Pläne

Details

Adresse
Friedrichgasse 34, 8020 Graz, Österreich
Mitarbeit Architektur
Thomas Mennel (PL), Thomas Abendroth, Thomas Ausweger, Günter Bösch, Eva Germann, Fred Hofbauer, Heike Weichselbaumer, Constanze Waiser
Tragwerksplanung
Werkraum Ingenieure
Weitere Konsulent:innen
Haustechnik: Bacher Wien
Bauphysik: Tomberger Graz
Controlling: Rinderer&Partner
Planung
2002
Ausführung
2002 - 2003

Ausführende Firmen

Holzbau Weiz, St.Ruprecht/Raab

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Archbau

Genereller introtext zu Archbau der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

24. Dezember 2004Ute Woltron
Der Standard

Hallen, Höhlen und andere Sensationen

Kindermuseen können wettmachen, was Eltern und Normen verbieten: Raum ertasten, erfahren, erleben

Kindermuseen können wettmachen, was Eltern und Normen verbieten: Raum ertasten, erfahren, erleben

Der Weg in die Erwachsenenwelt führt für Kinder - vor allem für Kinder, die in Städten aufwachsen - über Normen. Vom Sitzbankerl bis zum Krabbelbaum, vom Kindergartenkuscheleck bis zum Klassenzimmer: Alles ist genormt, alles ist abgesichert und alles ist vor allem so gestaltet, dass sich die lieben Kleinen auf gar keinen Fall wehtun können.

In dieser überbetont sicheren Welt bleibt dabei einiges auf der Strecke. Zum Beispiel die elementare Erfahrung, dass man irgendwo auch herunterfallen und sich dabei durchaus wehtun kann - oder, ganz wichtig, die Sensation sehr große und ganz kleine Räume, verschiedenste Dimensionen und Volumina zu spüren und im besten Sinne des Wortes für sich zu er-leben.

Die Kinder- und Entwicklungspsychologie weiß, dass die Erfassung des Raumes und des Dreidimensionalen eine äußerst schwierige und komplexe Angelegenheit für das sich entwickelnde Gehirn darstellt, die bereits in ganz jungen Jahren geübt und immer wieder trainiert werden muss. Hirn und Leib gehören bekanntlich zusammen, und wenn dieses wichtige Zusammenspiel nicht rechtzeitig geübt wird, können die daraus folgenden Erfahrungsdefizite später nicht mehr wettgemacht werden.

Kinder, so sagt die Museumsexpertin und ehemalige Zoom-Kindermuseum-Leiterin Claudia Haas, müssen sich die Räume vor allem „ergehen“, um sie erfassen zu können. Die Gelegenheiten dafür schwinden in der gebauten Umwelt, man hält sich zumalen in den genormten Schuhschachteln der Wohnbauten oder auf Spielplätzen auf, die wenig Freiheit für das körperliche Experimentieren und Selbsterfahren lassen.

Es gibt tatsächlich Volksschüler, die zeitlebens noch nie Waldräume, Kirchenschiffe oder andere Säle betreten haben, von den haptischen, olfaktorischen und anderen Sensationen, die Bäumeklettern, Feuerlheizen, Forellenbraten und ähnliche zivilisatorische Ungeheuerlichkeiten bieten, wollen wir hier lieber ganz schweigen.

Zurück zur Architektur: Hans Hollein etwa ist einer jener Architekten, die bewusst diese wichtigen Raumerlebnisse in die Planung von Schulen mit einbeziehen und dieses Anliegen auch immer wieder artikulieren. Doch auch für die Noch-Kleineren beginnen Kommunen und ArchitektInnen Räume bereitzustellen, die die Erfahrungswerte der Kinder deutlich bereichern können.

Vor einem Jahr wurde beispielsweise in Graz ein Kindermuseum eröffnet, dessen Architektur als vorbildlich bezeichnet werden kann. Zum einen haben die Architekten Hemma Fasch und Jakob Fuchs sehr sorgfältig recherchiert, wie es aussieht, wo Kinder sich wohlfühlen. Zum anderen hat sich Graz - bei zwar knappem Budget und einer durch das Kulturhauptstadt-Jahr 2003 enorm kurz vorgegebenen Bauzeit - ein Musterbeispiel geleistet, das für andere Städte Vorbildwirkung haben dürfte.

