Pläne

Details

Adresse
Siemensstraße 15, 4400 Steyr, Österreich
Mitarbeit Architektur
Dietmar Moser (PL), Wolfgang Jelinek, Andreas Sturmberger, Andreas Heidl
Bauherrschaft
Röm.Kath. Pfarrexpositur St. Franziskus
Landschaftsarchitektur
Cordula Loidl-Reisch
Kunst am Bau
Keith Sonnier
Weitere Konsulent:innen
Bauphysik / Akustik: Wolfgang Hebenstreit, Gutenstein
Haustechnik: Rudolf Schobesberger, Gampern
Maßnahme
Neubau
Funktion
Sakralbauten
Planung
1995
Ausführung
2000 - 2001

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Presseschau

04. April 2003Margit Ulama
Neue Zürcher Zeitung

Die Aura des Lichtes

(SUBTITLE) Ein Kirchenneubau im oberösterreichischen Steyr

Im oberösterreichischen Steyr gelang dem Architektenteam Riepl Riepl eine aussergewöhnliche Interpretation eines Sakralbaus. Der auf den ersten Blick etwas rau wirkende, leicht grün eingefärbte Betonbau lebt in der Dämmerung auf, wenn ihm das mit moderner Urbanität assoziierte bunte Neonlicht eine ganz neue Dimension verleiht.

Im oberösterreichischen Steyr gelang dem Architektenteam Riepl Riepl eine aussergewöhnliche Interpretation eines Sakralbaus. Der auf den ersten Blick etwas rau wirkende, leicht grün eingefärbte Betonbau lebt in der Dämmerung auf, wenn ihm das mit moderner Urbanität assoziierte bunte Neonlicht eine ganz neue Dimension verleiht.

In unserer zunehmend säkularen Welt werden religiöse Bedürfnisse oft an den Rand gedrängt oder in sogenannte Patchwork-Religionen übergeführt. Die Auflösung von Traditionen hat längst auch den christlichen Glauben und dessen Architektur erfasst. Ungewöhnliche, grenzüberschreitende Kirchenbauten sind die Folge. In Oberösterreich entstanden in den späten fünfziger Jahren zwei eindrückliche Beispiele, die sich völlig konträr verhalten: die Pfarrkirche zur hl. Theresie von Rudolf Schwarz in Linz und das von der Arbeitsgruppe 4 zusammen mit Johann Georg Gsteu im nicht weit entfernten Steyr errichtete Seelsorgezentrum Ennsleiten. Ein gewissermassen «armes» Erscheinungsbild verbindet diese Bauten, die doch die weite Spanne möglicher Interpretationen des Themas aufzeigen. So bilden für Schwarz Mystik, Katholizismus und Gestalttheorie die Grundlagen. Seine Theresienkirche erhebt sich über einem ovalen Grundriss und ist geometrisch konzipiert, gleichwohl semantisch aufgeladen. Vier Dezennien später wird in Steyr- Resthof ein neuer Weg beschritten. Nun manifestieren sich Besinnung und Kontemplation in einem übergeordneten, allgemeinen Sinn. Doch auch diese Kirche ist in ihrer Erscheinung spröde, gleichsam arm, und setzt so die verbindende Tradition der beiden früheren Bauten fort.

Bei genauer Betrachtung ordnet sich die im Vorjahr von Gabriele und Peter Riepl fertig gestellte Pfarrkirche St. Franziskus in jene Tendenz der aktuellen Architekturentwicklung ein, die den einfachen, kubischen Baukörper zunehmend differenziert. Der Kirche liegt zwar eine quadratische Grundform zugrunde, doch im Aufriss findet man keinen einheitlichen Quader, sondern eine Reihe von Volumina, die sich über Abstufungen und Rücksprünge zu einem komplexen Ganzen fügen und an einer Stelle in ein flächiges, geknicktes Element auslaufen. Diese Differenzierung resultiert aus einer ausgeklügelten Grundrisskomposition mit klar definierten, dennoch offenen Räumen. Man kann von Raumsequenzen sprechen, bei denen einzelne überlappende Elemente die Verschränkung betonen. Dem Grundriss fehlt auf den ersten Blick jegliche Hierarchie. Diese entsteht allein auf Grund der Raumgrössen und -höhen. Wenn man die Kirche an der Westseite betritt, so liegt am Ende der Wegachse der dunkle, eher unauffällige Taufstein. Knapp davor knickt der Weg ab, trennt und verbindet verschiedene Räume: den einfachen Hauptraum links und das Atrium mit seinem japanisch anmutenden Gärtchen rechts, die Werktagskapelle, den Taufbereich und das Wasserbecken.

