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15. Mai 2021Romana Ring
Spectrum

Linzer Hang zur Zeitreise

Fußläufig vom Stadtzentrum liegt der Campus der Hochschule der Diözese Linz mit dem erneuerten Studentenheim – Wiesen ringsum erinnern an die bäuerlich geprägte Vergangenheit des Stadtrandes. Heute würde man solche Flächen wohl nicht mehr umwidmen und versiegeln. Oder?

Fußläufig vom Stadtzentrum liegt der Campus der Hochschule der Diözese Linz mit dem erneuerten Studentenheim – Wiesen ringsum erinnern an die bäuerlich geprägte Vergangenheit des Stadtrandes. Heute würde man solche Flächen wohl nicht mehr umwidmen und versiegeln. Oder?

Ein Spaziergang über den Campus der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz führt von der Kapuzinerstraße abzweigend den Salesianumweg hinauf. Vorbei an dem 1970 bis 1975 nach den Plänen von Franz Riepl und Othmar Sackmauer errichteten Hauptgebäude gelangt man zu zwei schlichten Häusern aus den 1960er-Jahren, die ein zur Jahrhundertwende errichtetes, heute als Praxismittelschule genutztes Gebäude flankieren. Der talseitige der beiden vom langjährigen Baureferenten der Diözese Linz, Gottfried Nobl senior, baugleich errichteten Trakte dient heute dem Hochschulbetrieb. Der Hangbau wird noch als Studentenheim genutzt. Der Linzer Architekt Klaus Leitner hat ihn generalsaniert und lädt uns mit dieser Sanierung auf eine Zeitreise ein.

Diese Reise erlaubt uns nicht nur, die weite Strecke zu ermessen, die unsere Baukultur in den vergangenen 60 Jahren zurückgelegt hat. Sie regt auch an, über die Zukunft des Bauens nachzudenken. Denn ein erheblicher Anteil des weltweiten CO2-Ausstoßes ist bei nach wie vor steigender Tendenz auf Gebäude zurückzuführen. Trotzdem oder gerade deshalb lautet das Gebot der Stunde nicht: „Viele schöne neue Passivhäuser bauen“, sondern: „Reparieren, was an Substanz noch reparabel ist.“ Dazu gehört mehr als die bauphysikalische Ertüchtigung eines Hauses und das Nachrüsten mit zeitgemäßer haustechnischer Ausstattung. Ebenso wichtig und wesentlich schwieriger ist es, die Vorzüge einer längst abgeschriebenen Anlage zu erkennen und sie für unsere Augen wieder sichtbar zu machen. Das von Klaus Leitner vorgefundene Bauwerk mochte zwar mit der Ökonomie seines Grundrisses und seiner Kubatur punkten. Doch die von leicht zurückgesetzten Fensterbändern gegliederten Fassaden zeigten ebenso wie sein aus Sichtbeton und Sichtziegelmauerwerk komponiertes Stiegenhaus, dass bei aller Sparsamkeit gestalterische Überlegungen nicht bedeutungslos waren. Das ist viel mehr, als die meisten „Zweckbauten“ unserer Tage von sich behaupten können.

Architektursprache nicht gebeugt

Klaus Leitner verzichtete folglich darauf, die Architektursprache des Hauses nach derzeitigen Vorstellungen zu beugen, und achtete darauf, heutige Anliegen in dieser Sprache korrekt auszudrücken. Den beiden Längsfassaden blieb ihre horizontale Bänderung trotz der Wärmedämmung erhalten. Und der Haupteingang an der Ostseite führt, wie eh und je von einem vermutlich Rudolf Kolbitsch zuzuschreibenden Beton-Glas-Bild flankiert, in das zwar brandschutztechnisch ertüchtigte und barrierefrei umgeformte, in seinem Charakter jedoch unveränderte Stiegenhaus. Auch den organisatorischen Aufbau des Studentenheims übernahm Klaus Leitner, wie er ihn vorfand: Ein Nord-Süd-orientierter, ausreichend breiter, an seinen Enden belichteter Gang erschließt zwei Reihen von Zimmern. Doch teilen sich dort, wo früher drei Zimmer Platz fanden, zwei Räume eine Nasszelle, die sie in die Mitte nehmen. Nächtliche Wanderungen der BewohnerInnen in die gemeinschaftlich genutzten Waschräume und WC-Anlagen gehören somit der Vergangenheit an. Diese zweifellos als Verbesserung einzustufende Änderung untermauert zwar die Behauptung, dass früher noch jeder technologische Fortschritt nicht zur Verringerung des Energieverbrauchs, sondern zur Erhöhung unseres Lebensstandards geführt hat; doch zieht man im konkreten Fall in Betracht, dass die bisher in jedem Stockwerk untergebrachten Wohnungen für Betreuungspersonal Gemeinschaftsräumen gewichen sind, erkennt man: Die Begriffe von Komfort haben sich in 60 Jahren zwar verschoben, der Verbrauch räumlicher Ressourcen je Bewohner ist jedoch nicht überbordend gewachsen. Die „Betreuung“ des Studentenheimes ruht nun auf einer funktionstüchtigen Schließanlage.

Einbaumöbel vom Tischler

Ein weiteres Verdienst der Sanierung liegt darin, mit den Ansprüchen an die Ausstattung des Heimes auf dem Boden einer Grundeinstellung geblieben zu sein, die der Intelligenz deutlich mehr Gewicht beimisst als dem Materialeinsatz. Zimmer und Nasszellen sind klein, jedoch ordentlich belüftet und belichtet und in ihrem Zuschnitt genau auf ihre Nutzung abgestimmt. Die von Klaus Leitner entwickelten Einbaumöbel, darunter ein Hochbett, das zusätzlichen Stauraum mit einem optimierten Blick aus dem Fenster verbindet, bringen seine Haltung auf den Punkt: Das Ausgangsmaterial, mitteldichte Holzfaserplatten, ist nicht teuer, Planung und Fertigung der Möbel durch den Tischler generieren jedoch einen hohen Wert.

Auch den Ausstattungselementen wurde gebührender Wert beigemessen, sodass alles Brauchbare erhalten blieb: die großen Terrazzoplatten in den Gängen etwa oder die Türzargen der Zimmer. Ihre gut gemeinten, aber nicht praktikablen Oberlichten wurden mit Holzfaserplatten verschlossen. Von der gleichen ruhigen Hand bei genauem Blick auf die von Licht und Ordnung begründeten Qualitäten eines Raumes erzählen die Bereiche an den Stirnseiten der Obergeschoße. Koch-, Ess- und Lesezonen sind um je einen mittig angeordneten, von einer Holzsitzbank umfangenen Stauraum gruppiert, in dem den BewohnerInnen ein Spind zugeteilt ist. Nach Süden orientierte Loggien ergänzen die Gemeinschaftsräume um attraktive Freibereiche.

Im Erdgeschoß liegen in unmittelbarer Nähe des Haupteinganges die Verwaltungsräume, ein Seminarraum und ein Café. Nur für Letzteres hat Klaus Leitner die Kubatur des Bestandes geringfügig vergrößert. Es greift mit einem durch seine abgesetzte Holzdecke als Erweiterungsbau erkennbaren Volumen um die Breite einer Tischreihe in den Außenraum. Nach Süden und Westen großzügig geöffnet und von einer Terrasse umgeben, unterstreicht das Café die besondere Lagegunst des Studentenheims. In fußläufiger Reichweite des Linzer Zentrums liegt der Campus an den nach Westen hin ansteigenden Hang des Freinbergs geschmiegt. Hier halten von Hecken und kleinen Baumgruppen gesäumte Wiesen die Erinnerung an die bäuerlich geprägte Vergangenheit des westlichen Linzer Stadtrandes lebendig. Heute würde man Flächen wie diese wohl nicht mehr als Bauland widmen und versiegeln. Nicht wahr?

Spectrum, Sa., 2021.05.15

22. Januar 2021Romana Ring
Spectrum

Wider den Leerstand

Behutsam wiederbelebt: wie ein Haus aus dem 16. Jahrhundert mit heterogener Bausubstanz gefühlvoll revitalisiert wurde. Das einstige „Löwenwirtshaus“ in Neuhofen, Oberösterreich – ein Bekenntnis zur Arbeit mit Vorgefundenem.

Behutsam wiederbelebt: wie ein Haus aus dem 16. Jahrhundert mit heterogener Bausubstanz gefühlvoll revitalisiert wurde. Das einstige „Löwenwirtshaus“ in Neuhofen, Oberösterreich – ein Bekenntnis zur Arbeit mit Vorgefundenem.

Wir haben längst genug gebaut in Österreich. Zahllose Gebäude stehen leer und harren einer angemessenen Nutzung. Dennoch profilieren wir uns nach wie vor europaweit als Spitzenreiter in der Baulandwidmung und alsbaldigen Versiegelung fruchtbarsten Bodens. Der Schaden an der Umwelt, der Lebensqualität und der Versorgungssicherheit aller ist kaum noch auszublenden. Dass allmählich auch außerhalb der seit Jahrzehnten warnenden Fachkreise Problembewusstsein aufkeimt und seitens politischer Entscheidungsträger gute Vorsätze publiziert werden, stimmt vorsichtig optimistisch. Viel mehr Hoffnung aber machen Projekte wie die Revitalisierung eines historischen Gebäudes im Zentrum von Neuhofen an der Krems. Dessen über mehrere Jahre von den in Linz ansässigen Moser und Hager Architekten betriebene Erneuerung ist nun in ihrer ersten Stufe abgeschlossen.

Bis vor wenigen Jahren wurde im Haus Marktplatz 9 ein Gasthaus geführt. Seine urkundlich belegte Geschichte reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Das Haus wurde mehrmals umgeformt und erweitert. Eine der wesentlichsten Veränderungen erfolgte vor etwa 200 Jahren durch den Anbau eines zweigeschoßigen Traktes mit einem 100 Quadratmeter großen Wirtshaussaal, der allerdings in den 1980er-Jahren durch den Einbau von Kleinwohnungen und Fremdenzimmern bis zur Unkenntlichkeit zugestellt wurde. Mit ihrer Wiederbelebung dieser technisch und ästhetisch völlig heterogen gewachsenen Bausubstanz haben sich Moser und Hager Architekten auf einen ungewöhnlichen, ja abenteuerlichen Planungsprozess eingelassen. Mit jeder Bauetappe wurden verborgene historische Elemente freigelegt und wiederhergestellt. Der Entwurf reagierte auf das Entdeckte und war somit einer beständigen, an den Bauablauf gekoppelten Veränderung unterworfen.

Der geschlossenen Häuserfront des Marktplatzes wendet das einstige „Löwenwirtshaus“ nun wieder eine dreigeschoßig erscheinende symmetrische Fassade zu. Eine überwölbte Durchfahrt in der Mitte des Erdgeschoßes wird von zwei breiten Rundbogenfenstern flankiert. Der Haupteingang liegt etwas zurückgesetzt in der Durchfahrt. Während der größte Teil des Erdgeschoßes noch einer Nutzung zugeführt werden muss, haben Moser und Hager Architekten in dem Gewölbe rechts der Durchfahrt eine Filiale ihres Büros eingerichtet. Gleich dahinter steigt eine gewendelte Stiege hinauf in das Erdgeschoß, das, von kleinteiligen Einbauten befreit, nun wieder als Wohnung dient. Nach und nach wurden Bögen, Gewölbe und alte Wandöffnungen freigelegt. Jahrhundertealte Bodendielen, aber auch ein Holz-Kork-Gussboden traten zutage. Sie wurden trotz des staunenden Kopfschüttelns der am Bau beschäftigten Professionisten erhalten und repariert. Die vorgefundenen Kunststofffenster wurden durch neue Kastenfenster aus Holz ersetzt. Der Komfort, den man heute von Wohnräumen erwartet, erforderte eine umfassende haustechnische Ertüchtigung des Gebäudes. Die Heizung erfolgt nun zentral über einen neuen Pellets-Heizkessel, die Elektro- und Sanitärinstallationen wurden erneuert. Auch hier wurde der historischen Substanz gebührender Tribut gezollt: Die Wärme wird nicht über die Fußböden, sondern von Heizkörpern abgegeben, und die Leitungen werden nicht in den Wänden, sondern in bodenebenen Schächten geführt, deren Verlauf durch die Verwendung eines kontrastierenden Belags sichtbar geblieben ist. Denn so wenig es Moser und Hager Architekten bei dieser Revitalisierung um eine Rückführung des Gebäudes auf einen möglichst weit zurückliegenden „Originalzustand“ ging, so wenig ließen sie das große Potenzial des Hauses aus den Augen: seine lange Geschichte und die vielen Lebensentwürfe, die ihm eingeschrieben sind. Die formale Ausbildung ihrer klar im Heute verankerten Eingriffe ist denn auch durchwegs als Antwort auf die historische Substanz von dieser inspiriert.

Einen wichtigen Anker setzt der ehemalige Wirtshaussaal, der nun wieder als multifunktionaler Wohnraum genutzt wird. Insbesondere die an der Decke entdeckte und fachgerecht restaurierte Malerei dient in ihrer Farbigkeit, aber auch in der gehäuften Verwendung des Kreises als Leitmotiv der Gestaltung: Die tiefen Türschwellen in der Wohnung etwa tragen ebenso den in der Decke angeschlagenen Rotton wie der Belag der Kochinsel, während der Kreis vom Zuschnitt zweier verspiegelter Schränke variiert wird. Die deutliche Ablesbarkeit ihrer Interventionen erreichen Moser und Hager Architekten jedoch nie auf Kosten eines harmonischen Ganzen. Die als eigenständige Objekte in einen Raum gesetzten Köper einer Nasszelle und eines Abstellraumes sind mit ihrer politierten Holzoberfläche auf den Korkgussboden abgestimmt. Auch die freigestellte Kochinsel ist in ihrer Materialität eine Fortsetzung des im Saal vorgefundenen Fichtenholzbodens. Selbst die häufig eingesetzten Materialien des Glases und der Spiegelung dienen nicht der Inszenierung des Zeitgenössischen, sondern haben die Aufgabe, Bestehendes zur Geltung zu bringen. Das Bekenntnis zur Arbeit mit dem Vorgefundenen umfasst auch Bauteile neueren Entstehungsdatums, deren ästhetischen Wert man als überschaubar einstufen könnte. Der in den 1980er-Jahren an den historischen Saal gefügte Wintergarten wurde als nützlich befunden, folglich erhalten und um eine in den Hofgarten hinunterführende Stiege aus Cortenstahl ergänzt.

Die Ablagerungen des längst Vergessenen, von Moser und Hager Architekten im skulptural verschnittenen Gewölbe einer einstigen Nagelschmiede oder den impressionistisch anmutenden Schichten übereinanderliegender Wandmalereien aufs Liebevollste konserviert, schenken den Räumen etwas, das so schnell nicht zu erzeugen ist: Unverwechselbarkeit. Vieles spricht dafür, der Revitalisierung von Gebäuden den Vorzug vor Neubauten auf der grünen Wiese zu geben: die Erhaltung bestehender Siedlungsräume, die Nutzung bereits vorhandener Infrastruktur, die umfassende Schonung von Ressourcen. Doch bekanntlich folgt unser Handeln nicht der Ratio allein. Gerade bei Entscheidungen in einem so stark von Technologie, Wirtschaftlichkeit und Funktionalität bestimmten Bereich wie dem Bauen spielt die Emotion eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dem Gefühl aber bieten Häuser wie jenes in Neuhofen eine Heimat – vor allem auf lange Sicht.

Spectrum, Fr., 2021.01.22



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Markthaus

01. Januar 2021Romana Ring
Spectrum

Ein gallisches Dorf in Osttirol

Kraftwerk Zwenewaldbach: wie ein kleines Objekt Technik, Wirtschaftlichkeit und Baukultur in sich vereint – und ein Dorf erfolgreich um dezentrale Versorgungshoheit mit erneuerbarer Energie gekämpft hat. Nachrichten aus Osttirol.

Kraftwerk Zwenewaldbach: wie ein kleines Objekt Technik, Wirtschaftlichkeit und Baukultur in sich vereint – und ein Dorf erfolgreich um dezentrale Versorgungshoheit mit erneuerbarer Energie gekämpft hat. Nachrichten aus Osttirol.

Es ist nicht alles gut gelaufen im vergangenen Jahr, obwohl viele ihr Bestes gegeben haben. Erfolge und Fehlschläge im Kampf gegen ein Virus, viel Empörung, einiges an Hoffnung und eine unüberschaubare Menge an Ratschlägen, wie man die Krise besser hätte meistern können, haben 2020 geprägt. Und hier ein weiterer Beitrag: Die rechtzeitige Durchdringung unseres Lebens mit den Werten der Baukultur hätte den Umgang mit der Krise zumindest leichter gemacht. So wäre es beispielsweise die nobelste Aufgabe jedes Wohnungsbaus, der die Bezeichnung „sozial“ im Namen führt, das enge Zusammenspiel von Einkommen und Lebensqualität im Falle umfassender Ausgangsbeschränkungen zumindest zu lockern. Doch auch jenseits der guten Gestaltung privaten Wohnraums bietet Architektur zahlreiche Chancen zur Verbesserung jeder, folglich selbst einer pandemieüberschatteten Lebenslage.

Sobald wir an größere Menschenansammlungen und die daraus erwachsenden Gefahren denken, tritt auch die Ausgestaltung der dafür vorgesehenen Räume in unser Bewusstsein. Wie viele Generationen von Lehrern und Schülern haben nicht schon in der mit Treibhausgasen gesättigten Atmosphäre gängiger Klassenräume nach Sauerstoff gerungen! Doch erst seitdem andere Viren in den Aerosolen hängen als die für Schnupfen, Brechdurchfall und Seitenstrang-Angina zuständigen, sind gut durchlüftete (Unterrichts)Räume ein Thema, das sogar Minister zu den Mikrofonen greifen lässt. Es gibt sie schon lange, die Bildungsbauten, in denen sich bei guter Luftqualität konzentriert lernen lässt. Das von Karl und Bremhorst Architekten geplante Bildungszentrum Pregarten etwa ist seit dem Schuljahr 2014/15 in Betrieb. Es zeigt uns, wie befreiend und pädagogisch inspirierend das Zusammenspiel klugen Städtebaus mit innovativer Grundrissorganisation und sensibler Raumgestaltung im Alltag wirkt. Doch obwohl im Bereich der Bildung – von Kindergarten bis Universität – die vorbildlichen Beispiele vergleichsweise dicht gesät sind, ist die gewaltige Überzahl der Gebäude so gemacht, dass in Zeiten wie diesen nicht viel anderes übrig bleibt, als sie zu meiden.

Technologie, Funktionalität, Ästhetik

Auch in anderen Branchen hätte das Heranführen der breiten Basis des Gebauten an die kulturellen Standards der Spitzen manches erleichtert. Alten- und Pflegeheime mit überschaubaren Strukturen wie das von Gärtner Neururer Architekten in Gaspoltshofen geplante; der festlich gestimmte Bewegungsraum einer Tanzschule, von Luger & Maul der ehemaligen Reithalle der Welser Dragonerkaserne eingeschrieben; die Neufassung, mit der Jabornegg & Palffy ein Baudenkmal, das Linzer Schauspielhaus, an zeitgemäße Vorstellungen von Komfort herangeführt haben: Sie stehen für das in der Architektur verwirklichte Zusammenspiel von Technologie, Funktionalität und Ästhetik, das unsere Welt auch aus hygienischer Sicht besser macht. Es ist, obwohl es Vitruv schon vor 2000 Jahren in seinen Büchern beschworen hat, noch immer nicht zur Selbstverständlichkeit geworden. Das hätte man Ihnen früher sagen sollen? Die gerade aus einer Fülle möglicher Beispiele ausgewählten wurden allesamt im „Spectrum“ der „Presse“ und/oder in „Architektur Aktuell“ besprochen. Hoffen wir einfach, dass wir uns tatsächlich gerade auf einem guten Weg aus der Pandemie bewegen. Wie aber lauten die drängendsten Fragen der Zukunft? Die Klimakatastrophe hält keineswegs den Atem an. Eine Wende zu gelebter Nachhaltigkeit wird nötig sein, wenn wir überleben wollen. Aus unserer derzeitigen misslichen Lage lernen wir: Es gibt Meilensteine wie Impfungen und viele kleine Schritte bis zum Ziel. Das Bekenntnis zur Baukultur ist einer dieser Schritte, die wir alle jederzeit setzen können.

Das Krafthaus Zwenewaldbach, das Schneider & Lengauer Architekten 2017 in Hopfgarten im Osttiroler Defereggen geplant haben, ist ein schönes Beispiel dafür, wie ein kleines Objekt nicht nur Themen wie Technik, Wirtschaftlichkeit und angemessenes Bauen im Landschaftsraum in sich vereint. Es steht auch für den Wert dezentraler Versorgung mit erneuerbarer Energie und schließt eine schöne Erzählung von direkter Demokratie und mutigem Widerstand mit ein. Der Bau eines Kraftwerks am Zwenewaldbach wurde gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs von der Gemeinde Hopfgarten in Angriff genommen und von praktisch allen Gemeindebürgern durch Robotleistungen mitgetragen. Der in den 1960er-Jahren gegründeten Elektrowerkgenossenschaft Hopfgarten, die das Kraftwerk von da an betreiben sollte, traten nahezu alle Abnehmer des Stromes bei. Sie waren es, die sich im gleichzeitig geführten Kampf der Übernahme der Stromversorgung durch die übermächtige Tiroler Wasserkraft AG widersetzten. Den erforderlichen Neubau nun nicht einfach einem spezialisierten Unternehmen, sondern einem Architekturbüro anzuvertrauen, erscheint da fast schon als Selbstverständlichkeit. Tatsächlich aber ist das kleine Osttiroler Bergbauerndorf auch in seiner Rolle als Bauherrschaft ein weit leuchtendes Vorbild.

Passgenau gearbeitetes Werkstück

Das Kraftwerk erhebt sich in einer kleinen Aufweitung des Tales am Ufer des Zwenewaldbaches. Wie ein passgenau gearbeitetes Werkstück haben Schneider & Lengauer das Haus in den knapp bemessenen Bauplatz gefügt. Es reagiert mit seinem abgewinkelten Körper auf die gegebenen Zufahrten und wahrt so die Möglichkeit zur Anlieferung von Turbinen und Transistoren. Auch der schräge, mit Metall belegte Einzug der Fassade, der auf den in der Innenecke geschützten Mitarbeiterzugang zuläuft, die Überhöhung des Daches über dem Knick zur Aufnahme von Lüftungsöffnungen, das eine große Fenster, mit dem die Turbinenhalle den Fluss überblickt, und auch die gebäudehohen Portale an den Stirnseiten des Baukörpers sind allesamt dem reibungslosen Arbeitsablauf geschuldet. Gleichzeitig ergeben sie in ihrer Gesamtheit ein plastisch durchgeformtes Bauwerk, das sich mit größerer Selbstverständlichkeit in die Landschaft fügt als manches mit vermeintlich alpin-ländlichen Applikationen versehene Objekt. Das feine Schalungsbild des Sichtbetons, der Umsicht des Poliers zu verdanken, hält Schritt mit der sorgfältigen Planung der Gesamtanlage. Im Selbstbewusstsein seiner Funktionstüchtigkeit und der Qualität seiner Komposition stellt sich das Kraftwerk dem Dialog mit der Natur, dem rauschenden Wasser, den steil aufragenden Felswänden, dem dunklen Nadelwald.

Der gewonnene Kampf eines Dorfes um seine Versorgungshoheit und ein gelungenes Beispiel der Verbindung von Technik, Landschaft und Baukultur machen weder eine „Energiewende“ noch lösen sie die Strukturprobleme des ländlichen Raumes. Doch gerade in der Überschaubarkeit ihres Maßstabes sind Leistungen wie der Neubau des Kraftwerks am Zwenewaldbach vorbildhaft und richtungsweisend.

Spectrum, Fr., 2021.01.01



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Krafthaus Zwenewaldbach

13. November 2020Romana Ring
Spectrum

Was so golden glänzt

Wann entsteht Baukunst? Zum Beispiel wenn die Gestaltung lebendiger Siedlungsräume ein Herzensanliegen von Architekten ist – und die Diskussion mit dem Bundesdenkmalamt so bereichernd wie die Zusammenarbeit mit Künstlern. Besuch im oberösterreichischen Freistadt.

Wann entsteht Baukunst? Zum Beispiel wenn die Gestaltung lebendiger Siedlungsräume ein Herzensanliegen von Architekten ist – und die Diskussion mit dem Bundesdenkmalamt so bereichernd wie die Zusammenarbeit mit Künstlern. Besuch im oberösterreichischen Freistadt.

Die Raiffeisenbank an der Freistädter Linzer Straße stammt von 1994, als in (Ober)Österreich die Epigonen der Postmoderne noch in vollem Saft standen. Die Dinge sind, wie sie sind. Doch ihre Verbesserung ist möglich, wie die von Pointner Pointner Architekten geplante Erweiterung der Bankstelle zum Raiffeisen-Kompetenzzentrum Freistadt zeigt. Häufig brauchen Objekte dieser Art ja nicht nur im Auftritt eine heilende Hand. In den meisten Fällen erweisen sie sich auch hinsichtlich ihrer Funktionalität als korrekturbedürftig.

Das Haus wird im Erd- und im ersten Obergeschoß von der Raiffeisenbank genutzt. Der zweite Stock und der Dachraum bergen Büros, eine Ordination und Wohnungen. Um die Wege der unterschiedlichen Nutzer zu entflechten, haben Pointner Pointner Architekten den straßenseitigen Eingang zu den beiden oberen Geschoßen an die äußerst linke Kante des Hauses verlegt. Von hier führt der Weg zum unverändert belassenen Erschließungskern in der Mitte des Gebäudes. Der Haupteingang zur Bank wiederum wurde um zwei Achsen nach rechts verschoben, sodass zur Linzer Straße hin genügend Raum für einen von Autostellplätzen frei gehaltenen Vorplatz mit einem barrierefreien Zugang blieb. Der Haupteingang führt in das geräumige Foyer mit dem Kundenempfang. Dahinter führt eine aus dem Bestand übernommene interne Stiege in den ersten Stock. Pointner Pointner Architekten haben die Grundrissorganisation, aber auch Oberfläche, Möblierung und Beleuchtung der Bankfiliale behutsam aufgefrischt. Eine Fotoinstallation von Kurt Hörbst, die dem Kompetenzzentrum zugeordnete Orte in ungewöhnlichen Ausschnitten zeigt, wurde in die Raumteilungen integriert. Auch der goldfarbene Metallschirm zur Betonung des Kompetenzzentrums Richtung Linzer Straße ist keine reine Verschönerungsmaßnahme. Er erfüllt den guten Zweck des Sonnen- und Sichtschutzes. Gold, Diskretion und physische Verschlossenheit werden ja auch in Zeiten digitaler Geldflüsse mit der Institution Bank in Verbindung gebracht.

Die Verwandlung der Bankfiliale Linzer Straße in das Kompetenzzentrum Freistadt wird in einem Gebäudeteil abgebildet, den man im Vorbeifahren kaum sieht. Pointner Pointner Architekten haben über der in den Hang geschobenen Garage in der östlichen Hälfte des Grundstückes einen multifunktionalen Veranstaltungssaal errichtet, der die gestalterische Bilanz der Gesamtanlage weit ins Positive verschiebt. V-förmig ausgebildete Stützen aus Schleuderbeton und eine massive Betonplatte heben den freigestellten Holzbau des Saales auf die Ebene des zweiten Obergeschoßes. So bleibt auf dem Dach der Garage ein witterungsgeschütztes Parkdeck erhalten. Die Form der Stützen ergibt sich keineswegs aus dem Bedürfnis, originell zu wirken, sondern erleichtert es, die Lasten über die bestehende Konstruktion der Garage abzuleiten. Auch die leichte Schrägstellung der Westfassade des Saals ist der Notwendigkeit geschuldet, den vorgeschriebenen Lichteinfall für den Bestand zu erhalten. Das Pultdach des Zubaus ist nach Westen geneigt, seine nach Osten orientierte Außenwand folgt dem Verlauf der Grundgrenze mit einem Knick. Aus diesen Antworten auf das Vorgefundene entsteht ein plastisch durchgeformter Baukörper, der seiner Lage in der zweiten Reihe einen selbstbewussten Auftritt entgegensetzt. An das Stiegenhaus des Bestandes ist der Saal mit einer verglasten Brücke angebunden, die in eine Foyerzone mündet. Das Foyer setzt sich in einem Balkon mit daran schließender Fluchttreppe fort, sodass die Nutzung des Saales auch abgekoppelt vom Weg durch den Altbestand möglich ist. Während der Saal von einer goldfarbenen Metallfassade umhüllt wird, zeigt sich der konstruktive Holzbau innen als fein gearbeitete Schatulle, in der die Vorzüge des Baustoffes zur Geltung kommen. Mit handwerklicher Sorgfalt wurden die zarten Profile der Wand- und Deckenverkleidung zwischen die tragenden Rahmen gefügt und verbinden so die vertraute Anmutung des Holzes mit großer Eleganz. Nach Süden hin öffnet sich der Saal dem Blick über die allmählich in den Landschaftsraum verrinnende Vorstadt, während im Osten der dichte Baumbestand des Nachbargrundstückes einen nicht unwesentlichen Beitrag zur außergewöhnlichen Stimmung des Ortes leistet.

Der unaufgeregte Umgang mit vorerst wenig befriedigenden Situationen und die Fähigkeit, bisher verborgene Vorzüge eines Ortes durch Architektur erfahrbar zu machen, sind eine Konstante im Werk der Pointner Pointner Architekten. Eine wichtige Quelle ihrer Inspiration liegt in der Hinwendung zum Gegenüber. Sie arbeiten mit ihren Auftraggebern auf Augenhöhe zusammen, was ihnen Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft verleiht. Seit mehr als zwanzig Jahren stellen sie ihr Können in einer Vielzahl gelungener Arbeiten unter Beweis. Helmut und Herbert Pointner, die Gründer der Pointner Pointner Architekten, haben in Wien Architektur studiert. Während Helmut Pointer das Büro in Wien betreut, kehrte sein Bruder Herbert in die Heimatstadt Freistadt zurück, wo er die oberösterreichische Niederlassung leitet. Engagement für gutes Bauen ist hier wie da vonnöten. Hier wie da werden die Projekte gemeinsam entwickelt, geht es nicht um vordergründig schöne Bilder, sondern um Nachhaltigkeit.

Ihr Einsatz für den konstruktiven Holzbau ist eine Facette dieser Haltung, ihre Affinität zum Bauen im Bestand eine weitere. Pointner Pointner Architekten empfinden die Diskussion mit dem Bundesdenkmalamt als ebenso bereichernd wie die Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern. Die Gestaltung funktionstüchtiger, lebendiger Siedlungsräume ist ihnen ein Herzensanliegen. Insbesondere der historische Kern von Freistadt verdankt Helmut und Herbert Pointner neben dem anlässlich des Landesausstellungsjahres 2013 neu geordneten Hauptplatz eine Vielzahl revitalisierter historischer Bauten: von ihrem ersten, mit Christian Hackl und Josef Ullmann bearbeiteten Projekt, dem zum Kulturzentrum umgedeuteten Salzhof, über wiedergewonnene Wohngebäude wie das Haus am Böhmertor bis zur alten Lateinschule, in der nun neben Büros und Wohnungen auch das Freistädter Atelier der Pointner Pointner Architekten untergebracht ist. Helmut und Herbert Pointner werden heuer mit dem Kulturpreis des Landes Oberösterreich in der Sparte Architektur ausgezeichnet.

Spectrum, Fr., 2020.11.13



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Raiffeisenbank Freistadt, Um- und Zubau

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Presseschau 12

15. Mai 2021Romana Ring
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Linzer Hang zur Zeitreise

Fußläufig vom Stadtzentrum liegt der Campus der Hochschule der Diözese Linz mit dem erneuerten Studentenheim – Wiesen ringsum erinnern an die bäuerlich geprägte Vergangenheit des Stadtrandes. Heute würde man solche Flächen wohl nicht mehr umwidmen und versiegeln. Oder?

Fußläufig vom Stadtzentrum liegt der Campus der Hochschule der Diözese Linz mit dem erneuerten Studentenheim – Wiesen ringsum erinnern an die bäuerlich geprägte Vergangenheit des Stadtrandes. Heute würde man solche Flächen wohl nicht mehr umwidmen und versiegeln. Oder?

Ein Spaziergang über den Campus der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz führt von der Kapuzinerstraße abzweigend den Salesianumweg hinauf. Vorbei an dem 1970 bis 1975 nach den Plänen von Franz Riepl und Othmar Sackmauer errichteten Hauptgebäude gelangt man zu zwei schlichten Häusern aus den 1960er-Jahren, die ein zur Jahrhundertwende errichtetes, heute als Praxismittelschule genutztes Gebäude flankieren. Der talseitige der beiden vom langjährigen Baureferenten der Diözese Linz, Gottfried Nobl senior, baugleich errichteten Trakte dient heute dem Hochschulbetrieb. Der Hangbau wird noch als Studentenheim genutzt. Der Linzer Architekt Klaus Leitner hat ihn generalsaniert und lädt uns mit dieser Sanierung auf eine Zeitreise ein.

Diese Reise erlaubt uns nicht nur, die weite Strecke zu ermessen, die unsere Baukultur in den vergangenen 60 Jahren zurückgelegt hat. Sie regt auch an, über die Zukunft des Bauens nachzudenken. Denn ein erheblicher Anteil des weltweiten CO2-Ausstoßes ist bei nach wie vor steigender Tendenz auf Gebäude zurückzuführen. Trotzdem oder gerade deshalb lautet das Gebot der Stunde nicht: „Viele schöne neue Passivhäuser bauen“, sondern: „Reparieren, was an Substanz noch reparabel ist.“ Dazu gehört mehr als die bauphysikalische Ertüchtigung eines Hauses und das Nachrüsten mit zeitgemäßer haustechnischer Ausstattung. Ebenso wichtig und wesentlich schwieriger ist es, die Vorzüge einer längst abgeschriebenen Anlage zu erkennen und sie für unsere Augen wieder sichtbar zu machen. Das von Klaus Leitner vorgefundene Bauwerk mochte zwar mit der Ökonomie seines Grundrisses und seiner Kubatur punkten. Doch die von leicht zurückgesetzten Fensterbändern gegliederten Fassaden zeigten ebenso wie sein aus Sichtbeton und Sichtziegelmauerwerk komponiertes Stiegenhaus, dass bei aller Sparsamkeit gestalterische Überlegungen nicht bedeutungslos waren. Das ist viel mehr, als die meisten „Zweckbauten“ unserer Tage von sich behaupten können.

Architektursprache nicht gebeugt

Klaus Leitner verzichtete folglich darauf, die Architektursprache des Hauses nach derzeitigen Vorstellungen zu beugen, und achtete darauf, heutige Anliegen in dieser Sprache korrekt auszudrücken. Den beiden Längsfassaden blieb ihre horizontale Bänderung trotz der Wärmedämmung erhalten. Und der Haupteingang an der Ostseite führt, wie eh und je von einem vermutlich Rudolf Kolbitsch zuzuschreibenden Beton-Glas-Bild flankiert, in das zwar brandschutztechnisch ertüchtigte und barrierefrei umgeformte, in seinem Charakter jedoch unveränderte Stiegenhaus. Auch den organisatorischen Aufbau des Studentenheims übernahm Klaus Leitner, wie er ihn vorfand: Ein Nord-Süd-orientierter, ausreichend breiter, an seinen Enden belichteter Gang erschließt zwei Reihen von Zimmern. Doch teilen sich dort, wo früher drei Zimmer Platz fanden, zwei Räume eine Nasszelle, die sie in die Mitte nehmen. Nächtliche Wanderungen der BewohnerInnen in die gemeinschaftlich genutzten Waschräume und WC-Anlagen gehören somit der Vergangenheit an. Diese zweifellos als Verbesserung einzustufende Änderung untermauert zwar die Behauptung, dass früher noch jeder technologische Fortschritt nicht zur Verringerung des Energieverbrauchs, sondern zur Erhöhung unseres Lebensstandards geführt hat; doch zieht man im konkreten Fall in Betracht, dass die bisher in jedem Stockwerk untergebrachten Wohnungen für Betreuungspersonal Gemeinschaftsräumen gewichen sind, erkennt man: Die Begriffe von Komfort haben sich in 60 Jahren zwar verschoben, der Verbrauch räumlicher Ressourcen je Bewohner ist jedoch nicht überbordend gewachsen. Die „Betreuung“ des Studentenheimes ruht nun auf einer funktionstüchtigen Schließanlage.

Einbaumöbel vom Tischler

Ein weiteres Verdienst der Sanierung liegt darin, mit den Ansprüchen an die Ausstattung des Heimes auf dem Boden einer Grundeinstellung geblieben zu sein, die der Intelligenz deutlich mehr Gewicht beimisst als dem Materialeinsatz. Zimmer und Nasszellen sind klein, jedoch ordentlich belüftet und belichtet und in ihrem Zuschnitt genau auf ihre Nutzung abgestimmt. Die von Klaus Leitner entwickelten Einbaumöbel, darunter ein Hochbett, das zusätzlichen Stauraum mit einem optimierten Blick aus dem Fenster verbindet, bringen seine Haltung auf den Punkt: Das Ausgangsmaterial, mitteldichte Holzfaserplatten, ist nicht teuer, Planung und Fertigung der Möbel durch den Tischler generieren jedoch einen hohen Wert.

Auch den Ausstattungselementen wurde gebührender Wert beigemessen, sodass alles Brauchbare erhalten blieb: die großen Terrazzoplatten in den Gängen etwa oder die Türzargen der Zimmer. Ihre gut gemeinten, aber nicht praktikablen Oberlichten wurden mit Holzfaserplatten verschlossen. Von der gleichen ruhigen Hand bei genauem Blick auf die von Licht und Ordnung begründeten Qualitäten eines Raumes erzählen die Bereiche an den Stirnseiten der Obergeschoße. Koch-, Ess- und Lesezonen sind um je einen mittig angeordneten, von einer Holzsitzbank umfangenen Stauraum gruppiert, in dem den BewohnerInnen ein Spind zugeteilt ist. Nach Süden orientierte Loggien ergänzen die Gemeinschaftsräume um attraktive Freibereiche.

Im Erdgeschoß liegen in unmittelbarer Nähe des Haupteinganges die Verwaltungsräume, ein Seminarraum und ein Café. Nur für Letzteres hat Klaus Leitner die Kubatur des Bestandes geringfügig vergrößert. Es greift mit einem durch seine abgesetzte Holzdecke als Erweiterungsbau erkennbaren Volumen um die Breite einer Tischreihe in den Außenraum. Nach Süden und Westen großzügig geöffnet und von einer Terrasse umgeben, unterstreicht das Café die besondere Lagegunst des Studentenheims. In fußläufiger Reichweite des Linzer Zentrums liegt der Campus an den nach Westen hin ansteigenden Hang des Freinbergs geschmiegt. Hier halten von Hecken und kleinen Baumgruppen gesäumte Wiesen die Erinnerung an die bäuerlich geprägte Vergangenheit des westlichen Linzer Stadtrandes lebendig. Heute würde man Flächen wie diese wohl nicht mehr als Bauland widmen und versiegeln. Nicht wahr?

Spectrum, Sa., 2021.05.15

22. Januar 2021Romana Ring
Spectrum

Wider den Leerstand

Behutsam wiederbelebt: wie ein Haus aus dem 16. Jahrhundert mit heterogener Bausubstanz gefühlvoll revitalisiert wurde. Das einstige „Löwenwirtshaus“ in Neuhofen, Oberösterreich – ein Bekenntnis zur Arbeit mit Vorgefundenem.

Behutsam wiederbelebt: wie ein Haus aus dem 16. Jahrhundert mit heterogener Bausubstanz gefühlvoll revitalisiert wurde. Das einstige „Löwenwirtshaus“ in Neuhofen, Oberösterreich – ein Bekenntnis zur Arbeit mit Vorgefundenem.

Wir haben längst genug gebaut in Österreich. Zahllose Gebäude stehen leer und harren einer angemessenen Nutzung. Dennoch profilieren wir uns nach wie vor europaweit als Spitzenreiter in der Baulandwidmung und alsbaldigen Versiegelung fruchtbarsten Bodens. Der Schaden an der Umwelt, der Lebensqualität und der Versorgungssicherheit aller ist kaum noch auszublenden. Dass allmählich auch außerhalb der seit Jahrzehnten warnenden Fachkreise Problembewusstsein aufkeimt und seitens politischer Entscheidungsträger gute Vorsätze publiziert werden, stimmt vorsichtig optimistisch. Viel mehr Hoffnung aber machen Projekte wie die Revitalisierung eines historischen Gebäudes im Zentrum von Neuhofen an der Krems. Dessen über mehrere Jahre von den in Linz ansässigen Moser und Hager Architekten betriebene Erneuerung ist nun in ihrer ersten Stufe abgeschlossen.

Bis vor wenigen Jahren wurde im Haus Marktplatz 9 ein Gasthaus geführt. Seine urkundlich belegte Geschichte reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Das Haus wurde mehrmals umgeformt und erweitert. Eine der wesentlichsten Veränderungen erfolgte vor etwa 200 Jahren durch den Anbau eines zweigeschoßigen Traktes mit einem 100 Quadratmeter großen Wirtshaussaal, der allerdings in den 1980er-Jahren durch den Einbau von Kleinwohnungen und Fremdenzimmern bis zur Unkenntlichkeit zugestellt wurde. Mit ihrer Wiederbelebung dieser technisch und ästhetisch völlig heterogen gewachsenen Bausubstanz haben sich Moser und Hager Architekten auf einen ungewöhnlichen, ja abenteuerlichen Planungsprozess eingelassen. Mit jeder Bauetappe wurden verborgene historische Elemente freigelegt und wiederhergestellt. Der Entwurf reagierte auf das Entdeckte und war somit einer beständigen, an den Bauablauf gekoppelten Veränderung unterworfen.

Der geschlossenen Häuserfront des Marktplatzes wendet das einstige „Löwenwirtshaus“ nun wieder eine dreigeschoßig erscheinende symmetrische Fassade zu. Eine überwölbte Durchfahrt in der Mitte des Erdgeschoßes wird von zwei breiten Rundbogenfenstern flankiert. Der Haupteingang liegt etwas zurückgesetzt in der Durchfahrt. Während der größte Teil des Erdgeschoßes noch einer Nutzung zugeführt werden muss, haben Moser und Hager Architekten in dem Gewölbe rechts der Durchfahrt eine Filiale ihres Büros eingerichtet. Gleich dahinter steigt eine gewendelte Stiege hinauf in das Erdgeschoß, das, von kleinteiligen Einbauten befreit, nun wieder als Wohnung dient. Nach und nach wurden Bögen, Gewölbe und alte Wandöffnungen freigelegt. Jahrhundertealte Bodendielen, aber auch ein Holz-Kork-Gussboden traten zutage. Sie wurden trotz des staunenden Kopfschüttelns der am Bau beschäftigten Professionisten erhalten und repariert. Die vorgefundenen Kunststofffenster wurden durch neue Kastenfenster aus Holz ersetzt. Der Komfort, den man heute von Wohnräumen erwartet, erforderte eine umfassende haustechnische Ertüchtigung des Gebäudes. Die Heizung erfolgt nun zentral über einen neuen Pellets-Heizkessel, die Elektro- und Sanitärinstallationen wurden erneuert. Auch hier wurde der historischen Substanz gebührender Tribut gezollt: Die Wärme wird nicht über die Fußböden, sondern von Heizkörpern abgegeben, und die Leitungen werden nicht in den Wänden, sondern in bodenebenen Schächten geführt, deren Verlauf durch die Verwendung eines kontrastierenden Belags sichtbar geblieben ist. Denn so wenig es Moser und Hager Architekten bei dieser Revitalisierung um eine Rückführung des Gebäudes auf einen möglichst weit zurückliegenden „Originalzustand“ ging, so wenig ließen sie das große Potenzial des Hauses aus den Augen: seine lange Geschichte und die vielen Lebensentwürfe, die ihm eingeschrieben sind. Die formale Ausbildung ihrer klar im Heute verankerten Eingriffe ist denn auch durchwegs als Antwort auf die historische Substanz von dieser inspiriert.

Einen wichtigen Anker setzt der ehemalige Wirtshaussaal, der nun wieder als multifunktionaler Wohnraum genutzt wird. Insbesondere die an der Decke entdeckte und fachgerecht restaurierte Malerei dient in ihrer Farbigkeit, aber auch in der gehäuften Verwendung des Kreises als Leitmotiv der Gestaltung: Die tiefen Türschwellen in der Wohnung etwa tragen ebenso den in der Decke angeschlagenen Rotton wie der Belag der Kochinsel, während der Kreis vom Zuschnitt zweier verspiegelter Schränke variiert wird. Die deutliche Ablesbarkeit ihrer Interventionen erreichen Moser und Hager Architekten jedoch nie auf Kosten eines harmonischen Ganzen. Die als eigenständige Objekte in einen Raum gesetzten Köper einer Nasszelle und eines Abstellraumes sind mit ihrer politierten Holzoberfläche auf den Korkgussboden abgestimmt. Auch die freigestellte Kochinsel ist in ihrer Materialität eine Fortsetzung des im Saal vorgefundenen Fichtenholzbodens. Selbst die häufig eingesetzten Materialien des Glases und der Spiegelung dienen nicht der Inszenierung des Zeitgenössischen, sondern haben die Aufgabe, Bestehendes zur Geltung zu bringen. Das Bekenntnis zur Arbeit mit dem Vorgefundenen umfasst auch Bauteile neueren Entstehungsdatums, deren ästhetischen Wert man als überschaubar einstufen könnte. Der in den 1980er-Jahren an den historischen Saal gefügte Wintergarten wurde als nützlich befunden, folglich erhalten und um eine in den Hofgarten hinunterführende Stiege aus Cortenstahl ergänzt.

Die Ablagerungen des längst Vergessenen, von Moser und Hager Architekten im skulptural verschnittenen Gewölbe einer einstigen Nagelschmiede oder den impressionistisch anmutenden Schichten übereinanderliegender Wandmalereien aufs Liebevollste konserviert, schenken den Räumen etwas, das so schnell nicht zu erzeugen ist: Unverwechselbarkeit. Vieles spricht dafür, der Revitalisierung von Gebäuden den Vorzug vor Neubauten auf der grünen Wiese zu geben: die Erhaltung bestehender Siedlungsräume, die Nutzung bereits vorhandener Infrastruktur, die umfassende Schonung von Ressourcen. Doch bekanntlich folgt unser Handeln nicht der Ratio allein. Gerade bei Entscheidungen in einem so stark von Technologie, Wirtschaftlichkeit und Funktionalität bestimmten Bereich wie dem Bauen spielt die Emotion eine nicht zu unterschätzende Rolle. Dem Gefühl aber bieten Häuser wie jenes in Neuhofen eine Heimat – vor allem auf lange Sicht.

