Details

Adresse
Raketenstation Hombroich 1, 41472 Neuss, Deutschland
Architektur
Tadao Ando
Fertigstellung
2004

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Langen Foundation
http://www.langenfoundation.de

Presseschau

13. November 2004Olaf Winkler
Der Standard

Samtiger Kunstbunker am Rande der Raketenbasis

Vor einer Woche verstarb Erwin Heerich, dessen Architekturskulpturen den Grundstein in Hombroich legten. Mit Tadao Andos Langen Foundation ist nun ein weiterer Baustein hinzugekommen

Vor einer Woche verstarb Erwin Heerich, dessen Architekturskulpturen den Grundstein in Hombroich legten. Mit Tadao Andos Langen Foundation ist nun ein weiterer Baustein hinzugekommen

Ruhig zieht die Zeit über dem kargen Betonbogen zwischen Äckern und Weiden. Keine große Geste, schlicht eine Skulptur auf der Wiese längs des schmalen Asphaltweges, so selbstverständlich, dass man darin kaum das Portal zu einem Museum erkennen mag. Noch weisen daher Zettelchen den Weg vom Parkplatz herüber; doch sie werden verschwinden müssen, unbedingt: Tadao Andos neues Gebäude für die Langen Foundation in der weiten, flachen Landschaft bei Neuss am deutschen Niederrhein ist zu still, um die Gäste in Scharen anzuziehen, und zu asketisch, zu konzentriert, um derlei Unreinheiten zu verzeihen. Darin liegt die Faszination dieses Baus und, vielleicht, seine Bürde.

Denn es ist eine „unweltliche“ Welt, die der japanische Großmeister des samtenen Betons am Rande einer ehemaligen Nato-Raketenstation gebaut hat. Das Haus selbst weicht zurück, hinter jene geschwungene Wand, hinter die grasbewachsenen Schutzdämme der einstigen militärischen Einrichtung, hinter einen künstlichen Teich, ins Erdreich sogar. Zwei Quader stehen im 45-Grad-Winkel zueinander, der eine lang gestreckt und mit gläserner Hülle um einen massiven Kern, der andere in zwei Hälften geschnitten durch eine Freitreppe, die hinab führt zum sechs Meter tiefen Grund (und dort, leider, als theatralische Sackgasse endet). Die Teilung der Baukörper entspricht der privaten Sammlung, die Marianne Langen und ihr vor 13 Jahren verstorbener Mann Viktor in Jahrzehnten zusammengetragen haben: Wunderbare japanische Zeichnungen auf Papier und Seide finden sich ein im fünf mal 43 Meter messenden Inneren des überschlanken Baukörpers, die Werke der klassischen Moderne in den acht Meter hohen Zwillingssälen des anderen. Dazwischen: Rampen, einfache Bewegungen, Räume mit Ausblick, als träte die raue Landschaft herein.

Natur, Architektur, Kunst: Das ist der berückende Dreiklang, der hier die klare Luft durchzieht. Tatsächlich ist Andos Bauwerk nur jüngster und kleiner Beitrag zu einem einzigartigen Kulturraum, der vor mehr als 20 Jahren zu wachsen begann. Sein Kernstück bildet, rund einen Kilometer entfernt, ein knapp 20 Hektar großes Areal, das der Sammler und Immobilienhändler Karl-Heinrich Müller 1983 rund um einen verfallenen Industriellen-Landsitz aus dem 19. Jahrhundert erwarb. Zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Bernhard Korte und Künstlern wie insbesondere Erwin Heerich verwandelte er es zum längst international beachteten Museumspark „Insel Hombroich“. Weit gestreut liegen heute in den Auen die geometrisch strengen Ziegelbauten Heerichs, als begehbare Skulpturen im Licht oder als Raum für Müllers reiche Sammlung. Unbehelligt von Aufsichtspersonal finden sich Khmer-Skulpturen neben Corinth-Blättern, Rembrandt-Zeichnungen oder Graubner'schen Farbkissen und, wenn man hinaustritt auf die kiesbestreuten Wege, Enten und Reiher zwischen Krokussen und Kopfweiden.

1994 kam die Raketenstation, mit dem heutigen Standort des Ando-Baus an seinem Rande, als Arbeits- und Forschungslabor hinzu. Bildhauer und Künstler wirken hier Seite an Seite mit Gästen - etwa eines internationalen Instituts für Biophysik in alten Hallen - und neuen Heerich'schen Bauten, durchsetzt mit Bauten und Skulpturen von Oliver Kruse, Katsuhito Nishikawa, Per Kirkeby oder Eduardo Chillida.

