einen Neubau umziehen. Vorbei sind die Zeiten des schwierigen räumlichen Arrangements mit dem Württembergischen Kunstverein. Die in Berlin tätigen Architekten Hascher & Jehle, gebürtige Stuttgarter, verstehen ihr Werk als „Stadtreparatur“. Konzipiert als kompakter Kubus mit gläserner Hülle, steht der Neubau dort, wo Ende der sechziger Jahre die Untertunnelung der Königstrasse zur Anlage des städtebaulich unbefriedigenden Kleinen Schlossplatzes führte. Etwas aus der Fluchtlinie zurückgesetzt, betont der sich unaufdringlich gebende Bau seine Zugehörigkeit zur Königstrasse ebenso wie seine Funktion als kultureller Solitär in einem neu erbauten Ensemble von Banken und Geschäftshäusern. Tagsüber beherrscht der seine Umgebung spiegelnde Glaswürfel mit aufgedruckter Streifenstruktur das Bild, nachts leuchtet sein mit Naturstein verkleideter Kern.

Vom geräumigen Foyer mit Espressobar und Museumsshop führt eine von Tageslicht erhellte Haupterschliessungsachse in die Tiefe des Baus. Eine Stahltreppe verbindet die beiden Ausstellungsebenen unter dem Niveau des Kleinen Schlossplatzes, die sich der Umnutzung nicht mehr benötigter Tunnelröhren verdanken. Hier werden auf 4000 von insgesamt 5000 Quadratmetern Ausstellungsfläche die Spitzenwerke der 15 000 Objekte des 20. Jahrhunderts umfassenden städtischen Sammlung zu sehen sein. Die darüber liegenden Ebenen im Kubus sind den drei grossen Sonderausstellungen pro Jahr vorbehalten. Getrennt von den introvertierten Ausstellungsbereichen, sorgen auf den oberen Geschossen offene Zonen mit Durchbrüchen für Einblicke ins architektonische Gefüge. Aus den Umgängen zwischen Stein- und Glaskubus sieht man von oben hinab auf das geschäftige Leben in der Tiefe. Endstation des Aufstiegs über vier Etagen ist ein rundum verglastes Restaurant, das mit seinem schönen Ausblick auf Schlossplatz, Stadt und Weinberge nach der Eröffnung des Museums im Frühjahr 2005 nicht nur Ausstellungsbesucher beglücken wird.

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