Pläne

Details

Adresse
Donizettiweg 31, 1220 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Hagen Valentiner, Hans Wellner, Alexander Neckam, Beatrice Hieden, Gordan Araci, Georg Wieshofer
Bauherrschaft
Stadt Wien
Landschaftsarchitektur
Ivancsics & Langenbach
örtliche Bauaufsicht
MA 23 - Kontrollamt
Fotografie
Mischa Erben
Funktion
Bildung
Planung
2000
Ausführung
2001 - 2002

Presseschau

13. August 2003Jan Tabor
Falter

Schluss mit dem Blumendorf

(SUBTITLE) DER BAUKASTEN. Anmerkungen zur Architektur

Diesmal: Die neue Gartenbauschule in Kagran als Anlass für eine optimistische Prognose über die floristische Zukunft des öffentlichen Raums in Wien.

Diesmal: Die neue Gartenbauschule in Kagran als Anlass für eine optimistische Prognose über die floristische Zukunft des öffentlichen Raums in Wien.

Unsere Gärten. Das Schmetterlingsfach unter den vielen nützlichen kommunalen Ämtern. Damit Wien, unsere Stadt, schöner und blumiger wird, sind die grün gewandeten Frauen und Männer des Gartenamtes ununterbrochen im Einsatz. Die Orte ihres Wirkens, ihre Geräte und Fahrzeuge sowie sie selbst sind mit dem hübschen, von einem lyrisch veranlagten Designer entworfenen „Unsere Gärten“-Emblem geschmückt, das die Metamorphose einer Blume zu einem Schmetterling darstellt.

Diese Schmetterlingsmenschen, so der Eindruck mancherorts, haben die Aufgabe, für Wien endlich einmal den ersten Preis im Wettbewerb um das schönste Blumendorf Niederösterreichs zu gewinnen. Manchmal übertreiben sie es mit all dem Blumenschmuck überall, mit den rustikalen Blumentrögen aus Beton, den mediterranen Palmen und mit ihren eigenen gartenkünstlerischen Kreationen.

Am Floridsdorfer Spitz haben sie einen ausrangierten Traktoranhänger abgestellt und zu einem Blumenbeet verwandelt. An der Kreuzung Praterstraße/Praterstern haben sie ein mannshohes Riesenrad aufgestellt, dessen Kabinen mit Blumentöpfen voll weißer Petunien nachgebildet sind. Unsere Gärtner sind die Zuckerbäcker unter den Wiener Umweltmachern. Bald wird es mit dem „Unsere Gärten“-Kitsch vorbei sein.

Diese Zuversicht fußt auf dem empirisch belegten Phänomen der prägenden Wirkung von Architektur auf das ästhetische Empfinden der Menschen. Besonders starke Wirkung haben die Forscher bei Kindern und jungen Menschen im Fall von Schulen und Ausbildungsstätten nachgewiesen.

Das vermutete der Fabrikant Arthur Krupp bereits um 1910. In Berndorf ließ er zwei Volksschulen errichten, in denen jede Klasse in einem anderen historischen Stil eingerichtet wurde, von ägyptisch über griechisch, romanisch und gotisch bis zum Rokoko. Krupp war überzeugt, mit dieser Kunst am Bau seine künftigen Arbeiter und Arbeiterinnen zum künstlerischen Empfinden erziehen zu können und so jene Fertigkeit entstehen zu lassen, die bei der Produktion von hübschen Bestecken und Gefäßen aus Alpaka von Nutzen sei, mit denen die Firma Krupp viele Grandhotels und Ozeandampfer auf der ganzen Welt belieferte.

In Wien-Kagran wurde ein neues Schulgebäude für Gärtner eröffnet. Die Architekten Peter Erblich, Zachari Vesselinov, Manfred Hirschler und Peter Scheufler, bekannt als „Atelier 4“, gewannen 1999 den europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb und erhielten den Auftrag, das Gebäude am Donizettiweg, inmitten der bestehenden Lehrgärten und am Rand eines dendrologischen Schulparks, zu errichten.

Dass der Neubau, der aus dem Kagraner Vorstadtgrün höhenmäßig und aus der Vorstadtzersiedelung qualitätsmäßig herausragt, eine Schule ist, kann bereits aus der vorbeifahrenden U-Bahn deutlich erkannt werden. „SCHULE DER STADT WIEN“ ist in großen weißen und „FÜR GARTENBAU UND FLORISTIK“ in etwas kleineren roten Buchstaben zu lesen, die an dem Glasgeländer der Loggia über dem Eingang angebracht sind. Die Architektur ist gut, stellenweise sehr gut. Das Gute an ihr ist ebenfalls bereits von der U-Bahn-Station Kagran aus zu erkennen.

Um festzustellen, dass die Schule stellenweise sehr gut gebaut ist, muss man hinein. Es lohnt sich und geht einfach: An jedem ersten Donnerstag im Monat gibt es den so genannten Erlebnisgarten-Tag. Die Menschen dort sind freundlich. Das Foyer ist ohnehin als öffentlich zugänglicher Schauraum konzipiert, in dem die Früchte der Lehrarbeit präsentiert werden, vor allem kunstvolle Blumenarrangements. Sie dämpfen ein wenig die optimistische Geschmacksprognose.

