Details

Tragwerksplanung
Arup & Partners
Planung
1971
Fertigstellung
1977

Preise und Auszeichnungen

International Union of Architects August Perret Prize for the most outstanding international work 1975 - 1978

Publikationen

Presseschau

02. Februar 2002ORF.at

Monster für die Massen

Das Centre Pompidou gilt bis heute als Phänomen - teuer, aber erfolgreich.

Das Centre Pompidou gilt bis heute als Phänomen - teuer, aber erfolgreich.

Manchen erinnert es an eine Ölraffinerie mitten in der Stadt, andere sehen es als architektonisches Monster. Von einer „Gymnastikhalle für King Kong“ war kurz nach der Eröffnung des Gebäudes die Rede.

Das Ungeheure (oder Ungeheuer, wie einige meinen) steht im Pariser Marais-Viertel. Die Welt kennt es als Centre Pompidou, benannt nach dessen geistigem Vater, Frankreichs Ex-Staatschef Georges Pompidou. Neben dem Eiffelturm und dem Mont Saint Michel ist es heute die am häufigsten besuchte Sehenswürdigkeit Frankreichs.


25.000 Besucher täglich

Vor 25 Jahren wurde die Kulturmaschine für die Öffentlichkeit geöffnet und schon wenig später von den Massen gestürmt. Mehr als 25.000 Besucher täglich drängten sich über Jahre hinweg in das vom Italiener Renzo Piano und dem Briten Richard Rogers entworfene Centre.

Zwanzig Jahre danach schlug man Alarm: Das Gebäude aus Stahl und Glas mit den außen geführten Rohren, Aufzügen und Leitungen drohte ob der intensiven Nutzung zusammenzubrechen.


Ein Gebäude wie ein Magnet

Der Grund für die große Anziehung war klar: Das Gebäude war so markant, dass alles, was man an Großartigem in der Welt der Kunst präsentieren wollte, im Centre Pompidou gezeigt werden sollte.

Das Museum der Modernen Kunst mit den Hauptwerken des 20. Jahrhunderts lockte ebenso wie eine Serie spektakulärer Großausstellungen und, nicht zu vergessen: die jahrzehntelang einzige funktionierende öffentliche Großbibliothek in Paris. Alleine Letztere zog täglich Tausende Leser an.


Der kostenlose Blick über Paris

Viele Besucher des Centre nutzten den Weg über die Aufstiegsröhren auf das Dach auch dazu, um einen Gratisausblick auf Paris zu genießen. Andere gingen auf die zwei Plätze vor dem Centre, um teilzuhaben an Straßenspektakel und Speaker's Corner.


Schluss mit gratis

Das Gratiserlebnis Centre Pompidou ist nun stark eingeschränkt. Seit einer großen Renovierung zwischen 1997 und 2000 ist das Centre zwar rundum erneuert, aber nicht mehr so leicht begehbar wie früher. Wer heute auf das Dach hinauf will, der braucht eine Eintrittskarte für das Museum Moderner Kunst.


Teurer Kuss

So mancher Pariser bedauert das. War man früher noch am Abend mit der Geliebten auf das Dach gefahren, um mit den Augen über die Dächer von Paris zu flanieren, so hält einen heute ein bulliger Türsteher am Fuß der Treppenröhren von dem Billigvergnügen ab.


Kostspieliger Umbau

Umgerechnet etwa 87,2 Mio. € (1,2 Mrd. S) kosteten die Renovierungsarbeiten, bei denen die Pariser „Kunstmaschine“ mit der extravaganten Architektur aus Glas und den bunt gestrichenen Metallröhren innen komplett neu gestaltet wurde.


Mehr Platz für alle

Durch die Auslagerung der Hausverwaltung in ein Nachbargebäude konnten 8.000 Quadratmeter gewonnen werden, sodass das Centre nun auf acht Ebenen über eine Gesamtfläche von 70.000 Quadratmetern verfügt.

Insgesamt wurde das Centre bei weitem heller und übersichtlicher als bisher gestaltet. Piano ließ vor allem den Eingangsbereich umgestalten und vergrößern. Im Untergeschoß wurden vier Veranstaltungssäle für Musik und Tanztheater sowie ein Foyer mit Cafe neu geschaffen.