Spectrum, Fr., 2021.01.22



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Markthaus

01. Januar 2021Romana Ring
Spectrum

Ein gallisches Dorf in Osttirol

Kraftwerk Zwenewaldbach: wie ein kleines Objekt Technik, Wirtschaftlichkeit und Baukultur in sich vereint – und ein Dorf erfolgreich um dezentrale Versorgungshoheit mit erneuerbarer Energie gekämpft hat. Nachrichten aus Osttirol.

Kraftwerk Zwenewaldbach: wie ein kleines Objekt Technik, Wirtschaftlichkeit und Baukultur in sich vereint – und ein Dorf erfolgreich um dezentrale Versorgungshoheit mit erneuerbarer Energie gekämpft hat. Nachrichten aus Osttirol.

Es ist nicht alles gut gelaufen im vergangenen Jahr, obwohl viele ihr Bestes gegeben haben. Erfolge und Fehlschläge im Kampf gegen ein Virus, viel Empörung, einiges an Hoffnung und eine unüberschaubare Menge an Ratschlägen, wie man die Krise besser hätte meistern können, haben 2020 geprägt. Und hier ein weiterer Beitrag: Die rechtzeitige Durchdringung unseres Lebens mit den Werten der Baukultur hätte den Umgang mit der Krise zumindest leichter gemacht. So wäre es beispielsweise die nobelste Aufgabe jedes Wohnungsbaus, der die Bezeichnung „sozial“ im Namen führt, das enge Zusammenspiel von Einkommen und Lebensqualität im Falle umfassender Ausgangsbeschränkungen zumindest zu lockern. Doch auch jenseits der guten Gestaltung privaten Wohnraums bietet Architektur zahlreiche Chancen zur Verbesserung jeder, folglich selbst einer pandemieüberschatteten Lebenslage.

Sobald wir an größere Menschenansammlungen und die daraus erwachsenden Gefahren denken, tritt auch die Ausgestaltung der dafür vorgesehenen Räume in unser Bewusstsein. Wie viele Generationen von Lehrern und Schülern haben nicht schon in der mit Treibhausgasen gesättigten Atmosphäre gängiger Klassenräume nach Sauerstoff gerungen! Doch erst seitdem andere Viren in den Aerosolen hängen als die für Schnupfen, Brechdurchfall und Seitenstrang-Angina zuständigen, sind gut durchlüftete (Unterrichts)Räume ein Thema, das sogar Minister zu den Mikrofonen greifen lässt. Es gibt sie schon lange, die Bildungsbauten, in denen sich bei guter Luftqualität konzentriert lernen lässt. Das von Karl und Bremhorst Architekten geplante Bildungszentrum Pregarten etwa ist seit dem Schuljahr 2014/15 in Betrieb. Es zeigt uns, wie befreiend und pädagogisch inspirierend das Zusammenspiel klugen Städtebaus mit innovativer Grundrissorganisation und sensibler Raumgestaltung im Alltag wirkt. Doch obwohl im Bereich der Bildung – von Kindergarten bis Universität – die vorbildlichen Beispiele vergleichsweise dicht gesät sind, ist die gewaltige Überzahl der Gebäude so gemacht, dass in Zeiten wie diesen nicht viel anderes übrig bleibt, als sie zu meiden.

Technologie, Funktionalität, Ästhetik

Auch in anderen Branchen hätte das Heranführen der breiten Basis des Gebauten an die kulturellen Standards der Spitzen manches erleichtert. Alten- und Pflegeheime mit überschaubaren Strukturen wie das von Gärtner Neururer Architekten in Gaspoltshofen geplante; der festlich gestimmte Bewegungsraum einer Tanzschule, von Luger & Maul der ehemaligen Reithalle der Welser Dragonerkaserne eingeschrieben; die Neufassung, mit der Jabornegg & Palffy ein Baudenkmal, das Linzer Schauspielhaus, an zeitgemäße Vorstellungen von Komfort herangeführt haben: Sie stehen für das in der Architektur verwirklichte Zusammenspiel von Technologie, Funktionalität und Ästhetik, das unsere Welt auch aus hygienischer Sicht besser macht. Es ist, obwohl es Vitruv schon vor 2000 Jahren in seinen Büchern beschworen hat, noch immer nicht zur Selbstverständlichkeit geworden. Das hätte man Ihnen früher sagen sollen? Die gerade aus einer Fülle möglicher Beispiele ausgewählten wurden allesamt im „Spectrum“ der „Presse“ und/oder in „Architektur Aktuell“ besprochen. Hoffen wir einfach, dass wir uns tatsächlich gerade auf einem guten Weg aus der Pandemie bewegen. Wie aber lauten die drängendsten Fragen der Zukunft? Die Klimakatastrophe hält keineswegs den Atem an. Eine Wende zu gelebter Nachhaltigkeit wird nötig sein, wenn wir überleben wollen. Aus unserer derzeitigen misslichen Lage lernen wir: Es gibt Meilensteine wie Impfungen und viele kleine Schritte bis zum Ziel. Das Bekenntnis zur Baukultur ist einer dieser Schritte, die wir alle jederzeit setzen können.

Das Krafthaus Zwenewaldbach, das Schneider & Lengauer Architekten 2017 in Hopfgarten im Osttiroler Defereggen geplant haben, ist ein schönes Beispiel dafür, wie ein kleines Objekt nicht nur Themen wie Technik, Wirtschaftlichkeit und angemessenes Bauen im Landschaftsraum in sich vereint. Es steht auch für den Wert dezentraler Versorgung mit erneuerbarer Energie und schließt eine schöne Erzählung von direkter Demokratie und mutigem Widerstand mit ein. Der Bau eines Kraftwerks am Zwenewaldbach wurde gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs von der Gemeinde Hopfgarten in Angriff genommen und von praktisch allen Gemeindebürgern durch Robotleistungen mitgetragen. Der in den 1960er-Jahren gegründeten Elektrowerkgenossenschaft Hopfgarten, die das Kraftwerk von da an betreiben sollte, traten nahezu alle Abnehmer des Stromes bei. Sie waren es, die sich im gleichzeitig geführten Kampf der Übernahme der Stromversorgung durch die übermächtige Tiroler Wasserkraft AG widersetzten. Den erforderlichen Neubau nun nicht einfach einem spezialisierten Unternehmen, sondern einem Architekturbüro anzuvertrauen, erscheint da fast schon als Selbstverständlichkeit. Tatsächlich aber ist das kleine Osttiroler Bergbauerndorf auch in seiner Rolle als Bauherrschaft ein weit leuchtendes Vorbild.

Passgenau gearbeitetes Werkstück

Das Kraftwerk erhebt sich in einer kleinen Aufweitung des Tales am Ufer des Zwenewaldbaches. Wie ein passgenau gearbeitetes Werkstück haben Schneider & Lengauer das Haus in den knapp bemessenen Bauplatz gefügt. Es reagiert mit seinem abgewinkelten Körper auf die gegebenen Zufahrten und wahrt so die Möglichkeit zur Anlieferung von Turbinen und Transistoren. Auch der schräge, mit Metall belegte Einzug der Fassade, der auf den in der Innenecke geschützten Mitarbeiterzugang zuläuft, die Überhöhung des Daches über dem Knick zur Aufnahme von Lüftungsöffnungen, das eine große Fenster, mit dem die Turbinenhalle den Fluss überblickt, und auch die gebäudehohen Portale an den Stirnseiten des Baukörpers sind allesamt dem reibungslosen Arbeitsablauf geschuldet. Gleichzeitig ergeben sie in ihrer Gesamtheit ein plastisch durchgeformtes Bauwerk, das sich mit größerer Selbstverständlichkeit in die Landschaft fügt als manches mit vermeintlich alpin-ländlichen Applikationen versehene Objekt. Das feine Schalungsbild des Sichtbetons, der Umsicht des Poliers zu verdanken, hält Schritt mit der sorgfältigen Planung der Gesamtanlage. Im Selbstbewusstsein seiner Funktionstüchtigkeit und der Qualität seiner Komposition stellt sich das Kraftwerk dem Dialog mit der Natur, dem rauschenden Wasser, den steil aufragenden Felswänden, dem dunklen Nadelwald.

Der gewonnene Kampf eines Dorfes um seine Versorgungshoheit und ein gelungenes Beispiel der Verbindung von Technik, Landschaft und Baukultur machen weder eine „Energiewende“ noch lösen sie die Strukturprobleme des ländlichen Raumes. Doch gerade in der Überschaubarkeit ihres Maßstabes sind Leistungen wie der Neubau des Kraftwerks am Zwenewaldbach vorbildhaft und richtungsweisend.

Spectrum, Fr., 2021.01.01



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Krafthaus Zwenewaldbach

13. November 2020Romana Ring
Spectrum

Was so golden glänzt

Wann entsteht Baukunst? Zum Beispiel wenn die Gestaltung lebendiger Siedlungsräume ein Herzensanliegen von Architekten ist – und die Diskussion mit dem Bundesdenkmalamt so bereichernd wie die Zusammenarbeit mit Künstlern. Besuch im oberösterreichischen Freistadt.

Wann entsteht Baukunst? Zum Beispiel wenn die Gestaltung lebendiger Siedlungsräume ein Herzensanliegen von Architekten ist – und die Diskussion mit dem Bundesdenkmalamt so bereichernd wie die Zusammenarbeit mit Künstlern. Besuch im oberösterreichischen Freistadt.

Die Raiffeisenbank an der Freistädter Linzer Straße stammt von 1994, als in (Ober)Österreich die Epigonen der Postmoderne noch in vollem Saft standen. Die Dinge sind, wie sie sind. Doch ihre Verbesserung ist möglich, wie die von Pointner Pointner Architekten geplante Erweiterung der Bankstelle zum Raiffeisen-Kompetenzzentrum Freistadt zeigt. Häufig brauchen Objekte dieser Art ja nicht nur im Auftritt eine heilende Hand. In den meisten Fällen erweisen sie sich auch hinsichtlich ihrer Funktionalität als korrekturbedürftig.

Das Haus wird im Erd- und im ersten Obergeschoß von der Raiffeisenbank genutzt. Der zweite Stock und der Dachraum bergen Büros, eine Ordination und Wohnungen. Um die Wege der unterschiedlichen Nutzer zu entflechten, haben Pointner Pointner Architekten den straßenseitigen Eingang zu den beiden oberen Geschoßen an die äußerst linke Kante des Hauses verlegt. Von hier führt der Weg zum unverändert belassenen Erschließungskern in der Mitte des Gebäudes. Der Haupteingang zur Bank wiederum wurde um zwei Achsen nach rechts verschoben, sodass zur Linzer Straße hin genügend Raum für einen von Autostellplätzen frei gehaltenen Vorplatz mit einem barrierefreien Zugang blieb. Der Haupteingang führt in das geräumige Foyer mit dem Kundenempfang. Dahinter führt eine aus dem Bestand übernommene interne Stiege in den ersten Stock. Pointner Pointner Architekten haben die Grundrissorganisation, aber auch Oberfläche, Möblierung und Beleuchtung der Bankfiliale behutsam aufgefrischt. Eine Fotoinstallation von Kurt Hörbst, die dem Kompetenzzentrum zugeordnete Orte in ungewöhnlichen Ausschnitten zeigt, wurde in die Raumteilungen integriert. Auch der goldfarbene Metallschirm zur Betonung des Kompetenzzentrums Richtung Linzer Straße ist keine reine Verschönerungsmaßnahme. Er erfüllt den guten Zweck des Sonnen- und Sichtschutzes. Gold, Diskretion und physische Verschlossenheit werden ja auch in Zeiten digitaler Geldflüsse mit der Institution Bank in Verbindung gebracht.

Die Verwandlung der Bankfiliale Linzer Straße in das Kompetenzzentrum Freistadt wird in einem Gebäudeteil abgebildet, den man im Vorbeifahren kaum sieht. Pointner Pointner Architekten haben über der in den Hang geschobenen Garage in der östlichen Hälfte des Grundstückes einen multifunktionalen Veranstaltungssaal errichtet, der die gestalterische Bilanz der Gesamtanlage weit ins Positive verschiebt. V-förmig ausgebildete Stützen aus Schleuderbeton und eine massive Betonplatte heben den freigestellten Holzbau des Saales auf die Ebene des zweiten Obergeschoßes. So bleibt auf dem Dach der Garage ein witterungsgeschütztes Parkdeck erhalten. Die Form der Stützen ergibt sich keineswegs aus dem Bedürfnis, originell zu wirken, sondern erleichtert es, die Lasten über die bestehende Konstruktion der Garage abzuleiten. Auch die leichte Schrägstellung der Westfassade des Saals ist der Notwendigkeit geschuldet, den vorgeschriebenen Lichteinfall für den Bestand zu erhalten. Das Pultdach des Zubaus ist nach Westen geneigt, seine nach Osten orientierte Außenwand folgt dem Verlauf der Grundgrenze mit einem Knick. Aus diesen Antworten auf das Vorgefundene entsteht ein plastisch durchgeformter Baukörper, der seiner Lage in der zweiten Reihe einen selbstbewussten Auftritt entgegensetzt. An das Stiegenhaus des Bestandes ist der Saal mit einer verglasten Brücke angebunden, die in eine Foyerzone mündet. Das Foyer setzt sich in einem Balkon mit daran schließender Fluchttreppe fort, sodass die Nutzung des Saales auch abgekoppelt vom Weg durch den Altbestand möglich ist. Während der Saal von einer goldfarbenen Metallfassade umhüllt wird, zeigt sich der konstruktive Holzbau innen als fein gearbeitete Schatulle, in der die Vorzüge des Baustoffes zur Geltung kommen. Mit handwerklicher Sorgfalt wurden die zarten Profile der Wand- und Deckenverkleidung zwischen die tragenden Rahmen gefügt und verbinden so die vertraute Anmutung des Holzes mit großer Eleganz. Nach Süden hin öffnet sich der Saal dem Blick über die allmählich in den Landschaftsraum verrinnende Vorstadt, während im Osten der dichte Baumbestand des Nachbargrundstückes einen nicht unwesentlichen Beitrag zur außergewöhnlichen Stimmung des Ortes leistet.

Der unaufgeregte Umgang mit vorerst wenig befriedigenden Situationen und die Fähigkeit, bisher verborgene Vorzüge eines Ortes durch Architektur erfahrbar zu machen, sind eine Konstante im Werk der Pointner Pointner Architekten. Eine wichtige Quelle ihrer Inspiration liegt in der Hinwendung zum Gegenüber. Sie arbeiten mit ihren Auftraggebern auf Augenhöhe zusammen, was ihnen Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft verleiht. Seit mehr als zwanzig Jahren stellen sie ihr Können in einer Vielzahl gelungener Arbeiten unter Beweis. Helmut und Herbert Pointner, die Gründer der Pointner Pointner Architekten, haben in Wien Architektur studiert. Während Helmut Pointer das Büro in Wien betreut, kehrte sein Bruder Herbert in die Heimatstadt Freistadt zurück, wo er die oberösterreichische Niederlassung leitet. Engagement für gutes Bauen ist hier wie da vonnöten. Hier wie da werden die Projekte gemeinsam entwickelt, geht es nicht um vordergründig schöne Bilder, sondern um Nachhaltigkeit.

Ihr Einsatz für den konstruktiven Holzbau ist eine Facette dieser Haltung, ihre Affinität zum Bauen im Bestand eine weitere. Pointner Pointner Architekten empfinden die Diskussion mit dem Bundesdenkmalamt als ebenso bereichernd wie die Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern. Die Gestaltung funktionstüchtiger, lebendiger Siedlungsräume ist ihnen ein Herzensanliegen. Insbesondere der historische Kern von Freistadt verdankt Helmut und Herbert Pointner neben dem anlässlich des Landesausstellungsjahres 2013 neu geordneten Hauptplatz eine Vielzahl revitalisierter historischer Bauten: von ihrem ersten, mit Christian Hackl und Josef Ullmann bearbeiteten Projekt, dem zum Kulturzentrum umgedeuteten Salzhof, über wiedergewonnene Wohngebäude wie das Haus am Böhmertor bis zur alten Lateinschule, in der nun neben Büros und Wohnungen auch das Freistädter Atelier der Pointner Pointner Architekten untergebracht ist. Helmut und Herbert Pointner werden heuer mit dem Kulturpreis des Landes Oberösterreich in der Sparte Architektur ausgezeichnet.

Spectrum, Fr., 2020.11.13



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Raiffeisenbank Freistadt, Um- und Zubau

31. Oktober 2020Romana Ring
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Lernen mit Ausblick

Urbanität im Zwischenraum: Auf dem Campus der Johannes Kepler Universität zeigt die Stadt Linz anhand zweier Erneuerungsprojekte, wie es aussieht, wenn Raum Bewegung inspiriert.

Urbanität im Zwischenraum: Auf dem Campus der Johannes Kepler Universität zeigt die Stadt Linz anhand zweier Erneuerungsprojekte, wie es aussieht, wenn Raum Bewegung inspiriert.

Kaum etwas hebt das Selbstwertgefühl einer Stadt so sehr wie das Bewusstsein, Universitätsstadt zu sein. Als solche ist die oberösterreichische Landeshauptstadt Linz recht jung. Die Gründung der Johannes Kepler Universität, kurz JKU, im Jahr 1962 hat ebenso wie die Präsenz der kleineren Universitäten viel dazu beigetragen, das Image der Stadt zu verändern: Aus der Industriestadt mit der schlechten Luft ist längst ein Ort mit einem breiten und häufig als erfrischend weltoffen empfundenen kulturellen Angebot geworden.

Aus städtebaulicher Sicht allerdings hat sich in Linz nach der gelungenen Anstrengung des Kulturhauptstadtjahres 2009 eine deutlich spürbare Behäbigkeit eingestellt, der die Weiterentwicklung des öffentlichen Raumes weniger wichtig zu sein scheint als die Zufriedenheit allfälliger Investoren.

Und wieder geht die JKU der Stadt mit nachahmenswertem Beispiel voran. Sie wurde in den 1960er-Jahren als Campus-Universität auf dem Areal des ehemaligen Schlosses Auhof errichtet. Die damals von einer Architektengruppe unter der Leitung von Artur Perotti geplanten Gebäude sprechen eine der Moderne verpflichtete Sprache, in der die wechselnden Moden der verstreichenden Jahrzehnte allerdings ihre Spuren hinterlassen haben.

Die mit dem Wachsen der Universität einhergehenden funktionellen Änderungen fordern mittlerweile ebenso ihren Tribut wie die heute völlig veränderte Sicht auf Themen wie Barrierefreiheit oder Umgang mit endlichen Ressourcen. Doch ist es die immer noch – oder endlich wieder? – spürbare Aufbruchstimmung der Universität, die in ihren gebauten Anlagen nach Ausdruck drängt. Der seit 2012 stetig wachsende, von Caramel entwickelte Science Park im Osten des Campus ist ein Kapitel für sich.

Rege Bautätigkeit ringsum

Seit 2015 ist Meinhard Lukas Rektor der JKU. Mit seinem Amtsantritt hat auch auf dem ursprünglichen Campusgelände rege Bautätigkeit eingesetzt. Das Architekturbüro Luger & Maul hat mit der Renovierung des Rektoratsgebäudes und mit der Errichtung des multifunktionalen Teichwerks den Anfang gemacht. Auch die von Luger & Maul geplante Sanierung des sogenannten Uni-Centers und des Keplergebäudes sind mittlerweile abgeschlossen, der Neubau des „Zirkus des Wissens“ im Hof des ehemaligen Schlosses Auhof steht kurz vor der Fertigstellung.

Rechtzeitig vor Beginn des Wintersemesters fertiggestellt wurde auch das große, seitens der Bundesimmobiliengesellschaft, kurz BIG, ausgeschriebene Erneuerungsprojekt für den Campus der JKU. Riepl Riepl Architekten haben den Architekturwettbewerb gewonnen und die Revitalisierung des Campusgeländes in Zusammenarbeit mit DnD Landschaftsplanung umgesetzt. Die veränderten Raumanforderungen der Universität werden von vier Gebäuden erfüllt. Davon sind zwei, das Open Innovation Center und das Somnium – wir haben an dieser Stelle bereits berichtet –, schon seit etwa einem Jahr in Betrieb. Die beiden anderen, der Neubau der Kepler Hall und der Erweiterungsbau der Bibliothek, wurden vor Kurzem eröffnet.

Zwischen diesen vier Häusern ist der Campus der JKU nun wieder als eine Gesamtheit aufgespannt, die den Freiräumen ebenso hohen Wert beimisst wie den Gebäuden. Viele seiner Qualitäten zeigt der Campus schon seit seiner Errichtung: die freie Mitte in Gestalt des historischen Teiches etwa, die mächtigen, ebenfalls aus dem Schlosspark erhaltenen Bäume und die Nähe der bewaldeten Hügel des Mühlviertels, an die das Universitätsareal im Norden grenzt. Es galt nur, sie unter den Schichten der Achtlosigkeit, die sich mit der Zeit eingestellt hat, freizulegen und aufs Neue in den Blick zu nehmen: das Dickicht vor dem Keplergebäude zu lichten, der Hauptachse davor eine Bresche nach Westen zu schlagen oder den Teich durch die Anlage eines schmalen Strandes zu würdigen. Riepl Riepl Architekten und DnD Landschaftsplanung haben Beläge, Bepflanzung, Beleuchtung und Möblierung der Freiräume überarbeitet und manche bisherige Brache des Geländes – häufig und mit Bedacht multifunktional – nutzbar gemacht.

Doch auch die Gebäude stehen nicht abgeschlossen für sich, sondern in lebhaftem Dialog mit dem Landschaftsraum. So schwebt der weiß glänzende Erweiterungsbau der Bibliothek an der nördlichen Kante des Campus hoch oben zwischen den Kronen der alten Bäume über dem von Riepl Riepl Architekten in seinem postmodernen Auftritt beruhigten Bestand. Von schlanken Stützen getragen, beschirmt er einen vielfältig nutzbaren Platz und ist zusätzlich zur barrierefreien Erschließung im Inneren des Gebäudes über eine geschwungene Freitreppe zu erreichen.

Die Treppe mündet in das begrünte Atrium im Zentrum des neuen Learning Centers. Mit seiner Vielfalt an unterschiedlichen Raumsituationen bietet es den Studierenden ein Lernumfeld, das neben dem stillen Studium der Bücher vor allem den lebhaften Austausch mit anderen ermöglicht. Der dank der umsichtigen, zusätzliche Beschattungsmaßnahmen obsolet machenden Planung der Fassaden ungehinderte Ausblick ins Grüne ist ein wichtiges Gestaltungselement des unter hohem Detailierungsaufwand „einfach“ gestalteten Learning Centers.

Mit der anstelle eines Parkplatzes errichteten Kepler Hall im Süden des Campusgeländes hat die Universität erstmals ein Eingangsgebäude bekommen, das gleichzeitig Informationsstelle, Aula und auch Standort des Universitätssportinstitutes ist. Die Architektur der Kepler Hall ist folglich beides: repräsentativ und robust. Ihr Betonsockel stellt einen lang gestreckt rechteckigen Platz in das Gelände. Er wird von einem mächtigen Dach, dessen Holzkassetten auf einer umlaufenden Reihe von Betonstützen ruhen, beschirmt. Die gläserne Hülle des Innenraums liegt hinter der Tragkonstruktion, sodass ein gedeckter Umgang und eine großzügige gedeckte Vorzone entstehen.

Empfang mit Informationsstelle

Das Innere der Kepler Hall wird von einem dem Haupteingang im Osten zugeordneten Erschließungskern aus Sichtbeton geteilt, der eine Empore trägt. Hier ist auch der Empfang der JKU mit der Informationsstelle untergebracht. Weiter im Westen erweitert sich der Raum nach unten zu einer multifunktionalen (Sport)Halle mit Zuschauertribünen. Die Konstruktion der Kepler Hall ist dunkel und tritt so hinter das Geschehen zurück, das sie umfängt. Raumhoch verglast lenkt die Hülle dieses Torgebäudes unseren Blick in die inspirierende Fülle von Frei- und Zwischenräumen, die den Charakter des Campus prägen.

Die JKU unter Rektor Meinhard Lukas und die BIG als Bauherrschaft haben es bewiesen: Architektur bringt das Kunststück zuwege, auch Banales in ein überzeugendes Ganzes zu betten. In ein Ganzes, das Kommunikation nicht zwangsläufig mit Konsum verbindet, in einen Raum, der Bewegung nicht eingrenzt, sondern inspiriert. Auf dem Campus der JKU zeigt Linz, wie es sein könnte. Wie praktisch ist es doch, Universitätsstadt zu sein!

Spectrum, Sa., 2020.10.31

12. September 2020Romana Ring
Spectrum

Robustes Gehäuse mit Grün

„Aus alt mach neu“ statt „Abreißen!“: Kann dieses Vorhaben gelingen? Es kann. Ein Beispiel: Hort und Kindergarten Hauderweg in Linz-Ebelsberg – Gebäude, die sich wie selbstverständlich in den Garten einfügen.

„Aus alt mach neu“ statt „Abreißen!“: Kann dieses Vorhaben gelingen? Es kann. Ein Beispiel: Hort und Kindergarten Hauderweg in Linz-Ebelsberg – Gebäude, die sich wie selbstverständlich in den Garten einfügen.

Architektur hält ewig. Leider trifft das auch auf Bauten zu, die man nicht als Werke der Baukunst bezeichnen würde. Was aber soll man mit Gebäuden tun, die noch einen guten Teil ihrer technischen Lebensdauer vor sich haben, während sie funktionell längst verschieden sind? Wie verhält man sich an einem Ort, der von Planungsentscheidungen geprägt ist, die man heute nicht mehr verstehen, geschweige denn vertreten kann? Richtig: Man macht das Beste aus der Situation. Und manchmal wird dieses Beste sogar richtig gut.

Als das in Linz ansässige Büro Mia2 Architektur eingeladen wurde, einen von der Bauherrschaft, der ILG Immobilien Linz GmbH, selbst erstellten Vorentwurf zur Sanierung einer Kinderbetreuungseinrichtung am Hauderweg im Linzer Stadtteil Ebelsberg weiterzuführen, fand es sich mit einem Bestandsgebäude aus dem Jahr 1990 konfrontiert, das mit drei sowohl im Grundriss als auch in der Dachausbildung abgeschrägten Körpern ins Auge sticht. Während ein weniger auffällig anmutender Trakt aus der unmittelbaren Nachkriegszeit weiter im Osten des Grundstückes abgebrochen werden musste, war der zweigeschoßige Westtrakt zu erhalten. Anstatt sich nun von den Fehlern der Vergangenheit möglichst weit zu distanzieren, hat sich Mia2 Architektur an die wesentlich schwierigere Aufgabe der Reparatur gemacht. Diese umfasst nicht allein die Sanierung des Westtraktes, dem das Architektenbüro mit einigen sparsam gesetzten Interventionen Tageslicht und die Funktionalität eines kindgerechten Umfeldes einhaucht. Während in dem als Kindergarten genutzten Gebäudeteil die Bauarbeiten noch im Gange sind, ist der im Osten anschließende Neubau des Hortes bereits fertiggestellt. Ihn hat Mia2 Architektur in einer Weise mit dem Vorgefundenen verknüpft, die über die physische Verbindung der beiden Trakte hinausgeht. So wurde der Beweis erbracht, dass auch baulich wenig geglückte Situationen durch die Einbindung in ein schlüssiges Gesamtkonzept doch deutlich verbessert werden können.

Der Neubau nimmt das Motiv der schrägen Schnitte in Grundriss und Dachform auf und nutzt den viel zu häufig eingesetzten Formalismus zur Verbesserung der neu geschaffenen Räume. Der Anschnitt des Bestandsgebäudes an der Straßenseite im Osten wird vom ebenfalls zweigeschoßig angelegten Neubau gespiegelt. So entsteht eine zurückgesetzte und somit geschützte, von einem Vordach beschirmte Eingangszone, die den Haupteingang des Horts und einen Nebeneingang des Kindergartens erschließt. Aus dem Übergang zum Hauderweg ergeben sich unregelmäßig fünfeckige Bodenfelder, deren additive Fortsetzung im Inneren des Hortes die Entstehung eines wie selbstverständlich fließenden Raumes begünstigt. Aus dieser in das Obergeschoß geöffneten und über runde Dachflächenfenster zusätzlich belichteten Halle gelangt man in die rechtwinkelig angelegten Hortgruppenräume. Die giebelige Dachlandschaft des Bestandes wiederum übersetzt Mia2 Architektur in mehrere parallel nebeneinander aufgereihte Satteldächer, die den winkelförmig an den Kindergarten geschobenen Hort abschließen. Da die Räume der Hybridkonstruktion aus Holz und Stahlbeton bis unter die keineswegs stereotyp gleich ausgebildeten Dächer reichen, ergibt sich aus dieser Faltung im Obergeschoß des Hortes eine abwechslungsreiche Raumlandschaft, deren Wirkung nicht dem Zufall, sondern sorgfältiger Planung geschuldet ist. Die Fähigkeit, Entwurfsentscheidungen nicht nur hinsichtlich ihrer Funktionalität, sondern auch mit Blick auf ihre räumlichen Folgen kritisch zu beurteilen, gehört zu den grundlegenden Voraussetzungen, unter denen Architektur überhaupt entstehen kann. Der Wille, diese Fähigkeit auch einzusetzen, wenn es dafür angesichts steigenden Arbeitsaufwandes bei gleichbleibendem Honorar keine pekuniären Anreize gibt, ist ebenfalls unerlässlich. Und nicht zuletzt bedarf es einer Bauherrschaft, die im Vertrauen auf die Kompetenz des von ihnen beauftragten Architekturbüros die Planung umsetzen lässt. Dann hat man sich ein Ergebnis wie die Kinderbetreuungseinrichtung am Hauderweg redlich verdient.

Nutznießer sind neben der Stadt in erster Linie die Kinder und das Betreuungspersonal; sie verbringen ja einen großen Teil ihres Lebens in diesen Räumen. Der bereits fertiggestellte Hort empfängt sie mit einem hellen, multifunktionalen, über die gesamte Gebäudehöhe offenen Eingangsbereich, der dank großzügiger Verglasungen mit dem Grünraum in Verbindung steht. Auch die Gruppenräume wenden sich mit großen Fensterelementen nach draußen. Sie werden allerdings durch schmale Zwischenbereiche von den Erschließungsflächen getrennt. In diesen etwas niedrigeren Zonen finden sich neben Stauräumen und Teeküchen Bereiche, die mit teppichbelegten Sitzstufen zum Rückzug einladen. So entsteht ein gewisses Maß an Konzentration und Intimität, ein Gefühl der Verbundenheit mit der jeweiligen Gruppe, wenngleich überall im Haus die Qualität des zusammenhängenden Ganzen spürbar bleibt.

Auch das Mobiliar des Hortes wurde von Mia2 Architektur entwickelt oder ausgesucht. Neben der daraus gewonnenen Ordnung der Räume, die sich etwa auf die diskrete Leitungsführung der haustechnischen Anlagen erstreckt, ist es der kluge Umgang mit Licht, Material und Farbe, der das Haus zu einem Ort macht, in dem man gerne lernt, spielt oder arbeitet. Die Räume sind hell, aber ihre Oberflächen blenden nicht; der Baustoff Holz wird gezeigt, aber bleibt im Hintergrund; die Farben sind sanft und sorgsam aufeinander abgestimmt. Selbst den rötlich braunen Ton der mit Hanf gedämmten verputzten Fassade hat Mia2 Architektur aus der Färbung des vorgefundenen Daches abgeleitet, die nun als Zeichen erdiger Naturverbundenheit gelesen werden kann. So wird das Haus in seiner augenzwinkernd verspielten Körperhaftigkeit zu einem Teil des Gartens, aus dem es sich erhebt. Alte Bäume und vorsichtig in die Topografie eingefügte Bereiche mit Spielgeräten, einem Sandhaufen oder einem Rodelhügel halten die Freibereiche in austarierter Balance zwischen „natürlicher“ Anmutung und vielfältiger Nutzbarkeit. Es ist nicht leicht zu erklären, wo Architektur beginnt. In der Kinderbetreuungseinrichtung Hauderweg jedenfalls lässt sie sich schon in jungen Jahren als ebenso robustes wie inspirierendes Gehäuse des Alltags erleben.

Spectrum, Sa., 2020.09.12



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Hort und Kindergarten Hauderweg

08. August 2020Romana Ring
Spectrum

Schienen zum Himmel

Der neu gefasste Teil des denkmalgeschützten Winklerbaus in Linz konnte gerade noch vor der großen Sperrstunde eröffnet werden. Der kulturelle Wert der historischen Konstruktion wurde gewahrt, eingezogen ist der Auftraggeber – ein Geldinstitut.

Der neu gefasste Teil des denkmalgeschützten Winklerbaus in Linz konnte gerade noch vor der großen Sperrstunde eröffnet werden. Der kulturelle Wert der historischen Konstruktion wurde gewahrt, eingezogen ist der Auftraggeber – ein Geldinstitut.

Was erwarten wir von einer Stadt? Dichte, Vielfalt, Innovation, Wirtschaft, Kultur . . . Die Idee der Stadt ist jahrtausendealt. Dementsprechend lang wäre eine Liste der Begriffe, die man mit ihr in Verbindung bringt. Mindestens so ergiebig ist die Frage, wie man Städte richtig baut. Die täglichen Staumeldungen aus den Einfallstraßen, Leerstände in ehemals besten Lagen oder Viertel, in die sich die Polizei nicht mehr hineinwagt, legen nahe, dass wir zuletzt nicht immer die richtigen Antworten gefunden haben. Stadt ist Veränderung. Wir bauen weiter, was im Lauf der Jahrhunderte entstanden ist. Wenn wir klug sind, gelingt es uns dabei, einmal geschaffene Qualität nicht zu zerstören.

Der Linzer Architekt Hans Feichtlbauer hat in den Jahren 1931/32 in der Linzer Landstraße Nummer 15 ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet, das mit kraftvoller Plastizität die Flucht der Nachbarhäuser fortsetzt und der Stadt gleichzeitig eine über den Straßenraum hinausreichende Tiefe verleiht. Somit gehört der nach seinen Bauherren benannte Winklerbau zu jenen städtebaulichen Glücksfällen, die eine durchaus intensive Nutzung ihres Bauplatzes mit der gestalterischen Bereicherung des Stadtraumes verbinden. Seine südwestliche Stirnseite hält der Winklerbau mit einem nur dreigeschoßig ausgebildeten Baukörper besetzt, der durch über Eck geführte Fensterbänder in den beiden Obergeschoßen der Einmündung der Bethlehemstraße in die Landstraße Raum und Ansehen gibt.

Dieses Kopfgebäude des Winklerbaus hat nun die Raiffeisen Landesbank Oberösterreich zu ihrem baulichen Flaggschiff gemacht. Hertl.Architekten aus Steyr haben als Gewinner eines geladenen Architekturwettbewerbes den Umbau des Gebäudes geplant, der im März, gerade noch vor der großen Sperrstunde, eröffnet werden konnte. Dem Straßenraum wendet der denkmalgeschützte Winklerbau nach der Reparatur einiger früherer Eingriffe ein vertrautes Antlitz zu. Die Kastenfenster der Obergeschoße wurden unter Wahrung ihrer ursprünglichen Erscheinung bauphysikalisch an heutige Vorgaben angepasst, dem zu großflächigen Auslagen aufgerissenen Erdgeschoss sein verputztes horizontales Fassadenband zurückgegeben. Die bis zum Boden reichende Verglasung darunter wahrt nun dank ihrer den Rhythmus der historischen Fenster aufgreifenden Sprossen wieder den Charakter einer zwar durchlässigen, aber ernst zu nehmenden Gebäudehülle.

Offenheit, Transparenz und Blickbeziehung sind Begriffe, die der Bauherrschaft im Zusammenhang mit der Gestaltung ihres Hauses am Herzen lagen. Der Entwurf von Hertl.Architekten entspricht dem Wunsch nach lebendiger Kommunikation innerhalb des Gebäudes und nach Präsenz des Unternehmens im öffentlichen Raum, ohne jene Leistungen zu vernachlässigen, die man von einem Bankhaus jedenfalls erwartet: Sicherheit und Diskretion. Dabei kommt der klugen Nutzung des Bestandes besondere Bedeutung zu. Das dreigeschoßige Kopfgebäude des Winklerbaus gilt als erster Eisenbeton-Skelettbau der Stadt, seine Decken ruhen auf massiven Betonpfeilern. Durch das Öffnen der beiden mittleren der zwölf dreischiffig angeordneten, annähernd quadratischen Deckenfelder stehen nun alle Ebenen des Hauses in Verbindung zueinander. Betritt man von der Landstraße her kommend die Bank in der Mittelachse des Ecktraktes, reicht der Blick weit in die Höhe und Tiefe des Gebäudes. Die Wand linker Hand – das nördliche Drittel wird im Erdgeschoß von einem anderen Unternehmen genutzt – ist mit Moosfeldern begrünt. Im Hintergrund ragt ein massiver, an seiner Stirnseite von fließendem Wasser verkleideter Körper, der Liftschacht, in die Höhe. Aufmerksamkeit und Emotion werden somit nicht ausschließlich über Werbegrafik und Bildschirme generiert. Von oben fällt Sonnenlicht in die Halle, denn Hertl.Architekten haben im zweiten Stock, nach Westen zur Landstraße hin, ein begrüntes Atrium aus der Kubatur des Hauses geschnitten.

Wir haben es also mit einem Denkansatz zu tun, der weniger an der Maximierung der Nutzfläche denn an der optimalen Nutzung des Volumens interessiert ist. Dieses Konzept geht auf: Mögen die unterschiedlichen Funktionsbereiche hier auch dichter gepackt sein als anderswo, so erhält doch jeder Raum neben den unmittelbar auf seine Bestimmung abgestellten Eigenschaften die Qualität der Großzügigkeit. Von ihr profitieren Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen, nicht zuletzt durch den erleichterten Kontakt zwischen den beiden Gruppen, zu dem die Architektur hier animiert. Einen prominenten Platz in dem zu Geschäftszeiten um den Selbstbedienungsbereich vergrößerten Foyer nimmt ein Informationsstützpunkt ein, der die Firmenfarbe Gelb in der von Weiß und lichtem Grau geprägten Stimmung mit freundlicher Selbstverständlichkeit trägt. Daneben liegen, textil gedämpft und durch grün bedruckte Gläser vom Straßenraum abgeschirmt, Kojen zur diskreten Abwicklung von Bankgeschäften. Zum Höchstmaß gesteigert wird das Gefühl der Sicherheit in dem Raum gleich neben dem Eingang, aus dem man mit dem Banksafe im Keller in Verbindung tritt. In den Büros und Besprechungsräumen der über den Lift oder das nahezu unverändert belassene Stiegenhaus erreichbaren Obergeschoße schwingt das Pendel der Stimmung wieder in Richtung Kommunikation und Transparenz. So wird die Bankstelle als Gesamtheit zum hellen Gehäuse professioneller Geschäftigkeit, das über die Fensterbänder und das Atrium mit dem Stadtraum in Beziehung steht.

Nur wenige Schritte vom Winklerbau entfernt öffnet sich an der Adresse Promenade 14 eine schmale Passage, die wesentlich mehr Urbanität ausstrahlt, als es neuere, von poliertem Stein und buntem Licht erstrahlende Geschäftsstrecken vermögen. Schaufenster und die Öffnung in das eine oder andere kleine Lokal machen den Weg, der nach Norden bis zum Hauptplatz führt, kurzweilig und interessant. Doch auch in dieser jüngst renovierten Passage ist es der Blick nach oben, der dem Raum seine Qualität verleiht. Drei rechteckige Glasdächer geben ihm Rhythmus und erhellen ihn mit Tageslicht. Der in Wien ansässige Bauingenieur Karlheinz Wagner hat den kulturellen Wert ihrer historischen Konstruktion erkannt und sie in Zusammenarbeit mit einem von ähnlicher Liebe zur Technikgeschichte beseelten Schlosser vor der Zerstörung gerettet. Die Unterkonstruktion der Dächer besteht aus Eisenbahnschienen, die Sprossenprofile aus erfinderisch gekanteten Blechen. In akribischer Handarbeit vom Rost befreit, gereinigt und wieder zusammengebaut, hat die Konstruktion in experimentellen Lastversuchen ihre Tragfähigkeit ebenso unter Beweis gestellt wie die Haltbarkeit eines nach wie vor empfehlenswerten ästhetischen Konzepts: dem effizienten Einsatz verfügbaren Materials mit festem Blick auf seine bestmögliche Form.

Spectrum, Sa., 2020.08.08

26. Juni 2020Romana Ring
Spectrum

Mehr Dorf!

Was braucht es, um ländliche Abwanderung zu reduzieren? Glasfaserinternet, eine echte Raumordnung – und die Dorfgemeinschaft. Für die Weiterentwicklung Letzterer ließ die Gemeinde Leisach, Osttirol, benötigte Räume nachhaltig und umsichtig errichten – in einem neuen Gemeindehaus.

Was braucht es, um ländliche Abwanderung zu reduzieren? Glasfaserinternet, eine echte Raumordnung – und die Dorfgemeinschaft. Für die Weiterentwicklung Letzterer ließ die Gemeinde Leisach, Osttirol, benötigte Räume nachhaltig und umsichtig errichten – in einem neuen Gemeindehaus.

Es klingt ein wenig antiquiert, wie es Heinrich Hübsch, Architekt, Hochschulprofessor und großherzoglich badischer Beamter, im Titel seiner 1828 veröffentlichten Schrift formuliert hat: „In welchem Style sollen wir bauen?“ Dennoch: Heute, da technisch alles möglich und gestalterisch alles erlaubt ist, ist die Frage nach dem „richtigen“ Bauen womöglich noch schwerer zu beantworten. Die Ansätze, die Architekturtheoretiker seit der Antike dazu entwickelt haben, sind höchst unterschiedlich. Sie haben aber auch vieles gemeinsam. Funktionalität, Konstruktion, Material, Proportion, Schönheit sind Fixsterne am Firmament der europäischen Baukunst.

Allerdings sind die Sterne auch in klaren Nächten nicht überall gleich gut sichtbar. An Lichtquellen, neben denen sie verblassen, herrscht bei uns kein Mangel. So ist ein kleines Dorf in Osttirol vielleicht der richtige Ort, um über angemessenes zeitgenössisches Bauen nachzudenken. Die 700-Seelen-Gemeinde Leisach liegt am südwestlichen Ausgang des Lienzer Talbodens unweit der Lienzer Klause, wo Tiroler Freiheitskämpfer 1806 eine aus dem Süden heranrückende napoleonische Übermacht am Weitermarsch durch das Pustertal hindern konnten. Als Revanche für den Widerstand ließ der französische General vor seinem Abzug noch zehn Dörfer, darunter Leisach, niederbrennen. Man steht hier also auf geschichtsträchtigem Boden. Leisach ist aber auch eine moderne, wirtschaftlich und kulturell funktionstüchtige Gemeinde, die mit den gleichen Problemen kämpft wie fast jede Landgemeinde Österreichs außerhalb der stetig wachsenden Speckgürtels: vor allem mit der Abwanderung der Jungen, Gebildeten in die Ballungsräume mit ihren attraktiven Arbeits-, Freizeit- und Konsumangeboten. In Leisach bleibt man optimistisch. Man hofft auf den oft versprochenen Anschluss an das Internet per Glasfaser, man schmiedet Allianzen mit Nachbargemeinden, um eine Raumordnung zu verwirklichen, die den Namen verdient. Und man pflegt die Dorfgemeinschaft, indem man ihr die Räume zur Verfügung stellt, die sie für ihre Weiterentwicklung braucht.

Nach einem moderierten Diskussionsprozess kam man vor fünf Jahren überein, einen baufälligen Hof nächst der Pfarrkirche abzubrechen und durch einen Neubau zu ersetzen. Ein Gutachterverfahren zur Vergabe der Planung brachte die Entscheidung für die im oberösterreichischen Neumarkt im Mühlkreis ansässigen Schneider & Lengauer Architekten. 2017 wurde das Gemeindehaus Leisach fertiggestellt, das nun neben dem Gemeindeamt die Administration der Pfarre, einen Mehrzwecksaal sowie Proberäume für den Singkreis und die Musikkapelle beherbergt. Dass sich der Neubau trotz des umfangreichen Raumprogramms mit großer Selbstverständlichkeit in den Kern des Dorfes fügt, ist zunächst der Entscheidung zu verdanken, sein Volumen in zwei Körper aufzuteilen, die mit einem Erschließungskörper verbunden sind. Die fast beiläufige Unaufdringlichkeit des Gemeindehauses ist allerdings auch einer mutigen Entwurfsentscheidung geschuldet: Schneider & Lengauer Architekten haben die Gestaltungselemente des Gebäudes bewusst aus dem Fundus gewählt, den das Umfeld bietet. Massive verputzte Lochfassade, Satteldach mit moderatem Dachvorsprung, rechteckige Holzfenster. Keine Ironie, keine Symbolik, keine Abstraktion. So baut man, wenn man sich traut, Normalität pur. Nur wer genauer hinschaut, erkennt, dass hier ebenso versierte wie sensible Gestalter am Werk waren, die sich jedes Details angenommen haben. Von außen betrachtet sind es wohl die Fenster, deren unregelmäßige Setzung und Teilung in einen breiten und einen auffallend schmalen Flügel nicht den Sehgewohnheiten entsprechen. Doch auch wenn sie jenes Salzkörnchen sein mögen, das dem Ganzen subtile Würze verleiht, ist ihre Lage und Form an jeder Stelle ihrer Funktionalität geschuldet.

Betritt man das Gemeindehaus durch den Haupteingang über den Platz kommend, verstärkt sich der Eindruck, es mit einem Gebäude zu tun zu haben, das andere als die geläufigen Qualitätsmaßstäbe setzt. „Gediegenheit“ ist ein Ausdruck, der sich angesichts der weiß verputzten Mauern, des warmen Farbtons des Holzes und der hellgrünen Natursteinböden anbietet. Als Bauherrschaft hat sich die Gemeinde hier Verdienste erworben, deren Bedeutung für die Entstehung qualitätsvoller Architektur gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann: Einer der wichtigsten Beschlüsse des Gemeinderates im Zusammenhang mit dem Neubau war jener, sich bei der Ausschreibung der einzelnen Gewerke zu hochwertigen heimischen Baustoffen und regionaler Wertschöpfung zu bekennen.

So erhebt sich das Gemeindehaus Leisach nun mit drei monolithisch gemauerten Geschoßen aus dem nach Osten abfallenden Gelände. Den Platz an der Hangoberseite flankiert es mit einem Geschoß. Hier findet sich rechts vom Haupteingang der große Mehrzwecksaal mit einem ebenfalls vom Platz her zugänglichen Nebenraum. Sein Volumen reicht bis unter das Satteldach, die Wände sind mit Lärchenholz verkleidet. Drei Fenster schauen ins Tal, ein aus fünf Fenstern zusammengesetztes Band richtet den Blick nach Süden, in den Ort. Die Landschaft ist in allen Räumen als Gestaltungselement präsent. Links vom Haupteingang sind die Büros des Gemeindeamtes um einen Nebenraumkern angeordnet. Auch hier haben Schneider & Lengauer Architekten unter Verwendung von weißem Putz, grünem Travertin und rötlichem Lärchenholz eine Folge von Räumen komponiert, die zeigen, dass Funktionalität und Schlichtheit keineswegs um den Preis gestalterischer Banalität erkauft werden müssen.