Der Eingang ist eine Art Blumengeschäft mit einem zur Straße hin ausgerichteten Schaufenster. Die angehenden Floristen und Floristinnen sollen hier en passant lernen, wie man Blumen darbietet. Diese Funktion der Eingangsgestaltung ist eher zu erahnen als zu erkennen.

Die Innenräume sind es ausschließlich, die dazu veranlassen, die Architektur der Gärtnerschule als teilweise sehr gut zu taxieren. Das geräumige Foyer, das Stiegenhaus mit den galerieartigen Gängen, die Klassen und Werkstätten, Büros und Gemeinschaftsräume sowie ein Turnsaal: alles hell, freundlich und übersichtlich. Einfallsreiche Details, perfekte Ausführung. Beachtenswerte Kunst am Bau: „Pflücken Sie“ von Susanne Gamauf, „Der Iris Bogen“ von Josef Kern und „Selected scenery“ von Doris Krüger. Ausblicke und Durchblicke - vertikal, horizontal und diagonal. Wechsel zwischen offen und verschlossen, wohin man schaut. Oft weiß man nicht genau, ob man noch drinnen ist oder bereits draußen.

Diese Qualität wurde hauptsächlich dadurch erreicht, dass die Architekten ein Atrium im ersten Stock in den Mittelpunkt des Entwurfs setzten. Das Atrium ist seitlich offen, über einen Steg auch aus dem Park direkt erreichbar und setzt sich in eine Loggia über dem Eingang fort. Diese ist auf drei Seiten offen und vom Körper des dritten Geschoßes überdacht. Die Erfahrung der Logik der inneren Raum- und Funktionsorganisation macht die äußere Erscheinung verständlich.

Das Gebäude hat vier Seiten und drei verschiedene Fassaden, fast so, als wären es drei verschiedene Gebäude(teile), die da ineinander gesteckt sind. Alle Seiten sind irgendwie tadellos. Aber rundherum betrachtet ist es jeweils um eine Handvoll des Tadellosen zu viel. Zwei Fassaden bilden die öffentliche, repräsentative, von der U-Bahn aus sichtbare Seite. Jede dieser beiden Mischfassaden besteht aus drei oder vier verschiedenen Teilen, aus dem Wechsel zwischen Verputz- und Glasflächen, Öffnungen, Fensterschlitzen und Sonnenblenden. Die beiden anderen Fassaden bilden die abgewandte, betriebliche Seite des Gebäudes, die zu den Gewächshäusern und den Beeten der Lehrgärtnerei hin orientiert ist. Sie sind einheitlich, ausschließlich aus Glas, sachlich, ein wenig zu banal oder ein wenig zu sehr um Eleganz bemüht.

Zum Lehr- und Versuchsgarten zählt auch die fünfte Seite, die „obere Fassade“, wie der russische Revolutionsarchitekt Alexander Rodschenko das (Flach-)Dach genannt hat. Um die Eignung bestimmter Pflanzen für die Begrünung von Dächern zu demonstrieren und zu prüfen, ist es begehbar und mit verschiedenen Moosen und Kräutern so bepflanzt, dass eine farblich strukturierte, sehr ansehnliche Fläche entsteht. Leider ist das von der hoch gelegenen U-Bahn-Station aus nicht zu sehen, sie ist dafür um etwa einen halben Meter zu niedrig.

23. Juni 2003Ute Woltron
Der Standard

Klarer Schnitt im Stadtgarten

Eine Gartenbau- Berufsschule in Wien von atelier 4 architects verbindet Ökologie, Ökonomie und gut durchdachtes Bauen zu einem architektonischen Schaugärtchen ohne blumigen Kitsch.

Eine Gartenbau- Berufsschule in Wien von atelier 4 architects verbindet Ökologie, Ökonomie und gut durchdachtes Bauen zu einem architektonischen Schaugärtchen ohne blumigen Kitsch.

Die Stadt Wien hat nur ein paar U-Bahn-Minuten vom Zentrum entfernt erstaunlich ländliche Gegenden zu bieten. So zum Beispiel am Rande des hoffnungsfrohen transdanubischen Stadtentwicklungsgebietes rund um die UNO-City. Dort wachsen nicht nur Türme, sondern auch Brennnesseln am Straßenrand, es gedeihen wohlgepflegte Privatgärten rund um die kleinere Einfamilienhausvariante der Architektur - und im Bereich des Donizettiwegs gibt es sogar so etwas wie ein großes Feld.

Mitten auf diesem Feld steht neuerdings ein markantes Gebäude, in dem jährlich über 600 Lehrlinge aus Wien und dem Rest Österreichs in die Geheimnisse des Gartenbaus und der Floristik eingeführt werden. Die Berufsschule wurde soeben feierlich eröffnet, für die Architektur zeichnet atelier 4 architects verantwortlich, die bürgerlichen Namens Peter Erblich, Zachari Vesselinov, Manfred Hirschler und Peter Scheufler heißen.