Auch das Nationale Museum für Moderne Kunst im vierten und fünften Stock wurde komplett umgestaltet. Statt bisher rund 800 Objekte können nun rund 1.400 ausgestellt werden. Und auch in der Bibliothek gibt es jetzt 2.000 Sitzplätze mehr.


Das Centre als Phänomen

Die Entstehungsgeschichte des Centre und sein Erfolg gelten bis heute als Phänomen. Angeregt wurde der avantgardistische Neubau 1969 von dem konservativen Staatspräsidenten Georges Pompidou, der ein Kenner und Förderer moderner Kunst war.

1971 wurde der Auftrag an die Architekten erteilt, die Fertigstellung erlebte der krebskranke Präsident nicht mehr - er starb 1974.


Kühner Formwille der Architekten

Beachtung fand das Gebäude vor allem durch den kühnen Formwillen der beiden Architekten. Um mehr Fläche im Gebäude zu gewinnen, wurden alle Funktionselemente des Gebäudes sichtbar nach außen verlegt und farblich sogar noch akzentuiert.

Was von Architekten davor bei Monstergebäuden dieser Art sorgsam verborgen wurde, das stellen Piano und Rogers deutlich zur Schau.

Mit dem Gebäude war das Industriedesign in das historische Zentrum einer Stadt gezogen. Deutlicher als bei vielen anderen Gebäuden stand stets eines im Fordergrund: die Funktion, nicht die ästhetische Gestaltung. Die Menschen haben dieses Prinzip zumindest beim Centre angenommen.

02. Februar 2002ORF.at

Via Farben durch Röhren und Lifte

Eine Kulturmaschine mit täglich mehr als 25.000 Besuchern aus aller Welt verlangt nach einem ausgeklügelten Orientierungssystem.

Eine Kulturmaschine mit täglich mehr als 25.000 Besuchern aus aller Welt verlangt nach einem ausgeklügelten Orientierungssystem.

Der Umbau des Centre Pompidou war nicht nur die Renovierung eines dahinrostenden Riesen. Genutzt wurde der Umbau tatsächlich zu Verbesserungen für das 1977 eröffnete Gebäude.

Rolltreppen im Inneren ergänzen nun die berühmten Rolltreppen-Röhren an der Außenhaut des Gebäudes. Damit gibt es einige Wege mehr. Orientierung, zumal für Besucher aus aller Welt, war die große Aufgabe.


Jeder Sprache ihre Farbe

Gelöst wurde sie durch ein neues Leitsystem des Schweizer Designers Ruedi Baur und seines „Atelier Integral“. Das System sollte für Besucher unterschiedlicher Kulturen „lesbar“ und rasch zugänglich sein.

Mehrsprachige Schilder führen die Besucher durch das Museum. Jeder Sprache wurde dabei eine eigene Farbe zugeordnet. Bei jedem Hinweisschild überlagern sich die Farben und damit die Sprachen. Die Besucher sollen intuitiv auf ihre Sprache schauen, die anderen Sprachen - und damit Farben - werden ausgeblendet.

Das System gibt Orientierung, ohne die Komplexität des Gebäudes zu verleugnen. Akzente durch gerichtetes Licht positionieren die Elemente des Leitsystems im Raum.

Baurs Credo bei der Schaffung seiner Orientierungssysteme ist der Verzicht auf Logos und ständig wiederholte Schilder. Die Menschen sollen auf einer sehr intuitiven Ebene angesprochen werden.


Das offene Museum

„Der Umgang mit dem Museum muss weiter demokratisiert werden“, hat der jüngst verstorbene Soziolge Pierre Bourdieu schon Ende der 70er Jahre gefordert und dabei auf die Bedeutung von Schrift und Beschriftungen in öffentlichen (Kultur-)Räumen hingewiesen.

Beschriftungen sollen, so die Forderungen Bourdieus, genau jenen Rechnung tragen, die zufällig im Museum gelandet sind. Man müsse stets bedenken, dass die Menschen noch nicht informiert sind, aber sehr stark danach verlangen, informiert zu werden.

Im Centre Pompidou versucht man diesem Bedürfnis auf eine sehr subtile Weise gerecht zu werden.