Das Grazer Kindermuseum empfängt seine kleinen Besucher und Besucherinnen mit einem heimeligen, betont niedrigen Raum, von dem aus allerdings sofort Einsichten in die folgenden Räume und die darin enthaltenen, aufregenden Spielmöglichkeiten getan werden können. Die einzelnen Bereiche dieses sehr offenen, barrierearmen Hauses können rasch erfasst werden, das heißt, die Kinder können sich optimal orientieren und wissen an jeder Stelle und zu jedem Zeitpunkt genau, wo sie sich befinden.

Fasch und Fuchs haben aus sehr schwierigen Bebauungsbedingungen durch planerisches Können das optimale Raumgebilde entworfen: Das Museum entwickelt sich in verschiedenen Ebenen, es bietet sehr hohe und auch ganz niedrige Raumzonen, es holt durch großzügige Glasbänder die Umgebung des Parks, in dem es steht, ständig in das Haus herein, und es verführt seine kleinen Besucher dazu, sich auch einmal in ausgesprochen gemütlichen, niedrigen Zonen hinzuknotzen, aus dem Fenster zu schauen und vielleicht ein bisschen auszuspannen.

Das Grazer Kindermuseum kommt dem, was sich Claudia Haas unter einem idealen Kinder-Spiel-und-Ausstellungshaus vorstellt, sehr nahe. „Kinder sind heutzutage viel zu wenig allein“, meint sie zum Beispiel, und deshalb wären neben den wünschenswerten betont unterschiedlichen Raumhöhen vor allem auch Rückzugsmöglichkeiten, wie geschützte Winkel und Ecken bis hin zu höhlenartigen Räumchen sehr gefragt.

Das Wiener Pendant, das Zoom-Kindermuseum im Museumsquartier, glänzt weniger durch seine eher uninspirierten, weil vorgegebenen Räumlichkeiten, als durch seine Möblierung, die von der Architektengruppe Pool stammt, und durch die aufwändigen, sehr liebevollen Themen-Ausstellungen, die über 100.000 kleine bis mittelgroße Besucher pro Jahr anlocken.

Derlei Ausstellungsgestaltung übernehmen sehr oft Architekten, doch sind die in ihren gestalterischen Möglichkeiten einmal mehr äußerst limitiert, denn die Sicherheit jeder Installation steht deutlich im Vordergrund. Haas, die große internationale Museumsinstitutionen wie etwa den Pariser Louvre professionell berät, erinnert sich an die eher wilderen Zoom-Anfangszeiten zurück: „Wir hatten nie sonderliche Ängste, doch dass sich bei so vielen Besuchern einmal ein Kind wehtut, ist ziemlich wahrscheinlich.“ Die daraus folgenden Klagen und rechtsanwaltlichen Schritte ebenso, weshalb man eher den Weg in sicherere - und damit auch etwas langweiligere Gefilde und Ausstellungsarchitekturen einschlug.

Fazit: Institutionen wie jene in Wien und Graz sind äußerst zu begrüßen, sie können jedoch nur bedingt ersetzen, was Wald, Wiese, Baumhaus den Landkindern bieten. Wer diese Haltung der Reaktion zuschreibt, möge einmal vor Ort die Beobachtung anstellen und mit ungeübteren Stadtkindern Bäumekraxeln und Gatschhupfen gehen. Die Bewegungsarmut bis hin zur -unfähigkeit werden Alarmglocken schrillen lassen. Für Haas stellt das Eingesperrtsein in kinderungerechten Stadträumlichkeiten jedenfalls eine „ungeheure Sinnesverarmung“ dar. Räumliche und körperliche Erfahrungen gehören zur Menschwerdung wie das Sprechenlernen, also rein in Hallen und Höhlen, und getrost zurück auf die Bäume.

20. Dezember 2003Karin Tschavgova
Spectrum

Zwergerl? Von wegen!

Es ist zugleich Erlebnisort und Aktionsraum, ein dynamisches Gefüge, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Nutzer: das neue Grazer Kindermuseum von Hemma Fasch und Jakob Fuchs.

Es ist zugleich Erlebnisort und Aktionsraum, ein dynamisches Gefüge, zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Nutzer: das neue Grazer Kindermuseum von Hemma Fasch und Jakob Fuchs.

