Pläne

Details

Adresse
Schulstraße 12, 4101 Feldkirchen an der Donau, Österreich
Mitarbeit Architektur
Martina Ziesel (Projektleitung), Bianca Mann, Constanze Menke, Martin Ornetzeder, Stefanie Schwertassek, Heike Weichselbaumer
Kunst am Bau
Herman Staudinger
Fotografie
Hertha Hurnaus
Weitere Konsulent:innen
Haustechnik: Thermo Projekt GmbH
Elektrotechnik: tgaplan Gebäudetechnik GmbH
Küchenplanung: Fritsch Ingenieurbüro
Ausschreibung: Günter Bösch
Funktion
Bildung
Planung
2006
Ausführung
2009 - 2014
Eröffnung
2014
Bruttogeschossfläche
5.491 m²

Preise und Auszeichnungen

Publikationen

Archbau

Genereller introtext zu Archbau der von nextroom geschrieben wird.

Presseschau

03. Dezember 2016Wojciech Czaja
Der Standard

Schule macht Schule

Das Schul- und Kulturzentrum in Feldkirchen an der Donau wurde kürzlich mit dem Österreichischen Bauherrenpreis ausgezeichnet. Das liegt zum einen an der Architektur von fasch & fuchs, zum anderen am ungewöhnlichen pädagogischen Ansatz.

Das Schul- und Kulturzentrum in Feldkirchen an der Donau wurde kürzlich mit dem Österreichischen Bauherrenpreis ausgezeichnet. Das liegt zum einen an der Architektur von fasch & fuchs, zum anderen am ungewöhnlichen pädagogischen Ansatz.

Lasst euch die Kindheit nicht austreiben! Schaut, die meisten Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut. Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Ihr Leben kommt ihnen vor wie eine Dauerwurst, die sie allmählich aufessen, und was gegessen worden ist, existiert nicht mehr.

Diese Ansprache zum Schulbeginn stammt aus dem Jahre 1968. Erich Kästners Worte haben bis heute nichts an Aktualität eingebüßt. Kaum hat man das Schulhaus betreten, entdeckt man in der Aula Textfragmente daraus in Form von silberfarben applizierten Buchstaben auf der Empore im ersten und zweiten Stock. Die Kunst-am-Bau-Arbeit stammt vom Wiener Künstler Hermann Staudinger.

Der Lehrer ist kein Schulwebel und kein lieber Gott. Er weiß nicht alles, und er kann nicht alles wissen. „Aber wir haben viel gelernt“, sagt Brigitte Rechberger, Direktorin des neuen Schul- und Kulturzentrums im oberösterreichischen Feldkirchen. „Die Bauphase und das Gebäude, in dem wir nun arbeiten, haben uns so geprägt, das ich mit Stolz sagen kann: Unsere Lehrer sind keine Einzelkämpfer wie in vielen anderen Schulen, sondern Teamplayer. Hier arbeitet jeder mit jedem. Das liegt nicht nur, aber auch an der außergewöhnlichen Architektur.“

Misstraut euren Schulbüchern!

Für genau diesen einzigartigen Ansatz wurde die Marktgemeinde Feldkirchen an der Donau, nur ein paar Steinwürfe von Linz entfernt, kürzlich mit dem Österreichischen Bauherrenpreis 2016 ausgezeichnet. Der Preis, der jährlich von der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs (ZV) vergeben wird, möchte genau jene Menschen vor den Vorhang holen, die die hohe Kunst guter Architektur überhaupt erst ermöglichen – die Auftraggeberinnen und Auftraggeber.

Misstraut gelegentlich euren Schulbüchern. Sie sind nicht auf dem Berge Sinai entstanden. Hinter dem Lernlabor für rund 400 Schülerinnen und Schüler verbirgt sich ein Hybrid aus Neubau und Sanierung aus der Feder des Wiener Architekturbüros fasch & fuchs. Während die alte Volksschule abgerissen und neu aufgebaut wurde, handelt es sich bei der Neuen Mittelschule um eine sehr schöne, gut funktionierende Hallenschule aus den Siebzigerjahren, die thermisch saniert und in den Neubau integriert wurde. Der angrenzende Turnsaal wurde generalsaniert und erweitert. Ein ganz neues Element ist die Musikschule mit angrenzendem Kulturzentrum.

