Pläne

Details

Adresse
Forsthaus, Parkweg 89, 2361 Laxenburg, Österreich
Architektur
Michael Embacher
Mitarbeit Architektur
Christian Schwendt (PL), Michael Diernhofer, Michaele Dimmel
Bauherrschaft
Filmarchiv Austria
Fotografie
Gerald Zugmann
Weitere Konsulent:innen
Haustechnik: käferhaus GmbH
Planung
2001 - 2002
Ausführung
2003 - 2004

Preise und Auszeichnungen

Archbau

Genereller introtext zu Archbau der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

26. Juni 2004Oliver Elser
Der Standard

Kupferscheune am Ende der Schotterpiste

Große Geste mit kleinem Budget: Das Filmkühllager in Laxenburg von Selfmademan Michael Embacher

Große Geste mit kleinem Budget: Das Filmkühllager in Laxenburg von Selfmademan Michael Embacher

Auf den letzten Metern der Fahrt zum neuen österreichischen Zentralfilmarchiv am Rande von Laxenburg kann es leicht passieren, dass der Besucher sich in ein Road Movie versetzt fühlt. Man verlässt die Landstraße an einer riesigen, senkrecht ins Feld gerammten Stahlplatte, die so schwarz und unbeschriftet in der Gegend herumsteht wie der rätselhafte Monolith in Stanley Kubricks 2001 - Odyssee im Weltraum, aber durch ihre seitlichen Perforationen verrät, dass wohl eher jemand an einen Filmstreifen gedacht hat. Der Wagen ist auf eine Schotterpiste geraten, die schnurgerade durch die Felder führt. Niederösterreich wird ein paar Herzschläge lang zu New Mexico, wo man auf einer „dirt road“ wie dieser eine Staubwolke aufwirbeln würde, die den Besuch schon von weitem ankündigt. Die Reise endet vor einem trutzigen, spätbarocken Hauskasten, ehemals Amtssitz des Laxenburger Parkförsters. Das Forstgut setzt an der Straße eine präzise Kante ins Nirgendwo, die der Neubau des Zentralfilmarchives aufnimmt und die Zufahrt noch ein Stück verlängert. Dann ist Sackgasse. Thelma und Louise bräuchten nur auf's Gaspedal zu treten und könnten in den Schlosspark durchbrechen, der hinter einem Wäldchen beginnt.

Die Laxenburger Niederlassung des Filmarchivs besteht seit 1971. Die Auslagerung in spärlich bebautes Gebiet war notwendig geworden, um für den großen Bestand hochgefährlicher Nitrofilme einen Aufbewahrungsort außerhalb der Stadt Wien zu finden. Das bis in die fünfziger Jahre verwendete Filmmaterial ist chemisch nahe mit Schießpulver verwandt und neigt bereits bei hochsommerlichen Temperaturen zur Selbstentzündung, die mit keinem Löschmittel gestoppt werden könnte. Der aus den Siebzigern stammende „Nitrobunker“ ist daher so konstruiert, dass bei einem Brand jeweils nur ein Segment der Außenhülle weggesprengt würde.

Wenn sie nicht vorher explodieren, dann zerfallen die Nitrofilme über die Jahrzehnte allmählich zu bräunlichem Staub. Das Filmarchiv sichert daher seine frühen Bestände durch Umkopieren auf heute übliches Filmmaterial. Doch auch das widersteht der Selbstzerstörung nur dann, wenn es optimal, bei konstanten vier Grad Celsius, gelagert wird. Weil dasselbe auch für alle anderen Filmmaterialien aus der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gilt, wurden schon seit Jahren Pläne für einen Neubau gewälzt. Vorbild waren, man würde es nicht vermuten, die technisch aufgefeilten Lagerbedingungen bei der medienpolitisch höchst fragwürdigen KirchMedia in München.

Trotz eines minimalen Budgets von knapp 1,1 Millionen Euro konnte der Bau im Mai zur größten Zufriedenheit von Nikolaus Wostry, dem Chefrestaurator des Filmarchivs, fertig gestellt werden. Eine Reihe von Architekturbüros hatte abgewinkt und erklärt, dass für diesen Preis wohl nicht einmal eine simple Blechkiste zu haben wäre, ganz zu schweigen von einem Stück Architektur, wie es sich der Geschäftsführer Ernst Kieninger gewünscht hatte.