Folgt man der einläufigen Treppe im gläsern zum Tal hin geöffneten Erschließungstrakt ein Geschoß nach unten, gelangt man zu den Räumen der Pfarre und einem Sitzungszimmer. Auf dieser Ebene stellt ein an der Hangkante entlang geführter Steg die Verbindung zum Pfarrheim her. Vom Stiegenpodest aus fällt der Blick über eine Verglasung hinunter in den zweigeschoßigen Proberaum der Musikkapelle, der dank seines Volumens sehr gute akustische Eigenschaften aufweist. Er liegt wie der Proberaum des Singkreises auf der untersten Ebene des Gemeindehauses, die im Sinne der für die Anlage charakteristischen Alltagstauglichkeit über einen Eingang von der talseitigen Straße her zugänglich ist.

Spectrum, Fr., 2020.06.26



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Gemeindehaus Leisach

29. Mai 2020Romana Ring
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Schindeln zum Angreifen

Das Bezirksalten- und Pflegeheim Gaspoltshofen in Oberösterreich feiert sein zehnjähriges Bestehen. Gelegenheit, eine Antwort auf die Frage nach der Haltbarkeit seines Baukonzepts zu suchen: der Holz-Hybridbauweise.

Das Bezirksalten- und Pflegeheim Gaspoltshofen in Oberösterreich feiert sein zehnjähriges Bestehen. Gelegenheit, eine Antwort auf die Frage nach der Haltbarkeit seines Baukonzepts zu suchen: der Holz-Hybridbauweise.

Das Bezirksalten- und Pflegeheim Gaspoltshofen ist in die Jahre gekommen. Nach den Plänen der in Vöcklabruck ansässigen Architekten Gärtner + Neururer als konstruktiver Holzbau errichtet, feiert es bald sein zehnjähriges Bestehen. Ein Jahrzehnt mag im Lebenszyklus eines Gebäudes kein allzu langer Zeitraum sein. Um die Frage nach der Haltbarkeit eines Konzepts mit Blick in die Zukunft beantworten zu können, reicht es allerdings aus.

Hinterfragen wir die Nachhaltigkeit der Anlage zunächst aus der Perspektive des Städtebaus, war es klug, einen Bauplatz im Zentrum von Gaspoltshofen zu wählen. In Zeiten der Ausgangssperre ist den Bewohnerinnen und Bewohnern wenigstens der Ausblick in das ihnen vertraute Umfeld geblieben. Auch die Teilung der fast 7000 Quadratmeter großen Nutzfläche auf drei Baukörper, die sich mit drei Obergeschoßen über einem verbindenden Sockelgeschoß erheben, hat sich als richtig erwiesen. So entspricht die Anlage ungeachtet ihrer Größe in Volumen und Ausrichtung dem Maßstab des von kleinen Wohnhäusern geprägten Umfeldes. Die mit der Gliederung erreichte Zonierung der Freiflächen in sorgfältig gestaltete Grünräume und die Entflechtung der Wege und Zugänge haben sich bewährt.

Unverwüstlich ist auch die innere Organisation des Alten- und Pflegeheims. Mit der Dreiteilung der Anlage ist es Gärtner + Neururer gelungen, unmittelbare Präsenz und kurze Wege des Pflegepersonals mit überschaubaren Strukturen für die Bewohner zu verknüpfen. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Flügel erleichtert ihnen die Orientierung im Haus, während die der jeweiligen Gruppe zugeordneten Gemeinschaftsräume eine selbstbestimmte Kontaktpflege ermöglichen. Das von Martina Schürz-Neururer entwickelte Konzept verschiedenfärbiger, jeweils zwei Zimmereingänge zusammenfassender Wandmuster verstärkt für die Bewohner das Gefühl, im Heim „daheim“ zu sein. Die Unterteilung der Zimmer in mehrere Wohngruppen und deren Betreuung durch zentral gelegene Pflegestützpunkte sind für die Alten- und Pflegeheime Oberösterreichs mittlerweile Standard geworden. Das Abbilden dieses organisatorisch und menschlich bewährten Konzepts im Auftritt nach außen wird jedoch mittlerweile als unbezahlbar eingestuft, zum städtebaulichen Schaden der kleinen Landgemeinden.

Stellen wir nun die Frage, welchen Grad an Nachhaltigkeit die Entscheidung zum Holzbau, genauer: zur Holz-Hybridbauweise, mit sich gebracht hat. Das Sockelgeschoß steckt zu einem großen Teil im Erdreich und wurde deshalb aus Stahlbeton errichtet. Dass auch die Erschließungsbereiche in den Obergeschoßen Stahlbetonkonstruktionen sind, ist den Vorbehalten der Brandschutzbehörde geschuldet, die vor zehn Jahren noch als unüberwindlich galten. Die Aufenthalts- und Wohnbereiche jedoch werden von Massivholzwänden und -decken umschlossen, von einem Baustoff also, der wie kaum ein anderer für Nachhaltigkeit steht. Zweifellos verbraucht die Verwandlung eines Baumstamms in eine wie immer geartete Holzkonstruktion geringere Ressourcen als die Herstellung einer entsprechenden Konstruktion aus Stahlbeton. Je weniger weit das Holz gereist ist, desto günstiger fällt der Vergleich aus.

Im Alten- und Pflegeheim Gaspoltshofen finden sich etwa 2000 Kubikmeter verbauten Holzes. Da in Österreich etwa 30 Millionen Kubikmeter Holz im Jahr nachwachsen, ist das Ausgangsmaterial für das Heim in etwas mehr als einer halben Stunde entstanden, und das möglicherweise sogar in der Nachbarschaft. Die ausführende Firma jedenfalls liegt keine zwölf Kilometer von Gaspoltshofen entfernt.

Die Tatsache, dass jeder Baum, dessen Holz verbaut und nicht verbrannt wird, einem neuen Baum Platz macht, der wiederum – sofern Klimawandel und Borkenkäfer nicht dazwischenfahren – die gleiche Menge CO2 speichern wird, trägt ebenfalls zum „grünen“ Image des Baustoffes Holz bei. Wie haltbar aber ist das Material? Grundsätzlich hat Holz im Zusammenspiel von Druck- und Zugfestigkeit, Gewicht und Wärmeleitfähigkeit bessere Werte als jeder andere Baustoff. Auch sein Brandverhalten kann zu einem Vorteil werden: Holz schmilzt nicht und tropft nicht, Holzkonstruktionen versagen nicht plötzlich, ihre Tragfähigkeit bleibt berechenbar. Doch nicht nur Feuer, auch Feuchtigkeit, Pilze, tierische Schädlinge und die UV-Strahlung können dem Holz zusetzen. Um die Lebensdauer eines Holzgebäudes ohne den Einsatz giftiger Substanzen zu verlängern, muss man etwas von konstruktivem Holzschutz verstehen. Auf diesem Gebiet stellen mitunter jahrhundertealte traditionell errichtete Holzbauten ein Wissensarchiv unschätzbaren Wertes dar.

Sie weisen uns den Weg zu einer Wertschätzung des Gebauten, ohne die „Nachhaltigkeit“ eine leere Worthülse bleibt. Sie führen uns zu einer Haltung, die dem Glaubenssatz einer vom Konsum getriebenen Gesellschaft – „Neu ist schön“ – widerspricht; die akzeptiert, dass Zeit das Aussehen der Dinge verändert; die Reparatur der Zerstörung vorzieht; die weiß, dass man auch an das Ende denken muss. Hinsichtlich der Errichtungskosten kann eine hinterlüftete Holzfassade mit einem verputzten Vollwärmeschutz nicht konkurrieren. Bürdet man die Kosten für die dereinstige Entsorgung aber nicht einfach nachfolgenden Generationen auf, ist eine Konstruktion aus sauber trennbaren Elementen auch aus Kostengründen den fest zu Sondermüll verklebten Schichten vorzuziehen.

Gerade die sichtbare Veränderung des Holzes unter dem Einfluss von Sonneneinstrahlung, Temperatur oder Luftfeuchtigkeit spricht unsere Sinne ebenso an wie seine gewachsenen Unregelmäßigkeiten. Mit konisch ausgeformten, hellfarbig ausgekleideten Fensterleibungen setzen Gärtner + Neururer die Verwitterung des Holzes als Gestaltungsmittel ein. Auch im Inneren des Hauses nutzen sie die sinnliche Wirkung des Holzes mit Bedacht: für Menschen, die das Riechen und Berühren einer mit Holzschindeln belegten Wand, das langsame Wandern des Blicks über die Maserung einer Holzdecke mit dem Leben verbinden, auch wenn dieses zu einem großen Teil bereits hinter ihnen liegen mag.

Die Architekten Gärtner + Neururer haben zwanzig Altenheime, alle als Gewinner vorgeschalteter Architekturwettbewerbe, geplant. Auf diese Aufgabe fokussiert ist das Büro dennoch nicht. Auch als Holzbauspezialisten möchte es sich nicht bezeichnen, obwohl es vor Kurzem in Kufstein eine Krankenpflegeschule aus Holz fertiggestellt hat und hofft, den zuletzt gewonnenen Wettbewerb, das Gemeindezentrum in Sankt Aegidi, ebenfalls aus Holz zu bauen. Wird der Holzbau den Klimawandel stoppen, die Welt retten können? Wenn er mehr bietet als eine sparsame CO2-Bilanz, wenn er Ort und Nutzer wichtig nimmt, kurzum: wenn Architektur im Spiel ist, wird der Versuch jedenfalls von Nutzen sein.

Spectrum, Fr., 2020.05.29



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Bezirksalten- und Pflegeheim Gaspoltshofen

01. Februar 2020Romana Ring
Spectrum

Guter Grund am Abhang

Ein Kindergarten als Impulsgeber für den Ortskern: Als nach außen ruhig und einfach, in seinem Inneren aber sehr komplex gibt sich der neue Gemeindekindergarten in Schlierbach, Oberösterreich.

Ein Kindergarten als Impulsgeber für den Ortskern: Als nach außen ruhig und einfach, in seinem Inneren aber sehr komplex gibt sich der neue Gemeindekindergarten in Schlierbach, Oberösterreich.

Welche Bilder sehen Sie vor sich, wenn Sie „ländlicher Raum“ denken? Fruchtbares Grünland oder überdüngten Boden? Ein idyllisches Dorf oder einen verlassenen Ortskern? Eine liebliche Landschaft oder den Speckgürtel der Großstadt? Ländlicher Raum ist von allem etwas. Vor allem aber ist er ungeachtet des Booms der Großstädte nach wie vor jener Raum, den etwa die Hälfte der Bevölkerung Österreichs Heimat nennt. Ein Alltagsraum, in dem man wohnt, arbeitet und einkauft. Wo man die Kinder großzieht, die Tante Hanni betreut und sich bei der Feuerwehr engagiert, bei der Musik oder im Verschönerungsverein. Man kennt einander. Man kennt auch die Probleme und bemüht sich um Lösungen. Die Folgen einer über Jahrzehnte verkorksten Raumordnung lassen sich zwar nicht über Nacht korrigieren; doch viele Fehler, die man vor ein paar Jahren noch begangen hätte, hat man zu vermeiden gelernt.

In Schlierbach im oberösterreichischen Traunviertel etwa war die Wahl des Bauplatzes für den kürzlich fertiggestellten Neubau des Gemeindekindergartens an der Fürstenhagenstraße nicht unumstritten. Es gab starke Stimmen, die seiner Errichtung „auf der grünen Wiese“ den Vorzug gegeben hätten. Es war Überzeugungsarbeit notwendig, um diese auf den ersten Blick einfachere und billigere Wahl abzuwenden. Aus Sicht der Schlierbacher Bürgermeisterin, Katharina Seebacher, hat sich der Diskussionsprozess gelohnt: Der Kindergarten ist dem Ortskern als wichtiger Impulsgeber erhalten geblieben. Die zu Beginn der Diskussion noch fehlende Vorstellung, wie man dem steil geneigten Abhang eine räumlich ansprechende, barrierefreie Anlage abgewinnen kann, hat die Architektur ergänzt. Eine von Wolf Architektur (Grieskirchen) und Architekt Kienesberger (Wels) gebildete Arbeitsgemeinschaft hat den Architekturwettbewerb zum Neubau des Kindergartens für sich entschieden und wurde mit der Generalplanung beauftragt.

Wolf Architektur/Kienesberger setzten einen geometrisch sehr einfach anmutenden zweigeschoßigen, von einem Satteldach abgeschlossenen Körper so an eine Geländekante, dass seine beiden Ebenen direkt an das Terrain angebunden sind. Die vom schlichten Umriss ausgesendete, leicht lesbare Botschaft „Haus“ ist dem Wunsch der Architekten geschuldet, nichts Ortsfremdes in das zwischen den öffentlichen Gebäuden oben am Hang und den Siedlungshäusern weiter unten aufgespannte Umfeld zu setzen. Es versteht sich von selbst, dass die aus Freiraum wie aus Gebäude komponierte Anlage ruhig und einfach wirkt, aber als Ergebnis einer Vielzahl verschränkter Erzählstränge eine komplexe Angelegenheit ist.

An erster Stelle nach der getroffenen Standortwahl standen die Überlegungen zum reibungslosen Ineinandergreifen der vielfältigen Anforderungen an das Haus: Die Räume müssen auf die Körpergröße und die Fähigkeiten kleiner, im Bereich der Krabbelstube sehr kleiner Kinder abgestimmt sein. Gleichzeitig sind die Bedürfnisse der Pädagogen zu berücksichtigen, die sich etwa mit den allseits beliebten, für sie leider nur auf allen vieren betretbaren Spielhäuschen schwertun. Es soll gespielt, gelernt, gekocht, gegessen und geschlafen werden. Am zeitlich individuell gestaffelten Ende des Tages ist eine geordnete Übergabe der Kinder an die Eltern zu organisieren. Feste wollen gefeiert werden, allerlei Administratives ist auch zu erledigen. Nicht zuletzt muss man jederzeit draußen spielen, aber hurtig das WC aufsuchen können, ohne Schmutz ins Haus zu tragen. Inspiration, Freiraum und Geborgenheit sind ebenso wichtig wie Sicherheit, Hygiene und Kontrolle.

Wolf Architektur/Kienesberger haben die beiden Geschoße zweihüftig angelegt. Der Kindergarten wird auf seiner unteren Ebene an der Westseite von der ruhigen Fürstenhagenstraße und über einen neuen, von der Anhöhe vor dem Stift herabführenden Fußweg erschlossen. Der Haupteingang befindet sich in einem witterungsgeschützten Einschnitt und führt über einen Windfang direkt in den zentralen Erschließungsbereich. Gleich beim Eintreten fällt der Blick in einen Spielhof, der den Gang mit Tageslicht erfüllt. Der Hof belichtet auch den multifunktionalen Raum, in dem die Kinder ihr Mittagessen einnehmen, auf der einen und den Ruhe- und Bewegungsraum auf der anderen Stirnseite des Hauses. Straßenseitig sind links vom Haupteingang die Räume der Krabbelstube untergebracht. Rechts davon reihen sich zunächst das Zimmer der Leiterin, der Personalraum und ein Gruppenraum aneinander. Im Obergeschoß finden sich drei Gruppenräume, die einen Ruhe- und Bewegungsraum in die Mitte nehmen und an der Nordostecke des Hauses von einer großen überdachten Terrasse ergänzt werden. Den Gruppenräumen in beiden Geschoßen sind ebenfalls gedeckte Terrassen vorgelagert, über die man in den Garten gelangt. Spätestens hier verwandelt sich die anspruchsvolle Topografie des Bauplatzes vom Kosten- in einen nicht zu unterschätzenden Gestaltungsfaktor.

Der Bewegung, die aus der Geländeformation in die Anlage hineinwirkt, haben Wolf Architektur/Kienesberger mit einer überaus disziplinierten Ausformung des Gebäudes geantwortet. Dem Außenraum wendet das Haus homogen wirkende Flächen zu, die zwar von Öffnungen und Rücksprüngen strukturiert werden, ihren Zusammenhalt jedoch nicht verlieren. Der souveräne Umgang mit dem Baustoff Holz, im Außenauftritt durch die vertikal gegliederte Fassade aus sägerauem Lärchenholz prominent gezeigt, im Inneren des Kindergartens mit den Böden, den Glasportalen, dem eigens entwickelten Mobiliar und der Untersicht des Satteldaches präsent, beweist, dass eine ökologisch verantwortungsbewusste Haltung in der Wahl der Technologien ohne Einbußen an Eleganz möglich ist. Der Gemeindekindergarten in Schlierbach ist zweifellos funktionstüchtig, robust und wirtschaftlich; er fügt sich nahezu lautlos in sein Umfeld. Doch gerade im Leisen, Unaufgeregten, Sanften liegt die im Wortsinn feine Grenze zur Baukultur.

Mit den Zielen der Nachhaltigkeit geht Baukultur fast selbstverständlich Hand in Hand. Sie gedeiht im Grunde überall, jedoch nur unter günstigen klimatischen Bedingungen. Sie erfordert Mut und Sensibilität, Pioniergeist, Beharrungsvermögen und einen weiten Horizont. Auch sie gehört zum Bild des ländlichen Raums.

Spectrum, Sa., 2020.02.01



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Kindergarten Schlierbach

12. Oktober 2019Romana Ring
Spectrum

So viel Freiraum muss sein

Auf dem Campus der Johannes-Kepler-Universität wird fleißig renoviert und adaptiert. Mit dem Innovationszentrum des Linzer Institute of Technology bietet sich ein Raumgefüge, das alles tut, was Raum tun kann, um die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern.

Auf dem Campus der Johannes-Kepler-Universität wird fleißig renoviert und adaptiert. Mit dem Innovationszentrum des Linzer Institute of Technology bietet sich ein Raumgefüge, das alles tut, was Raum tun kann, um die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern.

Die Johannes-Kepler-Universität am nordöstlichen Rand von Linz ist eine Welt für sich. Der Universitätscampus wurde 1966 auf dem Gelände des einstigen, nun als Rektoratsgebäude dienenden Schlosses Auhof angelegt und spricht die Sprache seiner Entstehungszeit: Moderne und Funktionalismus bejahend und klug genug, den städtebaulichen Wert einer freien Mitte erkannt und in der Gestalt des aus dem Schlosspark übernommenen Teichs erhalten zu haben. Gut fünfzig Jahre und einige Ölpreiskrisen nach der Errichtung der ersten Gebäude sind Maßnahmen notwendig geworden, die über eine technische Sanierung hinaus dem veränderten Selbstverständnis der noch als Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften gegründeten Universität Raum und Ausdruck verleihen. Den seitens der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) ausgeschriebenen Wettbewerb zur Erneuerung der Anlage hat das Linzer Büro Riepl Riepl Architekten mit seinem Vorschlag für ein neues multifunktionales Eingangsgebäude, die Neugestaltung der Bibliothek und eine Aufstockung des Turms der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät (TNF-Turms) gewonnen.

Während an zwei der drei Vorhaben noch gebaut wird, ist ein weiteres von Riepl Riepl Architekten geplantes Objekt, das Linz Institute of Technology (LIT) Open Innovation Center, bereits in Betrieb. Dieses der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft gewidmete Gebäude liegt als schlichter, Nord-Süd-orientierter Quader am südwestlichen Rand des Campus. Den leichten Anstieg des Geländes haben Riepl Riepl Architekten zur Anordnung eines von der Verkehrsfläche im Süden her ebenerdig zugänglichen Untergeschoßes genutzt, in dem ein Supermarkt untergebracht ist. Weiter hinten, im Norden des aus rot durchgefärbtem Beton errichteten Sockelgeschoßes, befinden sich Reinräume für verschiedene Institute der Universität. Über dem Sockel erhebt sich ein zweieinhalb Geschoße hoher konstruktiver Holzbau, dessen an der Fassade liegende Tragstruktur ebenso wie die das Obergeschoß und Teile des Erdgeschoßes beschattenden Holzlamellen in der Farbe des Betons gestrichen sind. Hinter der hohen, das gesamte Gebäude horizontal abschließenden Attika verbergen sich nach Süden geneigte Sheddächer, die den Innenraum blendungsfrei belichten, während ihre mit Fotovoltaikpaneelen bestückten Dachflächen Strom erzeugen.

Das Open Innovation Center (OIC) ist in zwei Bereiche gegliedert: Der nördliche, etwas kleinere Teil birgt eine dreischiffige Fabrikationshalle, die LIT-Factory, eine „vernetzte Lehr-, Lern- und Forschungsfabrik für Smart Polymer Processing und Digitalisierung“. Hier können neue Entwicklungen aus dem OIC auf kurzem Weg in kleinen Serien produziert werden. Der größere Teil des Gebäudes wird von einer Struktur eingenommen, die den Gedanken der fachgebietsübergreifenden Zusammenarbeit von Wissenschaftern und Wirtschaftstreibenden ebenso räumlich fasst wie den hohen Stellenwert von offenem Austausch bei der Lösung intellektuell anspruchsvoller Aufgaben. Es ist ein „Open Workspace“, den Riepl Riepl Architekten als einen von zwei massiven Stiegenhauskernen ausgesteiften Holz-Skelettbau entwickelt haben. Etwas weniger modisch ausgedrückt: Riepl Riepl Architekten haben ein anregend spannungsvolles, großzügiges Raumgefüge geschaffen, das alles tut, was Raum tun kann, um Kommunikation, Kooperation und Inspiration zu fördern. Das wird schon unmittelbar hinter dem Haupteingang spürbar, wo eine breite, aus „normalen“ und Sitzstufen komponierte Treppenanlage auf die obere Ebene führt. Zwei weitere Lufträume, deren einer, das multifunktionale OIC Stufenforum, auch als Hörsaal für 200 Personen eingesetzt werden kann, stärken die Verbindung der Geschoße untereinander zu einem großen Ganzen.

Um in dieser klar als Gehäuse einer Gemeinschaft ausgewiesenen Anlage ein anregendes Arbeitsumfeld zu schaffen, das vielen unterschiedlichen Temperamenten und Aufgaben gerecht wird, haben Riepl Riepl Architekten die Bereiche den ihnen zugedachten Funktionen entsprechend unterschiedlich gestaltet. Das den gesamten Raum fassende Konstruktionsmaterial Holz und das durch die Verglasungen der Sheddächer gleichmäßig gestreute Tageslicht verleihen dem Haus ebenso wie sein gesammelter Auftritt nach außen eine wohltemperierte Gelassenheit, der gelegentliche studentisch-kreative Unordnung ebenso wenig anhaben kann wie die aus Kostengründen sichtbar geführten Haustechnikleitungen.

Wer noch mehr Freiraum sucht, als ihn das OIC bietet, wendet sich, das Haus verlassend, nach links, den Hügel hinauf. Dort haben Riepl Riepl Architekten auf dem höchsten Gebäude des Uni-Geländes, dem TNF-Turm, das Somnium errichtet. Sein Name ist dem Titel eines Textes entlehnt, in dem der große Gelehrte Johannes Kepler eine geträumte Reise zum Mond schildert. Während der Turm in seiner Substanz fast unverändert erhalten und nur durch den Einbau neuer Fenster bauphysikalisch ertüchtigt wurde, ergänzt ihn das Somnium auch um jenes Element, das im Eifer des Fortschritts und des Wirtschaftswachstums gerne vergessen wird: den keiner konkreten Nutzung zugeordneten Zwischenraum.

Die filigrane, von Bollinger+Grohmann Ingenieure berechnete und demnächst noch durch ein Lichtobjekt von Raphaela Riepl Artist erweiterte Stahlkonstruktion bietet zwar ein Foyer, einen weiteren Raum sowie eine große, bei Bedarf von Sonnensegeln beschattete Aussichtsplattform. Den Erwartungen der unmittelbaren Funktionalität vermag es sich dennoch zu entziehen. Wer auf der Ebene des Somniums aus dem Aufzug steigt, erlebt im Ausblick auf die unmittelbar an den Campus grenzenden bewaldeten Hügel des Mühlviertels den Dialog des „natürlichen“ Landschaftsraumes mit der höchst künstlichen „Natur“, die Michael Lin den beiden Räumen hier oben eingeschrieben hat. Dann aber macht man sich auf den Weg, die hölzerne Rampe hinauf, auf die Stadt und die weite, vom Gebirge in der Ferne gesäumte Ebene zu. Das Stahlfachwerk, das die Plattform trägt und den Himmel rahmt, hält den Blick nicht auf. Im Gegenteil: Einer Startrampe für Ideen gleich verweist es auf eine seit Menschengedenken jeder Technik und jeder Erfindung eingeschriebene Sehnsucht: auf die Hoffnung, den Kosmos zu verstehen und so auf den Kanonenkugeln seiner Gesetze zu reiten.

Spectrum, Sa., 2019.10.12



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JKU Campus Linz - Open Innovation Center

24. August 2019Romana Ring
Spectrum

Eis essen am Attersee

Schöne Landschaft und Tourismus gehen am Attersee Hand in Hand – was nicht immer in fruchtbaren Ergebnissen resultiert. Ein gelungenes Beispiel von Bauen am und um den See: das Café Eiszeit in Seewalchen.

Schöne Landschaft und Tourismus gehen am Attersee Hand in Hand – was nicht immer in fruchtbaren Ergebnissen resultiert. Ein gelungenes Beispiel von Bauen am und um den See: das Café Eiszeit in Seewalchen.

Der Attersee bildet einen der reizvollsten Landschaftsräume in (Ober)Österreich. Schöne Landschaft und Tourismus: Dieses Paar geht hier schon seit mehr als hundert Jahren Hand in Hand. Der Attersee ist allerdings auch uralter Siedlungsraum. Gut dokumentierte Funde jungsteinzeitlicher Pfahlbauten belegen, wie lange Fischer und Bauern schon an seinen Ufern ansässig sind. Bauten wie das Schloss Kammer erinnern daran, dass auch die Reichen und manchmal sogar Schönen nicht auf die Erfindung der Sommerfrische gewartet haben, um sich hier niederzulassen. All diese einander ergänzenden, mitunter auch widersprechenden Formen des Zusammenlebens finden ihren Ausdruck in der Architektur rund um den See.

Gerade am Attersee sind zahlreiche Beispiele dafür zu finden, wie man Aspekte des „Ländlichen“ mit Ansprüchen gehobenen Komforts und „Bodenständigkeit“ mit temporärem Aufenthalt angemessen verbinden kann. Ernst Plischke hat mit seinem Haus Gamerith in Seewalchen ein international bekanntes Beispiel der klassischen Moderne geschaffen; Max Luger und Franz Maul haben mit ihren Arbeiten am Attersee neue Maßstäbe im Verschränken von Landschaft, Architektur und Handwerkskunst gesetzt; namhafte Architekten wie Johannes Spalt, Riepl Riepl Architekten oder Hertl Architekten haben am Attersee für private Bauherren gebaut; und auch öffentliche Auftraggeber haben, wie das von SPS Architekten geplante Gemeindezentrum von Steinbach oder die Revitalisierung des Kindergartens in Unterach von der Architektengemeinschaft Hohengasser Steiner Wirnsberger zeigen, die Bedeutung der Architektur für die Funktionstüchtigkeit eines Ortes erkannt.

Angesichts so vieler guter Beispiele fällt es schwer zu verstehen, warum sich Gemeinden als Baubehörde für die Genehmigung von Projekten hergeben, von deren Errichtung mit Ausnahme des Bauträgers niemand profitiert. Auch von Bauwerken dieser Art gibt es rund um den Attersee eine viel zu große Zahl. Ein Teil dieser in Maßstab und Gestaltung gleichermaßen misslungenen Objekte mag der euphorischen Unkultur des sogenannten Wirtschaftswunders und seiner Fortsetzung im Massentourismus geschuldet sein. Heute ist es das billige Geld auf seiner fieberhaft Suche nach Rendite, das auf den letzten verbliebenen Flecken nicht verbauten Bodens zu „Betongold“ wird. Bei der Vermarktung dieser Objekte brüstet man sich gerne, wie das Beispiel einer derzeit entstehenden Wohnanlage „in erster Reihe“ im Schlosspark von Kammer zeigt, mit unverbaubarem Seeblick. Dass jeder Blick zwei Richtungen hat, dass man selbst einen Beitrag zur Verbesserung des Orts- und Landschaftsbildes leisten könnte oder sich zumindest bemühen sollte, es nicht zu stören, kommt den tüchtigen Projektentwicklern nicht in den Sinn. Der Schaden, den diese auf maximales Bauvolumen ausgelegten Anlagen in mehr als einer Beziehung anrichten, wird von der Allgemeinheit geschultert und ist für ihre Betreiber daher nicht besonders interessant.

Es geht nicht darum zu sagen: „Das Boot“ – diesfalls das Seeufer – „ist voll“, obwohl diese Aussage nicht übertrieben wäre. In jenem Zwickel am Nordufer des Sees etwa, wo unweit des Strandbades Seewalchen die Promenade in die Bundesstraße 151 mündet, hätte man die Existenz eines freien Bauplatzes nicht vermutet. Wohlgemerkt: Das hier errichtete Objekt, ein Café namens „Eiszeit“, liegt angesichts seiner Größe für echte Investoren weit unter der Wahrnehmungsschwelle. Dennoch hat sein Bau eine Veränderung bewirkt. Es ist den jungen, in Linz ansässigen Moser und Hager Architekten zu verdanken, dass diese für den Ort gut ausgegangen ist.

Auf der Suche nach einer angemessenen Formensprache für den eingeschoßigen Pavillon haben Anna Moser und Michael Hager mit ihrem Team auf das Naheliegende zurückgegriffen: den See. Wer will, kann sogar die Geometrie des Grundrisses mit den ausgerundeten Ecken als Analogie zu seinen Buchten sehen. Das Café schließt mit seiner Nordseite unmittelbar an ein Blumengeschäft, das der erwähnten Gabelung von Atterseestraße und Promenade städtebaulich nachvollziehbar einen halbkreisförmigen Vorbau zuwendet. Dieses Motiv der Rundung haben Moser und Hager Architekten mit der parallel zur Promenade verlaufenden südlichen Außenwand des Cafés aufgegriffen, ein wenig deutlicher im Osten, mit kleinerem Radius an der südwestlichen Ecke des Gebäudes. Der Eingang in das Café liegt an der im Osten weiter werdenden Promenade. Er wird durch das Zurückschwingen der Wand hinter die Kante des Dachs betont und gleichzeitig vor der Witterung geschützt.

So werden Passanten in einem logischen Bewegungsablauf in ein Haus gezogen, das als gebaute Interpretation des Außenraums dessen Qualitäten erst so richtig zur Geltung bringt. Der Innenraum des Eiscafés ist in einen Bereich für den Gassenverkauf und in das Café geteilt, die beide zur Promenade hin orientiert sind. Dahinter befinden sich die Sanitäranlagen, der Abgang in den Keller und die Küche. Während der Raum hinter dem einfachen grauen Verkaufspult mit kleinformatigen weißen Wandfliesen und einigen sparsam eingesetzten schwarzen Elementen von Sauberkeit und den italienischen Eisdielen der Kindheit erzählen, spricht das Café eine andere Sprache. Eine Sitzbank, den gesamten Raum in sanfter Kurve umfassend, setzt jenes Zeichen, das für den Befund von „Gemütlichkeit“ so wichtig ist. Das Graublau der lasierten Holzlatten ihrer Rückwand ist wie die Farbe der Polsterung dem Farbspektrum des Sees entlehnt. Die Latten setzen die mit gehobelten Brettern geschalte Betonwand fort und unterstreichen so die „natürliche“ Anmutung dieses außerhalb der Architektenschaft häufig als „kalt“ empfundenen Baustoffes. Die Deckenuntersicht aus hellen Eschenholzlatten wiederum greift das Motiv der Bootsstege auf und belegt mit ihrem im Bereich des Dachvorsprungs ungestört in den Außenraum geführten Fugenbild, wie sorgsam Moser und Hager Architekten dieses Gebäude detailliert haben.

Zwei verspiegelte Lichtbrunnen öffnen die Decke des Cafés zu den Kronen der mächtigen, die Promenade säumenden Bäume und spenden der Zimmerpflanze das nötige Licht. Im Süden weitet sich der Raum über seine vom Eingang bis zur westlichen Außenwand geführten Faltschiebefenster hinaus zum See. In der nördlichen Nische aber haben Moser und Hager Architekten die Wand über der Sitzbank mit Streifen aus Spiegelglas verkleidet. Hier ist er wieder, der Attersee: die Natur und was wir Menschen daraus machen, im wechselnden Licht, gebrochen durch Hunderte von Kanten, ein fragiler, ein bleibender Wert.

Spectrum, Sa., 2019.08.24



verknüpfte Bauwerke
Café Eiszeit

13. Juli 2019Romana Ring
Spectrum

Fuchs und Hase schlafen nicht

Umbauten im Stift Schlägl: Die neue Pforte dient als Rampe und Vorplatz, im Inneren finden sich Klosterladen und Seminarrezeption, das Besucherzentrum der Stiftsbrauerei zeigt sich in neuem Gewand. Gute Gründe für einen Besuch im Mühlviertel.

Umbauten im Stift Schlägl: Die neue Pforte dient als Rampe und Vorplatz, im Inneren finden sich Klosterladen und Seminarrezeption, das Besucherzentrum der Stiftsbrauerei zeigt sich in neuem Gewand. Gute Gründe für einen Besuch im Mühlviertel.

Es zählt zu den erklärten Zielen Österreichs und der EU, den ländlichen Raum abseits der Ballungsräume attraktiv und lebendig zu erhalten. Zahlreiche Projekte und beträchtliche Fördersummen belegen den Stellenwert dieser Bemühungen. Für ihren nachhaltigen Erfolg sind jedoch starke, in der Region verwurzelte Partner notwendig, deren wirtschaftliches, soziales und kulturelles Gewicht dem wirkungslosen Verpuffen der eingesetzten Mittel entgegensteht.

Die Prämonstratenser-Abtei Stift Schlägl sieht sich, nicht zu Unrecht, als geistlichen Mittelpunkt des oberen Mühlviertels. Sie bekennt sich zu ihren Rollen als einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren, als Bewahrerin des kulturellen Erbes und als gesellschaftliche Impulsgeberin der Region. Die Zusammenarbeit des Stifts mit einem Architekturbüro, dessen Selbstverständnis in naturgemäß weit bescheidenerem Maßstab und ebenfalls nicht ohne Berechtigung sehr ähnlich ausgeprägt ist, hat über die Jahrzehnte zu einer höchst positiven Entwicklung mit einem vorläufigen Höhepunkt in der oberösterreichischen Landesgartenschau 2019 geführt.

Josef Schütz, der Gründer des ursprünglich nur in seinem Heimatort Haslach, mittlerweile aber auch mit einer Niederlassung in Linz ansässigen Architekturbüros Arkade, hat seinerzeit das Vertrauen der Chorherren durch den Bau der Bergstation Zwieseltreff im Wintersportgebiet Hochficht gewonnen. Seither wird er mit kleineren und größeren Interventionen am Kloster und den mit dem Stift in Verbindung stehenden Gebäuden beauftragt. Diese Eingriffe reichen von der Wiederherstellung verloren gegangener Qualitäten durch das Entfernen heute nicht mehr nachvollziehbarer Ein- und Zubauten bis zur Neuorganisation ganzer Nutzungsbereiche. So hat das Architekturbüro Arkade beispielsweise die unmittelbar vor dem Kloster gelegene ehemalige Hoftaverne und das benachbarte Stöckl als Sitz der Stiftsverwaltung revitalisiert. Im Auftritt nach außen klar der historischen Substanz den Vorrang gebend, entspricht die Hoftaverne nach dem Einbau einer luftigen, von Tageslicht erhellten und selbstverständlich barrierefreien Erschließungszone nun den Bedürfnissen eines modernen Unternehmens, in dessen Büros Kommunikation ebenso großgeschrieben wird wie das Bewahren von Traditionen. Diese reichen beeindruckend weit zurück, hat man doch im Vorjahr 800 Jahre Stift Schlägl gefeiert. Pünktlich zu diesem Jubiläum wurde ein Projekt fertiggestellt, das die interne Erschließung des Stiftes völlig neu, alltagstauglich und benutzerfreundlich ordnet. Der wegen ihrer Lage am Hang vorher aus dem Stiftshof nur über Stiegen zugänglichen Stiftskirche ist nun ein Gebäude vorgelagert, das gleichzeitig als Aufgang, als Rampe und als Kirchenvorplatz dient. Die damit geschaffenen Räume und auch der Lift, der die barrierefreie Erschließung der Obergeschoße gewährleistet, erleichtern zwar das Leben der Angestellten und Bewohner enorm, treten jedoch für Betriebsfremde gar nicht in Erscheinung. Dringend benötigte Lagerräume und eine neue Zulieferung für die Stiftsküche sind unterirdisch angeordnet. Doch fasst der aus gestocktem Beton geformte, innen sorgsam mit Weißtanne ausgekleidete Körper auch die Stiftspforte, die Rezeption des Seminarzentrums sowie den Klosterladen und verbindet so, für Besucherinnen und Besucher gleich bei ihrem Eintritt in die Anlage sichtbar werdend, die Ebenen der Zeit wie jene des Raumes.

So wie der Masterplan des Architekturbüros Arkade für das „Stift im Landschaftsgarten“ seinen Beitrag zur Auswahl der Marktgemeinde Aigen-Schlägl als Standort der heurigen oberösterreichischen Landesgartenschau geleistet hat, so wirkt die Ausstellung als Motor für Neugestaltungen der stiftseigenen Gebäude. Die mitten im Gelände der Landesgartenschau „Bio Garten Eden“ gelegene Stiftsbrauerei kann ebenso wie das Stift im Rahmen eines Gartenschaubesuchs besichtigt werden. Die damit verbundene Vervielfachung der Besucherzahl erforderte eine neue, kontrollierbare Wegführung durch die Brauerei, die nicht nur eine didaktisch sinnvolle Vermittlung von Informationen unterstützt, sondern auch den Anforderungen der Sicherheit und Hygiene entspricht. Das Architekturbüro Arkade hat diese höchst komplexe Aufgabe ebenso übernommen und mit einem vergleichsweise kleinen, dem Stiftsteich zugewandten Zubau, vor allem aber mithilfe eines schlau durch die bestehende Substanz gefädelten Erschließungsbereichs zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst.

Um bei dieser Gelegenheit die Präsentation der Brauereiprodukte zu optimieren, wurde das in Linz und Wien ansässige, auf Innenarchitektur spezialisierte Büro Destilat zur Zusammenarbeit eingeladen. Es entwickelte für das Besucherzentrum der Stiftsbrauerei ein variables Ausstellungs- und Shopsystem, das den hohen Anspruch der Braukultur – die Branche wetteifert ja hinsichtlich der Vielfalt und des Werts ihrer Erzeugnisse längst mit dem Weinbau – in entsprechend hochwertiger Raumgestaltung abbildet. Besucher des „Bio Garten Eden“ gelangen nun über eine kleine Brücke von der Seite her in den Quader aus Stahlbeton, der an der Fuge zwischen dem historischen Speichergebäude und den im 20. Jahrhundert errichteten, immer wieder veränderten Produktionsgebäuden der Brauerei über das ansteigende Gelände ragt. Der lang gestreckte Raum, der sich nach dem Eintritt öffnet, führt in die Tiefe der Anlage und barrierefrei hinauf respektive hinunter in deren unterschiedliche, für Besucher zugängliche Bereiche. Auf seiner westlichen Stirnseite schaut das Besucherzentrum mit einer Loggia in den Landschaftsraum, der nach dem Motto der Landesgartenschau, bewusst informell gestaltet ist.

Der Innenraum wiederum knüpft mit seiner aus hinterleuchteten gläsernen Wandverkleidungen komponierten Farbigkeit an die Grundstoffe des Bierbrauens an: Blau, Braun und Grün stehen für Wasser, Gerste und Hopfen. Das Holz, aus dem das Empfangspult, die Biertheke, die Regale und Stehtische gefertigt sind, stammt, ökologisch korrekt, aus dem stiftseigenen Sägewerk. Die Ausformung der Pulte nimmt unmittelbar auf die Holzstapel Bezug, die das Bild des Sägewerks prägen. Die dunkle Färbung des Holzes aber und die kräftige Dimensionierung der Profile rufen eine gewisse Urwüchsigkeit und nicht zuletzt die Jahrhunderte währende Tradition des Ortes in Erinnerung. So schaut, kostet und kauft man also Schlägler Bier in einem höchst sorgsam aus den unterschiedlichen Zuschreibungen an das Produkt gewirkten Ambiente und sagt sich: sehr geschmackvoll! What else?

Spectrum, Sa., 2019.07.13

01. Juni 2019Romana Ring
Spectrum

Aussicht ins Gebirg

Ein Spitalsumbau ist eine heikle Angelegenheit – vor allem bei laufendem Betrieb. Das Büro X Architekten zeigt vor, wie das gelingen kann, und beweist, dass räumliche Qualität kein Luxus sein muss. Zur Sanierung des Landeskrankenhauses Tamsweg.

Ein Spitalsumbau ist eine heikle Angelegenheit – vor allem bei laufendem Betrieb. Das Büro X Architekten zeigt vor, wie das gelingen kann, und beweist, dass räumliche Qualität kein Luxus sein muss. Zur Sanierung des Landeskrankenhauses Tamsweg.

Gibt es eine Bauaufgabe, die noch anspruchsvoller wäre als der Neubau eines Krankenhauses mit all seinen funktionalen, technischen und logistischen Zusammenhängen, mit seiner Fülle an Vorschriften und Standards? Gewiss: Eine noch größere Herausforderung ist der Umbau eines Krankenhauses bei laufendem Betrieb. Und welchen Stellenwert hat da die Architektur? Es ist wohl – paradoxerweise – den hohen Ansprüchen der Aufgabe geschuldet, dass diese Frage, wenn überhaupt, nur selten gestellt wird.

Mit ihrer noch bis Ende dieses Jahres andauernden Sanierung des Landeskrankenhauses Tamsweg zeigen die in Linz, Wien und Lambach ansässigen X Architekten, wie viel mehr als die zur Bewältigung einer komplexen Aufgabe zweifellos notwendigen technischen und organisatorischen Fähigkeiten die Entwicklung eines angemessen gestalteten Raumgefüges erfordert. Und sie weisen gleichzeitig nach, dass räumliche Qualität niemals Luxus ist – auf keinen Fall aber dort, wo die Nutzerinnen und Nutzer eines Hauses Menschen in Ausnahmesituationen sind.

Nach einem Bewerbungsverfahren im Jahr 2016 mit der Generalsanierung des ursprünglich noch zu Kaisers Zeiten errichteten und seither zweimal erweiterten Krankenhauses beauftragt arbeiten sich die X Architekten über eine geplante Bauzeit von 29 Monaten von oben nach unten fortschreitend durch die Geschoße der unvermindert in Betrieb stehenden Anlage. Erst vor Kurzem wurde der dem Haupteingang nachgeschaltete Empfang mitsamt einem heiter gestimmten Wartebereich vor den Ambulanzen in Betrieb genommen. Andere Abschnitte des Erdgeschoßes sind noch Baustelle. Doch in den weitgehend fertiggestellten Obergeschoßen ist die Grundhaltung der Generalsanierung schon ablesbar und wird auf ihre Alltagstauglichkeit überprüft. Diese Haltung ist ebenso leicht mit einem Satz – mithilfe der Architektur allen den Aufenthalt im Krankenhaus so angenehm wie möglich zu machen – umrissen wie anspruchsvoll in der Umsetzung. Haben ja schon die Nutzerinnen und Nutzer des Hauses, die Patienten, ihre Angehörigen, die Ärzteschaft, das Pflegepersonal, die Verwaltungsangestellten sowie die Instandhaltungs- und Reinigungskräfte, ganz unterschiedliche, einander mitunter widersprechende Vorstellungen eines angenehmen Umfeldes. Allen gedient ist zweifellos mit einem klaren Auftritt der Anlage nach außen, die einer logischen Ordnung der einzelnen Nutzungsbereiche im Inneren entspricht und sich in einer leicht nachvollziehbaren Wegführung und Orientierung im Haus fortsetzt.

Auch wenn die Kubatur der einzelnen Trakte nicht veränderbar ist, so hat sich das Erscheinungsbild des Krankenhauses durch das Begradigen seiner Fassaden und eine unaufdringliche, den Bauepochen folgende Farbgebung zweifellos verbessert. Deutlich von dunklen Fassadenelementen betont sind Haupteingang und Rettungszufahrt, denen im Inneren die kommunikativ gestaltete Empfangs- und Wartezone auf der einen und ein geschützter Erstbehandlungsraum auf der anderen Seite des Ambulanzbereichs zugeordnet sind.

Ein weiteres Zeichen der Verwandlung sind die dunkel gerahmten Körper der „Schaufenster“, mit denen die X Architekten, wo immer es die Funktionsabläufe erlauben, den Innenraum ein Stück weit nach außen stülpen und so mit dem Umfeld verbinden. Tamsweg liegt inmitten einer höchst reizvollen Landschaft, die nun gezielt über neue, großzügige Fensterelemente und die raumseitig in Zirbenholz gefassten Erker zur Steigerung der Raumqualität wahrgenommen wird. Generell wird Holz als ein landläufig mit Gedanken an Natur und Behaglichkeit verbundener Baustoff eingesetzt, wo dies ohne Bedenken hinsichtlich der Hygienevorschriften, etwa zur Rahmung eines Empfangspultes oder einer Sitznische, möglich ist.

In Bereichen, die mit starken Chemikalien gereinigt werden müssen, haben die X Architekten wenig zimperlich auf Holzimitation aus Kunststoff zurückgegriffen. So finden die Betten in den Patientenzimmern nun in einer der Wand vorgesetzten L-förmigen Blende ihren Halt, die zwar alle notwendigen technischen Leitungen und Anschlüsse (ver)birgt, in ihrer Anmutung aber viel eher Möbel als Maschine ist. Die Grundsatzentscheidung, das Krankenhaus seinem hohen Technisierungsgrad und den weitgehend genormten Abläufen zum Trotz nicht als Fremdkörper, sondern als einen in die Lebenswelt der Nutzerinnen und Nutzer integrierten Ort zu begreifen, kommt allen zugute. Denn wenngleich ein Panoramafenster im Operationssaal fehl am Platz wäre, so tut auch einer viel beschäftigten Chirurgin beim Diktieren von Protokollen die Aussicht in ein Gebirgstal wohl.