Eine immer weniger überschaubare Welt hat immer größeren Bedarf an Welterklärung. Kinder erhalten heute nahezu uneingeschränkt Zugang zu allen Massenmedien. Ungefiltert werden sie mit Nachrichten bombardiert, die sie nur in den seltensten Fällen altersgerecht übersetzt bekommen. Großväter, die ihren Enkeln die Welt beim Holzsammeln oder Bauen von Flugmodellen erklären, gibt es fast nur mehr in Erzählungen von früher. Angesichts der rasanten wie komplexen Entwicklung des Weltgeschehens scheinen kindgerechte Erklärungsmodelle Aufgabe der Pädagogik zu sein, die man aus dem familiären Umfeld auslagert. Deswegen bieten Museen immer mehr Vermittlungsprogramme für Kinder an, und deshalb boomen Kindermuseen in der ganzen westlichen Welt. Ort der kindgerechten Aufklärung sind meist für diesen Zweck adaptierte Räume - seltener werden solche Orte neu geschaffen. Das ist auch nicht so einfach, erfordert es doch die Beantwortung einer Frage, die sich bei der Adaption von Vorhandenem nur ansatzweise stellt: Was ist kindgerechtes Bauen?

Hemma Fasch und Jakob Fuchs haben in zehnjähriger Zusammenarbeit in zahlreichen, auch prämierten Wettbewerbsprojekten für Kindergärten und Schulen immer wieder von neuem ihre Antwort darauf präzise formuliert. In ihrer Haltung folgen sie Architekten wie den Holländern Johannes Duiker in seiner Amsterdamer Openluchtschool (um 1930) und Herman Hertzberger in mehreren Montessorischulen und Kindergärten oder dem Österreicher Anton Schweighofer in der Wiener Stadt des Kindes (1974), die alle in ihren Bauten kindliche Bedürfnisse mit Sorgfalt aufgegriffen und umgesetzt haben, ohne sie zu kulissenhafter „Zwergerlarchitektur“ zu verniedlichen.

Daraus kann der Leser schließen, dass Gebäude, die fasch & fuchs. für Kinder konzipieren, vordergründig keine andere Architektur sind als jene, die sie für erwachsene Nutzer entwickeln. Das trifft auch für ihr Kindermuseum in Graz zu, das Ende November als letzter Bau im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres eröffnet wurde. Dass dieses Vorhaben, trotz äußerst knapper finanzieller Mittel und einer Bauzeit von nicht mehr als 200 Werktagen als geglückt bezeichnet werden darf, ist auch dem Vertrauen der Stadt Graz, die die Architekten als Generalplaner eingesetzt hat, und der vorbildlichen Zusammenarbeit zwischen dem Bauherrenvertreter, dem Architektenteam (Projektleiter Thomas Mennel), Werkraum (Statik) und den Fachplanern zuzuschreiben. Das Kindermuseum wird wegen seiner vorgegebenen Größe keine Sammlung beherbergen, sondern nach Wunsch des Bauherrn ein zu Eigeninitiative anregender Ausstellungs- und Experimentierraum sein.

Das siegreiche Konzept, das fasch & fuchs. bei einem geladenen Wettbewerb 2002 vorgelegt haben, ist, wie alle ihre Bauten, vom Kontext mit dem spezifischen Umraum geprägt. Am nördlichen Ausläufer des Augartens gelegen, nimmt sich der Bau in Höhe und Volumen geschickt zurück, um keine Barriere zum Park zu bilden, wird eingebettet, indem das Terrain um eine halbe Geschoßhöhe abgegraben wird. Zugleich fließt das Parkgrün - tektonisch neu geformt, jedoch ohne Abgrenzung - als sanft geneigte Wiesenfläche bis an den gedeckten Freibereich der unteren Ebene heran. Über diesem Sockelgeschoß, das rundum über Terrain verglast ist, bilden Wände und Decke, die ohne Materialwechsel ineinander übergehen, ein kompaktes zweigeschoßiges Volumen in dunklem Grau, das niedriger wirkt, als es tatsächlich ist. Es fügt sich ein in seine Umgebung und setzt sich doch mit Raffinesse in Szene, indem es die hoch aufragenden Bäume des Parks zur mächtigen Kulisse werden lässt, die es umrahmen. Formgebend scheinen in erster Linie die Bedingungen des Ortes gewesen zu sein.

