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Presseschau

30. Mai 2008Bauwelt

Staatsoper in Beijing

Heute, am Maifeiertag, ist sie für den Preis von 30 RMB, rund drei Euro, zu besichtigen: die neue Oper in Beijing. Man kann alle drei Säle besuchen, sich...





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Bauwelt 2008|21 Große Oper

12. Januar 2008Matthias Messmer
Neue Zürcher Zeitung

Ein Riesenei als leise Provokation

(SUBTITLE) Das grosse Nationaltheater von Paul Andreu in Peking

Der Vogel kam aus der Ferne. Vor acht Jahren. Und wurde unter mehr als vierzig Konkurrenten auserwählt, ein Ei mitten in eine Umgebung hineinzulegen, die...

Der Vogel kam aus der Ferne. Vor acht Jahren. Und wurde unter mehr als vierzig Konkurrenten auserwählt, ein Ei mitten in eine Umgebung hineinzulegen, die...

Der Vogel kam aus der Ferne. Vor acht Jahren. Und wurde unter mehr als vierzig Konkurrenten auserwählt, ein Ei mitten in eine Umgebung hineinzulegen, die ihm fremd in jeder Hinsicht war. Um das Ausbrüten haben viele ihn beneidet. Mit Geduld verstand er es jedoch, Nörgler und Besserwisser von seiner Sache zu überzeugen. Kurz vor Weihnachten war es dann so weit: Eine Melange von Tönen und Stimmen erklang aus dem wundersamen Ei, das fast jedermann, der es gesehen hat, gleichermassen fasziniert wie provoziert. – Zu solchen Bildern regt Chinas jüngstes Architekturwunder an: das vom Franzosen Paul Andreu entworfene grosse Nationaltheater in Peking, welches im Volksmund wegen seiner Form «das Riesenei» genannt wird. Vor fünfzig Jahren bereits hatte Zhou Enlai, der erste Ministerpräsident der Volksrepublik, den Vorschlag für den Bau einer solchen Kulturinstitution gemacht. Innenpolitische Gründe hatten seinen Plänen damals einen Strich durch die Rechnung gemacht. Dank dem früheren Staatspräsidenten Jiang Zemin, einem Opernliebhaber, sowie dem Bedürfnis des Landes nach internationaler Anerkennung als Weltmacht und Kulturnation wurde schliesslich die Realisierung dieses Grossprojektes möglich.

Kritik und Widerstände

Der Wunsch der Führung, sich trotz kommunistischer Ideologie und der Hinwendung auf die eigenen Traditionen weltoffen zu geben und dabei dem Westen zu gefallen, äussert sich in einer ganzen Reihe von Monumentalbauten, die von ausländischen Architektenstars in den letzten Jahren für die Hauptstadt konzipiert wurden: dem Olympiastadion von Herzog & de Meuron, dem CCTV-Fernsehgebäude von Rem Koolhaas oder dem neuen Flughafen von Norman Foster. Wie bei der Realisierung solcher Megaprojekte nicht anders zu erwarten war, hatte auch Paul Andreu zu kämpfen. Kritiker wie Alfred Peng, Architekturprofessor an der renommierten Qinghua-Universität, warfen Andreu vor, «keine Ahnung von chinesischer Kultur zu haben». Eine Hauptstadt müsse die Seele der Nation widerspiegeln, lautete Pengs Überzeugung. Das futuristische Gebäude entspreche aber eher einem über einem See schwebenden Raumschiff oder, in der Nacht, einer im Wasser treibenden, leuchtenden Perle. Anderen Opponenten stiess die Nachbarschaft eines dem Land fremden Opernhauses zur chinesisch geprägten Verbotenen Stadt sauer auf. Dass allerdings auch der getreu dem Vorbild stalinistischer Architektur in den 1950er Jahren erbaute Nationale Volkskongress in unmittelbarer Nähe wenig mit Chinas Traditionen zu tun hat, übersah man bei der Diskussion geflissentlich.

Immer wieder wurden die Arbeiten an Andreus Mammutbau, der eigentlich vor drei Jahren schon hätte eröffnet werden sollen, unterbrochen. In zwei Petitionen an die oberste Staatsführung beanstandeten Wissenschafter und Architekten überdies die enormen Kosten (ungefähr 450 Millionen Franken wurden schliesslich aufgewendet) und monierten, die aus Glas und Titan gebaute Schale des Eies sei angesichts der Pekinger Witterungsbedingungen ökologisch wenig sinnvoll konzipiert. Dass im Jahre 2004 ausgerechnet das Dach eines von Andreu entworfenen Flughafengebäudes in Paris einstürzte, rief schliesslich jene Gegner auf den Plan, die von Anfang an Sicherheitsbedenken vorgebracht hatten.