14. Januar 2000Roland Merk
TagesAnzeiger

Aufgefrischt, ausgebaut und umgemodelt

Zum Jahresanfang präsentiert sich das Centre Georges Pompidou in Paris nach umfangreicher Renovation in neuem Glanz.

Zum Jahresanfang präsentiert sich das Centre Georges Pompidou in Paris nach umfangreicher Renovation in neuem Glanz.

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09. Januar 2000Matthias Beermann
Kurier

Man trägt wieder Rüssel

(SUBTITLE) Centre Pompidou nach zweijähriger Renovierung wiedereröffnet: Ein Lokalaugenschein

Für die Wiedereröffnung des Pariser Kulturzentrums Georges Pompidou nach 27 Monaten Totalrenovierung kam nur ein Datum in Frage: Am 1. Jänner 2000 um Punkt elf Uhr öffnete die wegen ihrer wilden Röhrenoptik von den Parisern liebevoll als „la raffinerie“ bezeichnete Einrichtung wieder ihre Pforten.

Für die Wiedereröffnung des Pariser Kulturzentrums Georges Pompidou nach 27 Monaten Totalrenovierung kam nur ein Datum in Frage: Am 1. Jänner 2000 um Punkt elf Uhr öffnete die wegen ihrer wilden Röhrenoptik von den Parisern liebevoll als „la raffinerie“ bezeichnete Einrichtung wieder ihre Pforten.

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03. Januar 2000Olga Grimm-Weissert
Der Standard

Politur eines Kulturjuwels

Das „Beaubourg“, wie das Centre Georges Pompidou genannt wird, zeigt sich 2000 im neuen Glanz: Um eine Milliarde Schilling wurde der Kulturtanker flott gemacht.

Das „Beaubourg“, wie das Centre Georges Pompidou genannt wird, zeigt sich 2000 im neuen Glanz: Um eine Milliarde Schilling wurde der Kulturtanker flott gemacht.

Am 1. Jänner 2000 um elf Uhr öffnete das rundum neu strukturierte Centre Georges Pompidou wiederum seine Pforten. Architekt Renzo Piano, der das 1977 eröffnete Centre gemeinsam mit Richard Rogers entworfen hatte, übernahm auch die Konzeption der Umbauten, die 1152 Milliarden Schilling kosteten und zwei Jahre dauerten, während derer das Centre seinen Betrieb teilweise aufrecht erhielt. Erst seit Sommer blieb das pluridisziplinäre Zentrum geschlossen.

Seine Wiedereröffnung am 1.1.2000 hatte Symbolwirkung für die Zukunftsorientierung im Sinne des „Beaubourg-Effektes“, wie Philosoph Jean Baudrillard den Erfolg des Centre einmal nannte. Das Centre Pompidou, nach der Straße an seiner Rückseite auch „Beaubourg“ genannt, erlangte weltweit Modellcharakter. Die Koexistenz des modernen Museums, des Centre de Création Industrielle, der zeitgenössischen Musik im IRCAM (Institut de Recherche et de Coordination Accoustique-Musique), einer Bibliothek mit freiem Zugang, die auch am Sonntag geöffnet ist, von Sälen für Tanz, Theater, Film oder Kolloquien ist eine Erfolgsformel.

Da aber statt der täglich erwarteten 5000 Zuschauer im Schnitt 25.000 das Pompidou besuchten, machten Abnützungserscheinungen Bauarbeiten erforderlich. Man benützte diese zu einer klareren Strukturierung der sechs Stockwerke.

Die Büros, ursprünglich nicht in den Räumen des Centre vorgesehen, wurden ausgegliedert, was sowohl der Bibliothek, die nun über zwei Stockwerke verteilt ist, wie auch dem Museum zugute kommt, das über zwei Stockwerke verfügt. Das Forum im Erdgeschoß, früher ein schwierig zu nützendes Loch, gewährt nun einen übersichtlichen Eingang. Die famose Rolltreppe an der Fassade, die einen herrlichen Blick auf Paris ermöglicht, ist nicht mehr kostenlos zu benützen, was die Touristen sicher ärgern wird. Auch die Öffnungszeiten wurden geändert: Man kann bereits ab elf Uhr, dafür aber nur noch bis 21 Uhr im „Beaubourg“ Kultur tanken.