Der klugen Anordnung der einzelnen Zonen unter der Prämisse, die Wege kurz zu halten und gegenseitige Störungen zu vermeiden, haben die X Architekten naturgemäß große Aufmerksamkeit gewidmet. Da jeder Nutzungsbereich seinen eigenen Spielregeln folgt – eine Geburtshilfestation funktioniert nun einmal anders als der Schockraum in der Ambulanz –, unterscheiden sich auch die einzelnen, über das rein Organisatorische stets hinausführenden Gestaltungsmaßnahmen voneinander. Dennoch geht nie der Blick auf das Ganze verloren, das ja nicht zuletzt durch die Vorstellung einer harmonischen Zusammenarbeit vieler Einzelner eine beruhigende Wirkung entfaltet. Damit kommt jenen Elementen, die im gesamten Haus wiederkehrend eingesetzt werden, große Bedeutung zu. So ist etwa die Formensprache von Anmeldungs- oder Wartebereichen stets eine ähnliche. Wo Ornamente zum Einsatz kommen – im Bereich von Wandschonern etwa oder dort, wo Glasflächen aus Gründen der Sicherheit und zur Wahrung der Intimität teilweise mattiert sein müssen –, werden sie durch Abbilder von Höhenschichtenlinien und stilisierten Gämsen erzeugt. Die Geschoße wiederum unterscheiden sich durch eigene, nach oben hin dunkler werdende Schmuckfarben voneinander, die sich, sparsam und in unterschiedlicher Intensität eingesetzt, selbst in den sorgsam ausgewählten Fotografien an den Wänden wiederfinden.

Wohlüberlegte Raumfolgen, eine mit vielen kleinen Maßnahmen auf die jeweiligen Abläufe abgestimmte Ausstattung, das sorgsam austarierte Gleichgewicht zwischen gebotenem Schutz und offener Kommunikation sowie die deutlichen Bezüge zum Ort Tamsweg schaffen ein angenehmes Arbeitsumfeld für die Beschäftigten. Gleichzeitig stellt die stets auf das Sanfte, Informelle und Vertraute fallende Wahl der Mittel die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und ihrer Familien in den Mittelpunkt. Denn auch die Angehörigen sind Teil des Lebens im Landeskrankenhaus Tamsweg. In den Palliativ-Zimmern etwa haben sie die Möglichkeit, sich auf einer wie selbstverständlich in den Raum integrierten Liege auszuruhen, wenn sie ihre Lieben in schweren Zeiten nicht allein lassen wollen.

Spectrum, Sa., 2019.06.01



verknüpfte Bauwerke
Generalsanierung LKH Tamsweg

23. März 2019Romana Ring
Spectrum

Platz zum Tüfteln

Vier Jugendliche auf der Suche nach einer Werkstätte, ein Wettbewerb – und die Folge: ein „Wohnzimmer“, in dem man Gedanken spinnen und werken kann. Auf dem Gelände der Linzer Tabakwerke: „Le Grand Garage“.Gelungen!

Vier Jugendliche auf der Suche nach einer Werkstätte, ein Wettbewerb – und die Folge: ein „Wohnzimmer“, in dem man Gedanken spinnen und werken kann. Auf dem Gelände der Linzer Tabakwerke: „Le Grand Garage“.Gelungen!

m Anfang der Geschichte standen vier technikbegeisterte Jugendliche auf der Suche nach einer Werkstätte. Eine Garage oder Ähnliches sollte es sein, in Linz, robust und leicht zugänglich, mit Maschinen zum Bau von Prototypen ausgestattet und offen für Gleichgesinnte. Wie die Geschichte weiterging, liest man am besten unter www.grandgarage.eu nach. Nur so viel: Am 28. Februar 2019 wurde im Bestand der Linzer Tabakwerke „Le Grand Garage“ mit einer Fläche von etwa 4000 Quadratmetern eröffnet. Der Name hält zugleich den Ursprung des Projektes und die Dimension fest, die es mittlerweile erreicht hat.

Das Linzer Studio March Gut hat den geladenen Wettbewerb zur Gestaltung dieses „erweiterten Wohnzimmers, in dem man alleine oder in der Gruppe Ideen entwickeln und ausprobieren kann“, gewonnen und mit seinen Maßnahmen das Selbstverständnis der Grand Garage in Raum und Mobiliar übersetzt. Auf der Suche nach einer angemessenen Sprache für diese junge, zukunftsorientierte Formation haben Christoph March und Marek Gut den historischen Bestand der von Peter Behrens und Alexander Popp von 1929 bis 1935 gebauten Tabakwerke weder als unantastbare Ikone noch als lästiges, denkmalgeschütztes Hindernis behandelt. Vielmehr haben sie das Klügste getan, was man, mit einem Meisterwerk konfrontiert, tun kann: Sie haben daraus gelernt.

Redlicherweise sollte man nicht verschweigen, dass gerade das ehemalige Magazin 3, in dem die Grand Garage Unterkunft fand, Teil eines älteren, von Behrens und Popp bereits vorgefundenen und in ihren Fabriksneubau integrierten Bestandes war. Ungeachtet dieses Umstandes und des im Vergleich zu den prominenteren Trakten der Tabakwerke bescheidenen Anspruchs dieses Lagergebäudes finden sich auch hier zahlreiche Zeichen des umfassenden Gestaltungswillens, der das Hauptgebäude der Zigarettenfabrikation, die Pfeifentabakfabrik und das Kraftwerk auszeichnet. Die ebenso alltagstaugliche wie ausdrucksstarke Ausformung von Stützen, Trägern, Stiegenläufen und Brüstungen etwa, die bauphysikalisch höchst fortschrittlichen Fensterkonstruktionen oder die minutiös geplanten haustechnischen Installationen sind ihnen vorbehalten geblieben. Doch die aus der Klarheit der Konstruktion und der ungestörten Längserstreckung des Raumes erwachsende Großzügigkeit ist auch im einstigen Magazin 3 erfahrbar, das auf seinen ersten drei Ebenen nun zur Grand Garage geworden ist.

Betritt man das ehemalige Magazin 3 vom Peter-Behrens-Platz genannten Innenhof der Tabakwerke kommend, führt der Blick aus der Eingangshalle über alle drei der Grand Garage zugeordneten Ebenen in die Höhe. Die beiden ersten Mittelfelder der Deckenkonstruktion über dem Erdgeschoß und dem ersten Stock wurden herausgenommen, um eine direkt erfahrbare vertikale Verbindung innerhalb des räumlich zunächst ja völlig anspruchslosen Lagers herzustellen. In dem so entstandenen, nach wie vor durch quer liegende Träger strukturierten Luftraum findet sich ein erstes Statement zur Grand Garage: An der Rückwand der im Erdgeschoß eingerichteten gläsernen Box ist es als Visualisierung bereits gegenwärtig, alles Weitere liegt noch in der Zukunft. Der 3-D-Drucker, der, von einem Spezialkran getragen, in der Mitte des Luftraumes hängt, wird eine Stiegenskulptur fertigen, an deren Entstehung Techniker unterschiedlichster Fachrichtungen beteiligt sind. Material, Statik, Technologie und Form verbinden sich zu einem Werkstück, das aus sich heraus wächst und so zum Symbol für die in der Grand Garage arbeitende Gemeinschaft wird.

Deren Arbeits- und Kommunikationsprozesse sind in drei Zonen organisiert. Im Erdgeschoß liegen die Büros, Konferenzräume und Räume zur Entwicklung von Projekten. Einen Stock höher ist das Institut für Robotik der Kunstuniversität Linz zu finden. Hier stehen auch die CNC-Fräsen, die Maschinen zur Metallbearbeitung, die Schweißgeräte und die Beschichtungsanlagen. Der oberste Stock ist das Reich der CAD-, CAE- und CAM-Spezialisten. Hier sind die Elektronik, der 3-D-Druck und der Lasercut verortet, hier öffnet sich aber auch auf der Eingangsseite eine großzügige Lounge zum Peter-Behrens-Platz, während an der gegenüberliegenden Stirnseite des Geschoßes ein Forum Präsentationen den nötigen Raum bietet.

Das Motiv der Fabrik ist als Grundierung des Raumgefüges präsent geblieben. Das gilt sowohl für die weitgehend unangetastete Bausubstanz als auch für die Maßnahmen zur Transformation des Magazins zur Le Grand Garage. Christoph March und Marek Gut haben genommen, was da war, und das Vorgefundene gerade so weit verändert, um es weiter gebrauchen zu können. Diese Bereitschaft zu einem gewissermaßen rezyklierenden Design sollte man jedoch nicht mit Gleichgültigkeit hinsichtlich der Ergebnisse verwechseln: March Gut legt großen Wert auf Qualität. So ist die Tragstruktur der eigens für die Grand Garage entwickelten Polstermöbelserie „Profil“ zwar jener von Schwerlastregalen entlehnt, die Polsterungen jedoch sind hochwertig und mit feinem Stoff überzogen. Der Grundgedanke, das Mobiliar in der Werkstätte selbst anfertigen und bei Bedarf adaptieren und nachproduzieren zu können, prägt auch die zweite in der Le Grand Garage eingesetzte Möbelserie namens „Kontur“. Tische verschiedener Bestimmungen und Höhen sowie drei unterschiedliche Hocker wurden mittels CNC aus 30 Millimeter starkem Birkensperrholz gefräst. Ihre Elemente können ohne weitere Verbindungsteile von einer einzelnen Person ohne Werkzeug stabil zusammengesteckt werden. Einfach und robust sind diese Möbel und Lichtjahre von den Produkten lustiger Einrichtungshäuser entfernt, deren wichtigste Eigenschaft ihre Kurzlebigkeit ist.

Wollte man festhalten, worin das Besondere an der Gestaltung der Le Grand Garage liegt, müsste man wohl die Verbindung des Unfertigen, Veränderbaren mit einer sehr genauen, systematischen Arbeitsweise nennen. Farben setzt March Gut – Behrens und Popp nicht unähnlich – ordnend ein. Das Gebäude hält sich schwarz, weiß und gläsern im Hintergrund. Auch Erinnerungen kommen nicht zu kurz: Das einst als Boden-Verschleißschicht genutzte Holz wurde motivisch aufgegriffen und der neuen Funktion entsprechend in den Kommunikationsbereichen verlegt. Bewährtes wie die Klappgestelle von Biertischen oder Garagentore wurden adaptiert und eingesetzt. Überflüssiges wie Oberschränke in der Gemeinschaftsküche hingegen wurden durch eine gelochte Wandverkleidung ersetzt, in die man, wie es sich für eine Werkstätte gehört, bei Bedarf hängen kann, was nötig ist. March Gut vermitteln mit ihrer Architektur eine Atmosphäre von Professionalität und Experimentierfreude bei stark ausgeprägtem Sinn für Gemeinschaft. Besser hätte man die Grand Garage nicht porträtieren können.

Spectrum, Sa., 2019.03.23

02. Februar 2019Romana Ring
Spectrum

Abseits der Festspiele

Wohnungen, Geschäfte, ein Kindergarten und ein Park beieinander vereint: Das neue Quartier Riedenburg formt aus einer Vielzahl funktioneller und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen einen Ort, zu dem Menschen ein Gefühl der Verbundenheit entwickeln können. Besuch in Salzburg.

Wohnungen, Geschäfte, ein Kindergarten und ein Park beieinander vereint: Das neue Quartier Riedenburg formt aus einer Vielzahl funktioneller und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen einen Ort, zu dem Menschen ein Gefühl der Verbundenheit entwickeln können. Besuch in Salzburg.

Wovon träumen Touristen, wenn sie nach Salzburg kommen? Würden Mozart und die Trapp-Familie vor dem Hintergrund eines rigoros durchgerasterten Häusermeers die gleiche Wirkung entfalten wie in der Getreidegasse und auf dem Domplatz? Man muss nicht Architektur studiert haben, um den spannungsvollen Wechsel der Salzburger Altstadt zwischen Enge und Weite, dem Abbild von Alltag und von Hochkultur, den Bürgerhäusern und den Repräsentationsbauten der Mächtigen zu schätzen. Offensichtlich fällt es Millionen Menschen leicht, sich auf dieser Bühne in Lebensgeschichten hineinzudenken. Das ist sicherlich auch dem Umstand zu verdanken, dass selbst die gut konservierte historische Bausubstanz Salzburgs ursprünglich nicht als Kulisse errichtet wurde, sondern als lebendige Stadt gewachsen ist.

Was aber erwarten Salzburger von ihrer Stadt? Ihre Wünsche sind denen der Touristen wohl ziemlich ähnlich. Mit dem Unterschied, dass es die eigenen Lebensgeschichten sein sollen, die ihre Stadt erzählt. Diese Geschichten mögen in ihrer Gesamtheit nicht besonders spektakulär sein; auch legt noch keine aus zeitlichem Abstand geborene Ungenauigkeit der Wahrnehmung den Schleier romantischer Verklärung über sie. Für die Qualität des Stadtraumes macht das keinen Unterschied. Es ist heute wie immer schon die Aufgabe einer Siedlung, aus einer Vielzahl funktioneller, kultureller und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen einen Ort zu formen, zu dem Menschen ein Gefühl der Verbundenheit entwickeln können. Mit reiner Funktionalität kommt man da nicht weit, man muss auch Emotionen wecken. Vieles kann dazu beitragen: die Bewegung im Raum etwa, Gelegenheiten zur Kommunikation, Ruhezonen, Bereiche, in denen kleine Kinder spielen, Jugendliche sich treffen, alte Leute am öffentlichen Leben teilnehmen können, die Verbindung mit dem Vorgefundenen und der Dialog des Gebauten mit dem Landschaftsraum.

In unmittelbarer Nähe des touristisch geprägten Salzburgs entsteht gerade ein Stadtteil, in dem dank eines mit großer Geduld und einiger Hartnäckigkeit geführten Vorbereitungs- und Planungsprozesses eine Fülle von Überlegungen dieser Art baulich umgesetzt werden konnte. An der westlichen Flanke des Rainbergs, etwa 500 Meter von den Tiefgaragen im Rücken des Festspielbezirks entfernt, werden auf einem annähernd 35.000 Quadratmeter großen Areal rund 330 Wohnungen, Geschäftsflächen, ein Stadtteilzentrum, ein Kindergarten und ein 5000 Quadratmeter großer, öffentlich zugänglicher Park errichtet. Der nördliche Teil der von Neutorstraße, Moosstraße, Sinnhubstraße und Leopoldskronstraße begrenzten Anlage ist seit Herbst in Betrieb. Der südliche Abschnitt ist noch im Bau und wird heuer im Sommer fertiggestellt. Möglich wurde die Aufwertung eines bislang eher vorstädtisch geprägten Viertels durch den Abbruch der ehemaligen Riedenburgkaserne und den Willen der neuen Eigentümer des Areals, mit dem Projekt nicht das Maximum an Rendite zu erzielen, sondern das Bestmögliche an Lebensraum für die Bewohner der Stadt zu schaffen.

Die Gemeinnützige Salzburger Wohnbaugesellschaft und die UBM Development Österreich beauftragten die Sieger des im Jahr 2014 durchgeführten Architektur- und Landschaftsplanungswettbewerbs mit der Planung des Quartiers, dessen Wohnungen zu 75 Prozent den Regeln des geförderten Wohnbaues unterliegen und nur zu 25 Prozent frei finanziert sind. Die in Salzburg ansässige Arbeitsgemeinschaft Schwarzenbacher Struber Architekten und Fally plus Partner Architekten entwickelten das städtebauliche Leitprojekt und einen Großteil der Objekte. Das Grazer Architekturbüro Pucher wurde auf Anraten der Wettbewerbsjury mit der Planung der Gebäude an der Neutorstraße beauftragt. Der Entwurf der Freiraumplanung stammt von Agence Ter aus Karlsruhe, ausgeführt wurde sie vom Büro Freiraum und Landschaft aus Zell an der Pram. Dass diese zahlreichen in den Planungsprozess eingebundenen Persönlichkeiten das Quartier Riedenburg nicht in eine mit guten Ideen gefüllte Wundertüte der Architektur verwandelt haben, ist wohl der Sensibilität und der Ernsthaftigkeit zu verdanken, mit der sie sich ihrer Aufgabe in gut zweieinhalb Jahre dauernder, vom Salzburger Gestaltungsbeirat begleiteter Arbeit gewidmet haben.

Zunächst galt es, dem Stadtteil das bislang von einer Mauer umwehrte und somit dem Raum entzogene Kasernenareal zurückzugeben. Das gelingt durch die offene Anordnung der Gebäude, die abwechslungsreiche, mit dem Umfeld verknüpfte Wege durch das Quartier begleiten. So wird die in die Moosstraße mündende Späthstraße etwa in der Mitte des Bauplatzes durch einen befestigten Freiraum fortgesetzt. Dieser mündet in den Park, der mit seiner sanften Aufwärtsbewegung den bewaldeten Abhang des Rainbergs vorwegnimmt. Die Anhebung des Geländes zur Leopoldskronstraße hin ist dem Schutz des Grünraumes vor dem Verkehrslärm geschuldet, der in allen vier flankierenden Straßen erheblich ist und nur durch ein Bündel von Maßnahmen neutralisiert werden konnte. Dazu zählt die scheinbar zwanglose Positionierung der Gebäude, die jeweils einen eigenen, individuell gestalteten Freiraum umschließen.

Auch in der Höhe sind die Baukörper gestaffelt, was die Anbindung an die kleinteilige Struktur des Stadtteiles erleichtert hat und spannende Außenräume mit abwechslungsreicher Lichtführung und zahlreichen Aus- und Durchblicken mit sich bringt. Um die mit der Gruppierung der Häuser einhergehende Eindeutigkeit der Adressbildung zu unterstreichen, haben die dem Freiraum zugewandten Fassaden kräftige, dem jeweiligen Cluster zugeordnete Farben bekommen.

Die Erdgeschoßzone ist entsprechend ihrer Nutzung gestaltet. So spaziert man, vom Platz an der Neutorstraße kommend, an Geschäftslokalen vorbei, schaut in das eine oder andere Atelier hinein, setzt sich in den Schatten eines Baumes, genehmigt sich einen Kaffee, bevor es Zeit ist, die Kinder aus dem Kindergarten abzuholen, oder schaut auf ein Schwätzchen im Stadtteilzentrum vorbei. Es ist durchaus denkbar, dass die Touristen das Quartier Riedenburg so bald nicht entdecken werden. Viele von ihnen würden in Gedanken an ihre Heimatstädte wahrscheinlich sagen: In Salzburg müsste man sein.

Spectrum, Sa., 2019.02.02



verknüpfte Bauwerke
Quartier Riedenburg

17. November 2018Romana Ring
Spectrum

Gelungene Beispiele: Wie man die Schule im Dorf lässt

Schulen auf dem Land sind mehr als Bildungsstätten: So werden dort nicht nur Kinder unterrichtet und sozialisiert – sie dienen auch als Zentrum des kulturellen und sportlichen Lebens. Zwei Beispiele aus Oberösterreich.

Schulen auf dem Land sind mehr als Bildungsstätten: So werden dort nicht nur Kinder unterrichtet und sozialisiert – sie dienen auch als Zentrum des kulturellen und sportlichen Lebens. Zwei Beispiele aus Oberösterreich.

Sie stehen nicht im Mittelpunkt der Debatte zur österreichischen Bildungslandschaft: jene Schulen des ländlichen Raumes, in denen Unterricht, ja Bildung mit großer Selbstverständlichkeit geboten wird. Dies mag an ihrer überschaubaren Größe liegen oder an der Einbettung in Gemeinschaften, für die sie eine wichtige Rolle spielen. Diese Schulen bergen ja nicht nur den Raum, in dem die Kinder unterrichtet und mit einem neuen sozialen Umfeld bekannt gemacht werden. Sie sind auch als Arbeitsplatz und als Ort kulturellen und sportlichen Lebens von großem Interesse für die Bürger einer Landgemeinde.

Der Neubau einer Schule ist in einer ländlichen Gemeinde immer eine Herzensangelegenheit. Für Architekten bringt das die intensive Diskussion aller Entwurfsentscheidungen mit sich; aber auch den Rückhalt, der aus solch einer Auseinandersetzung erwächst, wenn sie fachlich fundiert verläuft. So hat beispielsweise der von gegenseitigem Respekt getragene Dialog zwischen dem in Grießkirchen ansässigen Büro Wolf Architektur und dem Leiter der Volksschule Wallern einem Schulneubau den Weg geebnet, der aktuelle pädagogische Konzepte mit hohem gestalterischem Anspruch verbindet.

Die Marktgemeinde Wallern an der Trattnach – 3000 Einwohner, zwei Pfarrkirchen – liegt im oberösterreichischen Hausruckviertel. Sie hat trotz des moderaten Zuzugs der vergangenen Jahre ihr landwirtschaftlich geprägtes Gesicht bewahrt. Wolf Architektur hat die Schule in die Mitte des aus frei stehenden Häusern und Gehöften komponierten Ortskernes gestellt und damit dessen grün gesäumtes Netz aus schmalen Gassen und freien Räumen ergänzt. Die drei ineinandergreifenden Körper des Neubaus nehmen den Maßstab ihres Umfelds auf und fassen einen verkehrsfreien Vorplatz, einen Parkplatz und einen geschützten Pausenhof. Gleichzeitig setzen sie das Motiv des spannungsvollen Wechsels von Enge und Weite im Inneren der Anlage fort.

Dem witterungsgeschützt an einen Rücksprung des Erdgeschoßes gelegten Haupteingang liegt eine ebenso geschützte Freiluftklasse gegenüber. Die über einen Windfang erschlossene multifunktionale, auch als Speiseraum genutzte Eingangshalle öffnet sich über ihre gesamte östliche Flanke zum begrünten Pausenhof. Im Westen wird sie von einem Trakt gesäumt, der neben den Räumen für Schulleitung, Lehrerschaft und Personal auch eine Küche fasst. Daran grenzt der Turnsaal mit seinen Nebenräumen. In die Fuge zwischen die beiden Trakte hat Wolf Architektur einen eigenen, vom Lehrerparkplatz erreichbaren Eingang geschoben, der eine vom Schulbetrieb unabhängige Nutzung des multifunktionalen Turnsaales ermöglicht. Auch in dem vom „Kreativ-Cluster“ belegten Trakt an der Südseite der Eingangshalle findet sich ein über die schulische Nutzung hinausweisender Bereich: Die Schulbibliothek wird ebenso als Gemeindebücherei geführt und ist aus dem Windfang über einen separaten Eingang zugänglich. Im Obergeschoß liegt das Herzstück der Schule: die beiden „Lerncluster“. Jeweils vier Klassenräume, ein kleinerer „Differenzierungsraum“ und ein Raum für das Lehrerteam sind um eine „Marktplatz“ genannte Mitte gruppiert. Dieses über eine Lichtpyramide in der Decke und über Glasflächen in den Raumtrennungen erhellte Zentrum ist variabel möbliert und kann in Zonen unterteilt werden. Es erweitert das Raumangebot für den Unterricht, der nun in fließenden Übergängen vom Lernen zum Spielen, von der Konzentration zur Entspannung und von der Betreuung zur Selbstständigkeit unterschiedlichste Formen annehmen kann.

Die aufwendige Vorbereitungsarbeit, die eine solche Freiheit im Unterricht erst ermöglicht, klingt auch in der von Wolf Architektur gewählten Sprache an: Graue Böden und weiße Wände bilden einen stabilen Rahmen für den Schulalltag. Der Sichtbeton der Decke, die sichtbar geführten Lüftungsleitungen, die akustisch wirksamen Deckenfelder aus Holzwolle-Platten, ja selbst die Leuchten erzählen vom unverfälschten Einsatz robuster Materialien; die Planung der Räume voller Gemeinschaftsflächen, Wege, Rückzugsnischen und Sichtbezüge hat ohnedies vorweg alles Grobe und Banale aus diesem Haus verbannt.

Verlassen wir nun das Hausruckviertel, und wenden wir uns einer anderen kleinen Marktgemeinde zu: Reichenau im Mühlkreis. Auch hier wurde der Bau der Volksschule ausführlich und nicht ohne Emotionen diskutiert; auch hier finden sich mehrere Nutzungen – Volksschule, Turnsaal, Hort und Kindergarten – unter einem Dach vereint. Allerdings ist es kein Neubau, sondern eine neue Ordnung der im Lauf der Jahre angesiedelten Funktionen, die dem Linzer Büro TP3 Architekten hier in Reichenau gelungen ist. Die Ausgangssituation: Ein gedrungener, durch zwei Einschnitte an den Giebelseiten aufgespaltener, von Waschbeton und dunklem Holz geprägter Körper aus den 1970er-Jahren bot den Architekten reichlich Gelegenheit, neben organisatorischem Geschick auch gestalterisch Einfallsreichtum zu beweisen. Dank ihres Entschlusses, die notwendige thermische Sanierung des Gebäudes nicht bei einer außen aufgebrachten Schaumstoffschicht bewenden zu lassen, mussten sie überdies den Nachweis außergewöhnlicher Hartnäckigkeit erbringen sowie des Talents, selbst im Lauf eines Dienstlebens hart gewordene Budgetwächter mit Argumenten der Nachhaltigkeit zu überzeugen.

Die Fähigkeit, das Potenzial des Bestandes zu erkennen und mit sparsamen Ergänzungen der Kubatur nicht nur eine saubere Trennung der Funktionen in der nunmehr barrierefreien Anlage zu erzielen, sondern auch den Baukörper zu beruhigen, hat ihnen bei dieser Überzeugungsarbeit wohl geholfen. So präsentiert sich das Schulgebäude nun als klar umrissenes, von einer vertikalen Holzschalung umfangenes Haus, dem eine gewisse Prominenz eignet. Durch die Verlegung des Haupteinganges an die Fuge zum Turnsaal und das Schließen der Einschnitte im Obergeschoß sind an der südlichen Giebelseite der Schule zwei mit großzügigen Fensteröffnungen dem Ort zugewandte Räume entstanden. Somit hat auch die Volksschule von Reichenau „Marktplätze“ bekommen. Sie bereichern die Klassen und Funktionsräume mit einer lichten, vielfältig bespielbaren Mitte für einen Schulalltag auf der Höhe der Zeit.

Spectrum, Sa., 2018.11.17



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Volksschule Wallern

13. Oktober 2018Romana Ring
Spectrum

Raum statt Masse

Seit seiner Errichtung fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt, herrschen nun wieder Platz und Lichteinfall vor: zur Generalsanierung des Schwanzer-Traktes der Universität für angewandte Kunst Wien durch Riepl Kaufmann Bammer Architektur.

Seit seiner Errichtung fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt, herrschen nun wieder Platz und Lichteinfall vor: zur Generalsanierung des Schwanzer-Traktes der Universität für angewandte Kunst Wien durch Riepl Kaufmann Bammer Architektur.

Sie stammt aus einer längst vergangenen Epoche und hat schon einige Namen getragen: die Universität für angewandte Kunst Wien. Ursprünglich als „Kunstgewerbeschule“ in Symbiose mit dem benachbarten Museum gegründet, könnte sie heute ihren Bedarf an „Anschauungsmaterial“ für den Kunstunterricht wohl kaum mehr aus dessen Beständen decken. Auf eine Qualität kann „die Angewandte“ jedoch nach wie vor zurückgreifen: Ihre Gebäude sind beispielhaft für die Architektur ihrer Zeit.

Dieser Anspruch war schon mit dem ersten eigenen, nach den Plänen von Heinrich Ferstel am Stubenring errichteten Haus verbunden. Doch wie es Perioden gab, die der Architektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts keinen künstlerischen Wert abgewinnen konnten, war auch der Respekt vor Bauten der 1960er-Jahre wie dem von Eugen Wöhrle und Karl Schwanzer errichteten Erweiterungsbau der damaligen Akademie nicht immer und überall besonders groß. Oder war es im Fall der Angewandten bloß die schiere Menge der im Lauf der Jahrzehnte irgendwie bewältigten Notwendigkeiten des Alltags, die den Schwanzer-Trakt in seinem Inneren fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt haben? Seine von Riepl Kaufmann Bammer Architektur geplante Sanierung jedenfalls knüpft nun an die baukünstlerische Tradition der Angewandten ebenso an wie ihre Umdeutung des auf der anderen Seite des Wienflusses gelegenen ehemaligen Zollamtes zum Universitätsgebäude.

Riepl Kaufmann Bammer Architektur hat, als Sieger eines geladenen Verfahrens mit der Generalsanierung des Schwanzer-Traktes beauftragt, alles konstruktiv Unnötige daraus entfernt und seine klare, an einen Industriebau gemahnende Tragstruktur freigelegt. Der Schwanzer-Trakt erstreckt sich parallel zum Wienfluss. Seine sieben oberirdischen Geschoße sind zwischen zwei stirnseitig gelegenen Stiegenhäusern aufgespannt. Die filigranen, hinter abgehängten Verkleidungen zum Vorschein gekommenen kassettierten Stahlbetondecken werden von jeweils drei Betonstützenreihen getragen. Die lang gezogenen rechteckigen Hallen zwischen den Stiegenhäusern lassen eine Vielzahl unterschiedlicher Raumfigurationen zu. Um diese funktionelle Großzügigkeit auch im Raumeindruck zu erhalten, hat Riepl Kaufmann Bammer Architektur einen Bausatz entwickelt, der die notwendige Variabilität der Grundrisse in einem System verankert: In der Mittelzone ordnet eine abgehängte Decke aus Streckmetall den Verlauf der darüber vage sichtbaren haustechnischen Leitungen.

Quer zu den Längswänden gestellte Trennwände sind undurchsichtig ausgeführt, der Länge nach verlaufende Raumtrennungen transparent, Türblätter opak. Dieses Ordnungssystem setzt die unterschiedlichen Raumfigurationen der Universität um, ohne die Konstruktion erneut zu verschleiern oder Lichteinfall und Blick quer über die Tiefe des Traktes zu verstellen. Der Außenauftritt des Gebäudes ist nahezu unverändert. Lediglich eine im Garten angelegte Rampe verbindet nun ebenerdig die beiden Quertrakte der Anlage.

Hat Riepl Kaufmann Bammer Architektur mit der Generalsanierung des Schwanzer-Traktes also jene Qualitäten des Bestandes herausgearbeitet, die wir heute darin (an)erkennen, lag bei ihrem nach einem zweiten Wettbewerb beauftragten Umbau des ehemaligen Zollamts zum Universitätsgebäude der Schwerpunkt auf der Korrektur eines wesentlichen Charakterzuges des Vorgefundenen. Das um die vorletzte Jahrhundertwende entstandene Bauwerk wendet zwar dem Wienfluss eine reich gegliederte Eingangsfassade zu, hinter der ein repräsentatives Hauptstiegenhaus zeigt, dass man mit Raum wohl umzugehen wusste. Dahinter aber fanden sich in bester Gründerzeit-Manier die Amtsstuben dicht an dicht um drei enge Lichthöfe gepackt: eine für die Bedürfnisse einer Kunstuniversität unhaltbare Situation. Aus diesem massiven Block hat Riepl Kaufmann Bammer Architektur unter Erhaltung der äußeren Raumschicht den Kern herausgeschnitten und den so gewonnenen Raum mit einer neuen, lichterfüllten Mitte besetzt. Eine von Jürg Conzett entwickelte Tragstruktur aus Stahlbeton stabilisiert das Gebäude und bildet ein sechsgeschoßiges Atrium, dessen Galerien mehr leisten als die bloße Erschließung der daran gereihten Räume. Die Decken reichen über die nach oben hin schlanker werdenden Stützen hinaus, die transparenten Brüstungen haben breite, mit einer kleinen Aufkantung versehene Abdeckungen: Dieser Raum lädt zum Verweilen ein und dazu, sich anzuschauen, wie man Variabilität, Offenheit, Intimität, Ruhe oder Bewegung in Architektur umsetzen kann.

An die Stelle des westlichen Lichthofes hat Riepl Kaufmann Bammer Architektur ebenerdig eine zweigeschoßige, multifunktionale Aula gesetzt. Unter dem Saal quert die U-Bahn den Keller des Hauses, was die schalltechnische Entkoppelung der Aula notwendig machte. Darüber ist ein Gartenhof angelegt, der in seinen nun wesentlich besseren Proportionen die Anlage mit einem im städtischen Umfeld kostbaren Freiraum bereichert. Die Aula ist an ihrer dem Atrium zugewandten Westseite zur Gänze öffenbar. Auch die Rückwand im Osten kann zur dahinter liegenden Erschließungszone geöffnet werden, in die über ein Glasdach Tageslicht aus dem Gartenhof fällt. Somit verfügt die Universität für angewandte Kunst erstmals über einen Raum, in dem etwa die jährlichen Präsentationen ihrer Modeklassen stattfinden können.

Während die historischen Räume von Riepl Kaufmann Bammer Architektur in fast spartanisch anmutender Zurückhaltung für die jeweilige Nutzung ertüchtigt wurden, liegt der gestalterische Schwerpunkt der Anlage deutlich auf ihrer neuen Mitte. Der den Gartenhof flankierenden Querspange sind verglaste Räume zugewiesen, die dazu beitragen, das Atrium zu einem lichten Ort spannender Blickbeziehungen zu machen. Eine Cafeteria im Erdgeschoß und der gläsern zum Atrium orientierte Empfangsbereich der Bibliothek unterstreichen den Stellenwert des kommunikativen Zentrums. Sogar die Lesekabinen hoch oben im weitgehend geschlossenen Betonkranz des Dachgeschoßes schauen aus schmalen, in den Fächer ihrer Wandscheiben geschobenen Fenstern hinunter in den Raum, sodass selbst in der Konzentration auf das eigene Anliegen das inspirierende Ganze gegenwärtig ist.

Spectrum, Sa., 2018.10.13



verknüpfte Bauwerke
Universität für angewandte Kunst – Generalsanierung Oskar-Kokoschka-Platz

18. August 2018Romana Ring
Spectrum

Vorrang dem Exponat

Ausstellungsarchitektur stellt nicht dar und drängt nicht in den Vordergrund – sie lässt den Ausstellungsstücken Raum. „Die Rückkehr der Legion“: zur Gestaltung der oberösterreichischen Landesausstellung in Enns durch Veit Aschenbrenner und Elisabeth Plank.

Ausstellungsarchitektur stellt nicht dar und drängt nicht in den Vordergrund – sie lässt den Ausstellungsstücken Raum. „Die Rückkehr der Legion“: zur Gestaltung der oberösterreichischen Landesausstellung in Enns durch Veit Aschenbrenner und Elisabeth Plank.

Architektur ist nicht dazu da, Geschichten zu erzählen. Weil sie aber unseren Alltag, unsere Träume, die Machtverhältnisse und Wirtschaftsleistungen einer Gesellschaft ebenso widerspiegelt wie deren technische Errungenschaften oder den Stellenwert, der etwa der Kultur eingeräumt wird, können wir Architektur dennoch lesen. Ausstellungsarchitektur macht keine Ausnahme: Sie stellt nicht dar, sie funktioniert. Sie respektiert den Raum, in dem sie sich befindet, setzt ihn jedoch in den Hintergrund. Sie selbst drängt keineswegs nach vorne; denn im Rampenlicht stehen die Exponate. Zu ihnen und an ihnen vorbei müssen die Besucherinnen und Besucher unterschiedlichster Körpergrößen, Interessen und Geschwindigkeiten gelenkt werden, unaufdringlich, sicher und barrierefrei.

Das Wiener Büro Veit Aschenbrenner Architekten hat in Arbeitsgemeinschaft mit der ebenfalls in Wien ansässigen Architektin Elisabeth Plank den Wettbewerb zur Gestaltung der heurigen oberösterreichischen Landesausstellung an deren beiden Schauplätzen in Enns gewonnen. Die Ausstellung nimmt unter dem Titel „Die Rückkehr der Legion“ das Erbe der Römer in Oberösterreich in den Blick. Das am Ennser Stadtplatz gelegene Museum Lauriacum vermittelt einen umfassenden Eindruck des einzigen Militärlagers in der römischen Provinz Noricum. Hier, auf dem Boden der ältesten Stadt Österreichs, war die II. italische Legion mit 6000 Soldaten stationiert; hier lebten die Legionäre mit ihren Familien, gingen außerhalb ihres Dienstes zivilen Beschäftigungen nach; hierher zog es Zuwanderer aus dem gesamten Imperium. In seiner Blütezeit zählte Lauriacum 25.000 Einwohner.

Veit Aschenbrenner und Plank ist es gelungen, die Erzählung vom Leben in dieser spätantiken Stadt den wissenschaftlich seriös aufbereiteten Funden zu überlassen, die von ihrer Ausstellungsarchitektur als thematisch wohl strukturiertes Ganzes zur Geltung gebracht werden. Ein immer wiederkehrendes Motiv dieser Architektur, dunkle metallene Platten, mittels zarter Füße vom Boden abgehoben, schneidet plastisch durchgeformte amorphe Zonen aus den Räumen des ehemaligen Rathauses, ohne dessen unterschiedlichen Bauphasen zu verdecken. Diese Zonen weisen den Besuchern den Weg durch die Ausstellung, laden zum Verweilen ein und animieren zu eigenen Entdeckungen. Insbesondere die Entscheidung, keine Rekonstruktionen zu versuchen, sondern die Fundstücke als Einheit mit allenfalls notwendigen grafischen Ergänzungen zu präsentieren, gibt klar der Fantasie den Vorzug vor allumfassender Animation.

Selbst Aufforderungen wie „Testen Sie in der virtuellen römischen Küche Ihre Fähigkeiten als Küchenchefin der Legion“ haben Veit Aschenbrenner und Plank räumlich korrekt und in Zusammenarbeit mit dem Grafiker Gerald Lohninger gestalterisch ansprechend gelöst. Das thematisch bunte Spektrum der Ausstellung reicht von der Organisation der Legion über das Alltagsleben in der geschäftigen Stadt am Limes bis zu Kunst und Kult der sich ihrem Ende zuneigenden Antike und wird durch wichtige Exponate zur Geschichte von Enns ergänzt. Veit Aschenbrenner und Plank haben die Präsentation von Bereichen wie Waffengattungen, Essgewohnheiten, Bestattungsriten oder Handelsgüter in Lauriacum subtil der jeweiligen Aufgabenstellung und ihrer bestmöglichen Rezeption angepasst, ohne den Faden der Gesamtschau zu verlieren. Handwerkzeuge und technisches Gerät werden in einer Art Baugerüst präsentiert, Skelette liegen auf einer gekiesten Fläche, und der Raum mit der Münzensammlung ruft Erinnerungen an Schatzkisten wach. Besonders wertvolle Exponate werden schon von Weitem sichtbar ins Blickfeld gerückt; Bereiche zum Zuschauen, Zuhören oder Ausruhen farblich und haptisch hervorgehoben. Im obersten Geschoß des Hauses wird noch einmal die Verbindung zum Ort geknüpft: mit zwei kleinen Fenstern, die auf den Ennser Stadtturm schauen.

Am zweiten Schauplatz der Landesausstellung, der Basilika St. Laurenz, wird die Architektur zum Exponat. Umfangreiche Ausgrabungen in der Unterkirche der Basilika haben schon in den 1960er-Jahren spannende Ergebnisse gezeitigt: So konnten die Reste einer repräsentativen, mit hohem Komfort ausgestatteten römischen Stadtvilla und einer in deren Ruinen eingebauten frühchristlichen Kirche freigelegt werden. Mit ihrer anlässlich der Landesausstellung vorgenommenen Neugestaltung der Unterkirche lassen Veit Aschenbrenner und Plank die damals ausgegrabenen Steine sprechen. An dem in den 1960er-Jahren betonierten Boden und der damals unter dem Fußboden der Basilika eingezogenen Betondecke wurde nichts verändert. Auch die Betonbrüstung, die längs des Rundganges durch die Unterkirche die Ausgrabungen schützt, ist nach wie vor an ihrem Ort. Ihr wurden jedoch dunkle Metallplatten vorgesetzt, hinter deren Schutz durchgehende Lichtlinien den Weg ausleuchten, während sorgsam gesetzte Lichtquellen das Mauerwerk zur Geltung bringt. Mithilfe der von Manfred Hintersteiner geplanten Lichtregie kann man bei Führungen die unterschiedlichen Bauphasen des Ortes im wahrsten Sinn des Wortes beleuchten. Dadurch gewinnen sogar die mächtigen Betonunterfangungen der Kirchenpfeiler eine über ihre Funktion hinausweisende Monumentalität.

Veit Aschenbrenner und Plank haben die beiden parallel zur Außenwand der Basilika verlaufenden Wege der Unterkirche mit Vitrinen gesäumt, in denen kostbare Fundstücke ausgestellt sind. Sie nehmen einen räumlich etwas aufgeweiteten Bereich in die Mitte, in dem der vom Statthalter der Provinz Noricum gestiftete Altar und eine steinerne Weihetafel einen prominenten Platz gefunden haben. Auch hier erfüllen die dunklen Metalltafeln den Zweck, eine Schale zu bilden, die der Würde der Exponate Raum verleiht. In der dem heiligen Severin, einer Lichtgestalt der Völkerwanderungszeit, gewidmeten Nische bleibt dieser Raum absichtsvoll leer. Am Ende des Weges stehen auf einer kleinen gekiesten Fläche 40 Lichtstelen beieinander: eine Erinnerung an die 40 Märtyrer, deren Gebeine unter der Basilika St. Laurenz gefunden wurden. Sie sind mit dem Landespatron Oberösterreichs, dem heiligen Florian, für ihren Glauben in den Tod gegangen, nur wenige Jahre bevor den Christen im Römischen Reich die Religionsfreiheit gewährt wurde.

Spectrum, Sa., 2018.08.18

21. Juli 2018Romana Ring
Spectrum

Zwischen Balkonien und Badkultur

Zweimal Neudeutung eines historischen Bestandes, einmal in einem Wiener Hinterhof, einmal auf einem oberösterreichischen Stadtplatz. „Himmelsfalter“ und. „Badhaus“ von X Architekten oder: Wie man Urlaub einmal ganz anders gestalten kann.

Zweimal Neudeutung eines historischen Bestandes, einmal in einem Wiener Hinterhof, einmal auf einem oberösterreichischen Stadtplatz. „Himmelsfalter“ und. „Badhaus“ von X Architekten oder: Wie man Urlaub einmal ganz anders gestalten kann.

Die Ferienzeit ist da: am Himmel das dicht gewobene Netz des Flugverkehrs, das Schweröl und der Müll der Kreuzfahrtschiffe in den Meeren, auf den Autobahnen der stinkende, lärmende Stau. Wie schön könnte man es doch daheim haben, auf dem eigenen Balkon zum Beispiel. Leider ist nicht jede von einem Geländer umwehrte Platte, die aus einer Fassade kragt, ein Ort, an dem man die Seele baumeln lassen möchte. Doch der „Himmelsfalter“ den die in Linz, Wien und Lambach ansässigen X Architekten in den engen Hof eines Gründerzeithauses in der Wiener Weyringergasse gesetzt haben, bannt Gedanken an Flucht aus dem Alltag und der Stadt mit zauberhafter Leichtigkeit.

X Architekten haben den von der Magistratsabteilung 19, Abteilung für Architektur und Stadtgestaltung, mit einer Teilnahme an der Ausstellung „Gebaut 2017“ ausgezeichneten Balkon gemeinsam mit seinen Nutzern, Kopp Restauratoren, geplant. Er bereichert die dahinterliegende, ebenfalls in Gemeinschaftsplanung zu einem feinen Gefüge aus Erinnerungen und Zukunftsvisionen verdichtete Altbauwohnung mit jenem privaten Luft- und Grünraum, den Quartiere dieser Art schmerzlich vermissen lassen. Denn in der Zeit des großen Immobilienbooms Ende des 19. Jahrhunderts wandte man dem Straßenraum zwar gerne eine repräsentative Fassade zu. Zur Belichtung und Belüftung der Wohnungen mussten allerdings häufig Schächte genügen.

Nun darf und will man die Nachbarn ja durch die Verbesserung der eigenen Situation nicht um die wenigen Sonnenstrahlen bringen, die durch solch eine enge Schlucht in ihre Fenster fallen. Der komplizierte, in Abstimmung mit den Wünschen der Nachbarn gefundene Zuschnitt des Himmelsfalters bildet folglich die Geometrie des Hofes ebenso ab wie die Lichteinfallswinkel zu den daran grenzenden Wohnräumen. Sein mehrfach geknickter Körper ist an seiner dem Hof zugewandten Außenseite mit einer Vielzahl von Dreiecken aus poliertem Edelstahl belegt, die das Haus selbst, vermengt mit Sonne und Himmel, als glänzende Splitter hinunter in die Tiefe spiegeln. Diese schimmernde Haut, von den Helden der Baustelle, den Metalltechnikern Fikret und Feriz Nakicevic, handwerklich vorbildhaft umgesetzt, wird von einer Stahlkonstruktion getragen, deren Einzelteile samt und sonders mit Hilfe einer Seilwinde per Hand an die Einbaustelle in lichter Höhe gebracht werden mussten.

Oben im fünften Stock hat der Falter seine Flügel zu einer bergenden Höhlung geformt, die mit thermobehandeltem Eschenholz ausgekleidet ist. Die Brüstung fasst großzügige Pflanztröge, in denen Blumen, Kräuter und Gemüse gedeihen. Hier, am Tisch oder im Liegestuhl, ist man dem Himmel schon sehr nahe, und auch die eng gestellten Häuser ringsum zeigen sich mit dem von zierlichen Gesimsen gesäumten Auf und Ab ihrer Dächer von ihrer besten Seite.

Das ist alles schön und gut, aber Balkonien ist für Sie keine Option, Sie brauchen Tapetenwechsel? Wie wäre es mit einem Aufenthalt im sogenannten Badhaus im oberösterreichischen Kurort Bad Hall? Die Architektur dieses nur 22 Zimmer fassenden Hotels am Hauptplatz der gepflegten kleinen Stadt im Traunviertel verantworten ebenfalls X Architekten. Auch in diesem Fall handelt es sich um die Neudeutung eines historischen Bestandes; auch hier haben wir es mit plastisch stark durchgeformten, metallumhüllten Körpern zu tun. Den zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Bader-, also Ärztehaus genutzten, zum Hauptplatz orientierten Trakt des Hotels haben X Architekten mit Rücksicht auf sein Umfeld sehr behutsam erneuert. Nur wer genau schaut, erkennt in der dreigeschoßigen verputzten Fassade die subtilen Interventionen, die aus einem historischen Gebäude, wie es unzählige ähnliche gibt, ein modernes Haus mit einer langen und spannenden Geschichte gemacht haben.

Am deutlichsten ist die Veränderung an den fünf Gaupen abzulesen, die den Dachraum nutzbar machen und in ihrer unverfälschten Körperhaftigkeit einen Vorgeschmack auf den Neubau geben, der sich in die Tiefe des lang gezogenen Grundstückes erstreckt. Er erhebt sich, dem Typus des Streckhofes entsprechend, anstelle eines aufgrund seines schlechten Erhaltungszustandes abgebrochenen Nebengebäudes. Auf einem knapp an die südöstliche Grundgrenze gerückten Sockelgeschoß, in dem das Restaurant untergebracht ist, erheben sich zwei weitere Geschoße mit Hotelzimmern. Diese wenden dem schmalen Garten eine mehrfach geknickte Fassade zu, die in der stark gefalteten Dachlandschaft darüber ihre Entsprechung findet. Wie kleine, rundum metallen gefasste Häuschen muten die Körper an, die durch ihr Vor- und Zurückspringen kleine, geschützte Außenbereiche vor den Zimmern schaffen. Die gläsern aufgelöste Fassade des ebenfalls zum Garten orientierten Sockelgeschoßes hingegen weitet den Raum nur mit einem Knick in ihrer Längsseite. Daran entlang stellt eine in jeder Hinsicht schräg mit Holz beplankte Bogenkonstruktion einen schützenden Schirm vor den Gästebereich des Restaurants.