All diesen Widrigkeiten zum Trotz war es am vergangenen 22. Dezember so weit: Anlässlich der Eröffnung des «National Centre for the Performing Arts» – wie das grosse Nationaltheater in englischer Sprache offiziell heisst – präsentierte man dem begeisterten Publikum eine Auswahl an westlichen und chinesischen Musikstücken, mit zwei Dirigenten und Orchestern, vier Chören und einem halben Dutzend Solisten. Das «Riesenei» mit einer Grundfläche von 150 000 Quadratmetern beherbergt drei verschiedene Hallen mit insgesamt 6500 Sitzplätzen: für Theatervorstellungen, Konzerte und Opernaufführungen. Sie sind durch einen einzigen Tunnel erreichbar, der unter dem Teich hindurchführt, der das Gebäude umgibt. Auch das Innere des Komplexes weckt mit seinem Labyrinth von Gängen und Rolltreppen nicht jenes Gefühl von räumlicher Grosszügigkeit, welches die ovale Kuppel von aussen suggeriert.

Musik und Tanz

Bei der Programmierung setzt man in der ersten Saison, die bis zum 6. April läuft, weitgehend auf ausländische Persönlichkeiten wie den Dirigenten Lorin Maazel (mit der New Yorker Philharmonie). Weiter stehen das St. Petersburger Kirow-Ballett mit dem «Korsaren» ebenso auf dem Programm wie die Schanghaier Oper mit «Othello» oder das chinesische Nationalballett mit «Romeo und Julia». Auch die Tanztruppe der Volksbefreiungsarmee darf mit der Revolutionsoper «Schwester Jiang» ihre Künste vorführen. Das kunterbunte Allerlei an klassischer Musik, Ballett und Theater, das Fehlen eines schlüssigen künstlerischen Konzepts sowie das Nichtvorhandensein eines eigenen Ensembles wurden von internationalen Kritikern bereits bemängelt. Aus westlicher Sicht mögen diese Einwände gelten. Doch in vielen zivilgesellschaftlichen Bereichen versucht China begierig aufzuholen, was Partei und Staat durch menschenfeindliche Politik im Laufe der Jahrzehnte zerstört haben. Auch Andreus Opernhaus muss erst zu sich selbst finden. So mögen genüsslich während einer Vorstellung schmatzende oder fotografierende Besucher auch im «Riesenei» noch eine Weile zum Alltag gehören. Doch das wird die Harmonie im Grossen und Ganzen wenig stören.

Freuen sollte man sich vielmehr daran, dass China nach jahrzehntelanger interkultureller Abkapselung wieder den Anschluss an die Welt gefunden hat. Fast Food, Sex und Pop hat das Reich der Mitte bereits absorbiert. Jetzt gilt es, das Erbe einer universellen Hochkultur als Standbein einer alten Zivilisation wiederherzustellen – nicht nur in Peking, Schanghai oder Guangzhou. Schlangen vor den Ticketschaltern sind ein gutes Zeichen dafür. Garantiert werden muss jedoch, dass die Karten auch für Durchschnittsbürger erschwinglich sind. Und da ist, wie schon beim Legen des Eies, erneut die Politik gefragt.

01. September 2000Kai Strittmatter
TagesAnzeiger

„Eine Warze im Gesicht der Vorfahren“

In China eine Rarität: Um das pompöse Projekt zum Nationaltheater-Neubau in Peking ist ein öffentlicher Streit entbrannt.

In China eine Rarität: Um das pompöse Projekt zum Nationaltheater-Neubau in Peking ist ein öffentlicher Streit entbrannt.

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11. Juli 2000Marc Zitzmann
Neue Zürcher Zeitung

Phönix oder Seifenblase?

(SUBTITLE) Streit um den Bau des Pekinger Nationaltheaters

Im letzten Sommer hat der Pariser Architekt Paul Andreu eine internationale Konsultation gewonnen - als Wettbewerb war die nach chinesischen «Regeln» geführte...

Im letzten Sommer hat der Pariser Architekt Paul Andreu eine internationale Konsultation gewonnen - als Wettbewerb war die nach chinesischen «Regeln» geführte...

Im letzten Sommer hat der Pariser Architekt Paul Andreu eine internationale Konsultation gewonnen - als Wettbewerb war die nach chinesischen «Regeln» geführte Prozedur von der Union internationale des Architectes, die im Juni 1999 in Peking einen grossen Kongress abgehalten hatte, nicht anerkannt worden. Den Entwürfen von rund 70 Konkurrenten - darunter Terry Farrel, Hans Hollein, Arata Isozaki und Jean Nouvel - war Andreus Projekt für das «Grosse chinesische Nationaltheater» in der chinesischen Hauptstadt vorgezogen worden (NZZ 1. 10. 99). Der als Erbauer von Flughäfen wie Paris Charles-de-Gaulle, Manila und Qatar bekannt gewordene Architekt plant, eine grosse Oper (2500 Plätze), einen Konzertsaal und zwei Theater in einer riesigen Seifenblase aus Titan und Glas unterzubringen (Durchmesser: 150 Meter, Höhe: 37 Meter), die auf einem künstlichen See am Tiananmen-Platz schwimmt. Die im April dieses Jahres begonnenen Arbeiten sollen im Eiltempo bis 2002 durchgezogen werden, das endgültige grüne Licht steht allerdings noch aus.

