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Architektur
Roland Rainer
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Magistrat Linz
Funktion
Städtebau

Presseschau

29. Juni 2014Lorenz Potocnik
OÖNachrichten

Hier lebt es sich wie im Urlaub

(SUBTITLE) Wer hätte das gedacht? Die Solarcity ist zehn Jahre alt und funktioniert!

Obwohl auf die grüne Wiese im äußersten Süden von Linz gesetzt (die Straßenbahn braucht eine kleine Ewigkeit ins Zentrum), ist dieses kleine Satellitenstädtchen...

Obwohl auf die grüne Wiese im äußersten Süden von Linz gesetzt (die Straßenbahn braucht eine kleine Ewigkeit ins Zentrum), ist dieses kleine Satellitenstädtchen...

Obwohl auf die grüne Wiese im äußersten Süden von Linz gesetzt (die Straßenbahn braucht eine kleine Ewigkeit ins Zentrum), ist dieses kleine Satellitenstädtchen eine Erfolgsgeschichte. Sie wird seit Fertigstellung positiv wahrgenommen, war von Anfang an dreifach überbucht. Die Identifikation der Bewohner mit ihrem Stadtteil ist hoch, die Zufriedenheit ebenfalls.

Das ist einer ausgezeichneten Projektentwicklung, präventiver Gemeinwesenarbeit und insgesamt einer durchgehaltenen Vision zuzurechnen. Das wissen die Bewohner vor Ort und die Fachwelt im Ausland. Trotzdem scheint die Stadtpolitik selbst nicht wirklich stolz auf das einzigartige Ergebnis zu sein. Zumindest wird die Sonnenstadt wenig angepriesen. Dabei hat sie das Zeug zum Alleinstellungsmerkmal für Linz: sie ist weltweit einer der wenigen umgesetzten ökologischen Stadtteile.

Große Wohnungsnachfrage

In den 1990er-Jahren herrschte enorme Wohnungsnachfrage. Große innerstädtische Flächen waren nicht vorhanden oder nicht im Besitz der Stadt. Enorme Pendlerströme belasteten so wie heute die Stadt.

Auf Impuls des damaligen Stadtbaudirektors Franz X. Goldner wurde deswegen auf den stadteigenen Gründen bei Pichling eine Musterstadt geplant. Das Ziel war auch aus dem grundsätzlichen Wunsch der Stadt entstanden, ihr Image zu wandeln – wir erinnern uns, Linz ist gerade sauber geworden –, sozialen Wohnbau mit Ökologie zu vereinen.

Ob dieser weit vom Schuss liegende Stadtteil angenommen werden würde, war nicht klar. 1992 wurde der städtebauliche Masterplan von Roland Rainer erarbeitet. Der Solarexperte Thomas Herzog aus München, der wegen des Projekts Design Center (1991-94) nach Linz kam, half, das Gesamtkonzept eines ökologischen Stadtteils zu formulieren. Beantragte EU-Förderungen wurden 1995 zugesagt (Österreich war gerade Mitglied geworden).

Stararchitekten eingeflogen

1996 lagen die Planungsergebnisse der zusätzlich eingeflogenen Stararchitekten Norman Foster und Richard Rogers aus London vor, 1999 wurde mit der Landschaftsgestaltung (Atelier Dreiseitl, Deutschland) begonnen. Bis 2005 wurde in mehreren Etappen mit insgesamt 21 Architekturbüros und zwölf gemeinnützigen Wohnbauträgern gebaut. Rund 3500 Menschen leben seither in 1300 Wohnungen auf einem rund 35 Hektar großen, grünen und weitgehend autofreien Gelände.

Herzstück ist die offene Piazza mit multifunktionalem Zentrum. Hier ist tatsächlich Leben eingekehrt, das Nötigste ist vorhanden. Pavillons mit überdachten und offenen Zwischenräumen geben den richtigen Maßstab. Von hier sind es maximal 400 Meter zu jeder Wohnung. Alles ist fußläufig erreichbar, auf ein Auto kann verzichtet werden.

Die Planung von Auer + Weber Architekten (München) zeichnet sich durch gute Materialwahl, offene Sockelzonen und feine Details aus. Die ans Zentrum angrenzenden Wohnbauten sind architektonisch und freiraumplanerisch am besten gelöst. Größen und Art der Wohnungen variieren stark. Vom Reihenhaus bis zur Singlewohnung ist alles dabei. Auch das Angebot zwischen Miete (50 Prozent), Mietkauf (40) und Kauf (10) ist breit gestreut. Das schafft Durchmischung.

Die Solarcity funktioniert also. Bezüglich des Verhältnisses Einwohnerzahl zu Infrastruktur liegt sie aber am unteren Limit der kritischen Masse. Mit einer weiteren Entwicklung der Südstadt würde sie gewinnen. Das hat schon Roland Rainer Anfang der 90er in seinem Entwurf skizziert: Knoten à jeweils cirka 5000 Einwohner fädeln sich an die (zu verlängernde) Straßenbahn und Straße.

