Pläne

Details

Adresse
Leebgasse 56, 1100 Wien, Österreich
Mitarbeit Architektur
Andreas Schleicher (Projektleitung)
Bauherrschaft
WBV-GPA
Landschaftsarchitektur
Doris Haidvogl
Maßnahme
Neubau
Funktion
Wohnbauten
Planung
2002 - 2003
Ausführung
2003 - 2004

Publikationen

Presseschau

04. Dezember 2004Isabella Marboe
Der Standard

Silbergrau und immergrün schillernde Baulücke

Elegant schloss Architekt August Sarnitz die Baulücke am Laubeplatz in Wien-Favoriten: Spiegelflächen von Eva Schlegel geben Schauloggien zum Park und Wintergärten im Innenhof spezielles Flair. Auf offene Transparenz setzt das Haus der querkraft-Architekten.

Elegant schloss Architekt August Sarnitz die Baulücke am Laubeplatz in Wien-Favoriten: Spiegelflächen von Eva Schlegel geben Schauloggien zum Park und Wintergärten im Innenhof spezielles Flair. Auf offene Transparenz setzt das Haus der querkraft-Architekten.

Als „grüne Lunge“ streute August von Siccardsburg im 19. Jahrhundert das Gefünft Laube-Erlach- Humboldt-Friesen-Paltramplatz in den Gründerzeitraster des dicht verbauten Favoriten. Zwei typische Eckhäuser mit Rustikasockel Rustikasockel und Fensterzier rahmen den Block am Laubeplatz, das zweite südliche Gebäude tanzte deutlich niederer aus der Reihe, dasselbe galt für sein Gegenüber. Sie wurden dem Block entrissen, um zwei vierstöckigen Sozialwohnbauten mit EG und ausgebautem Dach Platz zu machen.

Bauträger GPA setzte auf Qualität und beauftragte die Architekten August Sarnitz und querkraft. Heutigem urbanem Wohnanspruch und dem Block angemessen, sollten sie bei großer Dichte ostwest- belichtete Typen mit Freiraum in überdurchschnittlicher Ausführung bieten. Am Laubeplatz setzt der zurückhaltende Bau von August Sarnitz feine Akzente. Hintergründig gestaltete gestaltete Eva Schlegel die Brüstungen der sichtbetonten „Theaterlogen“ als Spiegelflächen. Aus sicherer Distanz kann man hier das Treiben im Park beobachten. Voyeuristische Tendenzen des Wieners werden im Spiegel des halböffentlichen, parkseitigen Raums ebenso reflektiert wie Baumkronen vorm Himmel. Dezent nimmt der silberfarbene Fassadenputz das Thema auf, in tänzelnder Leichtigkeit kehrt es in den runden, semitransparenten Spiegelfolien der Wintergärten im intimeren Innenhof wieder.

Horizontale und vertikale Glasstreifen markieren die mittige Stiege mit Lift, eine markante Sichtbetonscheibe schützt das zurückgesetzte, nur 2,10 Meter hohe Entree mit Abstellraum. Der Laubeplatz ist im Westen, im Regelfall liegt hier am Wohnraum mit Schiebetür abtrennbar die Küche, beide teilen sich die „Theaterloge“, im Osten ist noch ein Raum. Der Mitteltyp ist mit Wintergarten hoforientiert. Dem Block wurde eine Überhöhung der Bauklasse III um 1,50 Meter zugestanden. Sarnitz nutzt sie im EG für zwei Split-Levels, um die Idee des Loos’schen Raumplans umzusetzen. Kommunikativ gestaltet sich das Foyer mit roter Betonsitzbank und integriertem Postkasten auf rotem Fließestrich, der Hof blitzt herein.

Müde Lebensgeister weckt das immergrün-gelbe Haus der querkraft- Architekten, das maximale Transparenz und Flexibilität bietet. Die westliche Innenhofseite flankiert eine Terrasse, die sich dynamisch vom Spitz auf Balkontiefe weitet. Auf ihrer Glasbrüstung ließ Grafikerin Stephanie Lichtwitz das Gras sprießen, durchgehend läuft dahinter die raumhohe Glasfassade. Ebenso transparent ist die Leebgassenfront im Osten. Hier verbietet die Bauordnung Balkone, architektonische Zierelemente sind erlaubt. Nun sorgen begehbare Gesimse für straßenseitigen Frischluftzugang. Raffiniert schließt das Haus mit grün-gelben Türen die Öffnung und öffnet die Wand.