Der Bau ist als Kirchenbau in vielfacher Hinsicht ungewöhnlich. In seiner Abstraktion schafft er eine neue Symbolik, sogar der Glockenturm wurde durch einen schmalen Glaskubus ersetzt, der die durchgehende Horizontalität konterkariert. Auch das dialektische Spiel von Geschlossenheit und Öffnung zur Umgebung ist durchaus unüblich. Die Architekten wollten «Spannungsfelder entwickeln» und die Hermetik mit «forcierter Offenheit konfrontieren». So blickt man beim Eingang durch eine profillose Glaswand in die Vorhalle und weiter durch eine zweite gläserne Trennung ins Atrium und bis zum Taufbereich. Beim diagonal gegenüberliegenden Wasserbecken ist diese Immaterialität der Wand noch grosszügiger. Von aussen sieht man unmittelbar in den Kirchenraum, ist dabei jedoch durch die Wiese auf Distanz gehalten. Die Simultaneität verschiedener räumlicher Zonen ist bereits hier offensichtlich und findet im Inneren ihre logische Fortsetzung. In der Wochentagskapelle bemerkt man folglich nicht nur die seitliche Raumweitung nach oben in den Glaskubus, man blickt zudem über den Taufstein auf das Wasserbecken und die Siedlung im Hintergrund beziehungsweise - jetzt in diagonaler Richtung - zum niederen Weg und zum hohen Hauptraum dahinter.

Ihre wirkliche Vollendung erfährt diese Raumkomposition aber in der Dämmerung mit der Beleuchtung. Wochentagskapelle, Taufkapelle und Hauptraum werden dann in zartes rötliches, bläuliches beziehungsweise gelbliches Licht getaucht. Dies betont jeden einzelnen Bereich innerhalb des Kontinuums und schafft zudem eine besondere Stimmung. Man möchte von einer auratischen Atmosphäre sprechen. Das Licht modelliert die Architektur und hebt Details hervor. So läuft entlang der zweiseitigen Verglasung zum Atrium eine schmale, frei schwebende Platte als informelle Sitzgelegenheit mit einer effektvollen indirekten Beleuchtung an der Unterseite. Das baldachinartige Vordach wird von unten kräftig bestrahlt, und das Innere präsentiert sich an dieser Stelle als komponiertes Bild, bei dem weit hinten, fast entrückt, die Taufkapelle bläulich schimmert. Nahtlos gehen die Architektur und ihre künstlerische Ausgestaltung, zu der man Keith Sonnier einlud, ineinander über. Seine Neonskulpturen bilden den visuellen Höhepunkt.

Sonnier, der dem Postminimalismus zugeordnet wird, entschied sich dafür, seine Arbeiten über dem Taufstein und im erhöhten Glaskubus zu placieren. Im ersten Fall verwendete er zartblau leuchtende, am Ende geknickte Stäbe, die an der Decke zu schweben scheinen. Für den Glaskubus konzipierte er ein kleines Feuerwerk. Etliche bunte Schleifen wirbeln hier durcheinander, wobei ein rötlicher Ton dominiert. So entsteht an dieser Stelle eine betont heitere Stimmung. Ähnliche Schleifen verwendete Sonnier in seiner «Tears»-Serie. Tatsächlich verbindet er selbst mit dem Neonlicht eine religiöse Erfahrung: Als er in seiner Jugend im Süden der USA nachts übers Land fuhr, tauchten im dichten Nebel Wellen von Licht auf, die sich auf und ab bewegten und von einem Klub in der Ferne stammten.

Die Lichtinszenierung lässt einzelne vielleicht weniger gelungene architektonische Details vergessen. Am Ende ist ein vielschichtiges Werk hinsichtlich räumlicher Konzeption, des Zusammenwirkens von Architektur und Kunst, der Interpretation der Funktion und der feinen Symbolik entstanden. Der Hauptraum ist als liturgischer Ort zurückhaltend formuliert, nämlich als einfache Raumschachtel mit heller Birkenholzauskleidung und dreiseitiger Bestuhlung. Die Betonung der Quer- im Vergleich zur Längsachse soll die Idee der Gemeinschaft hervorheben. Insgesamt realisierte man mittels des offenen Raumkonzeptes eine polyzentrische liturgische Idee. In einem Quartier mit einer starken muslimischen Gemeinde und zahlreichen Bewohnern ohne Glaubensbekenntnis ist der Bau als katholische Kirche bewusst zurückgenommen. Erfreulich ist die Akzeptanz des nach gängigen Kriterien ungewöhnlichen Bauwerks. Diesem Faktum liegt ein intensiver Entstehungs- und Diskussionsprozess zugrunde. Mitte der neunziger Jahre wurde auf Initiative des Pfarrers und der Diözese ein Wettbewerb ausgeschrieben, doch auch dieser Schritt musste erst vorbereitet werden; Studentenprojekte hatten den Blick für mögliche architektonische Lösungen geöffnet.