Während X Architekten ihren schon oft unter Beweis gestellten Sinn für starke Farbigkeit und haptisch einprägsame Materialität vor allem im Bereich des Neubaues spielen lassen, verkommt dennoch keine der von ihnen geschaffenen räumlichen Überraschungen, kein noch so deutlich gesetzter Akzent oder Kontrast zur Dekoration. Es gibt – und das ist im Bereich des Bauens für Gäste leider eine Rarität - keine Staubfänger, keine Kulissen. Alles hat seinen Platz und seinen Sinn, von der in einem Gehäuse aus gestocktem Beton angeordneten Schauküche über die kreisrunden, gepolsterten Logen bis zum multifunktionalen, zum Hauptplatz hin geöffneten Frühstücksraum, der sich mit Elementen seiner Einrichtung unverblümt aus dem Fundus des Althergebrachten bedient, ohne das Hier und Jetzt herunterzuspielen.

Mit dem hier bewiesenen Respekt vor dem Bewährten lässt sich natürlich auch an der Oberfläche gute Stimmung erzeugen. Viel wichtiger aber ist die seitens X Architekten gezeigte Fähigkeit, das Vorgefundene zu verstehen und daraus zu lernen. Dann gelingen Räume, in denen selbst der in seiner funktionellen und bauphysikalischen Komplexität viel zu oft unterschätzte Alltag eines Hotelbetriebes und einer Gastronomie reibungslos abläuft. Sodass Sie, geehrte Leserin, geschätzter Leser, im Vorgarten des Badhauses unter der Markise sitzend, ungestört ihren Kaffee genießen können. Mit Blick auf den freundlichen Hauptplatz von Bad Hall.

Spectrum, Sa., 2018.07.21



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Himmelsfalter

12. Mai 2018Romana Ring
Spectrum

Baukunst als Draufgabe

Wenn Entscheidungsträger einer Gemeinde mit den Architekten gemeinsam an der Verbesserung eines Ergebnisses arbeiten, entsteht Gutes. So geschehen in Adlwang, Traunviertel.

Wenn Entscheidungsträger einer Gemeinde mit den Architekten gemeinsam an der Verbesserung eines Ergebnisses arbeiten, entsteht Gutes. So geschehen in Adlwang, Traunviertel.

Architektur ist überall. Wahrgenommen wird sie allerdings vorzugsweise, wenn sie ohnedies nicht zu übersehen ist: als Monument, als große kulturelle Tat, als Ausdruck eines neuen Geistes, gerne in Kombination mit noch neueren Technologien. Diese Art von Architektur ist zweifellos wichtig. Sie bahnt, nicht selten revolutionär, vormals nicht begangene Wege und findet auf Fragen, die bisher nur leise gestellt worden sind, weithin hörbare Antworten. In den meisten Fällen ist solche Architektur sogar gut für den Tourismus. Nicht weniger wichtig aber sind jene Anlagen, die außer den Nutzern kaum jemand kennt, in denen die Baukunst als Draufgabe entstanden ist. Als jener Mehrwert, der uns daran erinnert, dass Kultur auch im Alltag möglich ist. Das Feuerwehr- und Musikhaus, das die in Steyr ansässigen Hertl Architekten für die Gemeinde Adlwang geplant haben, ist eines dieser Objekte.

Mit Fremdenverkehr hat es ebenfalls, wenn auch nur am Rande, zu tun. Denn die im oberösterreichischen Traunviertel gelegene, beinahe 1800 Einwohner zählende Gemeinde ist seit dem frühen Mittelalter als Marienwallfahrtsort bekannt und konnte in dieser Funktion zeitweilig sogar Mariazell das (Weih)Wasser reichen. Daran hat weder die Reformation etwas geändert noch die Verbote Kaiser Joseph II. und schon gar nicht die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten. Im Marienmonat Mai schwillt der von der Säkularisierung der vergangenen Jahrzehnte deutlich geschwächte Pilgerstrom immer noch an. Zu Zehntausenden aber kommen die Wallfahrer erst Anfang Oktober nach Adlwang, wenn hier an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden der „Goldene Samstagnächte“ genannte Kirtag stattfindet. Diese mit Marktständen, Festzelten und allen Attraktionen, die je ein Schausteller ersonnen hat, weit in den Raum greifende Institution bietet eine Erklärung für eine Besonderheit Adlwangs: Hier ist sehr viel Platz.

Der Ortskern von Adlwang wird von der Pfarrkirche dominiert, die sich vor einem Abfall des sonst nur mäßig bewegten Geländes im Westen erhebt. Um die Kirche haben sich Gebäude geschart, die in Maßstab und Gestaltung ein dem ländlichen Wallfahrtsort entsprechendes Selbstbewusstsein ausstrahlen. Die im Osten dieser Gruppe liegende Kreuzung der beiden Hauptverkehrsachsen des Ortes ist ein räumlich unbestimmtes Feld, zu dem zwei historische Gehöfte im Süden ein Tor bilden.

Am nördlichen Ende dieses Zentrums steht das neue Feuerwehr- und Musikhaus quer zur Straße, so weit wie möglich an diese herangerückt. In Verbindung mit einem historischen Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite schließt es den öffentlichen Raum nun auch im Norden und setzt so ein Zeichen des Zusammenhaltes in der Gemeinde. Das Gebäude ist ja schon in seiner Aufgabenstellung, einigen der zahlreichen, in ihren Zielen und Gepflogenheiten durchaus unterschiedlichen Vereinen Adlwangs einen gemeinsamen Ort zu geben, Bauwerk gewordene Verbundenheit.

Doch nur dank des Gespürs der Hertl Architekten für die Bedürfnisse der einzelnen Nutzergruppen konnte die Anlage als überzeugendes Ganzes gelingen. In diesem Zusammenhang war vor allem die Trennung der Wege ein im Einsatzfall der Feuerwehr wörtlich genommen vitales Anliegen, dem die Ausbildung zweier gleichwertiger Längsseiten entspricht. Ein zweigeschoßiges L-förmiges Gebäude umrahmt im Süden und Osten die als eigenständiger Körper mit Pultdach ausgebildete Fahrzeughalle der Feuerwehr. Die frei gebliebene nordwestliche Ecke der Garage wird durch den Schlauchturm markiert. So können die hinter den gläsernen Toren der Halle stets sichtbaren Fahrzeuge an der Nordseite des Gebäudes ungehindert ausfahren, während die im Obergeschoß des Hauses untergebrachten Musiker – Blasmusik und Chor – an der zum Ortszentrum orientierten Südseite des Hauses ihren Eingang finden. Diese erhält durch zwei dunkel gefärbte horizontale Einschnitte, den Rücksprung des Erdgeschoßes und die von einem Fensterband fortgesetzte Loggia im Obergeschoß, entsprechende Prominenz.

Ein im Rahmen des Kunstbudgets von dem in Steyr ansässigen Grafiker Michael Atteneder entwickelter, in den Verputz eingearbeiteter Schriftzug über dem Eingang weist auf die vielfältige Nutzung des Gebäudes hin. Die einprägsame, der Straße zugewandte Stirnseite des Gebäudes mit dem im Norden aufragenden Schlauchturm und ihrer zum südseitig auskragenden Obergeschoß ansteigenden Dachkante wirkt überdies als Klammer, in der Inhalt und Form zur Deckung gebracht werden.

Die wohldosierte Kraft, mit der das Feuerwehr- und Musikhaus nach außen auftritt, wird durch die klare Ordnung der einzelnen Funktionsbereiche und die disziplinierte Gestaltung der Innenräume ergänzt. Dass Hertl Architekten eine Aufgabe wie diese – Feuerwehrhäuser sind in Oberösterreich mit mindestens ebenso detaillierten Angaben zu Raumprogramm und maximal zulässigen Errichtungskosten reguliert wie Musikheime – in der hier gezeigten Feinheit und Tiefe lösen konnten, ist nicht zuletzt dem Umstand zu verdanken, dass sie als Sieger eines Architekturwettbewerbes mit der Planung beauftragt wurden. So war vom Stadium des Vorentwurfes an ein allgemein akzeptierter Weg zur Umsetzung vorgezeichnet. Einen weiteren wichtigen Beitrag zum Gelingen des Unterfangens leisteten die Nutzer des Hauses, Gemeinde und Vereine. Durch ihre Mitwirkung bei praktisch jeder Baubesprechung konnten sie jene Gestaltungshoheit zurückerobern, die sie schon vor Beginn des Projekts an einen Generalübernehmer abgegeben hatten.

Damit haben sie zugleich einer nachdrücklich gestellten Forderung des für Gemeinden zuständigen oberösterreichischen Landesrates, Max Hiegelsberger, entsprochen: „Bauen heißt gestalten. Gerade in ländlichen Gemeinden können Bauvorhaben ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Gemeinschaft sein. Die unmittelbare Betroffenheit der Bürgerinnen und Bürger macht es daher umso notwendiger, Projekte von den ersten Gedanken bis zur Übergabe verantwortungsvoll zu begleiten. Denn Qualität entsteht dort am besten, wo die Entscheidungsträger der Gemeinde mit den Architekturschaffenden gemeinsam an der Optimierung des Ergebnisses arbeiten.“

Der so umrissene Entstehungsprozess eines Projektes mag viel von den Mühen der Ebene erzählen und wenig Spektakuläres verheißen. Doch ist Architektur, die so entsteht, jede Diskussion, jeden Gedanken und jeden Euro öffentlichen Geldes wert. Denn sie setzt Akte der Baukultur, wo man sich vielleicht mit der Erfüllung eines Raumprogramms zufrieden gegeben hätte.

Spectrum, Sa., 2018.05.12



verknüpfte Bauwerke
Musikhaus und Feuerwehr Adlwang

14. April 2018Romana Ring
Spectrum

Quer gedacht

Wenn es um das Glück der Nutzer ihrer Architektur geht, können Gunar Wilhelm und Sandra Gnigler sehr hartnäckig sein. Den Sachzwängen mögen sie sich fügen – sie heben aber sogar dort Qualitäten, wo andere gar nicht suchen.

Wenn es um das Glück der Nutzer ihrer Architektur geht, können Gunar Wilhelm und Sandra Gnigler sehr hartnäckig sein. Den Sachzwängen mögen sie sich fügen – sie heben aber sogar dort Qualitäten, wo andere gar nicht suchen.

Sie begehen dieser Tager ihr Fünf-Jahres-Firmenjubiläum: Gunar Wilhelm und Sandra Gnigler, die als harter Kern einer in wechselnden Konstellationen zusammenarbeiten den Gruppe von Absolventinnen und Absolventen der Linzer Kunstuniversität die mia2/Architektur ZT KG gegründet haben. Sie stehen für eine Generation junger Architekten, die den Umgang mit den als zukunftsweisend gepriesenen digitalen Medienund Planungswerkzeugen aus dem Handgelenk beherrschen. Mit der guten alten Frage, was Architekturschaffende eigentlich leisten, sind sie dennoch konfrontiert. Die schier grenzenlose Zugänglichkeit von Information hat es bisher nicht vermocht, das Bewusstsein der breiten Masse über den Mehrwert von Architektur für Individuum und Gemeinschaft zu schärfen.

Ein Blick auf die Arbeit der mia2 kann da weiterhelfen, denn das Spektrum ihrer Themen ist breit. Es reicht vom Städtebau über den Geschoßwohnungsbau, das private Wohnhaus und Räume für die Arbeitswelt bis zum Entwurf kleinster Objekte. Gunar Wilhelm und Sandra Gnigler haben sich mit Wettbewerbsbeiträgen für prominente Bauvorhaben zu Wort gemeldet, sie haben mit knappen Budgets spannende Ausstellungen realisiert, Mediationsräume in leer stehenden Objekten geschaffen, die verfahrenen Planungskarren anderer wieder flottgemacht und sich immer wieder mit Kunst am Bau oder der Gestaltung grafischer Leitsysteme befasst.

Abseits der Trampelpfade

Kein Unterfangen ist zu komplex, um nicht in Angriff genommen, keine Aufgabe zu bescheiden, um nicht mit Gedanken bereichert, kein Kostenrahmen zu eng, um nicht mit maximalem Gewinn für die Nutzer ausgeschöpft zu werden. Und immer geht es um das Denken abseits der Trampelpfade, um eine beharrliche Suche nach Übereinstimmung von Inhalt und Form und nicht zuletzt um die konsequente Sauberkeit der Umsetzung.

Quer gedacht, technologisch experimentell, räumlich großzügig bei sparsamem Umgang mit Geld und anderen Ressourcen: So ließe sich in aller Kürze ein kleines Wohnhaus beschreiben, das mia2 in Steyr-Münichholz geplant haben. Der Bauplatz ist ebenso idyllisch wie herausfordernd. Das von Bäumen dicht bestandene Grundstück fällt schon wenige Meter hinter der erschließenden Siedlungsstraße im Süden jäh zur Enns im Norden ab, wo es überdies regelmäßig von Hochwässern betroffen ist. Ein Wohnhaus üblichen Zuschnittes hätte wohl die gesamte ebene und dauerhaft trockene Fläche der Liegenschaft verbraucht. Um das zu vermeiden, drehten mia2 den rechteckigen Grundriss desHauses kurzerhand um 90 Grad. So steht das zweigeschoßige, aus gutem Grund „Baumhaus“ genannte Gebäude nur zu einem kleinen Teil auf festem Boden und greift über die Geländekante hinaus weit in den bewaldeten Raum. Ein filigran anmutendes Stahlgerüst mit drei hölzernen Plattformen findet sich, einem Hochstand nicht unähnlich, an die nördliche Stirnseite des Hauses geschoben und dient den in den Längswänden verborgenen Trägern als Auflager.

Eine weitere Besonderheit des zur Gänze aus Holz konstruierten Baumhauses ist ebenfalls nicht sichtbar: Auf ausdrücklichen Wunsch des Bauherrn besteht die Dämmung der Gebäudehülle gänzlich aus Stroh. Die Tragkonstruktion aus massiven verleimten Holzelementen prägt die Innenräume mit ihrer Oberfläche aus unbehandelter Weißtanne. Davor hat der Bauherr eigenhändig die Strohpakete aufgeschichtet, die mithilfe einer eigens entwickelten, materialsparendenRückhängung in Position gehalten werden. Eine hinterlüftete horizontale Holzschalung bildet die äußerste Schicht des Wandaufbaus. Der hohe Vorfertigungsgrad der Konstruktion, der Wunsch nach einem Maximuman Eigenleistungen seitens des Bauherrn undvor allem die hundertprozentige, späteren Korrekturen entzogene Sichtbarkeit der Bauelemente im Inneren des Hauses erforderten kompromisslose Planungsgenauigkeit seitens der mia2. Insbesondere die fließenden, sich keineswegs mit der schlichten Stapelung zweier Geschoße begnügenden Raumfolgen konnten nur dank der sorgfältigen Überlegung jeder Kante und jedes Plattenstoßes in der erreichten Qualität gelingen.

Volumen wird im Baumhaus grundsätzlich nicht verschenkt. Das Badezimmer wird zum Flur, die Galerie zum Arbeitszimmer, und selbst im Boden des Stiegenpodestes gibt eine Luke noch Stauraum unter der Stiege frei. Die Raumhöhen korrespondieren mit der Nutzung, die Öffnungen sind so gesetzt, dass Ausblick und Lichteinfall der Intimität des Wohnens keinen Abbruch tun. Der Wald aber bildet einen stets gegenwärtigen, mit Jahreszeit und Witterung wechselnden Hintergrund und bewahrt so in jedem Raum des Hauses jenen besonderen Charakter des Ortes, der für den Bauherrn das wesentliche Motiv des Unterfangens geblieben ist. Die in Planung und Ausführung des Baumhauses gezeigte Fähigkeit der mia2, die Grundstimmung einer Aufgabe zu finden und in Architektur zu fassen, ist wie ihre Bereitwilligkeit, sich ohne Preisgabe des gestalterischen Anspruchs auf die Wünsche der Bauherrschaft einzulassen, in allen Projekten sichtbar, die sie bisher verwirklicht haben.

„Wege zum Glück“ im Nordico

Besonders gut lässt sich das gezielte Erschaffen einer bestimmten Atmosphäre in den Ausstellungsgestaltungen der mia2 nachvollziehen. So haben sie etwa im Vorjahr mit der Architektur und Grafik für die Ausstellung „Wege zum Glück“ im Nordico Stadtmuseum Linz all die Initiativen und Gruppen, die in Linz an einem gelingenden Miteinander basteln, auf berührende Weise porträtiert. Gleichzeitig ist es ihnen mithilfe eines ebenso einfachen wie erfindungsreichen interaktiven Mobiliars gelungen, das Publikum ein Stück dieser Wege zum Glück entlangzuführen.

Wenn es um das Glück der Nutzer ihrer Architektur geht, können Gunar Wilhelm und Sandra Gnigler sehr hartnäckig sein. Den Sachzwängen mögen sie sich fügen, aber am Ende gelingt es ihnen, selbst dort noch Qualitäten zu heben, wo andere sich nicht einmal auf die Suche machen würden. Das ist nicht zuletzt für den sozialen Wohnungsbau eine gute Nachricht.

2008 hat Gunar Wilhelm die Talentförderungsprämie des Landes Oberösterreich erhalten, 2014 Sandra Gnigler. Im Jänner dieses Jahres haben Max Luger und Franz Maul mia2 anlässlich ihrer eigenen Würdigung mit dem Heinrich-Gleißner-Preis für den damit verbundenen Förderpreis nominiert. Ihre Erfolge hindern Wilhelm und Gnigler nicht daran, die Dinge klar zu sehen und deutlich zu benennen: „Der wirtschaftliche Gedanke hat in der heutigen Gesellschaft mehr Gewicht als die räumliche Qualität, egal in welchem Maßstab.“ Das zu ändern sehen sie durchaus als ihre Pflicht.

Spectrum, Sa., 2018.04.14

27. Januar 2018Romana Ring
Spectrum

Was kann ich für mein Land tun?

Pioniere des konstruktiven Holzbaus in Oberösterreich, Streiter für Qualität, Vertreter des Standpunkts, dass die Würde des Menschen auch in Räumen Ausdruck finden muss: zur Verleihung des Heinrich-Gleißner-Preises an das Welser Architekturbüro Luger & Maul.

Pioniere des konstruktiven Holzbaus in Oberösterreich, Streiter für Qualität, Vertreter des Standpunkts, dass die Würde des Menschen auch in Räumen Ausdruck finden muss: zur Verleihung des Heinrich-Gleißner-Preises an das Welser Architekturbüro Luger & Maul.

Wie misst man den Erfolg eines Architekturbüros? An der Häufigkeit der Wettbewerbsgewinne, der Anzahl der realisierten Projekte, der Prominenz der erhaltenen Preise? Das Welser Architekturbüro Luger & Maul wäre unter jedem dieser Gesichtspunkte als erfolgreich einzustufen. Max Luger und Franz Maul können auf zahlreiche Wettbewerbserfolge verweisen und haben mehr als 300 Objekte gebaut, deren hohe Qualität in wichtigen Preisen gewürdigt wurde. Am 10. Jänner wurden Max Luger und Franz Maul mit dem Heinrich-Gleißner-Preis ausgezeichnet. Diese vom Kulturverein Heinrich-Gleißner-Haus jährlich an Künstler aus unterschiedlichen Sparten vergebene Auszeichnung würdigt den Einfluss der Preisträger auf das kulturelle Geschehen Oberösterreichs. Mit der ihrerseits gestellten Frage „Was kann ich für mein Land tun?“ zeigen Max Luger und Franz Maul, dass ihre Vorstellung eines gelungenen Weges nicht an der Türe ihres Ateliers endet.

Seine Wirksamkeit in Oberösterreich hat das seit 28 Jahren bestehende Büro Luger & Maul weder durch die schiere Menge noch durch die beeindruckend breite, von städtebaulichen Großprojekten bis zu vergleichsweise kleinen privaten Wohnobjekten reichende Palette der realisierten Bauaufgaben entfaltet. Auch mit dem Verweis auf die durchgängig hohe Qualität der Arbeiten ist seine Bedeutung für Oberösterreich noch nicht hinreichend erklärt. Max Luger und Franz Maul lassen sich in außergewöhnlicher Tiefe auf ihre Bauvorhaben ein. Ihr Interesse gilt immer der ganzen Aufgabe, wobei sie den Begriff „ganz“ nicht selten wesentlich weiter fassen, als es sich ihre Auftraggeber vorgestellt haben. Sie haben die seltene Gabe, umfassend und genau auf ihr jeweiliges Gegenüber mit seinen Bedürfnissen einzugehen. Das erklärt nicht zuletzt die auf Vertrauen und Zufriedenheit gegründeteTreue ihrer privaten Auftraggeber. Max Lugerund Franz Maul verstehen es, mit Menschen,mit Orten und gleichermaßen mit Traditionen wie mit Zukunftsvisionen „in Resonanz zu gehen“, wie es so schön heißt. Ihre Herkunft aus dem ländlichen Raum Oberösterreichs und ihre dem Architekturstudium vorangestellte handwerkliche Ausbildung verleihen ihnen dabei jenen zusätzlichen Körper, den man für eine gute Resonanz eben braucht – und der gerne als Bodenständigkeit bezeichnet wird.

Ihr Qualitätsbewusstsein, ihr Gefühl für Technologien und Materialien ruht auf dem Fundament des Handwerks und verleiht ihnen die Autorität, Architektur in der ihnen eigenen Logik der Konzepte und Feinheit der Detailgestaltung durchzusetzen. Auf der Basis ihres handwerklichen Könnens und ihrer Fähigkeit zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit ausführenden Firmen sind Luger & Maul auch zu Pionieren des konstruktiven Holzbaus in Oberösterreich geworden, was nicht zuletzt an den zahlreichen Auszeichnungen ihrer Bauten mit oberösterreichischen Holzbaupreisen abzulesen ist. Ihre Bereitschaft und das Vermögen, einfach zu denken, zeigen sich allerdings nicht nur in der Entwicklung neuer, wirtschaftlich haltbarer Technologien. Für Max Luger und Franz Maul ist das Einfache keine Pose. Ihre Architektur stellt nicht die Reduktion in den Vordergrund, sondern was erscheint, wenn man Unnötiges weggelassen hat: Licht, Farbe, Stimmung und eine Funktionalität, die auf die gegenwärtigen Bedürfnisse der Nutzer eingeht, ohne der Zukunft Raum zur Entwicklung zu nehmen. Dieser Blick für das Wesentliche und der vertraute Umgang mit Traditionen bei gleichzeitiger Offenheit für Veränderungen befähigen Max Luger und Franz Maul nicht zuletzt zu einem behutsamen wie erfrischenden Umgang mit historischen Gebäuden.

Hier spannt sich ein weiter Bogen vom Welser Rathaus und der mit dem Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der Architekten ausgezeichneten Revitalisierung des Minoritenklosters in Wels über die Interventionen im Stift Schlierbach, das Kultur- und Jugendzentrum in Vorchdorf, das Bildungshaus Schloss Buchberg, die Schwimmschule Steyr und die Revitalisierung der Welser Dragonerkaserne bis zur Neugestaltung der Repräsentationsräume der Johannes-Kepler-Universität, um nur einige der Bauten zu nennen, mit denen Luger & Maul Vorbilder in ein allzu häufig von Unwissen, Zaghaftigkeit und starren Fronten geprägtes Umfeld setzten.

Ähnlich kontrovers wie der angemessene Umgang mit dem Baudenkmal wird das richtige Bauen im Landschaftsraum diskutiert. Insbesondere an den Ufern der Salzkammergutseen ist der Blick, den die Naturschutzbehörde auf geplante Bauvorhaben wirft, streng. Doch gerade hier ist es Luger & Maul dank ihrer Verbundenheit mit der Region, ihres hartnäckig verteidigten Qualitätsanspruchs und ihrer durch Rückschläge nicht verminderten Bereitschaft zum Dialog gelungen, zeitgemäße Formen des Bauens in der Landschaft zu finden. Ihre Badehäuser am Attersee beispielsweise verbinden zeitgemäßen Komfort, technische Reife und handwerkliche Perfektion mit tiefer, aus dem Landschaftsbezug gewonnener Emotion. Sie zeigen Auswege aus der von Klischees überladenen Maßstabslosigkeit vieler touristischer Bauten, was auch über Österreichs Grenzen hinaus anerkannt und mit einer Auszeichnung für „Neues Bauen in den Alpen“ gewürdigt wurde.

Seit 1999 geben Max Luger und Franz Maul als Lektoren an der Linzer Kunstuniversität im Rahmen ihrer Hochbauvorlesungen ihr Wissen und ihre Haltung weiter. Sie kämpfen für Qualität, für anständige Abläufe, sie treten für ihre Überzeugungen ein. Sie vertreten den Standpunkt, dass die Würde des Menschen auch in angemessenen Räumen ihren Ausdruck finden kann und muss. Mit den jüngst auf dem Areal des ehemaligen Pferdehospizes der Welser Dragonerkaserne fertiggestellten Wohnhäusern haben Luger & Maul genau das in einem Bereich nachgewiesen, der seit der Einführung neuer Förderrichtlinien für den sozialen Wohnungsbau besonders schwierig geworden ist. Die Wohnhäuser stehen als sechsgeschoßige konstruktive Holzbauten technologisch an der Spitze neuester Entwicklungen. Und sie zeigen mit ihrem klugen Erschließungskonzept, ihrer robusten wie gediegenen Ausführung und der von Sorgfalt und gestalterischem Anspruch getragenen Erscheinung, dass man mit sehr wenig Geld sehr guten Wohnbau machen kann, wenn man denn mit dem Planungsauftrag auch die Überzeugungsarbeit auf sich nimmt.

Spectrum, Sa., 2018.01.27

08. Juli 2017Romana Ring
Spectrum

Das Glück im gefegten Zimmer

Leer fallende Gebäude im Ortszentrum, dafür Zersiedlungswucherungen an der Peripherie: ein Problem, dem sich immer öfter lokale Initiativen entgegenstellen. Etwa im Mühlviertler St. Oswald. Das Ergebnis: eine vorbildliche Neugestaltung des Marktplatzes.

Leer fallende Gebäude im Ortszentrum, dafür Zersiedlungswucherungen an der Peripherie: ein Problem, dem sich immer öfter lokale Initiativen entgegenstellen. Etwa im Mühlviertler St. Oswald. Das Ergebnis: eine vorbildliche Neugestaltung des Marktplatzes.

Die Gasthäuser finden keine Pächter mehr, der Bäcker, der Fleischer, die Gemischtwarenhändlerin haben längst aufgegeben. Daran, dass es hier einmal einen Friseur gegeben hat, können sich nur mehr die ganz Alten erinnern. Draußen, auf den einst grünen Wiesen aber schreitet die Zersiedelung munter voran. Während Nahversorger sich mit Textilketten und Baumärkten die begehrten Plätze am Kreisverkehr teilen, sterben die Zentren aus. Es scheint, als käme auf zehn, vielleicht 15 schmucke Eigenheime im frisch gewidmeten Wohngebiet ein Haus im alten Ortskern, das hinter blinden Fenstern von der Vergangenheit träumt. Der Aufschwung an der Peripherie und der Leerstand im Inneren sind kommunizierende Gefäße.

Gegen eine Lebensweise, die, von den Verheerungen an Umwelt und Volkswirtschaft abgesehen, für den Einzelnen zermürbende Details wie den täglichen Stau zur Arbeit bereithält, lehnt sich kaum jemand auf. Doch leer fallende Gebäude im Ortszentrum werden seit einiger Zeit von einer immer breiter werdenden Öffentlichkeit als Problem wahrgenommen. Weil die Ruinen eines untergegangenen Gemeinwesens das Bild ländlicher Idylle stören, könnte man da unken. Optimisten würden sagen: weil der Wunsch nach einem guten Leben nicht zuletzt auf sozialen Austausch und auf ein mit anderen Menschen geteiltes Gefühl der Ortsverbundenheit gerichtet ist. Zahlreiche Initiativen und unterschiedlichste Gruppierungen suchen landauf, landab nach Strategien, um dieses Grundbedürfnis in einer sonst weitgehend auf vordergründige Wirtschaftlichkeit und gefühlte Individualität abgestellten Welt zu befriedigen.

Auch in Oberösterreich: In der Marktgemeinde St. Oswald bei Freistadt beispielsweise hat ein äußerst engagierter Verein die Neugestaltung des Marktplatzes als wirksames Instrument zur Rückeroberung der Mitte erkannt. Nach 15 Jahren beharrlichen Einsatzes des „Forums Marktplatz“ haben im Jahr 2009 Elisabeth Lobmaier-Stockinger und Markus Lobmaier – sie betreiben gemeinsam das Architekturbüro Lobmaierstockinger in Linz – den seitens der Gemeinde ausgelobten Wettbewerb zur Platzgestaltung gewonnen. Darauf folgte ein weitere fünf Jahre währender kooperativer Planungsprozess, in dem jede Einzelheit des 2016 fertig gestellten Platzes mit großer Offenheit von Planern und Aktivisten diskutiert und einvernehmlich festgelegt wurde.

Es gehört zu den wichtigsten Qualitäten des gebauten Ergebnisses, dass es trotz der Fülle der behandelten Themen nicht zur gruseligen Leistungsschau guter Ideen geraten ist. Vielmehr haben Lobmaierstockinger gemeinsam mit dem Verkehrsplaner Hans Haller aus Kirchberg den Bestand rigoros von Überflüssigem befreit und so das darin angelegte Gemeinsame und Verbindende sichtbar gemacht. Dieses findet sich vor allem in den zwar bunten, doch nach wie vor stimmig anmutenden Fassadenfolgen zu beiden Seiten des Platzes und dem scheinbar mühelosen Reagieren des Raumes auf die anspruchsvolle Topografie des Mühlviertler Hügellands. Dazu kommt noch die Wahl eines einheitlichen, verschiedensten Situationen angemessenen Belags, sodass sich der neue Marktplatz wie ein ordentlich gefegtes Zimmer präsentiert, das in seiner Dimension und Ausstattung gleichermaßen einladend und robust genug wirkt, es mit Aktivitäten zu füllen.

Eigentlich ist der Marktplatz von St. Oswald eine – relativ steile – Straße, die, von Westen kommend, nach Osten ansteigt und dort vom Marktturm zeichenhaft abgeschlossen wird. Der Platz ist als Begegnungszone und barrierefrei angelegt, was angesichts seiner starken, von allerlei Quergefälle durchzogenen Steigung eine große Herausforderung für die Planung war. Als Belag dient heimischer, aus dem benachbarten Niederösterreich stammender Granit. Das Material des vom oberen Ende des Marktplatzes aus sichtbaren Steinbruchs wäre in seiner stetigen Farbigkeit für das ländliche Umfeld zu gleichförmig gewesen. Immerhin konnte, nicht ohne Kampf, ein Steinimport aus China abgewendet werden. Die durch diese nachhaltige Entscheidung verursachten, nicht unbeträchtlichen Kosten konnte man durch eine sehr einfache Maßnahme in Grenzen halten: So weit das Budget reichte, findet sich der Stein in Streifen von drei Formaten quer zum Straßenverlauf von Platzwand zu Platzwand verlegt. Am oberen und am unteren Ende des Marktplatzes übernimmt kostengünstiger Asphalt, von flachen granitenen Leistensteinen gefasst, diese Funktion.

Das Regenwasser wird in flachen, sorgsam aus Stein gehauenen Rinnen abgeleitet. Sehr wohltuend wirkt der Verzicht auf ein Ausweisen von Parkplätzen in den Oberflächen. Wer jemals an einer Diskussion zu diesem Thema teilgenommen hat, weiß, welche enorme kulturelle Leistung diese Zurückhaltung darstellt. Eine blaue Linie – sie kann eines Tages wohl ohne großen Aufwand entfernt werden – genügt zur Kennzeichnung von Kurzparkzonen.

Auch die Möblierung des Platzes ist zweckmäßig und ansprechend schlicht. Einfache Kandelaber begleiten den Straßenverlauf. Die ursprünglich projektierte Beleuchtung der Fassaden hat sich als zu verhandlungsintensiv für eine Realisierung erwiesen. Den Wunsch des „Forums Marktplatz“ nach einer Begrünung des Platzes haben die Planer mit Hilfe einer Maßnahme erfüllt, die dem abschüssigen Terrain zusätzlich die eine oder andere ebene Fläche abgewinnt: Im oberen Teil des Platzes weisen die Bereiche vor den Hauseingängen kein Quergefälle auf. Den Höhenunterschied zur Fahrbahn überbrücken hier schmale Staudenbeete. Sie werden von steingefassten, mit den Namen der zum Gemeindegebiet gehörenden Ortschaften versehenen Pflanztrögen für kleinkronigen Kugelahorn ergänzt, auf denen hölzerne Sitzbänke montiert sind.

Während der Planungsarbeiten sind die letzten Geschäfte vom Platz verschwunden. Ein Hotel steht leer; ein Gasthaus wird zum Wohnhaus umgedeutet; ein ehemaliger Nahversorger ist noch als Mahnmal zur Bandbreite gestalterischer Fehlentscheidungen zu besichtigen. Doch: Es ist Leben im Zentrum von St. Oswald. Die Häuser sind bewohnt; neue Betriebe ziehen ein; die Vereine bespielen den öffentlichen Raum mit allerlei Festlichkeiten. St. Oswald bei Freistadt zählt zu den glücklichen, den aufstrebenden Gemeinden Oberösterreichs; zumal es seit Kurzem einen Autobahnanschluss hat.

Spectrum, Sa., 2017.07.08



verknüpfte Bauwerke
Marktplatz St. Oswald bei Freistadt

20. Mai 2017Romana Ring
Spectrum

Jedes Ding hat seine Zeit

Nach seiner Umwandlung in ein Sprechtheater heißt das ehemals „Große Haus“ an der Linzer Promenade „Schauspielhaus Linz“. Technisch ertüchtigt, bewahrt das Haus seinen Charakter – mit verbessertem Komfort für die Zuschauer.

Nach seiner Umwandlung in ein Sprechtheater heißt das ehemals „Große Haus“ an der Linzer Promenade „Schauspielhaus Linz“. Technisch ertüchtigt, bewahrt das Haus seinen Charakter – mit verbessertem Komfort für die Zuschauer.

Häuser sind gebauter Alltag. Jede Generation fügt etwas hinzu oder wirft etwas hinaus. Im Grunde haben wir es überall mit immerwährenden Baustellen zu tun, Fertigstellungstermine ermöglichen nur Momentaufnahmen. Mit dem ehemals „Großen Haus“ des Landestheaters an der Linzer Promenade verhält es sich nicht anders. An seiner Größe hat sich nichts verändert. Doch das nach seiner Generalsanierung seit einigen Wochen wieder bespielte Haus heißt nun „Schauspielhaus Linz“, und sein Auftritt ist gelungen wie schon lange nicht.

Das Wiener Architekturbüro Jabornegg & Palffy hat in Arbeitsgemeinschaft mit dem ebenfalls in Wien ansässigen Büro Vasko und Partner jene Verwandlung des ehemaligen Mehrspartengebäudes geplant, die der 2013 eröffnete Neubau des Musiktheaters am Linzer Volksgarten ermöglicht hat. Die Wahl der Planer erweist sich als Glücksfall, den sich das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung, vertreten durch Richard Deinhammer und die Oberösterreichische Theater und Orchester GmbH unter der kaufmännischen Leitung von Uwe Schmitz-Gielsdorf, jedoch redlich verdient haben. Ein auf Architektur und Denkmalpflege spezialisiertes Büro, Pitz & Hoh aus Berlin, erstellte zunächst eine umfassende Studie zu der über mehr als 200 Jahre gewachsenen Anlage als tragfähige Grundlage zur Diskussion der weiteren Vorgangsweise mit dem Bundesdenkmalamt. Als der Erhalt des Hauses in seiner Grundstruktur und in seinem Erscheinungsbild nach außen feststand, beauftragte man weder mit dem so häufig vorgeschobenen „Bleibt eh alles, wie es war!“ einender üblichen Verdächtigen, noch entschied man das Verhandlungsverfahren für die Generalplanerleistungen über den Angebotspreis. Es war vielmehr der sensible Umgang mit historischer Bausubstanz, der den Ausschlag für Jabornegg & Palffy gab.

Für sie galt es nun, die gesamte Anlage technisch zu ertüchtigen, den Zuschauerraum räumlich und akustisch den Bedingungen eines reinen Sprechtheaters anzupassen und bei dieser Gelegenheit auch den in der Vergangenheit nicht selten schmerzlich vermissten Komfort für das Publikum zu verbessern. Gleichzeitig sollte der Charakter des Hauses bewahrt bleiben, den eine seiner zahlreichen Umformungen in besonderer Weise geprägt hatte: Von 1953 bis 1958 hatte Clemens Holzmeister das Landestheater um die im Norden angrenzenden Kammerspiele erweitert, dem Bestand Pausen- sowie bühnentechnisch genutzte Räume hinzugefügt und ihn von einem Logen- in ein Rangtheater verwandelt.

Diese im Laufe der Jahrzehnte mehrfach überformte Bauphase des Theaters erwies sich angesichts der ebenso gern gestellten wie schwer zu beantwortenden Frage „Was genau ist hier das Denkmal?“ als hilfreicher Anker. Die mit dem Bundesdenkmalamt gefundene Einigung, Holzmeisters einstigen Interventionen das größte Gewicht beizumessen, schuf den soliden Grund, auf den Jabornegg & Palffy ihre Neugestaltung des Schauspielhauses stellen konnten. Denn Holzmeisters kluges, wenngleich durch spätere Entwicklungen stark verstümmeltes städtebauliches Konzept erweist sich als genauso wertbeständig wie die von ihm unter Mitwirkung von regional verwurzelten Künstlerinnen und Künstlern in kräftiger Farbigkeit gestalteten Raumfolgen.

So hat man im Laufe des Planungs- und Bauprozesses vieles weggeräumt, was im Strom der Jahrzehnte an den Rändern der Räume gelandet ist, und vieles ausgegraben, das unter Farbschichten, Wandverkleidungen und in Rumpelkammern die Zeit überdauert hat. Ein neues, schlichtes Vordach beschirmt die Haupteingangszone an der Promenade. Das dahinter liegende Foyer mit dem von Gudrun Baudisch geschaffenen keramischen Deckenornament hat nach dem Entfernen nachträglicher Einbauten ebenso seine Großzügigkeit wiedergewonnen wie die Pausenräume im ersten und im zweiten Stock. Dort bereiten das zweifarbige Parkett, eine ockergelbe und eine pompejanisch-rote Decke, wiedergefundene Beleuchtungskörper, feingliedriges Mobiliar von Anna-Lülja Praun, in Wandnischen gestellte Terrakotta-Figuren von Walter Ritter und die auf Goldgrund gemalten Bilder von Rudolph Kolbitsch die Besucher auf das Erlebnis des Zuschauerraumes vor: roter Boden, zartblaue Wände, Verkleidungen aus Birnenholz, grau tapezierte Stuhlreihen und das in Gold gefasste Deckenfresko von Fritz Fröhlich, in dem sich die Farbigkeit der Räume wiederfindet.

Das Schauspielhaus des Jahres 2017 ist dennoch keine Rekonstruktion eines Werks von Clemens Holzmeister. Vielmehr bildet es die Fähigkeit von Jabornegg & Palffy ab, die Kraft des Vorhandenen zu erkennen und ohne selbstgefällig inszenierte Brüche in neue, heute gültige Zusammenhänge zu setzen. Das gesamte Erdgeschoß des Theaters ist neu organisiert. Der Trakt nördlich des Zuschauerraumes steht nun in unmittelbarer Verbindung zu den Kammerspielen. Die diesen 2009 im Zuge des Tiefgaragenneubaus unter der Promenade zugefügten Garderoben- und WC-Anlagen können nun auch von den Besuchern des Schauspielhauses genutzt werden, so wie der Kartenverkauf mitsamt seinen Büros im nördlichen Foyer des Schauspielhauses beide Häuser bedient.

Der mit Kehlheimer Platten im historischen Format belegte Fußboden fällt, flankiert von einer gläsernen, auf einem Travertinsockel ruhenden Vitrine, vom Niveau des Vestibüls der Kammerspiele in einer flachen Rampe zum Foyer an der Promenade ab. Eine ebenfalls mit Travertin, dem Stein der vorgefundenen Türgewände, belegte Bar schließt den Raum stirnseitig zur Promenade hin ab. Davor schwingt sich die historische Stiege mit ihren roten Steinstufen in die oberen Geschoße. Da sie als Fluchtstiege nicht geeignet ist, haben Jabornegg & Palffy ein nicht minder ungeeignetes Stiegenhaus zwischen dem Schauspielhaus und den Redoutensälen im Süden abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt, der zeigt, dass Erschließungsflächen gerne auch räumliche Qualitäten haben dürfen.

Um dem Zuschauerraum diese Qualität zurückzugeben und überdies Sicht- und Hörbedingungen zu schaffen, die eines Landestheaters würdig sind, waren viele Interventionen nötig: vom Wegräumen überholter Akustikeinbauten bis zum Ordnen des Wildwuchses an Bühnentechnik, vom Einbau einer Belüftungsanlage bis zur Neuordnung der Ränge mitsamt Bestuhlung. Die Stühle mögen, unter hohem Aufwand denkmalpflegerisch korrekt restauriert, die alten sein. So bequem ist man in diesem Saal gewiss noch nie gesessen, geschweige denn konnte man dem Geschehen auf der Bühne jemals so gut folgen wie heute.

Spectrum, Sa., 2017.05.20

01. April 2017Romana Ring
Spectrum

Neue Fäden für Ariadne

Wenn sich Hotelgäste nicht in einem Labyrinth unbelichteter Gänge verirren, sondern dank natürlicher Belichtung die Orientierung bewahren, hat man ein Beispiel gelungener Architektur vor sich. So gefunden in Lech am Arlberg, verantwortet von Florian Aigner aus Linz.

Wenn sich Hotelgäste nicht in einem Labyrinth unbelichteter Gänge verirren, sondern dank natürlicher Belichtung die Orientierung bewahren, hat man ein Beispiel gelungener Architektur vor sich. So gefunden in Lech am Arlberg, verantwortet von Florian Aigner aus Linz.

Ursprünglich waren es nur ein paar Mitarbeiterräume, die der junge Linzer Architekt Florian Aigner dem Hotel Stäfeli in Lech am Arlberg hinzufügen sollte. Um mit dieser Maßnahme die zukünftige Entwicklung des Betriebes nicht einzuschränken, legte er mit dem geforderten Entwurf auch ein Erweiterungskonzept vor, das die Eigentümer von der Sinnhaftigkeit eines wesentlich größeren Eingriffs überzeugte. Er erhielt den Auftrag, mit 16 neuen Gästezimmern die Kapazität des Hotels fast zu verdoppeln und bei dieser Gelegenheit die gesamte Anlage neu zu ordnen. Im Team mit seinen Eltern, Rudolf und Ines Aigner und ihrem Büro Aigner + Partner, ist es ihm gelungen, eine Herausforderung vorbildhaft zu meistern, die vielen Hotels im alpinen Raum bekannt sein dürfte.

Diese meist mit hohem persönlichen Engagement ihrer Eigentümerfamilien geführten Betriebe haben sich den steigenden Nächtigungszahlen der vergangenen Jahrzehnte und den wachsenden Qualitätsansprüchen ihrer Gäste gleichermaßen gestellt. Wo früher ein Waschtisch im Zimmer und ein WC pro Stockwerk denkbar waren, sind eigene Sanitärzellen für jeden Gast heute eine Selbstverständlichkeit. Man bietet, um im Wettbewerb zu bestehen, zumindest einen sogenannten Wellnessbereich, den, wenn möglich, ein Schwimmbad ergänzt. Das alles hat man nach bestem Wissen errichtet und steht am Ende ohne jeden bösen Vorsatz vor Anlagen, die man selbst unter weitgehender Zurücknahme gestalterischer Ansprüche so niemals neu bauen würde. Da explodieren die Gebäudeproportionen, wuchern die Dachlandschaften, und so mancher Gast wünscht sich im Labyrinth unbelichteter Gänge einen Faden, der ihm den Weg von der Heukraxensauna zum Kaffeestübchen weisen möge.

Nun war es mit dem Hotel Stäfeli längst nicht so weit gekommen. In Lech achtet schon die Baubehörde erster Instanz, die Gemeinde, auf die Balance des Ortsbildes. Gerade die Ortschaft Zug, in der das Stäfeli liegt, hat den Charakter des bäuerlichen Dorfes gewahrt. Umso vernünftiger war der Vorschlag Florian Aigners, die Erweiterungsflächen des Hotels in einem Zubau unterzubringen, der als eigenständiges Gebäude lesbar sein und so die Maßstäblichkeit des Ortes wahren würde.

Da mit seiner Errichtung die bereits in früheren Erweiterungsphasen eingeleitete Verschiebung des Nutzungsschwerpunktes hinauf in den Hang ein weiteres Mal verstärkt wurde, lag die Bereinigung der Eingangssituation nahe. Der bisherige Eingang auf der untersten Ebene wurde aufgegeben, wodurch die Hotelgäste der Notwendigkeit enthoben wurden, an dem auch für externe Besucher geöffneten Restaurant vorbei über eine wenig einladende Stiege hinauf ins Hotel zu steigen. Der Haupteingang befindet sich nun ein Geschoß höher an der Westseite und gibt über einen gläsernen Windfang den Weg zu einer von Tageslicht erhellten Rezeption frei. Hier hat ein weiterer, nicht nur im Hotelbau häufig vernachlässigter Aspekt Beachtung gefunden: die Wohltat natürlicher Belichtung von Erschließungsflächen und die durch einen Außenraumbezug wesentlich verbesserte Orientierung darin. Indem Florian Aigner eine kleine Sonnenterrasse an der straßenseitigen Grundgrenze aus dem Hang bricht, verschafft er dem Haupteingang des Hotels einen angemessenen Vorplatz und belichtet neben der im Bestand angeordneten Rezeption auch ein neues, dem Aufenthalt der Gäste dienendes Kaminzimmer sowie die ebenfalls neue Schwimmhalle. Beide sind im untersten Geschoß des Erweiterungsbaus untergebracht, der sich erst zwei Geschoße darüber als schlichter dreigeschoßiger Körper aus dem nach Abschluss der Bauarbeiten wieder in seinem natürlichen Verlauf hergestellten Gelände erhebt.

Eine zweite, ähnlich motivierte Maßnahme wirkt sich ebenso deutlich auf die Qualität der angrenzenden Räume aus. Sie schafft dem bestehenden Saunabereich wie seiner Erweiterung im Neubau Licht und Luft und gewährleistet die Belichtung der Mitarbeiterzimmer im Geschoß darüber. Für die 16 im Neubau untergebrachten Hotelzimmer muss die Belichtung freilich mit einer direkten Verbindung zum Landschaftsraum einhergehen. Die über die gesamte Südseite gezogenen Balkons der beiden Obergeschoße, die darunter geschützt liegende Terrasse im Erdgeschoß und zwei in die Ost- und die Westfassade geschnittene Loggien machen aus allen Zimmern des äußerst kompakt angelegten Traktes tatsächlich Zimmer mit Aussicht.