Im Anfang war also das Feld, irgendwann begann der Mensch auch zu gärtnern, und wie das alles so funktioniert mit Fruchtfolgen und Düngergaben, mit Blumenstecken und Rosenschneiden, wird hier von Fachkräften an die Jugend weitergegeben. Das Feld und der Garten bleiben Thema, auch in der Gestalt der Architektur, und die weniger sichtbaren Tugenden jedes Gärtners, nämlich mit Effizienz der Mittel und ökologischem Bedacht größtmöglichen Ertrag zu ernten, wurden in umgewandelter Form in Sachen Haustechnik eingebracht.

Weil der Garten auch ein Ort der Kommunikation ist, beginnt dieses neue Haus eigentlich schon mit seinem großen, akkurat abgetreppten Vorplatz. Eine Rampe führt parallel zum Gebäude zum Eingang, im darunter liegenden Terrassengarten stehen die von den Schülerinnen und Schülern gepflegten Blumen in Reih und Glied, der Ginkobaum, der bereits da war, darf einen besonderen Blickpunkt bieten.

Nichts Blumiges, was die straßenseitige Fassade anbelangt: Hier herrscht flächige Klarheit, an der Hinterseite gibt es reduzierte Rankgerüste für Trompetenwinden und andere Kletterer. Der Baukörper selbst wurde geschickt strukturiert, wodurch sich Einschnitte, Höfe, Freiräume in oberen Geschoßen ergeben, die man derweilen von außen allerdings nur ahnen kann. „Wir wollten eine klare Form in diese Feld- und Heckenstruktur stellen“, sagen die Architekten, die hier naturgemäß besonderen Wert auf das Zusammenspiel von Innen- und Außenräumen zu legen hatten. Immerhin dient der gesamte Feld-Garten mit Glashäusern und Lehrbeeten rund um das Haus quasi als erweitertes Freiluftklassenzimmer.

Grob gesprochen bildet der Baukörper über dem rechteckigen Erdgeschoß ein großes U, in dessen Mitte sich ein Hof und unter dessen einem Flügel sich ein überdachter Freiraum befinden. Auch innen ist man also stets ein bisschen draußen, jedenfalls nah an irgendeinem Grünraum. Dass die alle, so wie auch der Vorplatz, sehr gepflegt sind, versteht sich von selbst, und auch das Feld kommt in Form einzelner streifig angelegter Rabatte, die aussehen wie Miniaturblumenfelder, einmal mehr zu seinem Recht.

Das Gebäudeinnere selbst erschließt sich den Eintretenden ebenfalls erfrischend logisch. Ein helles, geräumiges Stiegenhaus bildet eine Art Aula und Kommunikationszentrum. An der Wand wächst, von einem besonderen Rankgerüst gestützt und mittels feuchten Vlieses mit den entsprechenden Nährstoffen versorgt, allerlei Grünzeug in die Höh', als vertikaler Schaugarten sozusagen.

Oben liegen die einzelnen Klassenräume: hell, ahorngetäfelt, freundliches, zum Teil von den Architekten entworfenes Mobiliar. In den unteren Zonen wird in großen Werkstätten das Handwerk gelernt, die interne Verwaltung und die Lehrerzimmer sind ebenfalls hier unten untergebracht. Der Turnsaal liegt vier Meter unter dem Gelände, das gesamte Haus musste in dichter Wanne gegründet werden, da die Donau nah, der Grundwasserspiegel hoch ist.

Das eigentliche Zentrum der Schule befindet sich dort, wo gearbeitet wird, wo zum Beispiel Blumenarrangements entworfen und sodann in die Tat umgesetzt werden. Den Werkstätten gegenüber befinden sich die Kühlräume, in denen die Schnittblumen bei wenigen Grad Celsius aufbewahrt werden.

In Schuldirektor Johann Dücke fanden die Architekten offensichtlich einen harten, aber herzlichen Partner, mit dem gemeinsam alle schulischen Abläufe - von der Materialanlieferung über die Verarbeitung bis hin zu den besonderen Erfordernissen der Lehre - in wiederholt verfeinerte architektonische Form gegossen werden konnte.

Auch die Haustechnik ist raffiniert ausgeführt, man nahm Bedacht auf Wärmerückgewinnung bei den Lüftungsanlagen, installierte eine Photovoltaikanlage als Fassadenelement, die zugleich der inneren Beschattung dient, und experimentierte unter dem Motto „Gute Luft für gute Schüler“ mit unterschiedlich kontrollierter Be- und Entlüftung in den Klassenräumen. Auch die Wasseraufbereitung folgt ökologischen Grundsätzen: Die WC-Spülung erfolgt etwa mittels Nutzwasser.

Die Berufsschule für Gartenbau und Floristik ist ein fein durchdachtes Haus, dem seine Nutzer näher sind als jeder architektonische Show-off. Ökologie, Ökonomie der Mittel, ein gepflegter Umgang der Menschen untereinander und mit den Pflanzen standen im Vordergrund. Architektonisches Gärtnern at its best.

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