Den Bühnenkünsten, die zuletzt unter akutem Budgetmangel litten und dementsprechend nicht mehr kreativ dem Zeitgeist Paroli boten, wird mit der neuen Beaubourg-Formel mehr Platz eingeräumt, budgetär wie räumlich. Werner Spies, seit zwei Jahren Direktor des, wie er meint, „virtuellen Museums“, da es seit seinem Amtsantritt nur auf Sparflamme mit kleinen Ausstellungen funktionierte, ist sehr zufrieden mit seinen neuen Räumen und der „offenen Hängung“ der Werke. Er konfrontierte z. B. Bacon mit Giacometti, was er den „Dialog“ zwischen zwei Jahrhundert-Künstlern nennt.

Als Verantwortlicher des Werkverzeichnisses von Max Ernst räumte der deutsche Kunsthistoriker und Ex-FAZ-Redakteur Ernst einen privilegierten Platz ein. Pikanterweise haben die französischen Gewerkschaften gleich für den Eröffnungstag einen Streik angesagt: Das Aufsichtspersonal des Centre ist mit seinen Arbeitszeiten nicht zufrieden und fühlt sich von den jeweiligen Direktoren missachtet, „die die Leitung von Beaubourg nur als Trittbrett für eine lukrativere Karriereleiter benützen, ohne sich um die Kontinuität zu scheren“.

Die erste große Ausstellung, Le temps, vite (Die Zeit, schnell), wird am 13. Jänner eröffnet und die Probe aufs Exempel werden, ob der derzeitige Präsident des Centre, Jean-Jacques Aillagon, der mehr Einfluss auf die Programmierung hat als seine Vorgänger, mit den Marksteine setzenden Ausstellungen der 80er Schritt halten kann.

03. Januar 2000Marc Zitzmann
Neue Zürcher Zeitung

Neugeburt einer Utopie

(SUBTITLE) Das Pariser Centre Pompidou wiedereröffnet

Nach einer 27monatigen Totalrenovation, die sowohl die Form als auch den Inhalt betraf, zeigt sich das Centre Pompidou, die meistbesuchte Kulturinstitution der Welt, seit dem ersten Januar nicht nur in neuem Glanz, sondern auch benutzerfreundlicher als bis anhin. Insbesondere die Bibliothek und das Museum für moderne Kunst weisen ein überaus ansprechendes Profil auf.

Nach einer 27monatigen Totalrenovation, die sowohl die Form als auch den Inhalt betraf, zeigt sich das Centre Pompidou, die meistbesuchte Kulturinstitution der Welt, seit dem ersten Januar nicht nur in neuem Glanz, sondern auch benutzerfreundlicher als bis anhin. Insbesondere die Bibliothek und das Museum für moderne Kunst weisen ein überaus ansprechendes Profil auf.

Das Pariser Centre Pompidou ist eine Ikone. Die Ikone einer Utopie. In architektonischer Hinsicht ist das 1977 fertiggestellte Bauwerk von Renzo Piano und Richard Rogers ein Kind der sechziger Jahre, von einer Jury ausgezeichnet, der Jean Prouvé vorsass und der u. a. Philip Johnson und Oscar Niemeyer angehörten, von Archigram und dem Fun-Palace-Projekt von Cedric Price (1961) beeinflusst, von den Ingenieuren Ted Happold und Peter Rice mitgefertigt. Obwohl als ein Wahrzeichen des High-Tech-Zeitalters angesehen, war das Zentrum eigentlich als eine «Parodie der Technologie» gedacht, als ein «grosses Stück Kunsthandwerk», bis zu den Nägeln «handgemacht» (Renzo Piano): ein Prototyp. Als «giant Meccano» bzw. als eine Kombination von British Museum und Times Square konzipiert, als «monstrueux supermarché» oder als «Notre- Dame des tubes» anfangs heftig kritisiert, ist es mittlerweile zu einer Ikone im Pariser Stadtbild geworden, deren photographische Verewigung auf keiner Touristentour fehlen darf.