Der Verzicht auf Trennwände in den Balkons unterstreicht den Eindruck eines breit geöffneten Horizontes, der als Motiv auch in den zu horizontalen Feldern verbundenen Fenstern der Stirnseiten anklingt. Das Haus nimmt mit seinem parallel zum Hang liegenden Satteldach die Dachneigung und Richtung seiner Nachbarn auf. Die erdberührten Wände sind grau verputzt, jene der frei liegenden Geschoße mit Holz verkleidet. So lautete nicht zuletzt die Vorschrift der Gemeinde. Diese Vorgaben in heute gelebte Architektur zu übersetzen war Florian Aigner besonders wichtig. Er hat sich gegen den zuletzt gebräuchlichen Überzug aus Holzschindeln und für eine horizontal gegliederte Verkleidung aus dunkel gebeiztem Lärchenholz entschieden. Die hellen Holzbalkons und die ebenfalls hellen Fensterfelder gliedern den Baukörper in schlichter, gut lesbarer Weise.

Dem so selbstverständlich anmutenden Erscheinungsbild des Hauses liegt eine aufwendige Detailentwicklung zugrunde. Die Kooperation mit lokalen Handwerksbetrieben war folglich für den jungen Architekten ein besonderes Erlebnis. Trotz größten Termindrucks machten sie seine Anliegen in technischer wie in gestalterischer Hinsicht zu den ihren und setzten anspruchsvolle Elemente wie etwa ein durch alle Geschoße gefädeltes Stiegengeländer oder ein multifunktionales Möbel für die Hotelbar vorbildlich um. Auch die Kunst des Konstrukteurs soll an dieser Stelle nicht vergessen sein: schon die Ausbildung des schlanken Dachrandes ohne sichtbare Sparrenlage forderte angesichts der vorgeschriebenen Auskragung und der ortsüblichen Schneelasten Rudolf Aigner beträchtlichen konstruktiven Einfallsreichtum ab; um gar nicht von der in den Hang gesetzten Stahlbetonkonstruktion zu sprechen, die einem fest gefügten künstlichen Berg gleicht und dennoch das Licht tief in ihr Inneres lenkt.

Spectrum, Sa., 2017.04.01

28. Januar 2017Romana Ring
Spectrum

Spritzguss mit Ausblick

Wenn Architektur ein tragfähiges wie inspirierendes Umfeld für Arbeit schafft: ein Besuch im Mühlviertler Schwertberg.

Wenn Architektur ein tragfähiges wie inspirierendes Umfeld für Arbeit schafft: ein Besuch im Mühlviertler Schwertberg.

Oesterreich baut auf seine Unternehmen: Sie schaffen Arbeit, sie zahlen Steuern, sie halten den Kreislauf der Wirtschaft in Schwung. Unternehmen bauen Österreich, auch im direkten Sinn des Wortes. Wer durch ein Gewerbegebiet in eine Stadt oder in ein Dorf einfährt, bemerkt schnell, dass in diesem Teil unserer Lebenswelt Gestaltung keine tragende Rolle spielt. Nun ist es einigermaßen wohlfeil, sich über das Fehlen städtebaulicher Konzepte für diese Zonen in ihrer Gesamtheit ebenso zu mokieren wie über die Scheußlichkeit des einzelnen Objektes. Es wird Ihnen kaum jemand widersprechen. Die zuständigen Gemeinden aber werden in Gedanken an das Steueraufkommen stumm die Achseln zucken, und der eine oder andere Firmenchef wird Ihnen versichern, dass er mit seinem eigenen Geld baut, wie er es für richtig hält. Punkt. Ende der Diskussion.

Zum Glück gibt es auch Unternehmen, die dem qualitätsvollen Bauen einen hohen Rang einräumen. Für die Firma Engel mit ihrem Stammhaus im oberösterreichischen Schwertberg etwa ist die Planung der Firmengebäude auf gestalterisch hohem Niveau Teil der Unternehmenskultur. Die Repräsentation nach außen, ein Anliegen, das auch weniger Architektur-affinen Entscheidungsträgern geläufig wäre, steht hier nicht im Vordergrund. Vielmehr halten die Eigentümer des zu hundert Prozent im Familienbesitz stehenden Weltmarktführers für Spritzgießmaschinen nun schon in der vierten Generation an der Überzeugung fest, dass Architektur in der Lage ist, ein ebenso tragfähiges wie inspirierendes Umfeld für erfolgreiches Arbeiten zu schaffen. Der jeweilige Zugang zum konkreten Bauvorhaben – Engel hat neun Produktionswerke in Europa, Nordamerika und Asien sowie zahlreiche Niederlassungen weltweit – ist stets ein anderer.

Auch das Stammhaus in Schwertberg hat sich seit seiner Gründung 1945 stark verändert. Es ist mit dem Betrieb gewachsen, hat sich jedoch dank ordnender Eingriffe zur rechten Zeit nie zu einer jener heillos heterogenen Strukturen entwickelt, in denen so viele Betriebe ihr baukulturelles Desinteresse unter Beweis stellen. Die in der Firmenchronik gesammelten Bilder zeigen das Werkin jeder Epoche als ein in sich stimmiges Ganzes, das ein angemessenes Arbeitsumfeldmit einem gediegenen Auftritt nach außen verbindet. „Unser Anspruch an Qualität, Innovationskraft und Offenheit spiegelt sich in unserer Architektur wider“, fasst Stefan Engleder, CEO der Engel Holding, die Haltung der Eigentümer zusammen.

Die vorläufig letzte Anpassung der Anlage wird nun vom Linzer Architekturbüro Riepl Riepl Architekten betreut. Das Werksgelände liegt in fußläufiger Distanz südlich des Zentrums von Schwertberg. Es wird im Süden von der Bahn, im Norden und Osten von Straßen und im Westen von der Aist begrenzt, die mit ihren Hochwässern schon manchen Schaden verursacht hat. Dass Engel den Standort dennoch nie in Zweifel gezogen, sondern lieber in effizienten Hochwasserschutz investiert hat, ist nicht nur der Ortsverbundenheit der Eigentümerfamilie zu verdanken. Man weiß eben den Wert einer besonders wichtigen und beileibe nicht überall verfügbaren Ressource zu schätzen: eines soliden Stammes gut ausgebildeter Mitarbeiter. Diese Hinwendung zum Ort ist an dem jüngst fertiggestellten, „Halle Nord“ genannten Objekt der Riepl Riepl Architekten deutlich ablesbar. Die in der Grundfläche etwa 90 mal 22 Meter messende, zwölf Meter hohe Halle erweitert den Produktionsbereich der Anlage zur nördlichen Grundgrenze hin. Sie wurde als konstruktiver Stahlbau auf einer monolithischen Stahlbeton-Bodenplatte errichtet, wodurch eine variable Aufstellung der schweren Maschinen möglich ist. Die gesamte Nordseite ihrer schwarz glänzenden, aus hochwertigen Aluminium-Verbundplatten gefertigten Hülle öffnet sich über einem geschlossenen Sockelgläsern zu der etwas erhöht vorbeiführenden Straße. Dem daraus gewonnenen Einblick in den von seiner Konstruktion und denBeleuchtungskörpern strukturierten Raum entsprechen die Sicht der Mitarbeiter in den Ort und die umgebende Landschaft.

Im Inneren der Halle wiederum werden in der geschlossenen Außenwandzone die Leitungen sämtlicher Medien wie Strom, Druckluft, Öl oder Maschinenkühlung hinter textilen Vorhängen geführt. So sind sie an jeder gewünschten Stelle zum Anschluss an die Maschinen verfügbar, ohne die Ordnung des Arbeitsumfeldes zu stören.

Alle in der Halle Nord sehr deutlich zum Ausdruck gebrachten Qualitäten sind der Anlage eingeschrieben: das über die (zahlreichen) Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz weit hinausgehende Bemühen um eine angenehme, Kreativität und Leistung fördernde Stimmung der Räume, die Weltoffenheit oder das Bekenntnis zu neuen Technologien, hochwertigen Materialien und gediegener Verarbeitung. Das zeigt sich nicht nur in jenen Bereichen, die man auf den ersten Blick mit dem Begriff Architektur in Verbindung bringen würde. So verfügt etwa die von Riepl Riepl Architekten im südlichen Erweiterungstrakt des Produktionsbereiches geplante Lehrwerkstätte nicht nur über höchst moderne Maschinen, sondern bietet den jungen Menschen überdies einen großzügigen, hellen und luftigen Raum, der unter anderen Ausblicken den Sichtbezug in eine neue Erschließungsachse des Unternehmens herstellt.

Diese Achse entsteht gerade im Zuge einer Erweiterung des Bürotraktes an der östlichen Flanke des Firmengeländes, den Klaus Kada seinerzeit als Gewinner eines geladenen Architektenwettbewerbes konzipierte. Mit seiner mehrgeschoßigen, von einem plastisch durchgeformten Auditorium flankierten Eingangshalle und den transparent geteilten, um begrünte Innenhöfe gruppierten Büros lädt es nicht zuletzt die Kunden der Firma Engel ein, sich als Teil eines vielfältigen wie funktionstüchtigen Ganzen zu fühlen. Das Bürogebäude wird von Riepl Riepl Architekten erweitert und begradigt nun die südliche Kante des Gesamtkomplexes. Hier ist noch Baustelle.

Ein wichtiges Element darin ist jedoch fertig und in Betrieb: die „Kleinen Engel“. In zwei hellen Gruppenräumen mit Ruheraum, dem an einen Spielgarten gekoppelten Bewegungsraum und den entsprechenden Nebenräumen tauchen die Kinder der Mitarbeiter in die Arbeitswelt ihrer Eltern ein, bevor sie mit drei Jahren alt genug sind, in einen Kindergarten einzutreten.

Spectrum, Sa., 2017.01.28



verknüpfte Bauwerke
ENGEL Nord - Erweiterung der Montagehalle

31. Dezember 2016Romana Ring
Spectrum

Wahrhaft kultiviert

Besuch in Marchtrenk, Oberösterreich: Die Stadtbevölkerung ist sehr zufrieden mit dem Neubau des alltagstauglichen Veranstaltungszentrums, bestehend aus Musikschule und Kulturzentrum. Ein schönes Kompliment an das Welser Architekturbüro Luger & Maul.

Besuch in Marchtrenk, Oberösterreich: Die Stadtbevölkerung ist sehr zufrieden mit dem Neubau des alltagstauglichen Veranstaltungszentrums, bestehend aus Musikschule und Kulturzentrum. Ein schönes Kompliment an das Welser Architekturbüro Luger & Maul.

Marchtrenk: Wer die offizielle Internetseite der mittlerweile größten Stadt des Verwaltungsbezirks Wels-Land aufruft, gelangt mit zwei Mausklicks an eine Videobotschaft, in der ein namhafter Kabarettist die Worte „Marchtrenk“, „noch nie gehört“ und „Kaff“ in einem Satz unterbringt; der digitale Weg zu einem Rückblick auf das Jahr 2016 ist aber ebenso kurz und komfortabel. Wenn man diesem in Bildern, Fernsehmeldungen und Interviews gefassten Bericht Glauben schenkt, war 2016 für Marchtrenk ein gutes Jahr. Einen wichtigen Platz in diesem Rückblick nimmt, nicht nur als Hintergrund zahlreicher festlicher Ereignisse, der vom Welser Architekturbüro Luger & Maul geplante Neubau des Veranstaltungszentrums ein.

Genau genommen ist es der Neubau zweier Anlagen, den das Büro Luger & Maul schon im Jahr 2009 im Rahmen eines Architektenwettbewerbes entwickelt hat: der dem Land Oberösterreich zuzuordnenden Musikschule Marchtrenk und des Kulturzentrums der Gemeinde. In der seither über uns hereingebrochenen und nach wie vor nicht überwundenen Ära der leeren Kassen schien die Realisierung des Projekts zunächst unmöglich. Um den immer drängender werdenden Raumbedarf der Musikschule zu decken, wurde sogar über die Errichtung eines halbierten, mit Feuermauern provisorisch abgeschlossenen Gebäudes nachgedacht.

Glücklicherweise setzten sich Vernunft und Optimismus durch, sodass die im Projekt angelegte gegenseitige Ergänzung und Stärkung der beiden Kultureinrichtungen heuer gebaute Wirklichkeit werden konnten. Die Notwendigkeit zu eiserner Budgetdisziplin aber hat das Büro Luger & Maul in eine Vielzahl von Maßnahmen übersetzt, die unter einem Motto zusammengefasst werden könnten: sparen, wo es möglich ist, doch keinesfalls zulasten der Baukultur. Diese Grenzen des Gerade-noch-Möglichen auszuloten ist ein spannendes Unterfangen für ein Architekturbüro, jedoch nicht unbedingt lohnend. Denn mit disziplinierter Selbstbeschränkung kann man die Fachwelt nicht verblüffen; das Laienpublikum hat auch schon Spektakuläreres erlebt; und viele, viele Stunden sind in Überlegungen investiert, deren Ergebnisse man unter Umständen gar nicht sieht.

Vor diesem Hintergrund ist die rückhaltlose Zufriedenheit der Stadtbevölkerung mit ihrem neuen Veranstaltungszentrum ein schönes Kompliment an die Architekten, das sicher großteils der Funktionstüchtigkeit der Anlage gezollt wird. Der Bauplatz des neuen Veranstaltungszentrums liegt unweit des Kerns von Marchtrenk, sofern man diesen in der Gegend des Stadtamtes oder der katholischen Pfarrkirche verortet. Der Neubau teilt sich ein Grundstück mit seinem Vorgänger, dem Volkshaus Marchtrenk. Dieses Mahnmal seiner Entstehungszeit sollte eigentlich längst abgebrochen sein; als von den Vereinen Marchtrenks hochgeschätztes, da unverwüstliches Gehäuse von Aktivitäten aller Art wird es aber wohl noch eine Weile zwischen dem neuen Veranstaltungszentrum und der Hauptschule auf der Südseite der Goethestraße stehen. Den Auftritt des Neubaus schränkt dieser Umstand kaum ein: Das Büro Luger & Maul hat die beiden Nutzungsbereiche in einem zweigeschoßigen Baukörper organisiert, der mit seinem Volumen und dem annähernd quadratischen, um einen Innenhof gruppierten Grundriss das Motiv des für den Landstrich typischen Vierkanthofes aufgreift. Die Musikschule und das Kulturzentrum haben jeweils einen eigenen Haupteingang, die beide in einer von schlanken Stützen getragenen Loggia liegen. Die Loggia erstreckt sich über die gesamte Ost- und Südseite des Gebäudes und sichert insbesondere dem Veranstaltungsbereich durch das Verschwenken der Fassade ein vom geplanten Abbruch des Volkshauses unabhängiges, großzügiges Vorfeld und eine klar herausgearbeitete Eingangssituation.

Die Anlage ist augenscheinlich einfach, mit einer hohen Dichte an Überlegungen für das reibungslose Ineinandergreifen der verschiedenen Funktionen entwickelt. Die gesamte Westseite des Gebäudes wird vom großen, über zwei Geschoße reichenden Veranstaltungssaal mit dem vorgeschalteten Foyer eingenommen. An der Südseite liegt, ebenfalls zweigeschoßig und vom Foyer aus erreichbar, ein kleinerer Saal, der von der Schrägstellung der Fassade in diesem Bereich akustisch profitiert. Direkt gegenüber öffnet sich der daran grenzende Erschließungsgang zum dritten großen Volumen des Hauses, dem Innenhof. Sein gekiester Boden senkt sich leicht nach Süden hin; von Bäumen beschattete Sitzstufen, ein Podest auf der einen und ein Balkon auf der anderen Stirnseite laden zu Aufführungen im Freien ein. Die Bühnen der beiden Säle liegen, über kurze Rampen erschlossen, auf einer Ebene, was den Transport schwerer Instrumente beträchtlich erleichtert. Im nördlichen und im östlichen Trakt des Gebäudes sind Unterrichtsräume angeordnet; die beiden Längsseiten des Hofes werden ebenfalls von Unterrichts- und Nebenräumen gesäumt. Musikschule und Kulturzentrum können voneinander getrennt und die Säle von beiden Einrichtungen bespielt werden.

Den auf umfassende Alltagstauglichkeit zielenden Raumfolgen des Veranstaltungszentrums entspricht ein Gestaltungskonzept, das ebenfalls recht alltäglich daherkommt mit den weiß verputzten Wänden, grauen Keramikböden und nüchternen Stabgeländern. Dennoch sind Beispiele nachlässig hingeworfenen billigen Bauens mit dieser sparsamen Architektur nicht vergleichbar. Hier wurde alles weggelassen, was nicht nötig gewesen wäre. Notwendig waren: klare Wegführung und Orientierung im Haus; Zonen für Ruhe und für Bewegung; gut proportionierte, von Tageslicht erhellte, akustisch einwandfrei funktionierende Räume; flächenbündige Türen aus geweißter Eiche; Eichenböden; putzbündig verlegte Sockelleisten und Fensterbänke; der in Eichenholz gefasste kleine Saal; der mit Kiefer, dem typischen Gehölz der Welser Heide, akustisch wirksam verkleidete große Saal; der breite Blick ins Freie aus beiden Sälen; die Stiege zur Galerie im gläsernen Erker; die sorgsame Komposition der Körper und Fassaden; die mit ihrer Metall-Ummantelung in den Himmel gespiegelte Haustechnik; der fein geglättete Außenputz; die zarten Stützen auf flächenbündigen Edelstahlsockeln; der filigrane Rand des Daches.

Kurzum: ein wahrhaft kultiviertes Haus, intelligent und sorgfältig gearbeitet, das den kulturellen Anspruch der Stadt mit anmutiger Selbstverständlichkeit auf eine neue Ebene hebt, ohne sein Umfeld zu beschämen.

Spectrum, Sa., 2016.12.31



verknüpfte Bauwerke
Veranstaltungszentrum & Landesmusikschule Marchtrenk

05. November 2016Romana Ring
Spectrum

Weil im Grunde alles Umbau ist

„Manchem erscheint es vielleicht hausbacken, den ,bloßen‘ Komfort des Benützers für einen gedanklichen Inhalt der Architektur zu nehmen. In Wahrheit muss sich gerade, wer dazu nicht bereit ist, einen inferioren Architekturbegriff vorwerfen lassen.“ Hermann Czech zum 80. Geburtstag: eine Textcollage.

„Manchem erscheint es vielleicht hausbacken, den ,bloßen‘ Komfort des Benützers für einen gedanklichen Inhalt der Architektur zu nehmen. In Wahrheit muss sich gerade, wer dazu nicht bereit ist, einen inferioren Architekturbegriff vorwerfen lassen.“ Hermann Czech zum 80. Geburtstag: eine Textcollage.

Bitte fragen Sie nicht: Was ist Architektur? Die meisten Antworten haben das Potenzial, selbst Fachleuten den Blick zu trüben. Fragen Sie lieber: „Was kann die Architektur leisten?“ Hermann Czech, aus dessen umfangreichem publizistischem Werk diese und alle hier folgend zitierten Textstellen übernommen sind, umreißt die Grenzen der Architektur sehr klar: „Sie wird nicht unsere politischen, unsere sozialen, ja nicht einmal unsere Umweltprobleme lösen, so wenig wie die Musik unsere Lärmprobleme lösen wird.“

„In den 70er-Jahren glaubten Architekten noch, die Welt würde an ihren Utopien genesen. ,Architektur ist nicht das Leben. Architektur ist Hintergrund. Alles andere ist nicht Architektur‘, habe ich 1971 geschrieben. Das heißt aber nicht, dass sie unscheinbar sein muss, sie kann durchaus präzis oder markant sein. Hintergrund heißt auch, dass man sich daran lehnen kann — und dass er hält.“ Es wäre ein Wunder, hätte Hermann Czech da nicht an eine Haltbarkeit in mehr als einem Sinn gedacht. „Je dichter am Leben die Architektur bleibt, desto komplexer ist sie; ,einfach‘ kann sie nur werden, indem sie davon abhebt.“ Der Umgang mit Komplexität will jedoch gelernt sein. „Das Prinzip der Delegation – jedem Yuppie geläufig – kommt in der Bauherrensituation, die ja die meisten selten im Leben einnehmen, schwer an. Es bedeutet: vorgeben, was man will, aber nicht wie.Der Bauherr kann sich auf Überblick und Kontrolle zurückziehen, muss aber zugleich akzeptieren, dass die Lösung des Architekten etwas Unvorhergesehenes ist – übrigens ohnehin auch für den Architekten selbst.“

Diese Lösung ist allerdings nicht unvorhersehbar, weil sie das Produkt eines „Einfalles“ wäre. Im Gegenteil: Schon als Jugendlicher in den Salzburger Sommerakademie-Seminaren von Konrad Wachsmann darin geschult, Planungsentscheidungen auf methodischem Weg zu erarbeiten, sieht Hermann Czech „die formale Vorstellung nicht am Anfang, sondern am Schluss des Entwurfsprozesses“: „Es muss wohl jeder lernende Architekt eine Methodik finden, die es ihm zunächst erlaubt, auf vordergründig Hübsches, auf die Motive aus den Zeitschriften zu verzichten und eine gedankliche Basis zu gewinnen.“ Man muss also zu einem systematischen „Denken zum Entwurf“ gelangen: „Architekturtheorie, die bei Entwurfsentscheidungen helfen soll, kann nicht im Metaphorischen stehen bleiben. Sie muss bei der Ausbildung einer Ecke, bei der Wahl einer Farbe, bei der Form eines Handlaufs, bei der Vorstellung einer Stadt brauchbare Kriterien bieten. Fast alles hat mit alltäglichen Vorgängen, dem Befinden von Benutzern zu tun.“

Tatsächlich ist Hermann Czech an unterschiedlichste Bauaufgaben, den Wohnbau, den Schulbau oder den Hotelbau, die städtebauliche Studie, die Ausstellungsgestaltung oder an seine vielen Interventionen im kleinen und kleinsten Maßstab stets unter der Voraussetzung herangetreten, „konkret in der Situation und nicht abstrakt in Regeln zu denken“: „Das sind die tragenden Aspekte: Architektur als Hintergrund — Umbau — Heterogenität, die Triviales einschließt — und Komfort. Der Umbau ist ein architekturtheoretisch wichtiges Thema; vielleicht das zentrale überhaupt — weil im Grunde alles Umbau ist. Dabei stellt sich die Frage der Annäherung an das Vorhandene. Wird dem Vorhandenen ein Neues, Anderes entgegengesetzt, oder handelt es sich um eine Fortsetzung des Vorhandenen mit anderen (oder gar gleichen) Mitteln? Es scheint, dass der Umbau beides enthalten muss und dass die Fortsetzung des Vorhandenen in der Bildung einer neuen Einheit auf höherer Ebene besteht. In jedem Umbau gibt es Erfordernisse, die es nahelegen, gegen den Bestand zu operieren, ihn zu konterkarieren — gleichwohl oder gerade dann können der Bestand oder seine wesentlichen Gedanken spürbar bleiben.“

Sollten Sie, werte Leserin, geschätzter Leser, sich für die Diskussion architekturtheoretischer Feinheiten nicht erwärmen können: Der Komfort – oder vielmehr seine Abwesenheit – geht Ihnen sicher unter die Haut. Auch in dieser Hinsicht haben Sie in Hermann Czech einen leidenschaftlichen Verteidiger Ihrer Interessen: „Wenn die moderne Architektur mit der Verheißung angetreten ist, dass das Leben leichter würde, so hatte das zwei Tendenzen: Mit der entwickelten Technik würde uns alle unschöpferische Arbeit durch Maschinen abgenommen — und mit dem verpönten Ornament würde physisch und psychisch aller kulturelle Schutt wegfallen, der uns bei der Selbstverwirklichung im Wege lag. Wann ist diese umfassende Konzeption des Komforts eigentlich verloren gegangen? Komfortverlust ist die ärgerlichste Begleiterscheinung des Wandels. Wenn wir Architekten schon in jeder Generation das Rad neu erfinden müssen, sollten wir dazusehen, dass es nicht zunächst immer eckig ist.“

„Ich sehe mich nicht als Spezialisten der Gastronomie-Architektur.“ Viel näher liegen Hermann Czech zurzeit städtebauliche Fragen; etwa warum man in Wien gar so stolz darauf ist, die Blockstrukturen der Gründerzeit zu zerstören. „Aber es ist richtig, dass es kaum eine andere Aufgabe gibt, bei der man so direkt am Benutzer arbeitet und so unmittelbar Erfolg oder Misserfolg eines Konzepts oder eines einzelnen Gedanken registrieren kann. Themen, die in der Architektur oft nur symbolisch abgehandelt werden, etwa der Schwellenbereich des Eingangs, Licht und Dunkelheit, die räumliche Kommunikation, der Bezug zum menschlichen Maß (ob ich mein Glas noch auf ein Gesims stellen kann oder nicht) – all das kommt in einem Lokal ganz konkret und handfest vor. Trotzdem ist es immer eine Gratwanderung. Nur eine Ausstattungsfirma weiß vorher, wie das Lokal ausschauen wird – nämlich uninteressant. Das Unvorhergesehene muss sich zu etwas Selbstverständlichem verdichten, so selbstverständlich, dass dem Gast als höchstes Kompliment die Frage bleibt: Dafür haben Sie einen Architekten gebraucht?“

Diesen Schritt in den Hintergrund fordert Hermann Czech für alle Bauaufgaben ein. Dass er sich damit als Gegner einer „Star-Architektur“ positioniert, „von der ein Großteil dereinst sehr alt ausschauen wird“, erschreckt ihn nicht. „Manchem erscheint es vielleicht hausbacken, den ,bloßen‘ Komfort des Benützers für einen gedanklichen Inhalt der Architektur zu nehmen. In Wahrheit muss sich gerade, wer dazu nicht bereit ist, einen inferioren Architekturbegriff vorwerfen lassen.“

Hermann Czech feiert dieser Tage ein Jubiläum. Wenn Sie gratulieren wollen: Sie finden ihn in seinem Atelier in der Wiener Singerstraße – sollte er nicht gerade auf einer Baustelle unterwegs sein.

Spectrum, Sa., 2016.11.05

20. August 2016Romana Ring
Spectrum

Die Kirche im Dorf

Viel neuer Platz in Wien und Niederösterreich: Pointner/Pointner Architekten zeichnen verantwortlich für die Sanierung der Pfarrkirche Wien-Essling sowie für das neue Pfarrheim der Kirche Großebersdorf.

Viel neuer Platz in Wien und Niederösterreich: Pointner/Pointner Architekten zeichnen verantwortlich für die Sanierung der Pfarrkirche Wien-Essling sowie für das neue Pfarrheim der Kirche Großebersdorf.

Nähert man sich Großebersdorf von Süden her, ist es der schlichte Bau der katholischen Pfarrkirche, der das Profil der Marktgemeinde prägt. Ihr unmittelbares Umfeld mit seinen schmalen, an den Gabelungen zu kleinen Plätzen erweiterten Gassen und dem Ineinandergreifen von bebautem und landwirtschaftlich genutztem Raum ist charakteristisch für den Ort. Diese Stimmung hat Helmut Pointner, einer der in Wien und Freistadt arbeitenden Brüder Pointner/Pointner Architekten, im Erweiterungsbau desneben der Kirche gelegenen Pfarrhofes eingefangen und behutsam verdichtet.

Der Neubau macht aus einem Freiraum zwischen dem historischen Pfarrhaus im Süden, den daran schließenden ehemaligen Stallungen im Westen und einem an der östlichen Hangkante stehenden Presshaus einen windgeschützten Hof. Der Erweiterungsbau umfasst einen Pfarrsaal, zwei Jugendräume und ein verbindendes Foyer. Ein neuer, den Anstieg der Pfarrhausgasse ausgleichender Zugang führt am sanierten, Küche und Sanitärräume fassenden Westtrakt entlang und erschließt das Pfarrheim barrierefrei. Unter Berücksichtigung der Topografie hat Helmut Pointner das Gebäude hangseitig als Massivbau, zum Hof hin jedoch als konstruktiven Holzbau entwickelt. Er übernimmt mit dem Foyer und den Jugendräumen die Traufenkante des historischen Bestandes; der Pfarrsaal ragt darüber hinaus und bildet so die markante Nordostecke der Anlage.

Betritt man das Pfarrheim über seinen Haupteingang, fällt der Blick aus dem Foyer gleich in den Hof, den Helmut Pointner mit einer wassergebundenen Decke, einem die Hauskanten fassenden Traufpflaster und einer Ulme in der Mitte gestaltet hat. In der Nische linker Hand, aus der sich die zwei Türen zu den Jugendräumen öffnen, hat die Teeküche, Voraussetzung für Geselligkeiten, Platz gefunden. Auch die kleine, professionell eingerichtete Küche im Westtrakt ist über eine Durchreiche mit dem Foyer verbunden. Es sind wohl funktionale Zusammenhänge dieser Art, die zunächst das Herz der Pfarrgemeinde für die Architektur gewonnen haben. Die Alltagstauglichkeit des neuen Pfarrheimesist jedoch nicht nur einem vernünftigen Grundriss, angenehmen bauphysikalischen Eigenschaften und klug gewählten haustechnischen Einrichtungen wie einer automatischen Nachtlüftung geschuldet.

Mit der Wahl der Materialien hat Helmut Pointner das notwendig Robuste des Hauses betont; mit seiner sorgfältig detaillierten Bearbeitung verfeinert er es zu etwas Besonderem, das aus dem Alltag in jene Sphären reicht, in denen die Kultur zu Hause ist. Die massiven Wände des Neubaus sind Hohlwände aus Beton, industriell gefertigte Massenware also, die nach dem Versetzen sandgestrahlt wurden. Außen gedämmt und verputzt strahlen die raumhohen Elemente in ihrem Ebenmaß nach innen Beständigkeit und Ruhe aus. Ihre Öffnungen sind sparsam und mit Bedacht gesetzt: zwei Ausgänge in den Garten an der Ostseite, ein Blick auf den neuen Zugang aus dem Jugendraum und zwei einander gegenüberliegende Fenster im Pfarrsaal, die den Bezug zur Kirche und zum Gemeindeamt herstellen.

An der Südseite des Saales bildet, mit fünf schlanken Holzstützen von diesem abgesetzt, ein in Fortsetzung des Foyers angelegter, niedrigerer Raum einen aus Holz und Glas komponierten Filter zum Innenhof. Verschiebbare hölzerne Sonnenschutzelemente und großzügige gläserne Schiebetüren erlauben die Dosierung des Außenraumbezuges. Zwischen den Rahmen des Holzbaus sorgt eine akustisch wirksame Holzlattung in Pfarrsaal und Foyer für gute akustische Bedingungen. Unter der Decke des Saales stellen drei filigrane Lichtlinien die Allgemeinbeleuchtung her, die bei Bedarf durch diskret über die Zwischenräume der Deckenlattung versorgte Strahler ergänzt werden. In den Jugendräumen dämmt eine mobile, mit Schafwollmatten belegte Trennwand den Schall.

Die Offenheit, mit der sich die Pfarrgemeinde auf Neues, Ungewohntes eingelassenund in ihrem Pfarrheim konsequent verwirklicht hat, ist einerseits dem engen Kontakt zum Architekturbüro zu verdanken; andererseits soll an dieser Stelle die Beratungstätigkeit des Bauamtes der Erzdiözese Wien unter der Leitung von Harald Gnilsen nicht unerwähnt bleiben. Das von seiner Fachkompetenz getragene Bekenntnis der Erzdiözese, ihren breit gefächerten Immobilienbestand nicht zuletzt unter Mehrung seines kulturellen Wertes zu pflegen, sichert der katholischen Kirche eine vom unmittelbar Religiösen unabhängige Möglichkeit zur Gestaltung der Welt.

In einem zweiten, demnächst fertiggestellten Projekt von Helmut Pointner kommt die positive Wirkung eines seitens der Kirche unternommenen Bauvorhabens auf sein Umfeld besonders gut zur Geltung: Die Pfarrkirche in Wien-Essling hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Im 19. Jahrhundert als Kapelle für das auf der gegenüberliegenden Seite der Esslinger Hauptstraße gelegene Schloss errichtet, wurde sie in den 1930er-Jahren erweitert und schließlich 1988 durch einen Einbau verengt und verfinstert. Das von der Erzdiözese zur Sanierung der Kirche ausgeschriebene Gutachterverfahren konnte Helmut Pointner mit einem Projekt für sich entscheiden, das den Rückbau des Hauptschiffes auf den großzügigen Raum der Zwischenkriegszeit unter Beibehaltung seines Dachstuhles vorsah. Sein Entwurf öffnet überdies die Nordflanke des Hauptraumes zu der von allerlei Einbauten befreiten Kapelle. Durch das Vorrücken des Altars in den Kreuzungspunkt der beiden Schiffe dient sie nun gleichzeitig als Kirchenerweiterung und Werktagskapelle. Schmale Fenster, von der Künstlerin Ingeborg Kumpfmüller mit zart gefärbten Schriftzügen gestaltet, rhythmisieren und erhellen das Hauptschiff.

Die Ostflanke der Werktagskapelle öffnet sich, geschützt hinter vertikalen Holzlamellen, auf einen Platz, dessen Entstehung einigen glücklichen Fügungen zu verdanken ist. Wo bisher eine mit Koniferen bewachsene, von Autos gesäumte Brache lag, hat Helmut Pointner nun einen kleinen befestigten Platz geschaffen, aus dessen Mitte sich ein Laubbaum erhebt. Er wird an seinen freien Kanten von einer Stahl-Holz-Konstruktion gefasst, die den Haupteingang auf der einen und den Zugang zur Kapelle auf der anderen Seite beschirmt. Der Platz liegt zur Gänze auf öffentlichem Gut, wurde in Zusammenarbeit mit dem Magistrat der Stadt Wien errichtet und gibt dem Straßendorf Essling, was es dringend benötigt: vielfach nutzbaren öffentlichen Raum.

Spectrum, Sa., 2016.08.20

18. Juni 2016Romana Ring
Spectrum

Von der Gestaltung des Möglichen

Das oberösterreichische Büro „Two in a box“ hat schon ein breites Spektrum von Bauaufgaben gelöst: mit Einfühlungsvermögen, ökologischem Bewusstsein – und Verständnis für Budgetvorgaben.

Das oberösterreichische Büro „Two in a box“ hat schon ein breites Spektrum von Bauaufgaben gelöst: mit Einfühlungsvermögen, ökologischem Bewusstsein – und Verständnis für Budgetvorgaben.

Die Reichen werden reicher und die Armen ärmer. Scheren aller Art öffnen sich. Die Ungleichheit nimmt zu. Diese Entwicklung ist selbst im Baugeschehen zu beobachten. Eine angesichts der überschaubaren Größe Österreichs überraschend fruchtbare Produktion baukultureller Spitzenleistungen wird zwar international hochglänzend reflektiert; doch die erdrückend große Mehrheit unserer gebauten Umwelt folgt, vom Anspruch der Hochkultur vollkommen unberührt, in vielerlei Hinsicht nicht einmal den Geboten des Hausverstands.

Gewöhnlich beschwört man angesichts einer von krassen Gegensätzen geprägten Lage die ausgleichende Kraft des Mittelstandes. Christian Stummer und Andreas Fiereder, Gründer des im oberösterreichischen Ottensheim ansässigen Architekturbüros „Two in a box“ sehen sich in dieser Rolle. Sie legen großen Wert auf ein gutes Gesprächsklima mit ihren Bauherren, deren Wünsche sie ebenso respektieren wie die Budgetvorgaben. Um Letztere einzuhalten, nehmen sie wohl Änderungen und Abstriche an ihren Planungen in Kauf, doch ohne das Ziel qualitätsvolle Architektur aus den Augen zu verlieren. „Two in a box“ haben vom privaten und sozialen Wohnbau über Gewerbebauten bis zu öffentlichen Gebäuden ein breites Spektrum von Bauaufgaben gelöst. Viele ihrer Aufträge waren das Ergebnis gewonnener Architekturwettbewerbe.

Der konstruktive Holzbau gehört zu den Schwerpunkten, die „Two in a box“ gerne setzen, wo dies möglich ist. So überzeugte etwa ihr Vorschlag, den Neubau des Kindergartens Doppl-Hart in Massivholzbauweise auszuführen, Wettbewerbsjury und Bauherrschaft gleichermaßen. Die Gemeinde Leonding sah darin die Möglichkeit, den eigenen, über das Landesübliche hinausgehenden Qualitätsanspruch deutlich zu steigern: Das hinter dem seitens der Gemeinde geforderten Einbau einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und LED-Leuchten stehende ökologische Engagement wird durch die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffes Holz unterstrichen. Dem durch die Anordnung eines zusätzlichen kleinen Ruheraumes für jede Gruppe ausgedrückten Wunsch nach möglichst hohem Nutzungskomfort für die Kinder entsprechen „Two in a box“ mit einer übersichtlichen, zweihüftigen Anlage, in der alle Gruppen- und Bewegungsräume gleichwertig nach Süden orientiert sind. Das klug austarierte Wechselspiel von Besonnung und Beschattung, die mit Tageslicht erfüllten Erschließungszonen, die Vielfalt der Blickbeziehungen, nicht zuletzt das Hervorheben der optischen, akustischen und haptischen Qualitäten des Holzes, kurzum den Mehrwert, den die Architekten durch ihre Detailarbeit geschaffen haben, gibt es gratis dazu.

Die Notwendigkeit, räumliche Qualität als kostenlose Über-Erfüllung funktioneller Vorgaben zu erschaffen, war bei einem anderen Bau von „Two in a box“ besonders deutlich zu spüren: das Green Belt Center in Windhaag, eine multifunktionale Anlage, die dem Naturraum auf der Fläche des einstigen Eisernen Vorhangs gewidmet ist, musste mit besonders knappem Budget verwirklicht werden. „Two in a box“ haben die angespannte wirtschaftliche Situation bei gleichzeitig im Thema angelegtem ökologischem Schwerpunkt in einen Holzbau übersetzt, der aus seiner Sparsamkeit kein Hehl macht und sichdie Freude an der Gestaltung des Möglichen dennoch nicht nehmen lässt.

Dieser außen mit einer Schalung aus sägerauer Weißtanne, innen jedoch mit Grobspanplatten verkleidete Neubau ist einem historischen Mühlviertler Waldhaus zur Seite gestellt, das mit minimalen Eingriffen der neuen Nutzung angepasst wurde. Er übernimmt mit einem Lift- und Treppenturm die vertikale Erschließung beider durch Brücken verbundener Häuser. Haupteingang und Kassa liegen in dem nach beiden Seiten offenen Verbindungsbau. Der Zubau schafft im Erdgeschoß Raum für ein Foyer und einen Vortragssaal. Die oberen Geschoße setzen – durch Lufträume untereinander verbunden –den Weg nach oben zu der Aussichtsplattformin Szene, die einen Rundblick in den umgebenden Naturraum bietet.

Eine Möglichkeit, die finanziellen Aufwendungen ihrer Bauherren in größtmöglichem funktionellem, aber auch kulturellem Nutzen abzubilden, sehen „Two in a box“ in der umfassenden Betreuung ihrer Baustellen, die auch die Kostenermittlung und Bauabwicklung bis zur örtlichen Bauaufsicht umfasst. Nicht selten übernehmen sie sogar Teiledes Projektmanagements und ersparen damit ihrer Bauherrschaft die Entscheidung, obsie die Gestaltungshoheit über den Planungs-und Kostenverlauf tatsächlich gegen die Bequemlichkeit, sich eines Generalübernehmers zu bedienen, eintauschen wollen.

Im Fall des Gemeindezentrums Lichtenberg waren es drei Auftraggeber, die Gemeinde, ein Gastronom und eine Bank, derenunterschiedliche Anliegen „Two in a box“ in einem Haus zusammenführten. Das Ergebnis, ein auf einem massiven Erdgeschoß ruhender Holzbau, zeigt das Talent der Architekten, Nutzungen dicht in ein kompaktes Volumen zu schlichten und doch jenes Maß an Licht und Luft einzuplanen, das für das Empfinden räumlicher Großzügigkeit entscheidend ist. Davon profitieren alle Bereichedes Hauses gleichermaßen, während ihre vonHolz und hellen Grau- bis Beigetönen grundierte Ausgestaltung der jeweiligen Nutzung angepasst ist. Gleichzeitig mit dem an allen Tagen der Woche belebten Gebäude ist als Fortsetzung seines teilweise zweigeschoßigenFoyers ein multifunktionaler Ortsplatz entstanden, der neben der Dorflinde und den notwendigen Installationen für Maibaum undChristkindlmarkt sogar eine Mitfahrbucht fürdie zahlreichen in Lichtenberg wohnhaften Pendler bietet.

Ist das Gemeindezentrum Lichtenberg von seiner Multifunktionalität geprägt, so mussten „Two in a box“ bei der Planung des Musikpavillons Bad Ischl nur einer Nutzung, dem Musizieren für das im Kurpark flanierende Publikum, den richtigen Ausdruck verleihen. Der von ihnen gewählte elliptische Grundriss formt den Pavillon im Verband mit einem nach hinten geneigten Dach zu einem markanten Objekt, das auf einem unsichtbaren Betonsockel über der gekiesten Fläche des Parks zu schweben scheint. Die innen zur Gänze mit Weißtanne ausgekleidete Form wird außen durch eine selbst im Bereich von Belichtungsöffnungen weitergeführte vertikale Weißtannenlattung geschlossen. Hinter dem Paravent dieser Schalung, der an der Nordwestseite mit einer zweiten Schicht den Künstlereingang umfängt, bleiben auch die Zugänge zu der öffentlichen WC-Anlage verborgen, die im östlichen Bereich des Pavillons Platz gefunden hat. Nur die trichterförmig nach hinten verjüngte Bühne mit ihrem als Gegenbewegung zur Decke in flachen Stufen ansteigenden Boden ist aus dieser fein gearbeiteten hölzernen Skulptur herausgeschnitten: ein Raum, der kann, was er können soll, und das verkörpert, was er ist.

Spectrum, Sa., 2016.06.18

21. Mai 2016Romana Ring
Spectrum

Wo einst Pferde speisten

Pferdeställe sind in der Regel selten für feierliche Zusammenkünfte konzipiert. Das brachliegende Restaurant in den ehemaligen Ställen des Schlosses Lamberg in Steyr hatte daher großen Veränderungsbedarf. Ein gelungenes Beispiel für das Erreichen hoher räumlicher und kultureller Qualität.

Pferdeställe sind in der Regel selten für feierliche Zusammenkünfte konzipiert. Das brachliegende Restaurant in den ehemaligen Ställen des Schlosses Lamberg in Steyr hatte daher großen Veränderungsbedarf. Ein gelungenes Beispiel für das Erreichen hoher räumlicher und kultureller Qualität.

Es gibt viele Beweggründe, sich gute Architektur zu leisten. Als die Österreichischen Bundesforste die Erstellung eines Businessplanes für das brachliegende Restaurant im Schloss Lamberg in Steyr bei ihr in Auftrag gaben, analysierte Herta Neiss, Geschäftsführerin des Instituts für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Johannes Kepler Universität Linz, nicht nur die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Standortes. Sie wies in ihrer Studie auch mit Nachdruck darauf hin, dass das Erreichen hoher räumlicher und kultureller Qualität Voraussetzung des Geschäftserfolges sein würde. Der zuständige Vorstand der Bundesforste, Georg Schöppl, stellte im Einklang mit dem Businessplan ein dem Unterfangen würdiges Budget zurVerfügung und beauftragte mit den in Steyr ansässigen Hertl.Architekten ein Architekturbüro, das seine Sensibilität im Umgang mit historischer Bausubstanz bereits unter Beweis gestellt hatte. Das ist gerade im Bereich der Gastronomie, wo man nur allzu oft auf die kosmetische Wirkung vermeintlich dekorativen Trödels zählt, keine Selbstverständlichkeit.

Nun ist das Schloss Lamberg so etwas wiedie Essenz der Stadt Steyr, deren malerische Vielfalt von ihrer Lage am Zusammenfluss von Enns und Steyr geprägt wird. Mit seiner dreieckigen Grundrissformzeichnet das auf dem Felsen nordwestlich desStadtplatzes liegende Gebäude diese topografische Besonderheit nach. Aus einer mittelalterlichen, 1727von einem Brand zerstörten Burg hervorgegangen, ist das Schloss ein Werk des oberösterreichischen Barockarchitekten Johann Michael Prunner. Die von ihm errichtete Schlosskapelle in dem der Enns zugewandten südöstlichen Trakt wird heute vom Magistrat der Stadt als Standesamt genutzt und ist als Ort für Eheschließungen sehr beliebt. Mit der in den ehemaligen Stallungen im Südwesttrakt untergebrachten Gastronomie stehen nun auch angemessene Räume zum Feiern von Festen zur Verfügung.

Der Anspruch, den die Gesamtanlage mit ihrer privilegierten Lage, der barocken Architektur und der bis in die Zeit der Ungarnstürme zurückreichenden Geschichte erhebt, ist hoch. Diesem Anspruch heute ebenso gerecht zu werden wie der legitimen Erwartung, zeitgemäßen Komforts zu entsprechen und gleichzeitig den nicht minder berechtigten Forderungen des Denkmalschutzes, ist eine Leistung, die gerade angesichts der ursprünglichen Nutzung der Räume nicht zu unterschätzen ist. Denn wenngleich die seinerzeit darin untergebrachten Pferde wohl keine Ackergäule waren, sondernteure, mit hochpreisigen Autos vergleichbare Prestigeobjekte: Pferdeställe sind in der Regel ebenso wenig für feierliche Zusammenkünfte konzipiert wie Garagen. Es bestand also erheblicher Veränderungsbedarf, der über die technische Sanierung des Vorgefundenen weit hinausreichte.

Diese ging bis an die Grundfesten des Bestandes: Das vom Pferdeurin kontaminierte historische Holzstöcklpflaster wurde entfernt, der Verputz an Wänden und Gewölben abgeschlagen und der Boden einen Meter tief abgegraben. Bei dieser Gelegenheit wurden die von Säuren zerfressenen Fundamente der tragenden Säulen wiederhergestellt, und es wurde ein zeitgemäßer, gegen Feuchtigkeit abgedichteter wärmegedämmter Fußbodenaufbau eingebracht. Auchnutzten Hertl.Architekten die Gunst der Stunde, um störende Einbauten zu entfernen und die dem Restaurant zugeordneten Räume auf ihre ursprüngliche Form zurückzuführen. Durch die Erweiterung der Fläche um bisher untergeordnet genutzte Räume stehen dem Betrieb jetzt zwei unterschiedlich gestimmte Speisesäle und eine Bar zur Verfügung, die von einer Catering-Küche versorgt werden. Die Küche kann über ein breites Tor direkt vomSchlosshof her beliefert werden. Der Haupteingang in das Lokal liegt nun zwischen den beiden Sälen in einem Raum, der sich über die gesamte Tiefe des Traktes erstreckt und sowohl über den Hof als auch über die den Schlossgraben flankierende Gartenterrasse zugänglich ist. Beiden Eingängen sind Windfänge zugeordnet, die mit jeweils beidseitig angeordneten, bis zum Ansatz der Gewölbe geführten Kästen als ebenso effizient wie diskret gestaltete Garderoben dienen. Die Türen der Windfänge sind aus Glas, sodass der Blick quer durch das Gebäude erhalten bleibt.