Eine Lebens-, nicht allein eine Kunstvision ist hier entstanden, ein respektvolles Miteinander, dem mittlerweile in ein gemeinsames Manifest von Müller, befreundeten Künstlern und einer noch größeren Zahl international renommierter Architekten vorangestellt wurde: Zur Architekturbiennale in Venedig präsentierte man ein „Raumortlabor“, aus dem weitere Planungen im Geiste Hombroichs auf den umliegenden Feldern hervorgehen sollen. Skizzen von Raimund Abraham, Krischanitz & Frank, Hoidn Wang Partner, Daniel Libeskind, Àlvaro Siza und anderen gibt es bereits, doch es entspricht dem Rhythmus von Hombroich, dass sie sich noch stetig ändern können.

Auch Ando entwarf seinen Bau zunächst ohne konkrete Nutzung. Er selbst besuchte Hombroich erstmals vor zehn Jahren und war sofort angetan von der Nähe zwischen Natur und Kultur. Marianne Langen fand die fertigen Pläne, „das größte Kunstwerk, das ich jemals erworben habe“, auf der Suche nach einer Heimstatt für ihre Sammlung. Doch sie selbst hat den Einzug der japanischen Arbeiten und der Gemälde, etwa von Klee, Rothko, Magritte, nicht mehr erleben können; sie starb im letzten Februar. Und seltsamerweise scheint die Tragik spürbar, wenn man zur Moderne hinabsteigt. Ando hat eine Bauskulptur entworfen, die meditative Kraft entfaltet und dabei den Bildern - für ein Wohnen mit der Kunst gesammelt und daher kleinformatig - luxuriösen Raum zugesteht. Zur Eröffnungsausstellung „Bilder der Stille“ hängt ein Cézanne allein und zentral an einer der hohen Stirnwände der sakral anmutenden Säle. Doch die aufgereihten Bilder an den Längswänden lassen Melancholie anklingen; metertief unter der Erde und dem hohen Raum wirken sie ein wenig wie Grabplatten, als läge das eigentliche Werk in seiner letzten Ruhestätte dahinter, was aber zu sehen ist, sei nur Inschrift, Verweis. Berührend ist das und vielleicht angemessen für den Nachlass einer mit Liebe zusammengetragenen, privaten Kollektion. Wenn die Ausstellung wechselt - auch fremde Stücke sollen gezeigt werden -, wird man dies aber bedenken müssen: Ando hat einen eigenen Ort gesetzt, mit eigenen Regeln, trotz seiner Freude an den Vorstellungen, die die Landschaft umher in zwei Jahrzehnten geprägt haben. Erst wenn man wieder hinaufsteigt in den gläsernen Umgang mit Blick auf das spiegelnde Wasser und die Dämme, über die struppige Wipfel lugen, kehrt man nach Hombroich zurück.

30. Oktober 2004Klaus Englert
Neue Zürcher Zeitung

Konzeptlose Leidenschaft

(SUBTITLE) Tadao Andos Museum für die Langen Foundation in Hombroich

Die «Museumsinsel Hombroich» gilt schon lange nicht mehr als Geheimtipp. Denn immerhin zieht der Kunst- und Landschaftspark bei Neuss mittlerweile jährlich...

Die «Museumsinsel Hombroich» gilt schon lange nicht mehr als Geheimtipp. Denn immerhin zieht der Kunst- und Landschaftspark bei Neuss mittlerweile jährlich...

Die «Museumsinsel Hombroich» gilt schon lange nicht mehr als Geheimtipp. Denn immerhin zieht der Kunst- und Landschaftspark bei Neuss mittlerweile jährlich 70 000 Besucher an - darunter Niederländer, Schweizer und Franzosen, ja sogar Japaner. Mittlerweile ist das aussergewöhnliche Gebiet um eine Attraktion reicher. Der seit 1983 bestehende Park konnte vor etwa zehn Jahren auf eine angrenzende Raketenstation der Nato ausgeweitet werden, wo zuvor Sprengköpfe für Pershing-Raketen und Cruise-Missiles lagerten. In der folgenden Zeit verwandelten bildende Künstler wie Eduardo Chillida, Erwin Heerich und Peer Kirkeby die ehemals verbotene Stadt in den «Kulturraum Hombroich» - mit Skulpturen sowie wissenschaftlichen und kulturellen Einrichtungen. Zu einem wahrhaft architektonischen Zugewinn führte aber erst der Entschluss des Sammlerehepaars Viktor und Marianne Langen, auf der «Raketenstation Hombroich» ein privates Museum von Tadao Ando bauen zu lassen. Der japanische Architekt sorgte für eine wohltuende Abwechslung, nachdem Erwin Heerich mittlerweile seit zwei Jahrzehnten an jeder Ecke Hombroichs seine sattsam bekannten Klinkergebäude mit kubischen Grundmustern errichtet hatte.