In die Jahre gekommene Ikone

Inhaltlich bot das Centre Pompidou das Paradoxon, dass es, als eine Schöpfung des (eher rigiden neogaullistischen) Zentralstaats - und als solche das mittelbare Vorbild der späteren «grands travaux» -, zur institutionellen Verkörperung von 68er Ideen wie «Pluridisziplinarität» und «Flexibilität» wurde. In der Kulturlandschaft der siebziger Jahre, in die André Malraux' Maisons de la culture wie «Kathedralen des XX. Jahrhunderts» hineinragten, wurde das Zentrum mit dem Musée national d'art moderne (Mnam), der populären Bibliothèque publique d'information (Bpi), dem von Pierre Boulez gegründeten, (damals) elitär- avantgardistischen Forschungsinstitut Ircam und einer Vielzahl von Veranstaltungen als eine wichtige Öffnung in Richtung der zeitgenössischen Kunst rezipiert: eine «bouffée d'air frais».

Doch fiel es dem Centre Pompidou - wie allen Utopien - schwer, älter zu werden. Vor zehn Jahren kam es zu einer regelrechten Krise. Die buntgemischte «university of the streets», von der Piano und Rogers geträumt hatten, konkretisierte sich in Touristenmassen, die, ohne einen Blick ins Museum zu werfen, auf die Dachterrasse drängten, um gratis das atemberaubende Panorama zu geniessen. Rost und Regen setzten dem Gebäude zusätzlich zu: «Die Schlampigkeit und Lieblosigkeit, mit der die Unsrigen schöne Dinge behandeln, ist so gross, dass diese, kaum entstanden, schon vernachlässigt werden» - Poussins Satz von 1643 gilt auch heute noch in Frankreich. Im Eingangsbereich dösten Clochards, auf der Piazza sah man neben Feuerschluckern auch Dealer. Wegen des Fehlens moderner Universitätsbibliotheken in Paris bildeten sich vor der Bpi Schlangen von Studenten, die zuletzt etwa 85 Prozent der Besucher ausmachten und andere Benutzer entmutigten. Mangelnde Koordinierung führte zu internen Streitereien. Das ganze Viertel mutierte zum Eldorado für einen Ramsch-Tourismus, mit dem sich kein Pariser identifizieren mag. Das Personal jammerte über schlechte Arbeitsbedingungen und fehlende Berufsperspektiven, die Sicherheits- und Säuberungsmannschaften streikten, etliche Konservatoren verliessen das Museum. Mit rund 25 000 Besuchern pro Tag (fünfmal mehr als erwartet) war das meistbesuchte Kulturzentrum der Welt überlastet: Seit 1977 haben fast 150 Millionen Paar Füsse seine Schwelle überschritten.

Endlich wurde das Centre Pompidou im Oktober 1997 für die überfälligen Umbau- und Renovationsarbeiten geschlossen. Diese haben 27 Monate gedauert und 576 Millionen Francs gekostet; dazu kommen weitere 150 Millionen für die Neugestaltung der Umgebung (darunter Pianos Neubau des Ateliers Brancusi; NZZ 11. 2. 97) und 160 Millionen für die technische Modernisierung des Gebäudes. Während das Äussere lediglich einem Facelifting unterzogen wurde, hat sich im Innern viel verändert. Der in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegenen Nachfrage nach Qualität in puncto Service wird Rechnung getragen mit neuen Tarifen und einer dem Schweizer Ruedi Baur anvertrauten Beschilderung, mit Cafés, Buchläden, Boutiquen und einem grossen, von Dominique Jakob und Brendan MacFarlane gestalteten Panorama-Restaurant. Durch die Auslagerung aller Büros konnten 8000 Quadratmeter (bei einer Gesamtfläche von 70 000) gewonnen werden; die sechs «Niveaus» genannten Stockwerke sind jetzt ganz der Kultur gewidmet.


Vom Buch zum Bild

Den unteren Teil des Zentrums hat Piano neu gestaltet. Der Haupteingang ist besser sichtbar gemacht, das Riesenloch im Forum stark verkleinert, der Empfangs- und Dienstleistungscharakter des Bereichs akzentuiert worden. Zu der auf 1600 Quadratmeter vergrösserten südlichen Ausstellungsgalerie und dem bereits existierenden Kinosaal sind im Untergeschoss vier Säle für Film, Tanz, Theater, Musik, Debatten usw. mit insgesamt 900 Plätzen dazugekommen. Das Département du développement culturel, einer der vier Grundpfeiler des Hauses, verfügt so über neue Mittel, die Präsenz der «spectacles vivants» zu verstärken. Mit dem grössten und wichtigsten Teil der Neugestaltung, dem Umbau der Bpi, des Mnam und der drei Galerien für zeitweilige Ausstellungen auf dem sechsten Niveau, ist Jean- François Bodin betraut worden. An zahlreichen Museen geschult (darunter dem Musée d'Art moderne de la Ville de Paris), hat der Architekt ganze - das heisst sensible, unaufdringliche und zweckdienliche - Arbeit geleistet.