Auch in der Längsrichtung kommt die Flucht der Räume unverstellt zur Geltung. Die daraus gewonnene Großzügigkeit unterstreicht den festlichen Charakter, den wir von Säulenreihen unterteilten, mit Gewölben gedeckten Hallen a priori zuschreiben. Doch gerade überwölbte Räume sind akustisch höchst problematisch: ein Umstand, dem bei der Umdeutung historischer Gebäude häufig zu wenig Beachtung geschenkt wird. Eine den jeweiligen Saal fassende Lamperie – im frei möblierbaren Lambergsaal bis zur Unterkante der vorgefundenen Steinverkleidung mit den darin eingearbeiteten Pferdetränken geführt, im Fürstensalon als Rückenlehne der umlaufenden Sitzbank genutzt – dämpft den Schall und verbirgt überdies alle Leitungen, die für die Bereitstellung zeitgemäßen Komforts notwendig sind. Das Lokal verfügt somit auch über EDV-Anschlüsse und Bühnentechnik sowie über eine ausreichend dimensionierte Lüftungsanlage. Das alles ohne Störung des historischen Erscheinungsbildes erreicht zu haben setzt nicht nur akribische Detailarbeit seitens des Architekturbüros voraus, sondern auch dessen Fähigkeit, den eigenen Gestaltungswillen mit dem Charakter des Ortes in Einklang zu bringen.

Denn obwohl man dem neuen Restaurant im Schloss Lamberg auf den ersten Blick attestieren möchte, es sähe so aus, als wäre nichts geschehen: Es bedarf nicht einmal der Bilder zur Darstellung des Unterschiedes zwischen „vorher“ und „nachher“, um zu wissen, dass sich ein Gastronomiebetrieb des 21. Jahrhunderts auch gestalterisch von Stallungen der Barockzeit unterscheiden wird. Ausgehend vom neuen Eichenboden, der als Reminiszenz an das alte Holzstöckelpflaster gewählt wurde, haben Hertl.Architekten in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt ein neues Farbkonzept entwickelt, das mit seinen Beige-, Braun- und Grautönen die historische Gliederung der Raumhülle unterstreicht. Die durchwegs indirekt angelegte Beleuchtung hebt das Zusammenspiel von geschwungenen Linien und gewölbten Flächen zusätzlich hervor.

Während Lambergsaal und Fürstensalon hell gestimmt sind, ist die kleine Bar am Ende der Raumflucht in Anlehnung an die vorgefundene Holzverkleidung eine dunkle Holzschatulle, die in einer ihrer Wände erfrischend apfelgrün gehaltene Sanitärzellen verbirgt; und wer genau schaut, entdeckt auf den hinterleuchteten textilen Schirmen, mit denen die Theken der Bar und der Ausschank in einer Nische des Lambergsaales verkleidet sind, die Umrisse menschlicher Gestalten von der Hüfte abwärts. Sie sind die Antwort auf die zart in die helle Lamperie des Lambergsaales eingearbeitete Erinnerung an jene Pferde, die dort schon lange nicht mehr an der Tränke stehen.

Spectrum, Sa., 2016.05.21

23. April 2016Romana Ring
Spectrum

Im Heim zu Hause

So wohnlich kann der Altersheimbau heute aussehen: das neue Seniorenheim im Linzer Franckviertel – mehr als nur ein spitalsähnliches Pflegeheim.

So wohnlich kann der Altersheimbau heute aussehen: das neue Seniorenheim im Linzer Franckviertel – mehr als nur ein spitalsähnliches Pflegeheim.

Architektur kann hilfreich sein. Ob es nun um die Neuordnung des Schulalltags geht, um soziales Wohnen in der Großstadt oder um die Wiederbelebung ländlicher Ortskerne: Architekten leisten einen erheblichen Beitrag zur gedeihlichen Weiterentwicklung unseres Zusammenlebens. Nicht selten setzen sie dabei räumlich um, was im Bewusstsein ihrer Auftraggeber erst vage Formen angenommen hat. Viel häufiger aber geht es darum, ganz konkreten Ansprüchen an Funktionalität und Komfort innerhalb eines streng gesteckten finanziellen Rahmens gerecht zu werden.

In Oberösterreich gehört der Altersheimbau zu jenen Aufgaben, deren Nutzungsqualitäten in den vergangenen Jahren beständig verfeinert worden sind. Das in Wien ansässige Büro Kuba/Karl und Bremhorst Architekten wiederum zählt zu jenen Architekturbüros, die es verstehen, ihr von Projekt zu Projekt gewonnenes Wissen über eine Materie auch gestalterisch in jene Souveränität zu übersetzen, die dem hohen technischen und sozialen Ausstattungsgrad der jeweiligen Einrichtung entspricht. Mit dem kürzlich fertiggestellten Seniorenzentrum Liebigstraße im Linzer Franckviertel hat Kuba nicht nur die Erwartungen der Jury eingelöst, die seinem Wettbewerbsprojekt „hohe Wohn- und Aufenthaltsqualität“ sowie „architektonisch klare Gestaltung“ attestierte. Es schaffte es, dem doch recht euphemistisch „Seniorenzentrum“ genannten Pflegeheim die Anmutung eines Krankenhauses zu nehmen. Das ist angesichts der geltenden Pflegestandards ein Unterfangen, das nur durch akribische Detailarbeit gelingen kann und für die Augen der meisten Nutzer unsichtbar bleibt.

Die Grundlage einer funktionstüchtigen Einrichtung ist die kluge Organisation des Alltags. Der Bedarf an Pflegeplätzen steigt ebenso wie die damit verbundenen Kosten; der Pflegeberuf ist kein Honiglecken, und es gibt daher: wenig Toleranz für sperrige Abläufe oder weite Wege. Eine bestimmte Mindestgröße ist Voraussetzung für den wirtschaftlichen Betrieb eines Pflegeheimes. Gleichzeitig sollen die Bewohner sich zu Hause fühlen, was angesichts von 120 Betten in einem Haus leichter gesagt als in gebaute Realität übersetzt ist. Kuba hat das Seniorenzentrum Liebigstraße als dreiflügelige Anlage konzipiert. Die drei in ihrer Ausdehnung dem städtebaulichen Maßstab des Umfeldes gut angepassten Flügel greifen nach Norden Westen und Osten aus. In den drei Obergeschoßen ist jeweils eine Wohngruppe für 40 Betten untergebracht. Die Dreiteilung reduziert die seitens der Bewohner gefühlte Größe der Einrichtung ebenso, wie sie die Wege für das Personal verkürzt, dessen Pflegestützpunkt in der Mitte des Grundrisses angeordnet ist.

Auch im Erdgeschoß bewährt sich die Teilung des Baukörpers, da sie mit einer klaren Trennung unterschiedlicher Funktionen einhergeht. Der Nord-Süd-orientierte Trakt springt an seiner westlichen Längskante und an seiner nördlichen Stirnseite hinter die Flucht der Obergeschoße zurück. So entsteht ein geschützter Bereich vor dem Haupteingang, der in der Innenecke angeordnet ist. Die sich dahinter öffnende Eingangshalle und der vertikale Erschließungskern liegen somit im Zentrum des Gebäudes. Die ein wenig schräg zum Seniorenzentrum an dessen Westseite verlaufende Liebigstraße begrenzt einen Vorplatz angemessener Größe, den ein Café und die Räume der Verwaltung überblicken. Auf der anderen Seite des Traktes liegen ein Mehrzwecksaal variabler Größe und der Andachtsraum in unmittelbarer Nähe der Eingangshalle. Im Ostflügel sind Therapieräume und die Küche untergebracht. Zu- und Anlieferung erfolgen ohne Störung des Betriebs über eine eigene Zufahrt von Norden her. Der südlichste, nach Westen zeigende Trakt wiederum beherbergt ein stark frequentiertes Tageszentrum, das sich wie die Therapieräume mit seinem allgemeinen Aufenthaltsraum zu einem von der Straße abgeschirmten Garten öffnet.

Das Haus ist äußerst kompakt organisiert. Dennoch hat es keine dunklen Gänge. In den Obergeschoßen hat Kuba jedem der drei Trakte an seiner Innenecke eine Loggia eingeschnitten, die jeweils einem Aufenthaltsbereich in der Größe eines Wohnzimmers zugeordnet ist. Die T-förmig ausgebildeten Erschließungszonen der einzelnen Trakte münden mit großzügigen Fenstern in Loggien oder direkt an der Fassade und sorgen so für Tageslichteinfall und Orientierung. Die Wände der in der Mitte der Erschließungsbereiche angeordneten Nebenraumzonen halten Abstand zur Decke und vermeiden so den Eindruck räumlicher Enge. Den drei Trakten ist jeweils ein Wohn- und Essbereich zugeordnet; Wohnküchen laden die Bewohner zur Mithilfe beim Anrichten der Mahlzeiten ein. Auch der Raum vor dem Pflegestützpunkt wird gerne genutzt. Die Zimmer entsprechen in Dimension und Ausstattung den in Oberösterreich geltenden Normen. Mit ihren tief gesetzten Parapeten gewähren sie auch bettlägerigen Menschen Ausblick ins Freie. Kleine Briefkästen in den Nischen vor den Zimmertüren sollen der Persönlichkeit des Einzelnen zumindest symbolisch Präsenz verleihen.

Die mit hellem Holz, unaufdringlich hellen Böden und einer vereinzelten, mit Stoff bezogenen Bank dem Begriff „wohnlich“ so weit wie möglich angenäherte Stimmung im Haus wird von den Kunstprojekten mitgetragen. Walter Kainz und Marion Kilianowitsch haben mit ihren Werken – einem Eichenrelief und einem Metallbild – den Andachtsraum ruhig und meditativ gestimmt. Großformatige Holzintarsien mit Linzer Stadtansichten von mia2/Gnigler/Wilhelm Architektur unterstützen Gedächtnis und Orientierung im Haus; und die von Gerhard Brandl in den Natursteinboden der Eingangshalle gravierten Teppiche erinnern die Bewohnerinnen und Bewohner vielleicht ebenso an daheim wie Margit Greinöckers Guglhupf-Skulptur an der dem Haupteingang gegenüberliegenden Wand.

Kuba aber hat mit großem Planungsaufwand dafür gesorgt, dass haustechnische Einrichtungen wie etwa die Lüftungsanlage in diesem höchst energieeffizient angelegten Gebäude im Hintergrund bleiben und kein Feuerlöscher die Harmonie der Aufenthaltsbereiche stört. Und dennoch: Im Seniorenzentrum Liebigstraße finden ausschließlich Menschen mit hoher Pflegebedürftigkeit Aufnahme. Die Frequenz ist diesem Umstand entsprechend deprimierend hoch. Das allerdings ist ein Aspekt der Bauaufgabe, den auch hervorragende Architektur nicht lösen kann

Spectrum, Sa., 2016.04.23



verknüpfte Bauwerke
Seniorenzentrum Liebigstraße

28. November 2015Romana Ring
Spectrum

Zum Studium ins Freie

In Größe und Entstehungsgeschichte nicht vergleichbar, unterstreichen zwei Objekte in Linz die städtebauliche Ungebundenheit ihrer Institutionen. Mitten in der Natur: über den Neubau der Anton Bruckner Privatuniversität und des Gastronomiebetriebs „TeichWerk“.

In Größe und Entstehungsgeschichte nicht vergleichbar, unterstreichen zwei Objekte in Linz die städtebauliche Ungebundenheit ihrer Institutionen. Mitten in der Natur: über den Neubau der Anton Bruckner Privatuniversität und des Gastronomiebetriebs „TeichWerk“.

Zwei neue Gebäude bereichern seit Kurzem die Hochschulszene von Linz: der vom Linzer Architekturbuero 1 geplante Neubau der Anton Bruckner Privatuniversität undein „TeichWerk“ genanntes Gebäude, das dieWelser Architekten Luger & Maul auf dem Gelände der Johannes Kepler Universität entwickelt haben. In Größenordnung, Entstehungsgeschichte und auch Architekturauffassung durchaus unvergleichlich, unterstreichen beide Objekte die städtebauliche Ungebundenheit ihrer Institutionen bei gleichzeitiger Nähe zur Natur.

Das Land Oberösterreich respektive die von ihm gegründete Errichtungsgesellschaft hat den ursprünglichen zentrumsnahen Standort der Bruckner Universität in Urfahr aufgegeben und ist mit dem Neubau den Hang des Pöstlingberges hinauf gewichen. Dort prägt das signifikant geformte Gebäude nun die Ansicht der Stadt; eine Wechselwirkung zwischen dem Universitätsbetrieb und seinem von vorwiegend kleinteiliger Wohnbebauung besetzten Umfeld ist jedoch nicht zu erwarten. Das im Herbst 2008 in einem EU-weiten Architekturwettbewerb mit dem ersten Preis ausgezeichnete Architekturbuero 1 hat die Entscheidung der Universität zum Rückzug ins Grüne mit seinem Projekt auf unbeschwert heitere Weise interpretiert. Der von einem Vorhang aus unterschiedlich geneigten Lamellen umfangene Baukörper signalisiert zur Stadt hin Geschlossenheit, während er sich an seiner Südseite den Resten eines Schlossparks mit altem Baumbestand öffnet. So weit wie möglich nach Norden in die Kurve der Hagenstraße gerückt, schirmt das Gebäude den Grünraum der ehemaligen Hagengründe vom Verkehrslärm ab und bekräftigtdessen Zugehörigkeit zum Universitätsgelände. Während die Skulptur des Baukörpers das Gewicht der Institution zum Ausdruck bringt, nehmen ihm Neigung und Rhythmus derLamellen einiges an Schwere; als wollten sie sagen: Hier wird studiert, doch es geht um Musik, um Schauspiel, um Tanz!

Betritt man die Bruckner Universität über ihren Haupteingang von der Hagenstraße her, gelangt man in einen Erschließungsbereich, der mehrfach seine Richtung wechselnd das Haus durchfließt und die drei oberirdischenGeschoße bis unter sein gläsernes Dach miteinander verbindet. Damit löst der Innenraum ein, was die Fassade verspricht: Aus dem Strom der Bewegung entsteht ein großes, luftiges, helles Ganzes, in dem eine bunte Vielfalt von Nutzungen ungestörte Ufer und Inseln bildet. Indem es die Mitte des Körpers in den beiden Obergeschoßen mit der Bibliothek besetzt und die kleinen Zellen der Unterrichtsräume und Büros entlang der Fassade angeordnet hat, ist es dem Architekturbuero 1 gelungen, Belichtung und Orientierung im Haus klug zu lösen. Auf der Eingangsebene sind in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang und dem Foyer vier in Größe und Ausstattung unterschiedliche Veranstaltungssäle angeordnet.

Der große Konzertsaal bildet das westliche Kopfende des Gebäudes und wird durch den darüber liegenden Verwaltungsbereich zusätzlich vom Rest des Hauses abgeschirmt. Die somit gewährleistete schalltechnische Trennung ist allerdings für alle Unterrichts- und Vortragsräume, ja für die Institution als Gesamtheit von großer Bedeutung. Nicht minder wichtig sind die akustischen Qualitäten der Räume für sich, die der jeweiligen Nutzung angepasst werden mussten. Hier macht sich die Entwurfsentscheidung zur organischen Form mit Räumen bezahlt, deren aus dem rechten Winkel fallende Wände dasunter Musikern gefürchtete Flatterecho hintanhalten. Ein heller, nach Bedarf justierbarer textilerVorhang und ein dahinter verborgener Tiefenabsorber in jedem Unterrichtsraum runden die schalltechnischen Maßnahmen gestalterisch wohlüberlegt ab. Den Lamellenvorhang hat das Architekturbuero 1 in der Mitte der Südfassade etwas zur Seite geschoben. Dank dieser Geste und der in eine Terrasse mündenden Freitreppe verbindet sich das Foyer mit dem Park, wird die Anlage zum Campus; mit Blick auf Linz, doch deutlich entrückt.

Vielleicht wurzelt die Standortwahl für die Anton Bruckner Universität ja in einer Linzer Tradition. Denn schon die aus den 1960er-Jahren stammende Johannes Kepler Universität wurde am nordöstlichen Rand der Stadt im Park eines Herrenhauses als Campusuniversität errichtet. Einige der Gebäude sind in Würde gealtert, andere überzeugen heute nicht mehr. Die Anlage bedarf jedoch der Auffrischung, um dem Anspruch, Forschung und Studium mithilfe eines inspirierenden Umfeldes zu fördern, wieder gerecht zu werden. Mit dem „TeichWerk“, dessen Errichtung Rektor Meinhard Lukas als gebautes Zeichen einer wissenschaftlichen Qualitätsoffensive an den Beginn seiner Amtszeit gesetzt hat, hat die Universität einenGastronomiebetrieb bekommen, der auch als kultureller Veranstaltungsort geeignet ist. Da es viel mehr um informelle Begegnungen denn bloße Verpflegung geht, nimmt das „TeichWerk“ einen prominenten Platz an der Hauptzugangsachse auf dem zentralen Teich ein, um den die Gebäude und Freiflächen desCampus gruppiert sind.

Das „TeichWerk“ ist beinahe ein Schiff. Jedenfalls schwimmt es auf dem Wasser und könnte bei Bedarf auch andere Positionen auf dem Teich einnehmen. Doch eigentlich ist es ein luftiger Pavillon, der mit unaufdringlicher Eleganz die Anstrengungen seiner nur wenige Monate währenden Planungs- und Errichtungszeit ebenso überspielt wie den Druck eines äußerst knappen Budgets. Auf stählernen Hohlkörpern ausbalanciert und über zwei Stege mit dem Ufer verbunden, ruht das lang gezogene, an seinen Stirnseiten abgerundete Rechteck einer hölzernen Plattform. Sie wird von einer durchsichtigen Reling gefasst und von einem Dach mit filigran ausgebildetem Rand beschirmt. Eine metallene Box zur Aufnahme der nötigen Haustechnik im nördlichen Bereich des „TeichWerks“ verleiht dem von schlanken Säulen getragenen Aufbau schiffsähnliche Konturen.

Auf dem Dach befindet sich ein weiterer Aufenthaltsbereich. Der Raum unter dem Dach wird zu etwa zwei Drittel von teils gläsernen, teils hölzernen, an ihren Außenseiten mit Aluminiumpaneelen belegten Wänden umfangen. Großzügige Schiebeelemente im Bereich der Glaswände und die zur Gänze zu öffnende Südseite des Innenraumes ermöglichen eine variable Nutzung des mit Küche, Sanitärzellen und Bühnentechnik ausgestatteten „TeichWerks“. Von Luger & Maul mit Verständnis für die räumlichen Voraussetzungen gelingender Kommunikation entwickelt, bringt es die Vorstellung von der Inspiration des Geistes durch die Natur in einer Vielzahl unterschiedlichster Konstellationen auf den Punkt.

Spectrum, Sa., 2015.11.28

19. September 2015Romana Ring
Spectrum

Die Sprache der Steine

Hier ein traditioneller Ort mit Kirche, Gemeindeamt, Gasthof – und einer neuen Mitte als Besonderheit. Da ein Stationsgebäude – das an Gebirge und Felsen erinnert. Zum Charakter von Beton: zweimal Besuch in Oberösterreich.

Hier ein traditioneller Ort mit Kirche, Gemeindeamt, Gasthof – und einer neuen Mitte als Besonderheit. Da ein Stationsgebäude – das an Gebirge und Felsen erinnert. Zum Charakter von Beton: zweimal Besuch in Oberösterreich.

Die Gemeinde Handenberg mag mit ihren 1300 Einwohnern nicht groß sein und ihre Lage weit im Westen des oberösterreichischen Innviertels nicht unbedingt zentral. Doch die Dorfgemeinschaft von Handenberg ist höchst lebendig und hat sich über einen mehrere Jahre dauernden Prozess zielstrebig ein neues Zentrum erarbeitet.

Die Mitte des Ortes wird, ganz traditionell, von Kirche, Gemeindeamt und Gasthof gehalten. Der dazwischen aufgespannte Platz hatte aber nach Abbruch eines Kaufhauses an seiner Westseite jede Kontur verloren. Den auf Anregung des oberösterreichischen Ortsbildbeirates ausgeschriebenen Architekturwettbewerb zur Gestaltung des Ortsplatzes hat das Büro Heidl Architekten aus Linz gewonnen. Seine Maßnahmen haben Handenberg nicht nur einen äußerst funktionstüchtigen öffentlichen Raum beschert, sondern auch eine Sehenswürdigkeit, die der Annahme ländlich ist gleich rückständig elegant das Gegenteil beweist.

Der barocke Turm der in ihrem Ursprung gotischen Pfarrkirche beherrscht nach wie vor den Hügel, auf dem das Zentrum Handenbergs liegt. Die dem heiligen Martin geweihte Kirche ist vom Friedhof umgeben, in dessen Umfassungsmauer ein historisches Portalgebäude eine Nord-Süd-Achse zum Gemeindeamt bildet. Die Ostflanke dieses Raumes schließt nun eine Wand aus Sichtbeton, entlang der eine lang gestreckte hölzerne Bank zum Sitzen einlädt. Dahinter wendet sich eine Grünfläche mit bereits vorgefundenem Busch- und Baumbestand dem Gasthaus zu. Im Westen des zur Gänze mitKleinsteinen gepflasterten Dorfplatzes ist durch den Abbruch des Kaufhauses eine Besonderheit von Handenberg zum Vorschein gekommen: ein kleiner, über einen unterirdischen Strom vom nächsten Hügel her gespeister Teich, der durch das Gebäude und hohe Hecken den Blicken der Allgemeinheit für lange Zeit entzogen war. Heidl Architekten und die ebenfalls in Linz ansässige Landschaftsplanerin Barbara Bacher haben sein östliches Ufer durch einen hölzernen Steg vom Platz her zugänglich gemacht; bepflanzte Böschungen und ein auch den Platz umfassender Kreisbogen aus Eichen werden für Schatten und jenen Grad an „Natürlichkeit“ sorgen, der informellen Begegnungen einen angenehmen Hintergrund schafft.

Den Übergang von diesem Grünraum zu dem repräsentativ wirkenden Bereich des Platzes zwischen Amt und Kirche markiert ein einprägsames Bauwerk: ein konstruktiv von Werkraum Wien entwickelter Winkel aus Stahlbeton kragt über zwölf Meter von Norden nach Süden aus und beschirmt eine Grundrissfläche von etwa 80 Quadratmetern. Seine aus dem Boden aufsteigende Wand zieht die Grenze zwischen Platz und Gehsteig. Sie ist an beiden Seiten unterschiedlich, an der Innenseite des Winkels nach Maßgabe der daran befestigten Sitzbank geneigt.

An der Mauer zum Friedhof nimmt eine weitere Bank dieses Motiv auf. Der an seiner schlanksten Stelle nur 15 Zentimeter starke Winkel ist ohne jeden Kompromiss aus Stahlbeton gefertigt. Wasserdicht sowie gegenüber Frost und Tausalz beständig, verbirgt er hinter seinen leicht überhöhten Kanten die Entwässerung des Daches, die ohne Folien und Verblechungen einzig durch die Ausbildung eines leichten Gefälles über zwei in der Wand geführte Abfallrohre funktioniert. An der Untersicht des Daches sind LED-Leuchten in das sorgfältig geplante Fugenbild derSchalung integriert. Dieübrige Platzbeleuchtungbeschränkt sich auf eine indirekte, an den Fuß der begrenzenden Wände und Bänke gekoppelte Lichtführung.

Nur wenige Kilometer entfernt, in der unmittelbar an der Grenze zu Deutschland gelegenen Marktgemeinde Ostermiething ist ein weiteres Beispiel zeitgenössischer Architektur zu sehen, das sich den Charakter des Betons in ähnlicher Intensität, jedoch auf ganz andere Weise zunutze macht. Die Salzburger Lokalbahnen, die für den vom Salzburger Büro Udo Heinrich Architekten entwickelten Lokalbahnhof Lamprechtshausen mit dem Bauherrenpreis 2012 der ZV geehrt wurden, haben Udo Heinrich Architekten als Gewinner eines geladenen Architekturwettbewerbes ein weiteres Mal mit der Errichtung eines Stationsgebäudes beauftragt, diesmal am Ende ihrer neuen, nach Ostermiething verlängerten Strecke. Während das kühne Flugdach in Handenberg die verblüffenden konstruktiven Möglichkeiten des Stahlbetons und sein Potenzial zur „reinen“ Geometrie in den Vordergrund stellt, betont das Stationsgebäude in Ostermiething den Gesteinscharakter des Baustoffes. Seine aus Beton gegossene Plattform und ihre von fünf Pavillons getragene Überdachung lassen an Gebirge und Felsen denken. Die ihren Nutzungen entsprechend unterschiedlich ausgeformten Pavillons falten sich zu einer Landschaft von Graten und Giebeln, in die das schlanke Bahnsteigdach aus Stahlbeton seinen beruhigenden Horizont legt.

Näher kommend erkennt man, dass man es mit einer durchkomponierten Abfolge von „Steinsetzungen“ in gesteigerten Verfeinerungszuständen zu tun hat: das Buffetgebäude ganz vorne am Wendepunkt der ankommenden Züge und der daran schließende Wartebereich für die Reisenden sind polygonale Kristalle mit glatt geschliffenen Wänden, die von – mitunter gläsern gefassten – Tageslichtkörpern begleitet werden. Weiter dem Südosten zu wird die Geometrie der Pavillons einfacher; der Bearbeitungsgrad der Betonoberflächen und damit ihre Rauheit nimmt zu.

Während der Personalbereich und die WC-Anlagen noch eine relativ hohe Komplexität und feiner strukturierte Oberflächen aufweisen, scheint der abschließende, technische Infrastruktur bergende Block mit seiner einfachen Geometrie und der tief gespitzten Wandstruktur erst skizzenhaft umrissen zu sein. Er markiert die fließende Grenze der Bahnstation zum Landschaftsraum, der mit geschottertem Schienenstrang aus der Ferne kommend einzieht. Es ist durchaus denkbar, dass das so geschaffene poetische Element des Ortes im Nebel des werktäglichen Pendelverkehrs nicht von sämtlichen Reisenden in gleicher Tiefe gewürdigt wird; die funktionellen Qualitäten der ebenso feinsinnig wie robust gestalteten Anlagen liegen jedoch für alle Nutzerinnen und Nutzer gewiss auf der Hand.

Spectrum, Sa., 2015.09.19



verknüpfte Bauwerke
Bücherei + Musikhaus Sarleinsbach
Lokalbahnhof Lamprechtshausen
Lokalbahnstation Ostermiething

18. Juli 2015Romana Ring
Spectrum

Das Gefühl, daheim zu sein

Alten- und Pflegeheime sind häufig Mahnmale: Sie künden von einer Gesellschaft, die Hinfälligkeit und Tod verdrängen will. In Hartkirchen, Oberösterreich, ist das anders.

Alten- und Pflegeheime sind häufig Mahnmale: Sie künden von einer Gesellschaft, die Hinfälligkeit und Tod verdrängen will. In Hartkirchen, Oberösterreich, ist das anders.

Kunst am Bau ist keine glückliche Bezeichnung. Schreibt sie doch eine Reihung fest, die ebenso den zeitlichen Ablauf der Dinge benennt wie deren Wert. Zuerst ist der Bau. Dann kommt – vielleicht – die Kunst. Da ist viel Wahres dran. Dennoch: Den von Förderungsgebern für Kunst vorgesehenen Bruchteil der Baukosten nach Abrechnung derselben für eine ergreifende Darstellung des heiligen Florian aus der Werkstätte des ortsansässigen Holzschnitzers zu verbraten ist auch jenseits kunstaffiner Zirkel längst nicht mehr Brauch. Gerade Architekten, die ihre eigene Aufgabe nicht im bloßen Bereitstellen technisch, wirtschaftlich und rechtlich unanfechtbarer Anlagen sehen, trachten danach, bildende Kunst frühzeitig in ihre Planungskonzepte zu integrieren.

Da nicht alle Entscheidungsträger öffentlicher Bauvorhaben Erfahrung im Umgang mit zeitgenössischer Kunst haben, ist in solchen Fällen häufig ein erhebliches Maß an Überzeugungsarbeit zu leisten. Im Projekt zum Neubau des Bezirksalten- und -pflegeheims Hartkirchen ist es dem Vöcklabrucker Architekturbüro Gärtner + Neururer und der Künstlerin Martina Schürz-Neururer gemeinsam geglückt, Architektur und bildende Kunst so zu verbinden, dass der daraus erwachsende Mehrwert dem aus immerhin sechs Bürgermeistern zusammengesetzten Vorstand des Sozialhilfeverbandes Eferding ersichtlich war.

Gärtner + Neururer haben in den vergangenen Jahren einige Erfahrung im Bau von Altenheimen gesammelt, die sie in die Lage versetzt, diese durch eine Vielzahl von Vorschriften im höchsten Maß regulierte Bauaufgabe nicht nur organisatorisch zu bewältigen, sondern dem engen Rahmen auch immer wieder hohe räumliche Qualität einzuschreiben. Das Bezirksalten- und -pflegeheim liegt am Rand der etwa 4000 Seelen zählenden Gemeinde Hartkirchen im oberösterreichischen Hausruckviertel auf einem Bauplatz ohne Einschränkungen durch benachbarten Bestand.

Dieser Umstand begünstigte die Entwicklung eines höchst ökonomischen Grundrisses, der kurze Wege für das Personal mit einer klaren Struktur zur Orientierung der Bewohnerinnen und Bewohner verbindet. Das dreigeschoßige Gebäude greift mit drei Trakten nach Osten, Süden und Norden. Das Erdgeschoß fasst allgemein genutzte Räume: Veranstaltungssaal, Kapelle, die Büros der Verwaltung, Therapie- und Personalbereiche sowie die Küche mitsamt ihren Nebenräumen. Deren Versorgung erfolgt von der Nordwestseite, während der Haupteingang im Südosten des Gebäudes liegt.

Über einen Windfang gelangt man in eine von Saal und Kapelle flankierte Halle und wahlweise über eine einläufige Treppe oder mittels Aufzug hinauf in die beiden Geschoße mit den Zimmern. Diese sind in den drei Flügeln jeweils entlang eines durch Türnischen strukturierten Mittelgangs aufgereiht, der mit einem raumhohen Fensterelement an seinem Ende den Bezug zum Außenraum herstellt. An ihrem entgegengesetzten Ende weiten sich die Gänge zu Aufenthaltsbereichen, denen Loggien zugeordnet sind. In der Mitte des Baukörpers, aus der die drei Zimmertrakte ihren Ausgang nehmen, sind die Pflegestützpunkte angeordnet. Auch hier haben die Architekten den Raum als Begegnungszone gestaltet, die sich mit breiten Glaselementen im zweiten Stock auf eine Loggia, im ersten Obergeschoß auf eine Terrasse öffnet. Denn an der Nordseite des Gebäudes wurde das nur sanft gewellte Gelände zu einem kleinen Hügel angeschüttet, der von Demenz betroffenen Menschen nun den ebenerdigen Ausgang in einen kleinen Garten ermöglicht.

So weit, so menschenfreundlich. Gärtner + Neururer haben den – nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht – rigorosen Vorgaben mit einem hellen, freundlich wirkenden Gebäude entsprochen, in dem sich Ordnung und Kleinteiligkeit zum Nutzen von Bewohnerinnen und Beschäftigten die Waage halten. Den aus vielerlei Notwendigkeiten erwachsenen, an Krankenhausbauten gemahnenden Details wie den breiten, für Bettentransporte geeigneten Türen oder den Handläufen an den Wänden haben sie, wo immer sich die Gelegenheit bot, Situationen entgegengesetzt, die vom einst Gewohnten erzählen sollen: eine Sitzgelegenheit in einer holzverkleideten Nische hier, einen gemauerter Ofen mit umlaufender Bank dort; den Ausblick in die Landschaft, in der man einmal daheim gewesen ist.

Mit ihrer künstlerischen Intervention versucht Martina Schürz-Neururer, diesen Gedanken weiterzutragen. So hoch das Niveau der Institution Alten- und Pflegeheim in pflegetechnischer Hinsicht auch sein mag, sosehr man sich um das Wohlergehen der Bewohnerinnen und Bewohner bemüht: Sie bleiben Gefangene ihrer Gebrechlichkeit und die Heime Mahnmale, vorzugsweise an die zersiedelten Ränder einer Gesellschaft gestellt, die Hinfälligkeit und Tod nicht sexy findet.

Martina Schürz-Neururer begegnet diesem grimmigen Befund mit Lebensfreude und Humor. Sie greift auf eigene Kindheitserinnerungen im umgebenden Landschaftsraum zurück und verwandelt sein signifikantestes Kennzeichen in ein Ornament: die säuberlich gezogenen Reihen der Gemüsebeete, die auf diesen ertragreichen Böden praktisch allgegenwärtigen Krautköpfe, mit deren abstrahiertem Bild sie unter Beibehaltung geometrisch strenger Ordnung die Stirnseiten der drei Gebäudeflügel überzogen hat. Sie hat in den Vollwärmeschutz des Hauses ein Symbol für Wachstum und Fruchtbarkeit gewoben und so eine Hülle fabriziert, die in mehr als einer Hinsicht wärmt; die ein Signal der Verbundenheit mit dem Landstrich und seinen Lebensformen sendet, im Namen von Menschen, die immer noch Teil des Ganzen sind.

Im Inneren des Hauses hat Martina Schürz-Neururer das Ornament weiter zu einem Musterrapport zerlegt, der die Eingangsnischen der Zimmer ziert. Auf der Basis eines sorgfältig differenzierten Farbkonzeptes verbessern die in den verschiedenen Trakten und Stockwerken unterschiedlich ausgeformten Muster ein weiteres Mal die Möglichkeit, sich im Haus zurechtzufinden. Gleichzeitig erinnern sie an das in dieser Gegend noch gebräuchliche Weißen und anschließende Walzen der Wände und vermitteln so die Ahnung eines vielleicht schon vergessenen Gefühls: daheim zu sein.

Spectrum, Sa., 2015.07.18

23. Mai 2015Romana Ring
Spectrum

Gutes für schlechte Zeiten

Die Gemeinde Pucking, Oberösterreich, erfreut sich eines neuen Feuerwehrgebäudes: Wolf Architekten gelang der schwierige Spagat zwischen bedingungsloser Funktionalität und inspirierendem Raum.

Die Gemeinde Pucking, Oberösterreich, erfreut sich eines neuen Feuerwehrgebäudes: Wolf Architekten gelang der schwierige Spagat zwischen bedingungsloser Funktionalität und inspirierendem Raum.

Die Kassen sind leer. Diese Botschaft kommt nicht überraschend. Neu hingegen ist unser Selbstverständnis, in Zeiten des Mangels zu leben. Um der Spirale aus gedrückter Stimmung und ausbleibendem Aufschwung etwas entgegenzusetzen, drehen wir die Medaille der gefühlten Bedürftigkeit kurz um: Nennen wir den Umgang mit dem dünner werdenden Strom der Mittel nicht zaghaft, sondern verantwortungsvoll, und schauen wir uns an einem einfachen Beispiel an, ob wir vom Verlust der wirtschaftlichen Sorglosigkeit nicht auch profitieren können.

Die oberösterreichische Marktgemeinde Pucking etwa ist eine von vielen recht ähnlich anzusehenden österreichischen Landgemeinden. Durch ein hervorragend ausgebautes Straßennetz bestens an den wirtschaftlich maßgeblichen Zentralraum angebunden, ist Pucking für Betriebe und Eigenheimbesitzer gleichermaßen attraktiv. Nicht der ursprüngliche – immerhin noch lebendige – Ortskern prägt das Bild der Gemeinde, sondern die verblüffende Gestaltungsvielfalt der entlang der L563 ausgestreuten Gewerbebauten und Lärmschutzwände, hinter welchen, offenbar unverdrossen, Wohnhäuser in Deckung gehen.

Diesem Umfeld zeigt das in Grieskirchen ansässige Büro Wolf Architektur anhand eines Feuerwehrhauses, wie man öffentlichen Raum ohne den geringsten Verlust an eigenem Nutzen ordnen kann. Der Neubau, der nur aufgrund der Zusammenlegung zweier Standorte seitens der Aufsichtsbehörde genehmigt wurde, erhebt sich, um die Tiefe eines geräumigen Vorplatzes zurückgesetzt, mit seinem Herzstück, der Fahrzeughalle, parallel zur Straße. An die nordöstliche Ecke setzt der Schlauchturm ein eindeutig lesbares Zeichen; im Westen verleiht ein zweites Geschoß den Einsatz- und Vereinsräumen das gebührende Gewicht. Darüber hinaus wird die Zufahrt von einem frei gestellten Pavillon markiert, in dem die Künstlerin Anneliese Schrenk ein historisches Feuerwehrfahrzeug in Szene gesetzt hat. Die Parkplätze für die Privatautos der Feuerwehrleute säumen die Kante dahinter und die von der Straße abgewandte Längsseite des Hauses.

Diese nicht zuletzt dem Ortsbild wohltuende Ordnung von Gebäude und Außenanlagen setzt sich im Inneren des Gebäudes fort. Sie basiert auf den gründlichen, im Vorfeld eines geladenen Architektenwettbewerbes angestellten Überlegungen der Feuerwehr zu ihren eigenen funktionalen Anforderungen. Die in allen Details durchdachte Wegführung unterstützt im Einsatzfall zweifelsfreie Kommunikation und rasches Handeln; sie erleichtert aber auch die Wartung der Anlage, sie wirkt sich positiv auf das Vereinsleben aus, und sie spart viel Geld. Denn Wolf Architektur hat weit mehr als die bloße Umsetzung des gegebenen Organisationskonzeptes geleistet. Das Haus kommt nahezu ohne Erschließungsflächen aus, besitzt jedoch dank einer Vielzahl kleiner Abweichungen vom Gewöhnlichen eine Nutzungsqualität, die mit den streng begrenzten Budgets des Genres üblicherweise nicht erreicht wird. Gleichzeitig hat Wolf Architektur aus der Verdichtung der Abläufe und ihrer Übersetzung ins Gebaute erheblichen gestalterischen Mehrwert gezogen.

Die bedingungslose Funktionalität der Anlage findet in einer ebenso konsequent durchgehaltenen Komposition geometrisch einfacher Körper ihre Entsprechung. Die Verbindung zwischen Außen und Innen wird durch Einschnitte gekennzeichnet, die das Volumen gliedern. So werden die sieben gläsernen Tore der Fahrzeughalle durch das vom Schlauchturm bis zur Einsatzzentrale reichende Vordach beschirmt, die Glasfassade des Schulungsraumes ist einer Dachterrasse zugeordnet, und auch der Haupteingang im Einschnitt an der Südwestecke des Gebäudes wird durch seine Lage ebenso geschützt wie zeichenhaft hervorgehoben. Die Einsatzzentrale darf mit einem über die Ecke geführten Fensterband deutlich sichtbar über Vorplatz und Fahrzeughalle wachen. Weniger prominente Räume wie Büros oder Werkstätten müssen auch belichtet und belüftet werden.

Doch hier bescheidet man sich mit Fenstern, die hinter gelochten Feldern in der feingliedrigen Trapezblechfassade mehr zu ahnen als zu sehen sind. Wolf Architektur hat einige Energie aufgewendet, um handelsübliche Produkte wie die Metallverkleidung aus der Banalität ihres sonst üblichen Einsatzes zu lösen. Die Ausbildung der Belichtungsfelder in der Fassade, aber auch die Detaillierung der Ecken und Anschlüsse, hat ebensowenig Mehrkosten verursacht wie die vom Architekturbüro hartnäckig verfolgte unsichtbare Leitungsführung in der aus unverkleideten Betonfertigteilen und Trapezblechen konstruierten Fahrzeughalle.

Dieser Umstand und wohl auch die Sicherheit, mit den eigenen, vorwiegend auf Funktionalität ausgerichteten Anliegen ernst genommen zu werden, hat die Bauherrschaft dazu bewogen, Wolf Architektur in Gestaltungsfragen auf ein in ähnlichen Zusammenhängen unübliches Niveau zu folgen. Ob Sichtbeton und schwarze Holzwerkstoffplatten nun eher dank ihrer asketischen Anmutung oder doch aufgrund ihrer wartungsfreien Robustheit überzeugen, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Der allem vorangegangene Entschluss der Gemeinde Pucking, die Aufgaben der Bauherrschaftselbst wahrzunehmen und nicht bei einem gewerblichen Bauträger abzuladen, hat das fruchtbare Zusammenspiel von Nutzern und Planern jedenfalls begünstigt und vieles ermöglicht, was anderswo mit einem „das haben wir noch nie so gemacht“ abgeschmettert wird.

Das mag der Ankauf einer speziellenWaschmaschine für die Einsatzkleidung, der Bau eines Platzes zum – übungsweisen – Abfackeln von Autowracks oder die Errichtung eines Schlauch- und Übungsturmes gewesen sein; aber auch der „Luxus“ eines Eingangsbereiches, der die ihm eingeschriebene Verknüpfung aller Wege in lichte Großzügigkeit zu fassen versteht. So verfügt die Freiwillige Feuerwehr Pucking-Hasenuferund mit ihr die Gemeinde Pucking nun über ein Haus, das den Geboten der Sparsamkeit gerecht wird, ohne seinen kulturellen Anspruch preiszugeben: Einsätzen, Schulungen und Übungen wird eine reibungslos funktionierende Bühne und der Gemeinschaft inspirierender Raum geboten. Mehr muss ein Gebäude auch in guten Zeiten nicht leisten.

Spectrum, Sa., 2015.05.23

04. April 2015Romana Ring
Spectrum

Nichts ist beständig wie der Wandel

Im oberösterreichischen Gallneukirchen wurden Kirche und Pfarrhof von Herbert Schrattenecker einer radikal-behutsamen Restaurierung unterzogen. Ergebnis: ein Ort mild gestimmter Ruhe, an dem weder Zeitgeist noch Mode eine Rolle spielt.

Im oberösterreichischen Gallneukirchen wurden Kirche und Pfarrhof von Herbert Schrattenecker einer radikal-behutsamen Restaurierung unterzogen. Ergebnis: ein Ort mild gestimmter Ruhe, an dem weder Zeitgeist noch Mode eine Rolle spielt.

Seit Jahrhunderten stehen die katholische Kirche und der dazugehörende Pfarrhof im Zentrum von Gallneukirchen. Daran hat weder das rasche Anwachsen der ehemaligen, zur Stadt erhobenen, Marktgemeinde im Speckgürtel von Linz etwas geändert noch der gesellschaftliche Bedeutungswandel, den Religion seit der Entstehung von Ort und Pfarrgemeinde zweifellos erfahren hat. Dieser hat die Pfarre – sie ist mit ihren etwa 12.000 Seelen immerhin die größte der Diözese Linz – nicht daran gehindert, ihre uralte Verantwortung für die Gemeinschaft wahrzunehmen. Nach der 2007 abgeschlossenen Kirchenrenovierung hat sie eine umfassende Sanierung des Pfarrhofes in Angriff genommen, die den öffentlichen Raum Gallneukirchens nun entschieden bereichert.

Beide Maßnahmen hat der aus Oberösterreich gebürtige und in Wien ansässige Architekt Herbert Schrattenecker geplant. Wüsste man nicht, wie radikal manche seiner Eingriffe waren, man könnte annehmen, Kirche und Pfarrhof wären immer schon so selbstverständlich Stirn an Stirn in leichtem Winkel zueinander gestanden, die südliche Kante eines annähernd dreieckigen Platzes flankierend, dessen Westseite das Rathaus säumt. Tatsächlich hat es an dieser Stelle niemals einen Platz gegeben. Historische Beschreibungen erzählen von Gräben, Stegen, Friedhofsmauern und hölzernen Verbindungsgängen; aber auch von den Schweine-, Kuh- und Pferdeställen des Pfarrhofes, die das Erscheinungsbild des Ortes prägten.

Schon mit der Renovierung der Kirche hat Herbert Schrattenecker die ersten Maßnahmen gesetzt, diese – durchaus physisch – besser zugänglich zu machen. Doch erst durch den Rückbau des über eine Vielzahl baulicher Anläufe entstandenen Pfarrhof-Konglomerates in ein gut proportioniertes und außen wie innen leicht lesbares Gebäude hat die Kirche ein Vis-à-vis bekommen, das ihrem Haupteingang an der Westseite den notwendigen (Außen-)raum lässt. Bereits im ersten Bauabschnitt konnte Herbert Schrattenecker die unbefriedigende Eingangssituation der Kirche durch den Abbruch der beiden massiven Stiegenhäuser zur Empore an der Westfassade deutlich verbessern. Diese Maßnahme ermöglichte die Anordnung zweier zusätzlicher Eingänge, die das große Tor in ihre Mitte nehmen. Ein weit ausladendes Vordach – als Tragwerk raffiniert mit der zweiten Empore verbunden und gekonnt unspektakulär in seiner Anmutung – beschirmt alle drei Zugänge und verleiht so wesentlichen Vorgängen wie dem Sich-Versammeln und dem Noch-Verweilen räumlichen Ausdruck.

Auch das Innere der in ihrem Ursprung mittelalterlichen Kirche entspricht nun wieder den Intentionen und Anforderungen des Gottesdienstes. Nach dem teilweisen Rückbau der ersten und der konstruktiven Erneuerung der zweiten Empore, dem Öffnen der vermauerten Obergaden an der Nordseite, einer behutsamen Neuordnung von Emporenzugängen, Bankreihen, Altarraum und Taufort; kurzum: Kraft einer gründlichen, nicht zuletzt der Einbindung in das hügelige Gelände gewidmeten Überarbeitung ist die Pfarrkirche ein barrierefrei zugänglicher, in unterschiedlichen Konstellationen nutzbarer Ort geworden, in dessen mild gestimmter Ruhe weder Zeitgeist noch Mode eine Rolle spielen.

Der Wandel des Pfarrhofes vom vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Gehöft mit angeschlossenen Wohnräumen zu einem Pfarrzentrum mit all seinen organisatorischen und seelsorgerischen Aufgaben ist bis vor Kurzem wohl ohne rechte Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Nutzung, Erscheinung und Bedeutung vor sich gegangen. Umso größer muss die Versuchung gewesen sein, hier Polaritäten wie alt/neu oder historisch/zukunftsweisend in eindrucksvollen Kontrast zueinander stellend gehörig auszukosten. Herbert Schrattenecker aber ist offensichtlich an der Wirksamkeit seiner Maßnahmen interessiert, nicht an ihrer – vorzugsweise verblüffenden – Wirkung. So war ihm bei der Sanierung des Pfarrhofes etwa das Schaffen von Öffnungen in den dicken Wänden des Hauptstiegenhauses ein wichtiges Anliegen. Tatsächlich haben diese den Weg durch das Gebäude mit Tageslicht erhellt und die Orientierung im Haus deutlich leichter gemacht. Ohne Kenntnis der beengten und düsteren Vergangenheit geht der Eingriff in einem über die Jahrhunderte scheinbar organisch gewachsenen Ganzen jedoch auf. Mit welchem Aufwand an Einfühlungs-, Vorstellungs- und nicht zuletzt Überzeugungsvermögen das heute so selbstverständlich scheinende Ergebnis erzielt worden ist, bleibt unsichtbar. Mit der Erinnerung an das Vorher wird das Bewusstsein für diese Leistung schnell verblassen.