„Der österreichische Schul- und Bildungsbau hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt“, sagt Hemma Fasch. „Es sind viele innovative Projekte entstanden. Oft ist es aber so, dass die architektonischen und pädagogischen Konzepte nicht ganz zusammenpassen, weil das eine dem anderen irgendwie hinterherhinkt, weil Architekt und Nutzerin nicht miteinander kommunizieren. Bei diesem Projekt jedoch war es anders. Wir haben miteinander gearbeitet, wir haben alle an einem Strang gezogen, und das sieht man dem Haus auch an.“

Seid nicht zu fleißig!

Seid nicht zu fleißig! Bei diesem Ratschlag müssen die Faulen weghören. Er gilt nur für die Fleißigen, aber für sie ist er sehr wichtig. „Das Schöne ist, dass wir uns gemeinsam mit der Schulleitung und den Lehrenden austoben konnten. Von Anfang an war ein Haus gefordert, das räumlich in der Lage ist, auf die Erfordernisse neuer pädagogischer Konzepte zu reagieren“, ergänzt Jakob Fuchs. „Damit werden alle Klischees von Schule hintangestellt.“

Wie eine rote Zunge klappt vom ersten Stock eine breite Treppe herab, die mit ihren gebeizten Sitzbohlen als Tribüne für Schulaufführungen und diverse Veranstaltungen genutzt werden kann. Die boomerangförmigen Lampen, die wie leuchtende Ufos im Raum zu schweben scheinen, lösen im Betrachter den kindlichen Reflex des Hingreifenwollens aus. Und die nackten Betonwände mit ihren rot und violett gepolsterten Lümmellandschaften erwecken den Eindruck, als sei man in einem Wissens- und Spaßlabor à la MIT und Apple-Campus – und nicht in einer öffentlichen Schule irgendwo in Oberösterreich.

Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch. Statt klassischer Schulklassen gibt es unterschiedliche, kombinierbare und auch voneinander abtrennbare Lernzonen, die sich um einen sogenannten Marktplatz gruppieren. Während die Lernbereiche mit mobilen, rollbaren Einzeltischen ausgestattet sind, bricht die Gestaltung des Marktplatzes mit allen schulischen Konventionen: Round Tables, Bullaugen im Boden, Computer-Terminals zum Stehen, Teeküchen mit ausklappbaren Tischchen, fahrbare Schrankmöbel mit abschließbaren Privatfächern und rundum Zugänge auf Terrasse und Balkon.

Manche von euch rutschen unruhig hin und her, als säßen sie auf Herdplatten. Andere hocken wie angeleimt auf ihren Plätzen. Einige kichern blöde, und der Rotkopf in der dritten Reihe starrt, Gänsehaut im Blick, auf die schwarze Wandtafel, als sähe er in eine sehr düstere Zukunft. Allein schon die Tatsache, dass sich hinter den schicken, weißen Designer-Hockern nichts anderes als auf den Kopf gestellte Kunststoffmistkübel vom Ikea verbergen, gibt einen Einblick in die unorthodoxe Genese dieses Projekts.

Lösung aus der Notlösung

Ungewöhnlich war auch die Bauphase. Ursprünglich wollte die Gemeinde für die Zeit der Sanierung Container ankaufen und den Schulbetrieb auslagern. Schließlich jedoch hatte man die glorreiche – und auch weitaus billigere – Idee, die Klassenzimmer auf den gesamten Immobilienleerstand im Ort zu verteilen. Fündig wurde man in diversen leer stehenden Geschäftslokalen, im Sitzungssaal der Gemeinde, in der Samariter-Rettungsdienststelle sowie im Pfarrhaus, direkt unter der Bedienstetenwohnung des Gemeindepfarrers.

Haltet das Katheder weder für einen Thron noch für eine Kanzel. „Es war eine lustige Zeit, in der wir viel improvisieren mussten“, erinnert sich Schuldirektorin Brigitte Rechberger. Die Zeit im Ausnahmezustand habe Lehrerinnen und Kinder zusammengeschweißt. „Im Rückblick kann ich sagen, dass aus der Notlösung die beste Lösung aller Zeiten geworden ist. Und sie beweist, dass Lehren und Lernen überall stattfinden kann.“

Eure Stunde X hat geschlagen. Der Unterricht in Elektrogeschäften und Pfarrsälen während der Bauphase zeigt bis heute Wirkung. Der Anteil klassischen Frontalunterrichts im Schul- und Kulturzentrum Feldkirchen beträgt nach Auskunft der Lehrerinnen und Lehrer aktuell nur noch zehn Prozent. Erst kürzlich wurde in der Volksschule und Neuen Mittelschule Feldkirchen die Pausenglocke abgeschafft.