Kaserne als weitere Chance

Die Lebensqualität im Grünen, umgeben von Seen und Auen, bietet eine zugkräftige Alternative zum autoabhängigen und ressourcenintensiven Einfamilienhaus im Grünen. Und somit auch die Möglichkeit für Linz, junge Bewohner zu halten oder anzuziehen.

Aber auch die in absehbarer Zeit zur Umnutzung freistehende Kaserne Ebelsberg liegt an diesem Entwicklungsstreifen. Dort kann mit bestehender Substanz gearbeitet werden. Das Französische Viertel in Tübingen ist dafür ideales Vorbild. Auch dort wurde eine ehemalige Kaserne beispielhaft in ein durchmischtes Stadtviertel verwandelt. Die außerordentlichen Erfahrungen bei der Planung und Entwicklung der Solarcity sind dafür unbedingt zu nutzen.

24. April 2004Judith Eiblmayr
Spectrum

Stadt der kurzen Wege

Zwölf Bauträger und 19 Architekten sind dabei, nach einem Masterplan von Roland Rainer eine Umweltmusterstadt südöstlich von Linz zu errichten. Die erste Ausbaustufe der „Solar City“: hohe Qualität ohne ostentativen Öko-Touch.

Zwölf Bauträger und 19 Architekten sind dabei, nach einem Masterplan von Roland Rainer eine Umweltmusterstadt südöstlich von Linz zu errichten. Die erste Ausbaustufe der „Solar City“: hohe Qualität ohne ostentativen Öko-Touch.

Die Geschichte der „Solar City“ in Linz-Pichling reicht bis Anfang der Neunzigerjahre zurück, als die Linzer Stadtregierung den Entschluss zu einem ehrgeizigen Stadterweiterungsprojekt fasste, um sich 1200 Wohnungsuchender konzeptionell anzunehmen. Linz hatte sich in diesen Jahren zu einem der größten Wirtschaftsräume Österreichs entwickelt, und bei 120.000 Arbeitsplätzen im städtischen Großraum war und ist der Zuzug beträchtlich.

Als Zielgebiet der Stadterweiterung für bis zu 20.000 Einwohner stand eine Gegend im Südosten der Stadt zur Disposition, in relativer Nähe zu den großen Industriebetrieben. Da die Gründe entsprechend billig gewesen waren, hatten sich zwischen den Ortschaften Ebelsberg und Pichling eher unzusammenhängend Einfamilienhäuser aneinander gereiht, und das restliche Grünland konnte von der Stadt zu günstigen Konditionen erworben werden. Ein infrastruktureller Vorteil des Gebiets war, dass eine Straßenbahnlinie leicht dorthin verlängert werden konnte und dass mit den Traun- und
Donauauen und mit zwei Badeseen ein unmittelbarer Erholungsbereich vorhanden war. Um die negativen Konnotationen von Linz als Industriestadt endgültig abzuschütteln, entschloss man sich, ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Konzept zu propagieren und „Linz neu“ als Umweltmusterstadt zu positionieren.

Die Linzer Stadtgemeinde beauftragte den kürzlich verstorbenen Roland Rainer mit der Erstellung eines städtebaulichen Konzepts, das im Sinne des Bandstadtgedankens den „Seenbezirk Pichling“ generierte, einen neuen Stadtbezirk mit umfassender Infrastruktur, der sich entlang der verlängerten Straßenbahnlinie in mehrere Teilbereiche beziehungsweise Bauabschnitte gliederte. Um die Fehler einer monokulturellen Bebauung als „Schlafstadt“ zu vermeiden, war in Rainers Konzept neben allen notwendigen Dienstleistungssektoren auch ein Gewerbegebiet integriert, die Wohnhäuser selbst waren wieder in einer Gartenstadtstruktur angelegt. Allerdings sollte das neue Zentrum sowohl infrastrukturell als auch sozial die Urbanisierung der ganzen Gegend bewirken; dazu bedurfte es eines verstärkt städtischen Charakters.

Da auch die Nachhaltigkeit beim Bauen tiefer gehend verdeutlicht werden sollte, bewarb man sich um eine EU-Förderung durch den APAS-Fonds für erneuerbare Energie und stellte über Thomas Herzog den Kontakt zur READ-Gruppe her: Norman Foster, Richard Rogers, Renzo Piano und Herzog selbst hatten unter Beiziehung des Energietechnikplaners Norbert Kaiser das Team für „Renewable Energies in Architecture and Design - READ“ gegründet, um einen hohen architektonischen Anspruch bei Niedrigenergiebauweise umzusetzen. Die Brüsseler Forschungsgelder wurden bewilligt, und die READ-Gruppe machte sich an die Arbeit. Das Konzept für Pichling sah eine Gliederung des ersten Bauabschnitts in Geschoßwohnbauten vor, wobei auf die Minimierung des Heizenergiebedarfs durch den Einsatz entsprechender Baustoffe, aber vor allem auf die aktive und passive Nutzung von Solarenergie gesetzt werden sollte. Diese ersten 750 Wohnungen wurden auf Basis von Rainers Masterplan in Zeilenform um ein Ortszentrum (Auer, Weber & Partner) gruppiert, wo alle wichtigen Geschäfte, sozialen Einrichtungen und die Straßenbahn-Haltestelle zusammengefasst wurden.