22. Dezember 2001Walter Zschokke
Spectrum

Die Lichtskulptur in der Vitrine

Sakralität, Besinnlichkeit, ja Geborgenheit erwartet man von einem Kirchenbauwerk unserer Tage. Wie das auch mit Sichtbeton und Glas zu schaffen ist, führen die Linzer Architekten Gabriale und Peter Riepl in Steyr-Resthof vor.

Sakralität, Besinnlichkeit, ja Geborgenheit erwartet man von einem Kirchenbauwerk unserer Tage. Wie das auch mit Sichtbeton und Glas zu schaffen ist, führen die Linzer Architekten Gabriale und Peter Riepl in Steyr-Resthof vor.

Steyr-Resthof ist ein gut zwei Dutzend Jahre alter Stadtteil im Nordosten von Steyr, der den Behörden trotz seiner 6000 Einwohner bisher keinen Wegweiser wert war. Die wenig ansprechenden, sechs- bis achtgeschoßigen Wohnbauten erhalten zur Zeit eine aufhellende Fassadenrenovation. Nachdem schon früher ein Pfarrhof mit Räumen für die Gemeinde im sogenannten Quartierzentrum - ziemlich viele Parkplätze und zwei Geschäfte - errichtet worden war, konnte nun auch die Kirche gebaut werden. Das Projekt wurde über einen Architekturwettbewerb ermittelt, den das Linzer Architektenpaar Gabriele und Peter Riepl für sich entscheiden konnte.

Ein großes Grundriß-Quadrat bildet den Rahmen, in den Räume und Raumzonen verschiedener Höhenentwicklung eingeschrieben sind. Manche sind ganz flach, wie die östlich vorgelagerte Wasserfläche, andere ragen in die Höhe, wie die turmartige Vitrine an der Südostecke. Langgezogene, großflächig verglaste Öffnungen sind in den glatten Sichtbeton geschnitten, wobei die Proportionen von Öffnung zu Mauer solcherart gewählt wurden, daß einladendes und bergendes Moment sich die Waage halten. An der Westseite, wo der Hauptzugang liegt, verstärkt ein Portikus, dessen Dachscheibe auf einer Reihe von sieben schlanken Rundstützen zu schweben scheint, die einladende Wirkung der dahinter liegenden, breiten Glaswand.

Aber auch von Osten führt ein Weg zur Kirche hin, eine breite Glaswand bietet Einblick, doch die Wasserfläche gebietet Abstand. Der Weg führt tangential am Nebenzugang vorbei und erreicht den Portikus von der Rückseite her. Damit ist das Gebäude ohne bestimmte Ausrichtung eingebunden in den Siedlungsverband, öffnet sich mit Bedacht nach allen Seiten in einer adäquaten Weise und bietet im Süden, zur vorbeiführenden Straße, eine der Aufgabe angemessene Aussicht von zurückhaltender Monumentalität. Dies wird erreicht, indem die Fenster vor Sakristei und Ministrantenraum zu einem einzigen Fensterband zusammengefaßt sind, das somit als einzige Öffnung in der Sichtbeton-Mauer Kraft gewinnt und jene damit noch stärkt.

Natürlich bildet der hochgestellte Glasquader, der in die Südostecke eingesetzt ist, das dominierende Element dieser Ansichtsseite, aber er ist kein eigentlicher Turm - dafür müßte er aus dem Boden aufsteigen. In die Mauer eingesetzt, mutiert er zur übergroßen Vitrine, zum Lichtfänger nach innen, zum Behältnis für eine außerordentlich geglückte, farbige Licht-skulptur von Keith Sonnier, die in der Photographie bloß unzureichend wiedergegeben wird. Jetzt, zur Winterszeit, kommt sie beim frühen Einnachten ausgezeichnet zur Geltung. Sonnier erweckt die große Glasvitrine zu bunt sprühendem Leben. Als wären es langsam verglimmende Spuren fliegender Leuchtkörper, verleihen diese räumlichen Schreibschwünge dem Gebilde aus Profilen und Scheiben Körperlichkeit und füllen den Raum mit Licht.