Die einfachen Dinge sind schwer begreiflich zu machen. Sehr gut.

[ Vorschau: Am 13. Dezember wird im Wiener Ringturm die Ausstellung „Ausgezeichnete Lebensräume. Bauherrenpreis 2016“ eröffnet. Bis 27. Jänner 2017 ]

04. Oktober 2014Romana Ring
Spectrum

Wohnen in der Schule?

Bauen Sie schon oder diskutieren Sie noch? Im neuen Kultur- und Schulzentrum Feldkirchen an der Donau schaffen Freiluftklassen und Wintergärten ein heiteres Flair für lustvolles Lernen und Arbeiten.

Bauen Sie schon oder diskutieren Sie noch? Im neuen Kultur- und Schulzentrum Feldkirchen an der Donau schaffen Freiluftklassen und Wintergärten ein heiteres Flair für lustvolles Lernen und Arbeiten.

In Feldkirchen an der Donau ist kürzlich eine Geschichte zu Ende gegangen, die 2005 mit einem EU-offenen zweistufigen Architekturwettbewerb begonnen hat. Das Wiener Büro von Fasch & Fuchs hat diesen Wettbewerb für die Planung eines Schul- und Kulturzentrums gewonnen und in zwei Bauphasen realisiert. Insbesondere mit dem gestern feierlich eröffneten Schulgebäude ist ein Objekt entstanden, das der seit Langem schwelenden Debatte um Schule und Bildung in unserem Land so manche Spitze nehmen könnte: indem es lustvolles Lernen und Arbeiten räumlich sichtbar macht.

Die erste Bauphase galt der Erneuerung eines bestehenden Turnsaaltraktes, dem Probelokal der örtlichen Musikkapelle sowie dem Neubau einer Musikschule, die nun gemeinsam das Kulturzentrum bilden. Dieses liegt an einem großzügigen, durch das Verschwenken der Schulstraße nach Norden entstandenen Vorplatz, der allmählich bis zum Haupteingang im Obergeschoss des Kulturzentrums ansteigt. Die Musikschule hat, durch zwei begrünte Atriumhöfe auch in ihrer Mitte belichtet, unter diesem künstlichen Hügel Platz gefunden. Sie bildet gemeinsam mit dem auf der Eingangsebene gelegenen Musikheim und den im Süden anschließenden Turn- respektive Mehrzwecksälen eine vielfältig nutzbare Anlage, die den Ort Feldkirchen selbst ebenso bereichert wie die beiden in der zweiten Bauphase entstandenen Schulen.

Auch hier ist das Thema eines großen Ganzen, das dem Kleinen, individuell gestaltbaren, Raum zur Entfaltung bietet, als leitendes Motiv umgesetzt. Fasch & Fuchs haben die aus einem gut erhaltenen Bestand hervorgegangene Mittelschule und den Neubau der Volksschule in einem Haus zusammengefasst. Dieses folgt mit zwei Vorsprüngen, die aus der Geometrie der ehemaligen Hauptschule abgeleitet sind, etwa dem Verlauf der nach Norden verschwenkten Schulstraße. Der neu errichtete Trakt der Volksschule verfügt somit ebenfalls über einen großzügigen, von Bäumen beschatteten Vorplatz, der die Schulen mit einem angemessen repräsentativen, einladend wirkenden Außenraum im Gefüge des Ortes verankert.

Der Haupteingang der beiden Schulen liegt im Neubau. Durch den als Schmutzschleuse funktionierenden Windfang gelangt man nicht mehr, wie früher, in eine unwirtliche Zentralgarderobe. Vielmehr öffnet sich unmittelbar beim Eintritt eine luftige Halle über alle drei Geschosse und weiter durch ihr gläsernes Dach nach oben. Sie lädt mit einer in den ersten Stock ansteigenden Flucht von Sitzstufen ein, sich zunächst einmal niederzusetzen und vielleicht den Text zu entziffern, den der Künstler Hermann Staudinger in metallisch schimmernden Buchstaben auf die Brüstungen um den Luftraum geschrieben hat. Die Halle verbindet die beiden Schulen sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung. An ihren Rändern haben gemeinschaftlich nutzbare Zonen wie der Essbereich, die Schulbibliothek oder Räume für die Nachmittagsbetreuung Platz gefunden.