Um dieses Kerngebiet wurde in einer zweiten Bauphase mit weiteren 750 Wohnungen nach dem städtebaulichen Konzept des Wiener Architekten Martin Treberspurg konzentrisch weitergeplant. Es sollte eine begrünte, weithin autofreie „Stadt der kurzen Wege“ werden, die gerne zu Fuß oder mit dem Rad durchquert wird und somit urbanes Leben entstehen lässt. Der publicityträchtige Name „Solar City“ sollte durchaus den Modellcharakter des Projekts für den gesamten EU-Raum unterstreichen.

Die bauliche Umsetzung, eingebettet in ein separat beauftragtes Freiraumkonzept (Atelier Dreiseitl), das den ungezwungenen Übergang in die umgebende Natur schafft, ist den zwölf Bauträgern und ihren 19 Architekten ohne Zweifel gut gelungen und hat eine sehr hohe Architekturqualität ohne ostentativen Öko-Touch gebracht. Ein Teil von Treberspurgs Wohnungen wurde als die erste Passivhausanlage mit kontrollierter Be- und Entlüftung im genossenschaftlichen Wohnbau in Österreich realisiert, bei einem anderen Bauteil mit zirka 100 Wohnungen und der Schule versuchte man bei der Abwasserbeseitigung neue, ökologische Wege zu gehen. Offensichtlich bedeutete der Begriff Solararchitektur einen großen Interpretationsspielraum für die Errichter, und es gab kein ideologisches Ökokonzept. Vielmehr schien das Thema Sonne ein ideal marketingkompatibles zu sein: Es stellte zwar eine gewisse Herausforderung für die Wohnbaugenossenschaften dar und zeigte Richtlinien in erster Linie für wärmedämmendes Bauen auf, tat aber letztendlich niemandem wirklich weh.

Die Fokussierung der öffentlichen Hand auf eine perfekte Infrastruktur im Zentrum des neuen Stadtteils war sicher der wichtigste Aspekt, um die Tauglichkeit des Konzepts zu gewährleisten, denn das „Versorgtsein“ am Wohnort - von Lebensmitteln über Eltern-Kind-Beratung und Arztpraxis bis zur wilden Naturlandschaft in der benachbarten Au - schafft Identifikation und ist Garant dafür, dass die Anrainer ihr Umfeld beleben und auch darauf schauen - im doppelten Sinn des Wortes. Nur unter diesem Gesichtspunkt ergibt jene Passage in der Presseaussendung Sinn, die die „Aussicht auf besonnte Flächen“ und das „Sonnenbaden“ als spezielle Pluspunkte der „Solar City“ auflistet. Der Liegestuhl auf dem eigenen Balkon hat seit der Moderne als Qualitätsfaktor beim Wohnen durchaus seine Berechtigung, ob man dies allerdings als „Nutzung von Solarenergie“ beim Bauen durchgehen lassen kann, sei dahingestellt. Die durchschnittliche Anzahl von Sonnentagen pro Jahr im Raum Linz erfährt man übrigens leider nicht.

Der Einsatz, den die Stadt Linz - auch finanzieller Natur - bei diesem Projekt leistete, ist durchaus beachtlich, und man fragt sich nun - siehe oben -, kurz vor Fertigstellung der ersten Ausbaustufe, ob nicht viele der hehren Wünsche aus den Werbe- und Informationstexten mehr der Imagebildung dienten, als sie in die Realität umgesetzt werden konnten.

Diesen Vorbehalten könnte sehr leicht begegnet werden, wenn das Projekt auf verschiedenen Ebenen wissenschaftlich begleitet würde: von Analysen bezüglich Schadstoffgehalt in Luft und Boden - südöstlich der VOEST - über den wahren Energieverbrauch bis zur tatsächlichen - konzeptionell erwünschten - Durchmischung der Bevölkerungsstruktur. Und es müsste beobachtet werden, ob der Umgang der Bewohner mit der Natur sensibler ist als bei einer Vergleichsgruppe in einer herkömmlichen Siedlung. Wenn dies in fünf oder zehn Jahren bewiesen ist, dann wäre aus dem Musterprojekt „Solar City“ eine Erfolgsgeschichte geworden, die Vorbildcharakter für den dicht besiedelten europäischen Raum hätte. Diese Evaluierung sollte man nicht scheuen, um die versprochene Nachhaltigkeit auch beweisen zu können.

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