Unterzüge gibt es keine, Abendoder Morgensonne scheint tief herein, alle Terrassen sind ca. 43 Zentimeter überm Boden der Wohnungen, die so eine lange Sitzbank am Glas bekommen. Sie folgen stringent einem klaren Prinzip: In der dunklen Mitte ist der Sanitärkern mit beliebig platzierbarem Küchenanschluss, auf Wunsch konnten Mieter ost-westoder beidseitig durchgesteckt wohnen, der Stützenraster gab die Option für Zwischenwände vor. Keine Einheit gleicht der anderen, die Überhöhung wurde für eine Maisonette im EG genutzt. Zwei Glastüren machen das Gangfoyer durchlässig, rechts und links sind an zarten Stahlstützen in gelben Raumnischen Räder abzustellen, nahtlos setzt sich der Asphalt vom Trottoir am Boden fort. Gelbe Lift-und Eingangstüren schenken gutgelaunte Orientierung, die puristische Sichtbetonstiege mit Maschendraht Ausblick durchs Glas, auf dem immergrün das Gras ins graue Favoriten leuchtet.



verknüpfte Bauwerke
Wohnbau Laubeplatz

16. Oktober 2004Wojciech Czaja
Spectrum

Nichts als städtische Poesie

Kreuz und quer durcheinander geschachtelt und ineinander verkeilt: vom riesigen Single- Loft bis zur kompakten Fünf-Zimmer-Wohnung. Zwei Wiener Wohnbauprojekte, die lieber polarisieren als Wohnmaschinen schaffen.

Kreuz und quer durcheinander geschachtelt und ineinander verkeilt: vom riesigen Single- Loft bis zur kompakten Fünf-Zimmer-Wohnung. Zwei Wiener Wohnbauprojekte, die lieber polarisieren als Wohnmaschinen schaffen.

Nach Biedermeier, Gründerzeit und Rotem Wien, nach dem offensiven Wiederaufbau in den Nachkriegsjahren und dem soziologischen Tatendrang der Achtzigerjahre befindet sich auch heute wieder der städtische Wohnbau auf einem neuerlichen Hoch. Wenngleich etwas pauschal durch die letzten 150 Jahre des Residierens durchgeschlüpft, so fällt am vorläufigen Ende dieser Entwicklung doch auf, dass der soziale Wohnbau für die breite Masse noch nie so unbeschwert und locker vom Hocker gegangen ist wie heute. Allem voran: ein gewisser Grad an Humor und an Individualisierung des Kollektivs.

Den Wunsch nach Individualität hat auch schon der Bauhaus-Architekt und „De Stijl“-Mitbegründer Jacobus Johannes Pieter Oud in seinem 1925 erschienenen Essay „Ja und Nein“ ausgesprochen. In diesen - wie er es nennt - „Bekenntnissen eines Architekten“ schreibt er: „Ich sehne mich nach einer Wohnung, welche alle Anforderungen meiner Bequemlichkeitsliebe befriedigt, doch ein Haus ist mir mehr als eine Wohnmaschine.“ Im Hinterkopf die Kritik am Maschinell-Seriellen, am permanent Gleichen, wird sich Ouds Kritik auch als Kritik an der Moskauer Narkomfin-Siedlung von Moses Ginsburg aus dem Jahre 1929 und den Unitées d'Habitation von Le Corbusier herausgestellt haben.

Auch heute noch lässt sich vielen heimischen Wohnbauten trotz 50 oder gar 80 dazwischenliegender Jahre eine Ähnlichkeit zu Ginsburgs oder Le Corbusiers Architektur nicht absprechen. Der State of the Art orientiert sich nach wie vor an den Errungenschaften der ewig gelobten und zitierten Moderne. Auch wenn sich das bisweilen allein auf die Ästhetisierung der eigentlich ja nie gestalteten, sondern immer nur „von innen nach außen“ entstandenen Fassade bezieht.

Zurück nach Wien, zurück ins Jetzt. Einmal Artec und einmal querkraft haben an unterschiedlichen Orten eben erst zwei völlig unterschiedliche Wohnbauten fertig gestellt, der eine steht in Margareten, der andere in Favoriten. Ihre Gemeinsamkeit jedoch liegt in einer gewiss hohen Übereinstimmung mit J. J. P. Ouds ehemals geäußerter Abneigung gegen eine Wohnmaschine. Schlagwort „flexible Grundrissgestaltung“: Vom riesigen Single-Loft bis zur kompakten Fünf-Zimmer-Wohnung reicht das genutzte Angebot beider Architekturbüros, kreuz und quer durcheinander geschachtelt und ineinander verkeilt. Dass das Durcheinander nicht nur den Grad des Innenausbaus, sondern letztlich auch das Bewohnerspektrum betrifft, ist in einer Umgebung gründerzeitlicher Monotonie eine wertvolle Nebenwirkung.