Der nach dem Abriss der desolaten Volksschule notwendig gewordene Neubau erstreckt sich westlich von Haupteingang und Halle. Im Erdgeschoß sind übergeordnete Nutzungen wie das Büro der Direktorin, der Aufenthaltsraum für das Personal, Werkräume und die Schulküche – im Schulzentrum Feldkirchen wird täglich frisch gekocht – untergebracht. Die beiden Obergeschosse sind den Klassenzimmern gewidmet, wobei diese Bezeichnung, am Gewohnten gemessen, hier nicht zutrifft. Vielmehr wird ein annähernd quadratischer Bereich an seinen Ecken von gläsern abgetrennten Räumen belegt, in denen die Schülerinnen und Schüler jeweils zweier Klassen zweier Jahrgänge ihre persönlichen Sachen, Sessel und Tische vorfinden.

Auch die Arbeitsplätze der Lehrenden, mit interaktiven Whiteboards auf der Höhe der Zeit ausgestattet, befinden sich in diesen Räumen. Dazwischen liegen wiederum gemeinschaftlich genutzte Zonen mit Teeküche, veränderbaren Schiebekästen und mobilen Sitzelementen. Ein eigener Arbeitsraum für die Lehrenden und die notwendigen Sanitär- und Nebenräume vervollständigen ein Raumangebot, das viel eher an eine große Wohnung als an eine Schule denken lässt. Eine Wohnung allerdings, wie sie wohl nicht jeder kennt: Das außen von einer feinen horizontalen Schalung umfangene Gebäude zeigt im Inneren ohne Scheu den Sichtbeton. Die Räume sind hell grundiert; kräftige Farbakzente erleichtern die Orientierung. Weiße Lamellen aus Dämmstoff hauchen einen zarten Rhythmus an die Decken, durch den kreisrunde Beleuchtungskörper und Lichtkuppeln fliegen.

Die heitere Stimmung im Haus ist nicht zuletzt dem starken Bezug zum Freiraum zu verdanken, den Fasch & Fuchs mit allen zu Gebote stehenden Mitteln hergestellt haben. In beide Längsseiten des Neubaues sind Loggien eingeschnitten, die mit Glaswänden zu Wintergärten verschlossen werden können. Breite beschattete Balkone über dem Haupteingang und zum Garten hin sowie geräumige, als Freiluftklassen nutzbare Loggien an der Stirnseite der Volksschule laden zum Aufenthalt im Freien ein. Die hier angeordnete Stiege erfüllt, wie ihr Pendant am gegenüberliegenden Ende des Schulzentrums nicht bloß ihre Funktion als Fluchtweg, sondern stellt auch eine gern genutzte Verbindung in den Garten dar.

Der östlich an die große Aula anschließende Trakt der ehemaligen, zur Mittelschule erhobenen Hauptschule wurde im Zuge der Bauarbeiten thermisch saniert. Seine von einem zentralen Stiegenhaus mit flankierendem Luftraum geprägte Grundstruktur blieb bestehen. Die vorgefundene Einteilung in Klassenräume wurde ebenfalls beibehalten, diese jedoch mit Glaselementen in ihren Eingangsbereichen stärker an die Erschließungszone angebunden. Denn das Schaffen neuer Wege und Beziehungen ist hier nicht nur im Großen, sondern auch in der Form vieler kleiner, mit erheblicher Detailgenauigkeit gestalteter Situationen präsent.

Es scheint, als hätten Fasch & Fuchs Erich Kästners Ansprache zum Schulbeginn – sie ist es, die die Brüstungen der Aula ziert – sehr ernst genommen. Das Kultur- und Schulzentrum Feldkirchen ist ein Haus ohne „abgesägte überflüssige“ Stufen, in dem man nach Herzenslust „treppauf und treppab“ gehen kann, wie in einem gelungenen Leben.

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