Licht und Schatten

Ando hat sich die Erdwälle der Raketenstation zunutze gemacht und die zwei Riegel seines Museums wie in eine Mulde eingebettet. So beherbergen die «Schutzwälle» einen langgestreckten gläsernen Quader, zu dem erst gelangt, wer zunächst eine japanische Gartenanlage überquert - durch das Tor eines konvexen Kreissegments hindurch, dann zwischen Kirschbäumen, einer konkav gestalteten Rohbetonwand und einem Spiegelteich entlang. Durch diesen zauberhaften Eingangsbereich erweist sich Ando als Meister einer «architecture parlante»: Die vordere Seite des Museumsriegels ragt wie ein Bug in den künstlichen Teich und lässt, je nach Sonnenstand, zwischen durchlaufender Glasfront und Betonkern vielfältige Schattenreflexe entstehen. Das Spiel von Licht und Schatten, der sensible Einsatz von Wasser innerhalb begrenzender Erdwälle, das Changieren zwischen opakem Sichtbeton und transparentem Glas, das Nebeneinander von funktionalen und szenischen Elementen - diese architektonische Welt Tadao Andos fügt sich wie ein Mysterium zum rationalen Baustil eines Erwin Heerich.

Die allseitige Erwartung war nicht gering, als die Langen Foundation eine Eröffnungsausstellung ankündigte, die ein interessantes Wechselspiel zwischen Architektur und Kunst versprach: «Bilder der Stille. Die Tradition Japans und die westliche Moderne». Der erste Teil der Ausstellung befindet sich in einem hermetischen Raum im Innern des Betonkerns, einem schlauchartigen Saal, der das Herzstück der Sammlung umfasst - rund neunzig, darunter höchst anmutige, japanische Rollbilder aus dem 12. bis 19. Jahrhundert. Von frühen buddhistischen Kultbildnissen über narrative Zeugnisse der höfischen Tradition bis zur profanen japanischen Malerei. Diese Schatztruhe bleibt dem Besucher auch nach der laufenden Ausstellung zugänglich.

Für den Sammlungsbestand aus der westlichen Moderne hat Tadao Ando zwei parallele Trakte, die aus einem angedockten Gebäudekomplex bestehen, sechs Meter tief ins Erdreich verlegt. Das spektakulärste Entrée zu den unterirdischen Sälen ist eine zum Hof führende Freitreppe. Allerdings zeigt sich auch hier wieder Andos Hang zur Theatralik - der Zugang endet nämlich vor einer verriegelten Glastür. Auch die Rampe hinunter zum ersten Ausstellungssaal erweist sich nicht unbedingt als sehr funktional, da die Hängung der Bilder dem architektonischen Effekt geopfert wer- den musste.

Cézanne - japanisch

Was Viktor und Marianne Langen in ihrem Leben an moderner Kunst gesammelt haben, überrascht durch etliche hochkarätige Werke, von Paul Cézanne bis Anselm Kiefer. Auffällig an den ausgestellten Arbeiten ist, dass sie mehr eine Sammelleidenschaft als ein klares Konzept verraten. Die Liebe zur alten japanischen Kunst, zu den lyrischen Graphismen und zarten Tuschezeichnungen hinterlässt ihre Spuren allenfalls in den Bildern eines Paul Klee und Joan Miró. Und es fragt sich, ob der Ausstellungstitel «Bilder der Stille» angesichts der Unterschiedlichkeit der ausgestellten Werke nicht doch etwas willkürlich gewählt wurde.

Aber zumindest bei einigen Gemälden ist unverkennbar, dass die suggestive Farbgebung besonders in der amerikanischen Nachkriegsmalerei das Sammlerehepaar beeindruckt haben musste. Wovon nicht nur die monochromatischen Ölbilder eines Mark Rothko zeugen. Auch frühere Kunstrichtungen, die sehr stark auf Reduktion bildnerischer Mittel setzen, scheinen das Interesse des Ehepaars geweckt zu haben. Beispielsweise Cézannes spätes Bild der «Montagne Sainte-Victoire». Diesen berühmtesten Berg der modernen Kunstgeschichte hat er mehrfach gemalt. Aber dieses Gemälde von 1906 ist sein einfachstes und «japanischstes».

Bilder der Stille. Die Tradition Japans und die westliche Moderne. Langen Foundation, Hombroich bei Neuss. Bis 15. Mai 2005. Katalog Euro 15.-.

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