Betritt man es, so erkennt man erstaunt, dass die Architekten seine Form genauso schlüssig aus dem inneren Ablauf ableiten, dem Verhalten und den Bedürfnissen von Kindern entsprechend. Kinder brauchen Bewegung. Folgerichtig sehen und erleben wir keine Architektur der Statik, sondern ein dynamisches Gefüge - eine Architektur der Wege. Eine schräge Ebene, Treppen, Rampen und eine Brücke verbinden Aktionsräume auf mehreren Niveaus zu einem vielschichtigen Raumkontinuum ohne feste innere Abgrenzungen. Damit haben fasch & fuchs. das Manifest des Architekten Josef Frank vom „Haus als Weg und Platz“ punktgenau umgesetzt. Darin wird das Haus, in einem Weiterdenken des Loosschen Raumplans, als eine Abfolge unterschiedlichster Raumerlebnisse gesehen, die an eine die verschiedenen Ebenen verbindende Bewegungsader angedockt sind, die sie aber auch durchdringen kann. Der Weg, schreibt Frank, muss so abwechslungsreich sein, dass man seine Länge niemals empfindet.

Instinktiv entdecken die Kinder dies. Auch wenn die einladende Geste eines großzügigen Foyers, das unverstellt die
Blicke auf die untere Ebene freigeben soll, durch die Aufstellung einer Installation, die als trennende Wand wirkt, leider eingeschränkt wird, nehmen die Kinder den Bereich sofort in Besitz. Vorsichtig rutschend, bald wagemutig purzelnd, lassen sie sich über die schräge, gepolsterte Ebene fallen - eine bunte Buckelpiste aus wellig geformten, kunstlederüberzogenen Streifenpölstern -, so lange, bis sie sich ausgetobt haben und Lust auf die Ausstellung bekommen.

Wollen sie sich vor dem Start erst einmal einen Überblick verschaffen, so werden sie das Haus von unten nach oben durchqueren. Vertikale Verschränkungen und Einblicke in die einzelnen Ebenen von der Rampe im Hauptgeschoß aus machen dies möglich; das Kind entscheidet, wo es einsteigt. Blickbeziehungen zum Außenraum sind, wie schon die Wettbewerbsjury lobend feststellte, „auf eine sehr feine und sensible Art auf Kindergrößen abgestimmt“. Im
Auditorium wie im flexibel abgrenzbaren, 500 Quadratmeter großen Ausstellungsbereich auf der Mittelebene selektiert ein rundum laufendes Fensterband direkt über dem Fußboden den Ausblick in den Park.

Kinder haben den Durchblick: Ihrer ureigensten Neigung entsprechend legen sie sich auf den Boden, der in der Randzone abgeschrägt und mit Liegematratzen ausgestattet ist. Ausreichend belichtet werden diese Räume von oben durch Sheds. Es ist eine Geste der Offenheit, dass die nordorientierte Eingangsfront weitgehend transparent ist und schon von außen das Innenleben des Hauses bis in die Verwaltungsebene zeigt. Dieselbe Haltung zeigt die verglaste Werkstätte im Untergeschoß, die auf einen geschützten Freibereich, begleitet von Wasserlauf und Pflanzgarten, erweiterbar ist.

Das Kindermuseum ist ein Lehrstück, das zeigt: Eine Dachkonstruktion muss keinen „toten“ Raum schaffen, die Dachform kann Teil der Raumgestalt werden. Eine Wand kann abgehängt und verschiebbar sein. Ein Ausblick braucht weder Parapet noch unbedingt ein teures öffenbares Fenster. Wände können geneigt sein, Höhenunterschiede abwechslungsreich auch mit Rampen bewältigt. Schräge Fußböden geben ein natürlich ansteigendes Auditorium. Möbel entwirft man aufblasbar, will man sie bei Bedarf platzsparend verstauen. Funktionsadern müssen nicht versteckt werden. Transparenz signalisiert Offenheit. Stufenloser verglaster Übergang nach außen bringt das Grün optisch in den Raum.

Die Tatsache, dass das Gebäude für sich ein Erlebnisraum ist und zugleich in seiner Größe an der untersten Grenze der Bespielbarkeit rangiert, sollte den Betreiber zur Reduktion des Inhalts bewegen. In einer Zeit permanenter Reizüberflutung kann das Vollstopfen der Räume mit unzähligen Stationen eines „Weltenbummels“, auch wenn die Erstausstellung von BEHF gestaltet ist, nicht überzeugen. Gewinnen kann, wer das Haus wie die Kinder ins Spiel einbezieht.

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