Die neue Bpi gehört zu jenen seltenen Volksbibliotheken, die einem auf Anhieb Lust zum Lesen geben. Neu ist der Zugang über eine Rolltreppe im Innern, die - zu Pianos Leidwesen - der berühmten roten «chenille» der Piazza-Front Konkurrenz macht, aber helfen sollte, die vormals zum Teil unzumutbar lange Wartezeit zu verkürzen. Distinguiert, aber nicht fad sind der zwetschgenfarbene Teppichboden, die hellgrauen Möbel und die blaue Decke. Die Regale sind zur riesigen, über zwei Seiten sich erstreckenden Fensterfront hin niedrig gehalten, so dass der frühere Eindruck der Beengung einem Gefühl der Öffnung auf die Aussenwelt gewichen ist. Trotz ihrer Ausdehnung über drei mittlere Niveaus wirkt die Bibliothek übersichtlich. Die Lesetische für 2000 Personen verfügen über eigene Lampen und Stecker; mehr als 350 000 (überwiegend nichtspezialisierte und im weitesten Sinn aktuelle) Bücher, 450 Pressepublikationen aus der ganzen Welt und 370 Bildschirme sind frei zugänglich, Katalog und Informationen auch online abrufbar (www.bpi.fr).

Doch das Kern- und Glanzstück des Centre Pompidou ist das Museum. Fast um die Hälfte vergrössert, verfügt das neue Mnam über eine Fläche von 14 000 Quadratmetern. Die Zahl der Exponate ist von 800 auf 1400 gestiegen (wobei die riesige Reserve - über 42 000 Objekte - immer wieder Anlass zu Spekulationen über das Werden der Sammlung gibt). Nachdem schon 1985 die flexible Raumstruktur durch Gae Aulenti verfestigt worden war, hat jetzt Bodin das vierte und fünfte Niveau durch einen, wie er sagt, «quasi urbanistischen» Eingriff in jeweils «zwei Raumblöcke beidseits einer zentralen Strasse» aufgeteilt, alles in Weiss. Von der ursprünglichen Idee einer riesigen modulierbaren Fläche ist man ganz abgerückt; ob das wirklich (nur) das Resultat jener «furie patrimoniale» ist, welche Jean Lauxerois in seiner kritischen Bilanz «L'Utopie Beaubourg, vingt ans après» dem Zentrum ankreidet, bleibe dahingestellt. Dass, wie der Direktor des Mnam, Werner Spies, es formuliert, ein Museum nicht in einer Mehrzweckhalle untergebracht werden kann, leuchtet ein. Dass Spies' eigene Disposition der permanenten Ausstellung gar eine «Neugeburt» des «neben dem New Yorker Museum of Modern Art wichtigsten Museums für Kunst des 20. Jahrhunderts» bedeute, müsste eingehender erörtert werden, als es hier möglich ist.

Mit einem Rundgang, der, 1960 beginnend, erst in seiner zweiten Hälfte die Klassiker der Moderne zeigt, mit sieben grossen Sälen für Architektur und Design, mit erhellenden Konfrontationen (z. B. zwischen kubistischen Gemälden und afrikanischen Skulpturen) und «Leckerbissen» wie der Rekonstruktion eines Teils des Ateliers von André Breton findet aber eine Zäsur in der Geschichte dieses Museums statt. Ob auch in der Museumsgeschichte ganz allgemein, wird sich zeigen.


[ Die Homepage des Zentrums (www.centrepompidou.fr) ist stark erweitert worden. Der neue zweisprachige Katalog (französisch/englisch) des Mnam hat 880 Seiten und kostet 260 Francs. Die Bpi wird erst am 26. Januar eröffnet. ]

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