Insgesamt weist das Äußere des Bauwerks eine gespannte Ausgewogenheit von geschlossen und offen auf, die nicht abweisend ist, sondern zum Betreten einlädt, aber zugleich den Gläubigen die Gewißheit vermittelt, daß sie innen in ihrer Andacht auch abgeschirmt sind.

Der hohe Portikus sammelt die Kirchgänger, bietet auch für den Schwatz nach dem Gottesdienst Schutz vor Regen und harten Sonnenstrahlen. Nach dem Eintreten gelangt der Besucher in eine Vorhalle, deren Decke recht niedrig liegt, aber dennoch nicht bedrückt, weil die Außenwand zum Portikus komplett aus Glas besteht und an der Innenseite ein ins Gebäude eingeschnittener Gartenhof anschließt, dessen Erde bis zur Höhe der begleitenden Sitzbank reicht. Die sparsame Gestaltung von Cordula Loidl-Reisch mit einem Bäumchen und niedrigen Stauden vermittelt in besinnlicher Weise etwas von der Außenwelt ins Innere; dieser Tage beispielsweise den Zauber einer unberührten Schneedecke auf den Pflanzen.

An diesem Außenraum im Innenraum vorbei zielt der Zugang nun in langer Achse auf den Taufstein, über dem die Decke angehoben ist, sodaß die Raumzone über ihre Definition als Abschluß des Ganges hinaus noch in anderer Weise ausgezeichnet wird. Zu beiden Seiten der niedrig gehaltenen Zugangsachse liegen nun die beiden eigentlichen Sakralräume: zur Linken die große, querrechteckige Hauptkirche und zur Rechten, hinter dem Gartenhof, die Kapelle, deren eine Flanke vom markanten Glasturm her Licht erhält. Auch sie ist höher gehalten als der Zugang, sodaß sie ihren eigenen Raumcharakter wahrt.

Der Kirchensaal ist zugleich der höchste Raum der ganzen Anlage. Von der Form eines einfachen Quaders, wird er an zwei Seiten vom Zugang umfangen, sodaß der Raum dort seitlich etwas wegfließt. Das wird vom durchgehenden Boden aus bruchrohem Schiefer noch gefördert. Aber die scharfe und niedrige Begrenzung durch die Decke bildet eine ausreichende Zäsur. Unterstützt wird diese abgrenzende Wirkung von einem einzelnen kubischen Element, das zwischen Gang und Kirchenraum steht, gleichsam die Ecke befestigt und als stark definierter Raum die Marienstatue beherbergt.

An den anderen beiden Seiten des Kirchensaals verläuft in Kniehöhe ein durchgehendes Fensterband, sodaß die Mauern nicht direkt auf dem Boden aufsitzen. Obwohl weder viel Ausblick noch Einblick möglich ist, wird mit dieser Maßnahme ein weiteres Mal die Betonmauer relativiert. Der Kirchenraum selbst erscheint wie eine große, umgestülpte Schachtel, die aber eben nicht auf dem Boden aufliegt, sondern leicht abgehoben ist.

Zusätzlich zu den genannten Öffnungen zieht sich noch ein Lichtspalt in der Decke über der Altarwand entlang, der die Sonnenstrahlen von morgens bis abends auf die vertikale Fläche fallen läßt. Das Innere der Mauern ist nun nicht mehr sichtbarer Beton, sondern wurde mit Birkensperrholz großplattig verkleidet. Der warme Gelbton erzeugt eine Raumstimmung, die durchaus meditativ, aber nicht beengend ist.

Die Reduktion der Materialwirkung auf große Oberflächen und eine Detaillierung, die nicht die Art und Weise, „wie es gemacht ist“, betont, bringt vor allem die Vielfalt räumlicher Konstellationen und Übergänge zur Geltung, die, verstärkt von der Lichtführung, die architektonische Reichhaltigkeit der dem heiligen Franziskus geweihten Kirche ausmachen. Resthof hat damit ein Sakralbauwerk von mehr als überdurchschnittlicher Qualität erhalten, das die Sünden des Bauwirtschaftsfunktionalismus, Form geworden in den umgebenden Wohnblöcken, deutlich werden läßt, allerdings auch ein wenig kompensiert.

9 | 8 | 7 | 5 | 6 | 4 | 3 | 2 | 1