Es ist wohl ein Zufall, dass der Bau letztlich gar nicht von einem Architekten errichtet wurde, zeigt aber, dass mehr Wege zur Architektur führen, als mancher Architektenkammerfunktionär oder Ministerialbeamter sich vorstellen kann. Michael Embacher hat das Studium irgendwann entnervt aufgegeben, weil er längst als Ausstellungsgestalter im Wiener Museum für angewandte Kunst arbeitete und auch genügend Bauerfahrung sammeln konnte, um die Schubladenentwürfe an der Hochschule noch interessant zu finden. Er absolvierte dann die Baumeisterprüfung und legalisierte sich auf diesem Wege.

Sein Entwurf für das Kühllagerhaus ist von einer hemdsärmligen Pragmatik, die nur auf manchen Fotos so aussieht, als wäre es eine schmucke Designerkiste. Die schlichte Box aus Lecabeton mit Thermohaut wurde zusätzlich mit Kupferbändern in Filmstreifenbreite eingewickelt, die Schatten spenden und dem Bau von weitem das Aussehen einer recht leger aus Holzlatten zusammengenagelten Scheune geben. Wer unbedingt möchte, kann darin eine österreichische Antwort auf die akkurat mit Kupfer umwickelten Fassaden gewisser Schweizer Eisenbahnstellwerke sehen, aber auch da sind die Bilder trügerisch. Vor Ort zeigt sich der Bau sehr filigran, selbstbewusst und keine Spur epigonenhaft.

Das Innere besteht aus Rollregalen, die im unteren der zwei Geschosse um einen Tiefkühlraum herumgleiten, wo hoch empfindliches Negativmaterial gelagert wird. Alle technischen Geräte, wegen des intelligenten Energiekonzepts sind es erstaunlich wenige, wurden aufs Dach, Stiegen und Aufzug an die Außenseite der Box gepackt um mögliche Brandherde aus dem Lager fern zu halten.

Vielleicht hätte ein ambitionierter Jungarchitekt den Aufzugsturm nicht rot streichen lassen. Aber die emsigen Archivare haben es mehr als verdient, beim täglichen Hinauf und Hinab von einem vertikalen roten Teppich begleitet zu werden.

27. Mai 2004Pia Feichtenschlager
Salzburger Nachrichten

Filmgeschichte im Kühlregal

Das Filmarchiv Austria hat in Laxenburg eine neue, zentrale Filmlageranlage

Das Filmarchiv Austria hat in Laxenburg eine neue, zentrale Filmlageranlage

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26. Mai 2004Jan Tabor
Falter

Filme im Forsthaus

In der ruralen Einöde bei Laxenburg wurde das Zentralfilmarchiv um einen gelungenen Neubau erweitert. Auch dem Bedürfnis der Filmbewahrer nach einer zeitgemäßen Symbolik ihres Tuns wurde Rechung getragen.

In der ruralen Einöde bei Laxenburg wurde das Zentralfilmarchiv um einen gelungenen Neubau erweitert. Auch dem Bedürfnis der Filmbewahrer nach einer zeitgemäßen Symbolik ihres Tuns wurde Rechung getragen.

Etwa zwei Kilometer hinter Laxenburg steht an der Umfahrungsstraße nach Münchendorf ein Haus, das früher ein Gasthof gewesen sein dürfte. Im Dach des erdgeschossigen Gebäudes steckt das Wrack eines abgestürzten einmotorigen Flugzeugs. Man soll sich von dem Cinecittà-Aussehen nicht täuschen lassen: Es ist nicht das Zentralfilmarchiv Laxenburg. Es ist das Restaurant Flieger&Flieger.

Ein paar hundert Meter weiter mündet ein Feldweg in die Bundesstraße; dort ragt aus der Erde eine große Stahlplatte heraus, die an den Rändern so durchlöchert ist, dass man das hier befremdlich wirkende Objekt für ein Monument des verschollenen Films halten könnte. Verschollen im Sinne von Peter Bogdanovich („The Last Picture Show“): „Es gibt keine alten Filme, sondern nur solche, die man sehen kann oder eben nicht mehr sehen kann“. Der Feldweg führt zu einem Weiler, der so nah am Rand eines dichten Haines liegt, dass man das Gehöft für einen Forstbetrieb halten könnte, wären nur im Schild des stattlichen barocken Hauses Hirschgeweihe angebracht. Es ist das Zentralfilmarchiv.