Die Artec-Architekten, weithin bekannt als Asketen des Materials und darum bemüht, dasselbe immer in seiner ursprünglichen Form zu verwenden, setzen auf Beton, Glas und Stahl. Die Mischek-Betonfertigteile sind mit zahllosen Tiefen und Vor- und Rücksprüngen vorgefertigt worden. Das Resultat erinnert an eines dieser 3D-Puzzles aus Karton, mit denen sich an mittelalterlich bedruckten Bergfrieden durch vorsichtiges Stecken eckige Erker andocken ließen. Diesmal jedoch in Artec-gerechtem Sichtbeton, versteht sich. „Der Eindruck des Skulpturalen stellt sich bei Bauwerken ein, die über eine sehr ausgeprägte strukturelle Komponente verfügen“, erklären die Artec-Architekten Bettina Götz und Richard Manahl und deuten dabei auf die Loggien und Balkone, die unterschiedlich weit die Straße überragen. Ein Spiel aus Vor und Zurück, als wäre jede Loggia eine Lade, die von innen heraus von unsichtbaren Hausgeistern gezogen und geschoben wird.

Und das fesselt. Denn das Haus hat eine große Fernwirkung. Nicht selten bleiben Passanten an dieser Kreuzung stehen, wo drei Straßen in einen Platz einmünden, und blicken etwas skeptisch acht Stockwerke hoch. Was man von da unten sieht, ist eine Collage aus Beton mit davor gesetzten Gitterrosten. Dass die kühle Strenge nicht allen gefällt, liegt auf der Hand. Doch selbst wenn spätestens im nächsten Sommer der Zufallsgenerator eingeklemmte Schilfrohr-Matten und darüber geworfene Perserteppiche hinzufügen wird, so animiert dieser Gedanke weniger zu einem Kopfschütteln als zu einem Lächeln. Selbst den beiden Architekten - auf der permanenten Suche nach der „komplexen Schönheit des Zufalls“ - kommt das durchaus gelegen.

Schließlich konnten es sich selbst diese beiden Asketen nicht verkneifen, ihrer Authentizitäts-These zum Trotz, im Spalt des optisch nach außen dringenden Stiegenhauses Farbe über acht Stockwerke zu gießen. Jedes Reglement lebt erst durch seine Ausnahmen - und das satte Grasgrün, das da aus der eigentlich recht unerotischen Zone der Vertikalerschließung in den Straßenraum dringt, ist sexy. Egal, ob Wand, Decke, Stiegengeländer, Liftschacht oder Türen - es grünt so grün, wenn Hundsturms Blüten blühen!

Grün ist auch die Leebgasse im ursprünglichen Arbeiterbezirk Favoriten. Wenngleich erst seit ein paar Wochen. Denn wenn schon von Erotik die Rede ist, so war diese Gasse ganz bestimmt meilenweit davon entfernt. An der querkräftigen Hausnummer 46 ragen nun Halme und Farne über die Straße. „Nur eine flexible Hülle zu bauen ist zu wenig“, erzählt querkraft, „ein Haus braucht ein Gesicht, vor allem im sozialen Wohnbau.“ Und in der Tat: Welch schönere Geste kann man sich in einer gänzlich zugebauten Gründerzeitgasse vorstellen, als etwas Grün eingestreut zu bekommen?

Konkret: Das Haus ist komplett verglast, als Gegenstück zu den hofseitigen Loggien ragen begehbare Gesimse (so die bauordnungsgemäße Definition der schmalen Stege) über die Straße. Glas auch hier. Um die Einblicke etwas zu filtern, hat Grafikerin Stephanie Lichtwitz, bekannt seit der grafischen Gestaltung für das Kunsthaus Graz, im Siebdruckverfahren ein unregelmäßiges Geflecht aus grasgrüner Flora auf die Glasscheiben drucken lassen.

Für innen also reine Funktion, für außen ist es nichts anderes als städtische Poesie. Genauso wie die dazwischengeworfenen Balkontüren, die diesmal - entgegen den Regeln der Baukunst - nicht transparent, sondern dicht sind. Nicht etwa weiß oder grau, sondern auch hier: tiefes, sattes Grün. Ein Alltagsbonus am Rande: Das bedeutet Geborgenheit im Winter, im heißen Sommer hingegen lassen sich die undurchdringlichen Elemente öffnen - eine Maßnahme, die die Fassaden in den Wohnräumen auf ein Minimum reduziert.

Ob es jedem gefällt? Und querkraft antwortet: „So ein Haus darf es geben, denn in einer Großstadt gibt es ja zum Glück ein breites Angebotsspektrum.“ Manchmal also ist es besser zu polarisieren. Denn Architektur ist und bleibt eine Frage des Geschmacks. So auch die Farbe. J. J. P. Oud im Jahre 1925: „Ich schwärme für die Wiederbelebung der Farbe in der Architektur.“

80 Jahre später geht sein Wunsch - zumindest auf lokaler Ebene - in Erfüllung: Wien blüht in Grün! Denn Humor darf sein. Und gleich daneben gesellt sich die chromatische Metapher, die vielleicht für einen neuerlichen Aufbruch im sozialen Wohnbau steht.



verknüpfte Bauwerke
Wohnhaus am Hundsturm

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1