Nun haben 114 chinesische Architekten eine Petition an den Präsidenten und an den Premierminister der Volksrepublik gerichtet (und, was eher unüblich ist, auch veröffentlicht), in der sie ihrer Befürchtung Ausdruck verleihen, die neue Oper werde zum «Gespött der Weltöffentlichkeit» werden. Ausserdem monieren sie die extrem hohen Kosten des Bauwerks (Andreu hat unlängst angegeben, das ursprüngliche Gesamtbudget von über 500 Millionen Franken werde wohl um 20 bis 25 Prozent erhöht werden müssen) sowie seine Konzeption, die, wie sie behaupten, «nicht neu» sei.

Tatsächlich hat der Franzose, der in China u. a. den Pudong-Flughafen in Schanghai und einen Sportkomplex in Kanton realisiert hat, zusammen mit Masakasu Bokura im Hafen von Osaka ein Meeresmuseum konzipiert, das in vielerlei Hinsicht dem geplanten Nationaltheater gleicht: eine Glas- und Metallsphäre, die auf dem Wasser schwimmt und über eine unterirdische Galerie zu erreichen ist. Zeigen wird sich, ob das Projekt wie ein Phönix aus allen Anfechtungen unversehrt hervorgehen oder den Weg der Seifenblase nehmen - und platzen wird.

01. Oktober 1999Roman Hollenstein
Neue Zürcher Zeitung

Halb Ufo und halb Seifenblase

(SUBTITLE) Eine Nationaloper von Paul Andreu für Peking

Peking ist heute - 50 Jahre nach der Gründung der Volksrepublik China - nicht mehr die verschlossene Metropole von einst. Die Öffnung der letzten Jahre...

Peking ist heute - 50 Jahre nach der Gründung der Volksrepublik China - nicht mehr die verschlossene Metropole von einst. Die Öffnung der letzten Jahre...

Peking ist heute - 50 Jahre nach der Gründung der Volksrepublik China - nicht mehr die verschlossene Metropole von einst. Die Öffnung der letzten Jahre manifestiert sich zunehmend auch in der Architektur. Vor drei Monaten fand in der Grossen Halle des Volkes am Platz des Himmlischen Friedens ein internationaler Architektenkongress statt, an dem Stars aus aller Welt über die Stadt der Zukunft debattierten. Und nun wurde rechtzeitig auf den 1. Oktober bekanntgegeben, dass an diesem Platz der Neubau der Chinesischen Nationaloper errichtet werden soll.

Die schon kurz nach der Schaffung des Tiananmen-Platzes diskutierte Idee eines neuen Opernhauses war von der Regierung 1997 wieder aufgenommen worden. Im vergangenen Jahr schrieb sie einen international geladenen Wettbewerb aus, an dem sich etwa gleich viele chinesische wie ausländische Architekten beteiligten. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, heisst - sehr zur Überraschung der vor der Entscheidungsfindung der Jury siegessicheren chinesischen Architektenschaft - der Preisträger Paul Andreu. Der 1938 in Bordeaux geborene Pariser Architekt, der bisher weniger als Vordenker, denn als Macher aufgefallen ist, zählt zwar nicht zu den Stars der französischen Baukunst, doch hat er sich mit seinen Bauten für den Flughafen Charles-de-Gaulle - etwa den TGV-Bahnhof - und als Partner von Spreckelsen an der Grande Arche einen Namen als Realisator grosser Bauten gemacht.

Diese Erfahrung wird ihm in Peking zweifellos zugute kommen. Denn das von ihm entworfene Projekt einer flach in einem künstlichen See gelegenen Schale aus Titan und Glas - halb Ufo und halb Seifenblase - hat gigantische Dimensionen. Der auf rund 500 Millionen Franken veranschlagte Neubau, der eine Oper, einen Konzertsaal und zwei kleinere Theater umfasst, soll dank einem Bautempo, wie man es bisher nur von Hongkong und Schanghai her kannte, bereits im Jahr 2002 eingeweiht werden. Dann wird dieser erste westlich inspirierte Monumentalbau Pekings im chinesisch-konservativ geprägten Ambiente zwischen der Grossen Halle des Volkes und den Mauern der verbotenen Stadt am Tiananmen zum Symbol der Öffnung, der Internationalisierung und einer an westlichen Vorbildern inspirierten Modernisierung einer lange auf chinesische Werte verpflichteten Gesellschaft.

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