Schwer zu sagen, was schwieriger ist: Filme zu sammeln oder zu bewahren. Filme sind ein überaus empfindliches Kulturgut. Kein Vergleich mit Büchern. Wenn man sie in ihrer ursprünglichen Qualität erhalten will, muss man die Bildträger in stabil kühlen (sechs Grad Celsius) und feuchten (35-40 % relative Feuchtigkeit) Räumen lagern. Beginnen Filme einmal zu brennen (Nitratfilme bereits bei einer Temperatur von 120 Grad), dann lassen sie sich nicht mehr löschen. Daher dürfen Filmarchive nur außerhalb bebauter Gebiete errichtet werden.

Gleich neben dem Altbau, der tatsächlich ein kaiserliches Forstamt beim Schloss Laxenburg war und unter Denkmalschutz steht, befindet sich ein neues Gebäude, das man für eine moderne Scheune halten könnte. Für die tollkühne Interpretation eines Schuppens. Die stattliche Größe, die schlichte, zweckmäßige Form des Baukörpers und die rostbraune Farbe seines Fassadengeflechtes lassen darin nicht einen Kühlhaus-Betonbunker vermuten, aber doch einen Speicher: einen bautypologisch und -technologisch banalen Langzeitspeicher und zugleich einen Thesaurus, wie die alten Griechen das Schatzhaus nannten. Ein Wertvollspeicher.

Für das gesamte Bauvorhaben samt der aufwendigen Bauweise (Pfahlgründung wegen des sumpfigen Grundes, eine spezielle wärmedämmende Stahlbeton-Massivbauweise) und Klimatechnik (doppelt ausgeführt) sowie der Mobilregale für 300.000 Filmrollenkassetten standen nur 1,1 Millionen Euro zur Verfügung. Nach einigen Gesprächen der Archivdirektion mit verschiedenen Architekten erhielt das Büro Embacher Wien den Zuschlag. Michael Embacher ist dafür bekannt, dass er derartige Harakiri-Aufträge nicht nur höchst effizient, sondern auch architektonisch höchst anspruchsvoll auszuführen vermag.

Der Langzeitspeicher ist ein Kubus mit zwei Lagerebenen zu je fünfhundert Quadratmetern. Die Maße des Baukörpers entsprechen denen des barocken Forsthauses. Das monolithische Erscheinen des Gebäudes wird am Eck gegenüber dem Altbau durch eine - um eine Hand voll des Konstruktiven zu viel - dramatische architektonische Geste unterbrochen, die aus einem Schlitz für den Eingang, dem versenkten und rot gefärbten Aufzugsturm sowie aus der weit auskragenden freien Fluchtstiege samt brückenartigem Flugdach besteht.

Um eine von der Forsthausumgebung inspirierte Metapher zu verwenden: Den architektonischen Vogel hat der Architekt mit seiner witzigen Fassadenlösung abgeschossen. Um den ganzen Baukörper herum sind unzählige Streifen aus Kupferblech wie ein Geflecht angenagelt. Diese Paravents beschatten die Betonwände, sind unterlüftet und verleihen dem Gebäude ein überaus angenehmes, weiches und naturhaftes Erscheinen. Völlig frei von pseudoökologischen oder gar folkloristischen Attitüden, kann es als ein Muster des zeitgemäßen Bauens in der Landschaft gelten.

Die Breite der Bänder von 35 Millimetern entspricht dem verständlichen Bedürfnis der in der ruralen Einöde des Forstamtes werkenden urbanen Filmbewahrer nach einer zeitgemäßen Symbolik ihres Tuns. 35 Millimeter ist die klassische Filmbreite. Uneinig sind sich die Archivare und ihr Architekt nur in einer Frage: Ob auf die Stahlplatte bei der Straße die Aufschrift „ZENTRALFILMARCHIV LAXENBURG“ angebracht werden soll oder nicht. Die Antwort ist doch klar: Nein.

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