Im Leben der Pfarre allerdings, deren kulturelles Engagement als Bauherrschaft an dieser Stelle hervorgehoben werden soll, ist der Wandel zum Besseren täglich unmittelbar präsent: Fundamente, erdberührte Böden und aufgehende Mauern wurden trockengelegt, eine höherwertige Nutzung der zum Teil aus dem Mittelalter stammenden Räume des untersten Geschoßes somit möglich. Sämtliche Fenster wurden durch dreifach verglaste Kastenfenster ersetzt. Eine innen liegende, mineralische Dämmung der Außenwände schont die denkmalgeschützte Fassade. Geheizt wird mit Erdwärme, nicht mehr mit Öl. Die Wohnungen für Pfarrer und Kaplan wurden auf zeitgemäßen Stand gebracht. Sie sind nun, wie alle anderen Bereiche des Pfarrzentrums – der Mehrzwecksaal, die Büros und auch die verschiedenen Gruppenräume – ohne gegenseitige Störung unabhängig voneinander zugänglich. Nach Einebnung der Niveausprünge innerhalb der Geschoße erschließt überdies ein Aufzug die drei Ebenen des Pfarrzentrums barrierefrei.

An der Nordseite des Bestandes hat Herbert Schrattenecker einen Teil der überlieferten Bausubstanz abgetragen. Dies und die Errichtung eines einheitlichen Daches mit durchgehender Traufe haben aus dem Vorgefundenen einen klaren Körper geformt. Der Haupteingang des Pfarrzentrums liegt, wahlweise über eine Rampe oder eine Stiege vom neuen Platz im Norden her erschlossen und somit zeichenhaft hervorgehoben, in einem schmalen Zubau. Dieser antwortet mit seiner Struktur von Pfeilern und Balken auf das gotische Strebewerk der Kirche, deren Flucht er mit seiner Nordostecke übernimmt. Durch die sorgfältig detaillierte Dachentwässerung vom Bestand getrennt, ist er deutlich als Zubau erkennbar. Doch gerade für diesen einzigen neuen Trakt hat Herbert Schrattenecker alte Ziegel und behauene, aus dem Abbruch des Pfarrhofes gewonnene Steine als Mauermaterial gewählt. Die hier eingesetzte, Jahrhunderte alte, Handwerkskunst und das historische Baumaterial wirken in Kombination mit den Überlagen aus eingefärbtem Sichtbeton und den Eichenholz-Schiebeläden der Fenster wie die Zusammenfassung einer Botschaft: Tradition und Innovation ermöglichen, klug in Zusammenklang gebracht, Qualität ohne Ablaufdatum.

Spectrum, Sa., 2015.04.04



verknüpfte Bauwerke
Pfarrzentrum Gallneukirchen

21. Februar 2015Romana Ring
Spectrum

Sonne, Luft und grüner Hügel

Wenn Bewohner ein Projekt kapern: In Marchtrenk gestaltete das Büro Dornstädter Architekten einen Kindergarten mit großem Entwicklungspotenzial.

Wenn Bewohner ein Projekt kapern: In Marchtrenk gestaltete das Büro Dornstädter Architekten einen Kindergarten mit großem Entwicklungspotenzial.

Marchtrenk, im oberösterreichischen Hausruckviertel gelegen, ist mit seinen mehr als 12.000 Einwohnern die größte Stadt des Verwaltungsbezirkes Wels-Land. Tendenz: weiter steigend. Das deutet auf ein ausgewogenes Verhältnis der Grundstückspreise zum Gebotenen. Das da wäre: die Lage mitten im wirtschaftlich florierenden Großraum zwischen Linz und Wels, zu dem zwei Autobahnanschlüsse und ein Bahnhof eine direkte Verbindung halten. Auch finden sich mehr als 500 Betriebe mit mehreren tausend Arbeitsplätzen in Marchtrenk sowie ein respektables Angebot an sozialer Infrastruktur.

Was man – noch – nicht bekommt für das Geld: gut gestalteten öffentlichen Raum. Den hat man in der Gemeinde, die während des Ersten Weltkrieges ein Lager für Kriegsgefangene stellte und nach dem Zweiten Weltkrieg einer großen Zahl von Vertriebenen aus Siebenbürgen und Donauschwaben zur neuen Heimat wurde, bisher vielleicht für Luxus gehalten. So ist auch die Roseggerstraße in Marchtrenk Teil eines stellenweise recht schütteren Teppichs frei stehender Siedlungshäuser, in den nur der alte, einst zur Versorgung des Kriegsgefangenenlagers errichtete Wasserturm ein bescheidenes Zeichen setzt. Nun haben aber die Bewohner der Siedlung wesentlich mehr Gemeinschaftssinn, als man angesichts dieses wenig urban anmutenden Stückes Stadt glauben möchte. Sie kaperten kurzerhand das Projekt zum Neubau eines Kindergartens, um ihr Wohnumfeld mit angemessenen Begegnungsräumen nachzurüsten. Das im nahen Traun ansässige Architekturbüro Dornstädter Architekten entwickelte dazu einen mehrstufigen Plan, dessen erster Bauabschnitt, der Kindergarten, kürzlich bezogen wurde. Er schließt die Südflanke des äußerst großzügig bemessenen Grundstücks der Volksschule 2 zur Roseggerstraße hin.

In weiterer Folge sollen die Volksschule selbst und der später hinzugefügte Turnsaaltrakt saniert werden. Ein Zubau im Bereich des bestehenden Verbindungsganges wird das Raumangebot erweitern, um die Nachmittagsbetreuung der Kinder zu ermöglichen. Gleichzeitig versprechen diese Maßnahmen die keineswegs überflüssige Verbesserung des derzeitigen Erscheinungsbildes der Anlage. Anstelle eines desolaten Nebengebäudes der Schule soll ein multifunktionaler Versammlungsraum an der Ecke Roseggerstraße/Neufahrnerstraße den Gemeinschaft stiftenden Charakter der hier versammelten Einrichtungen unterstreichen. Das Büro Dornstädter Architekten hat in der Struktur des Kindergartengebäudes naturgemäß die Zukunft des Ortes vorweggenommen, nicht ohne die Qualitäten der Gegenwart zu würdigen.

Was beibehalten worden ist: eine am Alltag orientierte Schwerpunktsetzung auf die Funktionstüchtigkeit von Räumen und Raumfolgen und die unaufgeregte Bescheidenheit in der Wahl der Mittel. Neu hingegen ist das Bekenntnis zu umfassender und qualitätsvoller Gestaltung, die bei der Beziehung der Räume zueinander beginnt und mit der sorgfältigen Ausarbeitung der Details endet.

Der Kindergarten ist um eine 15 Meter breite Ballspielwiese von der Roseggerstraße weg nach Norden gerückt. Mit seiner westlichen Kante greift er die östliche Flucht des Volkschulgebäudes auf. Parallel zur Nordfassade wird später der Erweiterungsbau der Volksschule stehen. Eine zukünftig gemeinsam bespielte Freifläche davor nutzt im Zusammenhang mit dem an dieser Stelle in den Kindergarten geschnittenen Atriumhof die räumliche Nähe der beiden Institutionen. Damit soll eine Verbindung geschaffen werden, die heutigen Erziehungs- und Bildungskonzepten besser entspricht als die bisher praktizierte strikte Trennung der Häuser.

Der Kindergarten ist ein unprätentiöses eingeschoßiges Gebäude mit einem asymmetrisch den rechteckigen Grundriss überspannenden Satteldach, das auch die den Räumen im Süden vorgelagerte Terrasse vor Witterung schützt. Auf den ersten Blick unterscheidet sich sein Auftritt also kaum von jenem der Einfamilienhäuser rundum. Doch anstelle schmucker Ziegel oder unverwüstlicher Platten bedeckt intensiv bepflanzter Humus den Kindergarten: So wird dieser mit dem nahenden Frühling zum grünen Hügel im reichlich ebenen Landschaftsraum. Auch die zweimal geknickte Dachfläche, die den Weg der Kinder von der Straße bis zum Haupteingang an der Westseite des Hauses beschirmt, ist ein augenzwinkerndes Indiz dafür, dass die scheinbare Harmlosigkeit der gewählten Form wohlüberlegt ist und – anders als üblich – mit der Ausformung der Innenräume korrespondiert. Tatsächlich reichen diese allesamt bis unter die Dachkonstruktion, die durch den Hof an der Nordseite und drei kleinere Einschnitte entlang der Südfassade strukturiert wird. Da sich die Organisation des Grundrisses mit dem Auf und Ab der Dachlandschaft präzise deckt, unterstreicht diese den jeweiligen Charakter der unterschiedlichen Nutzungsbereiche.

Über den Haupteingang an der Westseite des Hauses und den dahinterliegenden Windfang gelangt man in eine multifunktionale Halle. Linker Hand erschließt ein kurzer Gang das Büro der Leiterin, den Personalraum und die Küche. An ihrer Nordseite wird die Halle vom Atriumhof flankiert. Ihre südliche Kante wird von drei Gruppenräumen begrenzt, die jeweils über einen niedrigeren eingeschobenen Körper mit Garderobe und Nasszelle zugänglich sind.

Der den ganz Kleinen gewidmete Trakt des Hauses ist nach Osten orientiert: Ein breiter Gang im rechten Winkel zur Halle erschließt die drei Gruppenräume der Krabbelstube auf der einen und einen Bewegungsraum auf der anderen Seite. Alle Erschließungsflächen verfügen über mindestens eine großzügige Öffnung ins Freie. Auch die Gruppenräume sind über den Filter ihrer Terrassen mit dem Umfeld verbunden. Verschiebbare transluzente Sonnenschutzelemente an der Kante des Daches verhindern eine Überhitzung auf der Südseite und verleihen dem Außenraum Intimität.

Die Dachausschnitte über den niedrigeren Garderobenbereichen lassen Licht von oben einfallen, was der Orientierung zugute kommt. Auch im Inneren des Kindergartens hat das Büro Dornstädter Architekten die Einschnitte aus der großen Form zum Aufbau von Blickbeziehungen – etwa zwischen den Spielpodesten der Gruppenräume und der Halle – und zur Schaffung abwechslungsreicher Belichtungssituationen genutzt. Bei der Wahl der Materialien und Farben hingegen hat es sich weitgehend zurückgenommen: Der außen mit einer hell lasierten vertikalen Fichtenholzschalung mit großer Sorgfalt verkleidete massive Holzbau ist – unter beträchtlichem Planungsaufwand – an seiner Innenseite zur Gänze unbehandelt sichtbar geblieben und spricht mit seinen schönen Oberflächen auch Tast- und Geruchssinn an. Helle Holzböden in den Aufenthaltsräumen und schlichter geschliffener Estrich in den Erschließungsbereichen vervollständigen bereits eine Hülle, in der sich der Alltag in ungebremster Farbigkeit entfalten kann.

Spectrum, Sa., 2015.02.21

06. Februar 2015Romana Ring
Spectrum

Luft für die Mitte

Ein Wohn- und Geschäftshaus aus dem 16. Jahrhundert; dazu ein Revitalisierungskonzept, das zeigt, wie ein historischer Ortskern umsichtig an unsere Zeit angepasst werden kann. Und ein Einkaufszentrum, das trotz Glücksversprechen nicht zum langen Verweilen einlädt. Alles zu sehen in Ried im Innkreis.

Ein Wohn- und Geschäftshaus aus dem 16. Jahrhundert; dazu ein Revitalisierungskonzept, das zeigt, wie ein historischer Ortskern umsichtig an unsere Zeit angepasst werden kann. Und ein Einkaufszentrum, das trotz Glücksversprechen nicht zum langen Verweilen einlädt. Alles zu sehen in Ried im Innkreis.

Ried im Innkreis ist zu Recht stolz auf seine historische Innenstadt; und hat dennoch ein Problem mit seinen schmucken Bürgerhäusern, die, dicht gepackt, schmale Gassen säumen und malerische Plätze rahmen. Was den kulturbewegten Sinn erfreut, ist nach heutigen Vorstellungen von Komfort oder auch nur in der Erfüllung technischer Standards in hohem Grade mangelhaft. Ungenügender Lichteinfall, zu schmale Gänge, gefährlich steile Stiegen drücken Nutzungsqualität und Vermietbarkeit der Objekte bis zum Leerstand herab. Gleichzeitig schwebt über allen Städten, denen die Mobilität ihrer Bürger noch kein schlüssiges Konzept wert war, die Frage: wohin mit den Autos? Die Antwort darauf liegt gerade in Ried, dessen Kern auf Sumpfland errichtet und daher nur spärlich unterkellert wurde, nicht auf der Hand.

Herbert Schrattenecker, Architekt in Wien, ist der Region seiner Herkunft, dem Innviertel, mit ebenso unkonventionellen wie feinfühligen Bauten verbunden geblieben. Er entwickelte für eines der ältesten Gebäude von Ried, das seit 1598 urkundlich belegte Wohn- und Geschäftshaus Nimeth, ein Revitalisierungskonzept, in dem die Forderungen nach Funktionalität und Wirtschaftlichkeit eng mit Überlegungen zu Konstruktion, Raum, Licht, Stadtbild und den Ansprüchen des Denkmalschutzes verwoben sind. Das Objekt besteht aus zwei schmalen, am Hauptplatz gelegenen Häusern, die über einen gemeinsamen Innenhof belichtet wurden und mit ihren daran schließenden Hinterhäusern bis zur Kirchengasse reichten. Ab etwa 1900 wurde die Bausubstanz in mehreren Etappen zu einem geschlossenen, in seinem Inneren kaum noch belichteten oder belüfteten Volumen verdichtet, das zum Zeitpunkt des Kaufs durch seine heutige Eigentümerin leer stand. Nur die Geschäftsräume im Erdgeschoß waren vermietet: ein Umstand, auf den bei der Planung und während der Bauausführung naturgemäß Rücksicht genommen werden musste.

Heute fasst die Anlage neben dem Geschäftslokal mit seinen Nebenräumen zwölf Wohnungen mit Nutzflächen zwischen 60 und 180 Quadratmetern. Ihnen sind jeweils private Freiräume – Loggia, Garten oder Terrasse – und ein Garagenplatz zugeordnet. Herbert Schrattenecker hat dem Haus durch den Rückbau seines Volumens Luft verschafft. Die Obergeschoße gruppieren sich erneut u-förmig um einen Innenhof, während im Erdgeschoß das ursprüngliche Durchhaus an der westlichen Grundgrenze wieder vom Hauptplatz zur Kirchengasse führt. Ein historisches und ein neues, von einem Lift ergänztes Stiegenhaus erschließen von dieser Passage aus die offenen Laubengänge vor den Wohnungen. Da nahezu das gesamte Erdgeschoß und Teile des dem Hauptplatz zugewandten Traktes unter Denkmalschutz gestellt wurden, legte Herbert Schrattenecker die Garage in die Mitte des ersten Obergeschoßes; sie ist über eine Rampe von der Kirchengasse erreichbar.

Auch die historisierende, aus dem 20. Jahrhundert stammende Fassade zum Hauptplatz hin ist als Denkmal geschützt und musste erhalten werden. Sie bildet die ursprüngliche Zweiteilung der Bausubstanz ab, was im Bereich der Vorderhäuser mit ihrer erhaltenen einstigen Trennmauer durchaus den gebauten Tatsachen entspricht. Wesentlich spannender ist der Auftritt des Hauses zur Kirchengasse hin. Die Revitalisierung der Liegenschaft war nicht zuletzt konstruktiv eine große Herausforderung. Herbert Schrattenecker meisterte sie, indem er im Bereich der neuen Gebäudeteile ein Geflecht aus Balken und schlanken Stahlbetonrippen über die aus dem Bestand weitergeführten tragenden Mauern legte. Er bediente sich also einer leichten, robusten und im Grunde seit Jahrhunderten gebräuchlichen Technologie, die kleine Abweichungen in den Grundrissen gut kompensiert. Diese Struktur und mit ihr die Lage der Geschoße zeichnen sich durch helle horizontale Faschen an der Fassade ab.

Im Bereich der Garagenauffahrt und des Durchhauses an der westlichen Grundgrenzehält der Neubau bewusst Abstand zum Nachbarn und gibt über eine große Öffnung den Blick ins Innere des Hauses frei: Tageslicht fällt von oben in die historische Passage; neben der Rampe steigt das neue Stiegenhaus in die Höhe; und über dem Rhythmus der Decke ahnt man im Hintergrund das lichte Volumen des Innenhofes. Der Hof gibt dem Haus eine kommunikative Mitte, die von seinen Bewohnern auch für gemeinsame Aktivitäten genutzt wird. Mit seinen Laubengängen, Nischen, Balkons weckt er die Erinnerung an historische Beispiele, ohne sein Entstehungsdatum zu verschleiern. Die Wahl derMaterialien – weiß verputztes Ziegelmauerwerk, Naturstein und Holz für die Böden der Aufenthaltsräume – vermittelt ebensolche Gediegenheit wie die sorgfältig auf größtmögliche Schlankheit ausgelegten Details.

Die Bauherrschaft hat nicht gegeizt und legte die Ausführungsqualität auf Augenhöhe mit dem räumlichen Anspruch des Objektes an. Herbert Schrattenecker wiederum stellte dieser Großzügigkeit seinen nimmermüden Planungseinsatz zur Seite. Das Ausbilden feiner Putz-Hohlkehlen an den Rippendecken der Wohnungen, die Anordnung einer zweiten Türe zur Vermeidung eines unnötigen Weges, die diskrete Anpassung des denkmalgeschützten Stiegenhauses an geltende Sicherheitsstandards und das Öffnen kleiner, wirkungsvoller Tageslichtschneisen: Alle Maßnahmen sind von der Freude an den unerschöpflichen Möglichkeiten der Raumgestaltung getragen und von der Klugheit, sie mit Bedacht und Sparsamkeit einzusetzen.

Während das revitalisierte Stadthaus Nimeth als ein über die Stadtgrenzen von Ried hinaus vorbildhaftes Projekt zeigt, wie historische Ortskerne behutsam an die Bedürfnisse unserer Zeit angepasst werden könnten, ist etwa zeitgleich ein 22.000 Quadratmeter umfassender Komplex entstanden,der Bemühungen dieser Art lauthals spottet. Das neue, keine 500 Meter weit vom Hauptplatz entfernte Einkaufszentrum gibt sich nicht mit der euphemistischen Bezeichnung „Weberzeile“ zufrieden. Mit unverhohlenem Desinteresse hält es der Stadt auch noch ein paar die Kleinteiligkeit der Vergangenheit linkisch vortäuschende Fassadenstücke entgegen. Gleich daneben greift der Trichter seiner Glasfassade nach jenen Passanten, die der Unwirtlichkeit eines dem Auto zur Gänze preisgegebenen Straßenraumes trotzen. Das Wichtigste ist schließlich die Tiefgarage: 800 Plätze, für zwei Stunden gratis! „Alles, was glücklich macht“ lautete das Eröffnungsmotto im August. Ja dann.

Spectrum, Fr., 2015.02.06



verknüpfte Bauwerke
Stadthaus Nimeth (BHP '15)

24. Januar 2015Romana Ring
Spectrum

Schule zum Leben

In Pregarten im Mühlviertel wurde ein Schulkomplex von Karl und Bremhorst Architekten völlig neu gestaltet. Veränderbare Klassenzimmer, Gruppen- und Arbeitsräume umschließen einen „Marktplatz“. Das Highlight: ein Hallenbad.

In Pregarten im Mühlviertel wurde ein Schulkomplex von Karl und Bremhorst Architekten völlig neu gestaltet. Veränderbare Klassenzimmer, Gruppen- und Arbeitsräume umschließen einen „Marktplatz“. Das Highlight: ein Hallenbad.

Die Stadt Pregarten im unteren Mühlviertel hat ein neues Bildungszentrum. Mit Beginn des Schuljahres 2014/15 in Betrieb genommen, bietet es einer Polytechnischen Schule mitsamt ihren Werkstätten, einer Mittelschule, der Stadtbibliothek sowie der Volkshochschule Raum. Der von den Siegern eines internationalen Architekturwettbewerbs, den in Wien ansässigen Karl und Bremhorst Architekten, geplante Gebäudekomplex hat ein älteres Schulgebäude ersetzt; der Werkstätten- und der Turnsaaltrakt, welcher – eine Rarität! – ein Hallenbad einschließt, wurden als Bestand übernommen und sorgfältig erneuert in die Anlage einbezogen.

Nähert man sich dem Schulzentrum, das im Süden des Ortskernes fußläufig weniger als zehn Minuten vom Stadtplatz entfernt liegt, findet man sich im Alltag einer rasch gewachsenen ehemals ländlichen Gemeinde mit Autobahnanbindung in den Ballungsraum wieder: Eigenheime, kleinmaßstäblicher Geschoßwohnbau, das eine oder andere Gewerbeobjekt und ein Gehöft, das wohl schon bessere Zeiten gesehen hat, prägen das Umfeld. Karl und Bremhorst Architekten hat das Bildungszentrum mit einiger Behutsamkeit in diesen diffus anmutenden Stadtraum gesetzt.

Der Neubau ist in drei ineinander greifende zweigeschoßige Körper mit annähernd quadratischen Grundflächen gegliedert, die sich parallel zur Straße vom Bestand weg Richtung Norden aneinander reihen. Auch der Turnsaaltrakt wurde straßenseitig um ein Galeriegeschoß erhöht. So respektiert das Bildungszentrum den Maßstab der Nachbarschaft, allerdings ohne sich den hier gültigen Gestaltungsvorstellungen anzuschließen. Seine glatten weißen Körper mit ihren langen Fensterbändern und den korrespondierend eingeschnittenen Lufträumen vermeiden unschöne Sprünge und plumpe Details. Klarheit, Ruhe und Disziplin sind Begriffe, die man mit solcher Architektur verbindet.

Dieses in seinem Auftritt angelegte Versprechen löst das Bildungszentrum im Schulalltag mehrfach ein. Die Gliederung der Gebäude entspricht den unterschiedlichen Nutzungsbereichen der Anlage: Ihr Haupteingang liegt im mittleren der drei Neubauten, die den zur Straße offenen Eingangshof umschließen. Über einen gläsernen Windfang gelangt man in die von einem Atrium flankierte Aula. Dahinter liegen erdgeschoßig die Räume der Polytechnischen Schule, während der Baukörper rechts des Einganges zur Gänze der Mittelschule zugeordnet ist. Auf der linken Seite geht es zu den von beiden Einrichtungen genutzten Räumen wie der Lehrküche oder den Musik- und den Werkräumen. Die Stadt- und Schulbibliothek hat, über einen zweiten Eingang unabhängig vom Schulbetrieb erschlossen, ebenso in diesem Baukörper Platz gefunden wie die Schulküche und der daran grenzendemultifunktionale Essbereich. Dahinter geht es weiter zu den Turnsälen und zum Hallenbad, das an Vormittagen nur den Schülerinnen und Schülern für ihren Schwimmunterricht zur Verfügung steht. Der eingeschoßige Werkstättentrakt schließt die Reihe ab. Weiter im Süden sind noch die Gebäude, Becken und Grünanlagen des Freibades, der „Lagune“ von Pregarten, auf dem Grundstück verblieben.

Die deutliche Gliederung der Baumassen kommt nicht nur der Maßstäblichkeit des Bildungszentrums zugute, sondern erleichtert auch die Orientierung. Karl und Bremhorst Architekten hat überdies für eine hohe Variabilität der Räume gesorgt. Diese wird zunächst durch die Konstruktion gewährleistet: Der Skelettbau mit seinen schlanken, vorgefertigten Stahlbetonstützen und den weit gespannten Hohldielendecken konnte schnell und kostengünstig errichtet werden; er lässt spätere Änderungen der Raumaufteilung ohne großen Aufwand zu. Das ist insofern von Bedeutung, als die derzeitige Organisation der Grundrisse in überschaubaren Einheiten die räumliche Antwort auf ein neues, im Vorfeld des Architekturwettbewerbs von einem Expertenteam partizipativ entwickeltes pädagogisches Konzept ist.

Der enge Zusammenhang zwischen den Methoden des Lehrens und Lernens und dem dafür vorgesehenen Raum wurde für dieses Projekt also auch seitens der Schulbehörde in den Blick genommen. Die bisher die Raumprogramme des Schulbaues dominierende strikte Aufteilung in Klassenzimmer und Erschließungsflächen wurde zugunsten einer Gliederung aufgegeben, die dem Zusammenleben einer Gemeinschaft – zu der sich der oft weit in die Nachmittagsstunden dauernde Schulalltag ja längst entwickelt hat – besser gerecht wird: In ihren Grenzen veränderbare Klassenzimmer, Gruppenräume und Arbeitsräume für die Lehrenden umschließen eine „Marktplatz“ genannte Mitte, die von einem Innenhof ergänzt wird.

Diese Mitte dient als Arbeits-, Bewegungs- und Versammlungsraum und ermöglicht freies, mitunter klassenübergreifendes Unterrichten ebenso wie den Wechsel zwischen Lern- und Erholungsphasen. Die Gestaltung des Bildungszentrums bietet all diesen Szenarien einen ruhigen, heiteren Hintergrund. Eine diszipliniert klein gehaltene Palette an Oberflächen – weiße Wände, Naturstein- und Holzböden sowie Holzfenster – überlässt das Spiel mit Farben oder Formen den Nutzerinnen und Nutzern. Die Übergänge zwischen den Materialien sind ebenso sauber gelöst wie jene zwischen den Innen- und den Außenräumen. Das ist angesichts der Komplexität, die das in hohem Maß wärmegedämmte Gebäude den Wand- und Deckenaufbauten abverlangt, eine nicht zu unterschätzende Leistung.

Ein Gestaltungselement, mit dem Karl und Bremhorst Architekten die unterschiedlichen Charaktere der Räume unterstreicht, ist das Tageslicht. Während die Klassenzimmer und Arbeitsräume sich durchwegs nach außen orientieren, werden die Marktplätze vom warmen Licht der mit Holz ausgekleideten Höfe erfüllt und Binnenräume durch Reihen von Lichtkuppeln rhythmisch erhellt. Offenheit und Weitblick, aber auch Konzentration und Geborgenheit: Das Bildungszentrum Pregarten bietet seinen Nutzerinnen und Nutzern einen Arbeits- und Lebensraum, der vieles möglich macht. Als Pilotprojekt für ähnliche Bauaufgaben hat es den Nachweis erbracht, dass sich Schule ungeachtet ihrer medienwirksam behaupteten Versteinerung weiterentwickelt. Es gibt allerdings noch viel zu tun.

Spectrum, Sa., 2015.01.24



verknüpfte Bauwerke
Bildungszentrum Pregarten

26. Dezember 2014Romana Ring
Spectrum

Kulinarik, Kunst und Kirche

In der Osttiroler Gemeinde Kals verbindet sich Tradition mit Zeitgenössischem auf würdige Weise. Das Architektenteam Schneider & Lengauer hat ohne Berührungsängste ein neues Kulturzentrum an einen alten Gasthof angedockt.

In der Osttiroler Gemeinde Kals verbindet sich Tradition mit Zeitgenössischem auf würdige Weise. Das Architektenteam Schneider & Lengauer hat ohne Berührungsängste ein neues Kulturzentrum an einen alten Gasthof angedockt.

Verantwortung übernehmen – dieser Vorgang ist in der öffentlichen Wahrnehmung rar geworden. Dasüberrascht nicht, verbinden wir mit diesem Begriff heute doch eher Fehltritt und Schuld als Pflicht und Treue. Für qualitätsvolles Bauen allerdings ist Verantwortung im Sinne von Sorgfalt und Verlässlichkeit ebenso notwendig wie eine gehörige Portion an Mut und Zuversicht.

In der Osttiroler Gemeinde Kals am Großglockner trägt man diese Verantwortung seit 20 Jahren. Während andernorts gemeindeeigene Vorhaben zur Vermeidung jedweder Angreifbarkeit rasch an gewerbliche Bauträger weitergereicht werden, hat man in Kals die Aufgabe der Bauherrschaft auf sich genommen und die Gestaltungshoheit über die eigene Zukunft bewahrt.

Ein geladener, von der Tiroler Dorferneuerung begleiteter Architekturwettbewerb im Jahr 1995 stand am Anfang dieses Prozesses. Der früher dicht verbaute Ortskern von Kals war infolge einiger Gebäudeabbrüche zu einem unwirtlichen Autoabstellplatz verkommen. Man suchte Strategien zur Entwicklung einer neuen, lebendigen Ortsmitte. Die im oberösterreichischen Neumarkt im Mühlkreis ansässigen Architekten Peter Schneider und Erich Lengauer haben diesen Wettbewerb gewonnen und in jahrelanger Zusammenarbeit mit den Entscheidungsträgern des Ortes die Umsetzung seiner einzelnen Bauabschnitte begleitet. Seither sind im Zentrum von Kals der multifunktionale Service- und Informationsstandort Glocknerhaus und das Haus de Calce mit der Gemeindeverwaltung, der Feuerwehr, Bergrettung und Bergwacht entstanden; das spätgotische Widum wurde behutsam für diePfarre revitalisiert; zuletzt hat Schneider & Lengauer mit dem Kulturhaus Kals ein Objekt fertiggestellt, das dem Zusammenleben der Einheimischen wie der Verbesserung destouristischen Angebotes dient.

Die Neubauten bilden gemeinsam mit der Pfarrkirche und dem Widum einen Kern, der zeigt, wie ein Ort sein Gesicht mit der Zeit verändern kann, ohne seinen Charakter preiszugeben oder sich hinter leeren Floskeln vermeintlich traditionellen Bauens zu verschanzen. Die Themen – der Raum zwischen den Gebäuden, die ebene Fläche, die man den steilen Hängen abgewinnt oder der Blick in den Landschaftsraum – sind über die Jahrhunderte ebenso gleich geblieben wie die Frage nach dauerhaften Materialien und Technologien, die Standort und Standpunkt gleichermaßen repräsentieren.

Die Antworten, die Schneider & Lengauer darauf gibt, sind ebenso bestimmt wie ruhig im Tonfall; sie zeigen keine Berührungsängste vor historisch gewachsenen Bauformen und kommen dennoch unmissverständlich aus der Gegenwart; das Spektakel ist ihnen sichtlich kein Anliegen, wohl aber die äußerst konsequente und somit doch wieder außergewöhnliche Durcharbeitung der Entwurfsgedanken. Das zuletzt fertiggestellte Kulturhaus Kals ist ein besonders schönes Beispiel dafür. Als Bauplatz diente der Standort des alten, nun abgebrochenen Gemeindeamtes in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem ursprünglich aus den 1930er-Jahren stammenden Gasthof. Der lang gestreckte Körper des Kulturhauses ist an seiner nordwestlichen Flanke mit dem Bestand des Gasthofes verbunden. Von hier aus schiebt er sich hinaus in die enge Kurve, mit der die Kalser Landstraße ihren steilen Anstieg nach Norden bewältigt. Mit seiner südwestlichen Stirnseite stellt sich das Kulturhaus parallel zum Widum, das sich giebelständig am Scheitel der Kurve erhebt. Der massiv gemauerte und weiß verputzte, von einem hellen Steinsockel abgesetzte Körper des Neubaues mit einer einzigen, asymmetrisch gesetzten Öffnung in der Giebelwand kommt der lapidaren Funktionalität des historischen Gebäudes ebenso nahe wie seiner aus der Reduktion erwachsenden Würde. Gemeinsam bilden Alt- und Neubau ein Tor, hinter dem sich der Raum zu einem Platz mitmehreren Ebenen weitet, an dem die prominenten Gebäude des Ortes liegen.

Das Kulturhaus birgt mehrere Funktionenund wird daher von mehreren Eingängen auf unterschiedlichen Ebenen erschlossen. Den Weg in den Gasthof hat Schneider & Lengauer durch die Anordnung einer großzügigen Terrasse geebnet. Darunter liegt, vonder Straße her barrierefrei erreichbar, das Foyer des etwa 300 Personen fassenden Johann-Stüdl-Saales. Der Saal umfasst das gesamte oberirdische Volumen des nach Südwesten freigestellten Traktes und ist bis zum First mit Zirbenholz, im Sockelbereich der Wände mit bosnischem Travertin verkleidet. Dieser in seiner Farbigkeit mit dem Holz harmonierende Stein prägt auch das Foyer und die Erschließungszonen in den beiden allgemein zugänglichen Geschoßen des Kulturhauses. Während auf der unteren Ebene die Räume des Gemeindearztes mit ihrem alsSeniorentreff ausgestatteten Wartebereich liegen, schließt im Geschoß darüber ein dem Gasthof zugeordneter Raum an die Galerie des Johann-Stüdl-Saales.

Hier greifen eine schlichte, den Raum fassende Sitzbank, die Wandverkleidung aus Zirbenholz und der gemauerte Ofen vertraute Motive auf. Die unbeirrt geradlinige Behandlung der Details und Einzelheiten wie die unterschiedlich großen Fenster mit ihren abgeschrägten Leibungen schieben der Allgegenwart des Gastronomiekitsches, sei er nun nostalgisch oder zeitgeistig inspiriert, einen festen Riegel vor. So ist es Schneider & Lengauer hier wie in der gesamten Anlage gelungen, dem legitimen Bedürfnis der Nutzerinnen und Nutzer nach Gemütlichkeit ebenso gerecht zu werden wie dem eigenen Anspruch auf intellektuelle Redlichkeit und planerische Konsequenz. Möglich wurde dasdurch ihre Fähigkeit, in der Vielfalt heute zu Gebote stehender Technologien zu echter Gediegenheit zu finden – und durch dieWeitsicht ihrer Bauherren, die das als Wert erkannt und die entsprechenden Entscheidungen getroffen haben.

Spectrum, Fr., 2014.12.26



verknüpfte Bauwerke
Kulturhaus Kals

15. November 2014Romana Ring
Spectrum

Aus anderem Holz geschnitzt

Alljährlich vergeben, alljährlich jede Aufmerksamkeit wert: die Bauherrenpreise – Anmerkungen zum heurigen Jahrgang.

Alljährlich vergeben, alljährlich jede Aufmerksamkeit wert: die Bauherrenpreise – Anmerkungen zum heurigen Jahrgang.

Gestern war es so weit: Im Rahmen eines feierlichen Festaktes im Wiener Odeon wurden die Preisträgerinnen und Preisträger des Bauherrenpreises der Zentralvereinigung der Architektinnen und Architekten Österreichs – ZV – bekannt gegeben. Es wurden jene Menschen geehrt, deren Beitrag zum Gelingen beispielhafter Architektur aus guten Gründen in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden soll.

Der Bauherrenpreis der ZV ist ein prominenter Preis. Das liegt zunächst am hohen Qualitätsniveau, das die Ausschreibung fordert. Gesucht waren immerhin: „exzeptionelle Lösungen, die in intensiver Kooperation von Bauherren und Architekten realisiertwurden, die in architektonischer Gestalt und innovatorischem Charakter vorbildlich sind und darüber hinaus einen positiven Beitrag zur Verbesserung unseres Lebensumfeldes leisten“.

Um mit dem Auswahlverfahren nicht hinter die Ernsthaftigkeit des eigenen Anspruchs zurückzufallen, organisiert die ZV die Entscheidungsfindung in zwei Stufen: In jedem Bundesland besichtigte eine eigene Nominierungsjury die eingereichten Objekte – österreichweit heuer 110 an der Zahl – und nominierte maximal vier davon für den Bauherrenpreis. Die Hauptjury, bestehend aus der ZV-Präsidentin – der Architektin Marta Schreieck –, dem Architekturpublizisten Otto Kapfinger und dem Architekten Zvonko Turkali, machte sich dann auf ihre vier Tage währende Besichtigungsreise und wählte aus 27 vorgeschlagenen Objekten die sieben Preisträger des Jahres 2014 aus.

Die Architektenschaft treibt also einen erheblichen Aufwand, um Bauherren dafür zu ehren, ihre ureigenen Interessen gewahrt zu haben. Denn wem, als der Bauherrschaft selbst, ist denn zunächst gedient, wenn ein Projekt gut, ja vorbildlich gelingt? Das ist zweifellos richtig.

Dennoch ist der Rückzug vieler Entscheidungsträger auf die einfach berechenbaren Kennwerte eines Bauwerks in einer nahezu undurchschaubar komplex gewordenen Welt zumindest nachvollziehbar. Oder erklärt die Überfülle an technischen und kulturellen Möglichkeiten die Anspruchslosigkeit eines bestürzend großen Anteils heute agierender Auftraggeber? Solange ein Gebäude nicht einstürzt, seine Funktionen einigermaßen erfüllt und ungefähr das kostet, das man für seine Errichtung auszugeben bereit war, ist man zufrieden. Was erlaubt ist, das gefällt, und mit den Auswirkungen eines Projektes auf sein Umfeld setzt man sich nur auseinander, wenn man seitens einer Behörde dazu gezwungen wird.

Da sind die von der ZV ausgezeichneten Bauherren aus einem völlig anderen Holz geschnitzt: „Das Kennenlernen, die Wertschätzung, das gegenseitige Anhören und Zuhören und das uneingeschränkte Vertrauen bildeten die Grundlage für alle Entscheidungen.“ So schildert etwa Heinz Tesar die Zusammenarbeit mit den Halleiner Schwestern Franziskanerinnen, für die er den – nun ausgezeichneten – Neubau ihres Generalrats in Oberalm im Bundesland Salzburg geplant hat. Die Ordensfrauen haben die Wahl ihres Architekten mit Hilfe eines sorgfältig vorbereiteten Architekturwettbewerbes getroffen und dabei großes Augenmerk auf die umfassende Kommunikation ihrer Bedürfnisse gelegt.

Mit der Diözese Gurk ist eine zweite katholische Institution mit dem Preis der ZV ausgezeichnet worden. Die ebenfalls aus einem geladenen Architekturwettbewerb als Sieger hervorgegangenen Winkler + Ruck Architekten aus Klagenfurt haben den ehemaligen Probsthof in Gurk zur Schatzkammer umgedeutet. Der ausdrückliche Wunsch der Bauherrschaft, der Verwendung heimischer Baumaterialien wie dem Lärchenholz ebenso den Vorzug zu geben wie lokal ansässigen Handwerksbetrieben bei der Auftragsvergabe, zeigt ihr Verantwortungsbewusstsein für die wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung eines Projektes.

Diese einem Bauprojekt innewohnende Gestaltungsmacht hat sich die Gemeinde Ischgl, die heurige Preisträgerin in Tirol, zunutze gemacht. Die gesamte Dorfgemeinschaft hat den Bau des vom Innsbrucker Architekturbüro Parc geplanten Kulturzentrums mitgetragen und freut sich nun über einen Ort in ihrer Gemeinde, der weder dem Geschäft noch der Dienstleistung gewidmet ist.

Gemeinschaftssinn und Verantwortungsbewusstsein für das Umfeld prägen das Handeln des burgenländischen Preisträgers, Johannes Stimakovits. Heri&Salli aus Wien haben für ihn den Neubau seines Firmengebäudes in Steinberg-Dörfl geplant. Face of buildings ist zwar auf die Detailplanung von Stahl-Glas-Fassaden spezialisiert. Der neue Firmensitz ist dennoch ein konstruktiver Holzbau geworden, dessen prägnant gefaltete Hülle aus vorgefertigten Elementen hauseigene Entwicklungen wie Schiebefenster oder Beschattungsanlagen experimentell mit dem Baustoff Holz umsetzt. Viel eher als Lebenswelt denn als Arbeitsstätte konzipiert, ist der Bau nicht zuletzt das Ergebnis einer regen Beteiligung der Mitarbeiter an den Entscheidungsprozessen.

Ein Kollektiv als Bauherrschaft – der Werkraum Bregenzerwald –, das gleichzeitig die Ausführung des eigenen Gebäudes in jahrelangem Austausch mit dem für die Planung gewonnenen Architekten, Peter Zumthor, realisiert und sich dabei als Pionier ebenso bodenständiger wie experimentierfreudiger Handwerkskunst erweist: Das ist der heurige Preisträger des Bundeslandes Vorarlberg.

Auch das eine der beiden Wiener Preisträger-Projekte ist mit der Hilfe von Eigenleistungen seiner Nutzer umgesetzt worden: die von Gaupenraub +/– geplante Vinzirast – mittendrin in der Währinger Straße. Der Verein Vinzenzgemeinschaft Sankt Stephan, Cecily Corti und Doris Kerbler haben ein leer stehendes, von Hans Peter Haselsteiner gespendetes Biedermeierhaus in eine Wohn- und Arbeitsstätte für obdachlose Menschen und Studierende verwandelt. Das angeschlossene Lokal ohne Konsumzwang führt auch einer breiten Öffentlichkeit vor Augen, dass hohe Planungsqualität und angemessene Bescheidenheit gut harmonieren.

Die Auszeichnung der Gemeinnützigen Bau-, Wohn-, und Siedlungsgenossenschaft Neues Leben für den Pan-Wohnpark in der Wiener Ernst-Melchior-Gasse schließlich würdigt eine ganz ähnliche Haltung. Die drei von Werner Neuwirth (Wien), von Ballmoos Krucker Architekten (Zürich) und Sergison Bates architects (London) geplanten Häuser bieten ihren Bewohnern unter der Einhaltung der üblichen Kostenlimits eine räumliche Vielfalt, die Begriffen wie Individualität und Gemeinschaft gleichermaßen gerecht wird.

Die nominierten und preisgekrönten Objekte des ZV-Bauherrenpreises 2014 werden in einer Sonderausgabe des Architekturmagazins „architektur.aktuell“ und im Rahmen einer Ausstellung (ab 17.November zunächstim Wiener Ringturm) der Öffentlichkeit vorgestellt.

Spectrum, Sa., 2014.11.15



verknüpfte Auszeichnungen
ZV-Bauherrenpreis 2014

04. Oktober 2014Romana Ring
Spectrum

Wohnen in der Schule?

Bauen Sie schon oder diskutieren Sie noch? Im neuen Kultur- und Schulzentrum Feldkirchen an der Donau schaffen Freiluftklassen und Wintergärten ein heiteres Flair für lustvolles Lernen und Arbeiten.

Bauen Sie schon oder diskutieren Sie noch? Im neuen Kultur- und Schulzentrum Feldkirchen an der Donau schaffen Freiluftklassen und Wintergärten ein heiteres Flair für lustvolles Lernen und Arbeiten.

In Feldkirchen an der Donau ist kürzlich eine Geschichte zu Ende gegangen, die 2005 mit einem EU-offenen zweistufigen Architekturwettbewerb begonnen hat. Das Wiener Büro von Fasch & Fuchs hat diesen Wettbewerb für die Planung eines Schul- und Kulturzentrums gewonnen und in zwei Bauphasen realisiert. Insbesondere mit dem gestern feierlich eröffneten Schulgebäude ist ein Objekt entstanden, das der seit Langem schwelenden Debatte um Schule und Bildung in unserem Land so manche Spitze nehmen könnte: indem es lustvolles Lernen und Arbeiten räumlich sichtbar macht.

Die erste Bauphase galt der Erneuerung eines bestehenden Turnsaaltraktes, dem Probelokal der örtlichen Musikkapelle sowie dem Neubau einer Musikschule, die nun gemeinsam das Kulturzentrum bilden. Dieses liegt an einem großzügigen, durch das Verschwenken der Schulstraße nach Norden entstandenen Vorplatz, der allmählich bis zum Haupteingang im Obergeschoss des Kulturzentrums ansteigt. Die Musikschule hat, durch zwei begrünte Atriumhöfe auch in ihrer Mitte belichtet, unter diesem künstlichen Hügel Platz gefunden. Sie bildet gemeinsam mit dem auf der Eingangsebene gelegenen Musikheim und den im Süden anschließenden Turn- respektive Mehrzwecksälen eine vielfältig nutzbare Anlage, die den Ort Feldkirchen selbst ebenso bereichert wie die beiden in der zweiten Bauphase entstandenen Schulen.

Auch hier ist das Thema eines großen Ganzen, das dem Kleinen, individuell gestaltbaren, Raum zur Entfaltung bietet, als leitendes Motiv umgesetzt. Fasch & Fuchs haben die aus einem gut erhaltenen Bestand hervorgegangene Mittelschule und den Neubau der Volksschule in einem Haus zusammengefasst. Dieses folgt mit zwei Vorsprüngen, die aus der Geometrie der ehemaligen Hauptschule abgeleitet sind, etwa dem Verlauf der nach Norden verschwenkten Schulstraße. Der neu errichtete Trakt der Volksschule verfügt somit ebenfalls über einen großzügigen, von Bäumen beschatteten Vorplatz, der die Schulen mit einem angemessen repräsentativen, einladend wirkenden Außenraum im Gefüge des Ortes verankert.

Der Haupteingang der beiden Schulen liegt im Neubau. Durch den als Schmutzschleuse funktionierenden Windfang gelangt man nicht mehr, wie früher, in eine unwirtliche Zentralgarderobe. Vielmehr öffnet sich unmittelbar beim Eintritt eine luftige Halle über alle drei Geschosse und weiter durch ihr gläsernes Dach nach oben. Sie lädt mit einer in den ersten Stock ansteigenden Flucht von Sitzstufen ein, sich zunächst einmal niederzusetzen und vielleicht den Text zu entziffern, den der Künstler Hermann Staudinger in metallisch schimmernden Buchstaben auf die Brüstungen um den Luftraum geschrieben hat. Die Halle verbindet die beiden Schulen sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung. An ihren Rändern haben gemeinschaftlich nutzbare Zonen wie der Essbereich, die Schulbibliothek oder Räume für die Nachmittagsbetreuung Platz gefunden.

Der nach dem Abriss der desolaten Volksschule notwendig gewordene Neubau erstreckt sich westlich von Haupteingang und Halle. Im Erdgeschoß sind übergeordnete Nutzungen wie das Büro der Direktorin, der Aufenthaltsraum für das Personal, Werkräume und die Schulküche – im Schulzentrum Feldkirchen wird täglich frisch gekocht – untergebracht. Die beiden Obergeschosse sind den Klassenzimmern gewidmet, wobei diese Bezeichnung, am Gewohnten gemessen, hier nicht zutrifft. Vielmehr wird ein annähernd quadratischer Bereich an seinen Ecken von gläsern abgetrennten Räumen belegt, in denen die Schülerinnen und Schüler jeweils zweier Klassen zweier Jahrgänge ihre persönlichen Sachen, Sessel und Tische vorfinden.

Auch die Arbeitsplätze der Lehrenden, mit interaktiven Whiteboards auf der Höhe der Zeit ausgestattet, befinden sich in diesen Räumen. Dazwischen liegen wiederum gemeinschaftlich genutzte Zonen mit Teeküche, veränderbaren Schiebekästen und mobilen Sitzelementen. Ein eigener Arbeitsraum für die Lehrenden und die notwendigen Sanitär- und Nebenräume vervollständigen ein Raumangebot, das viel eher an eine große Wohnung als an eine Schule denken lässt. Eine Wohnung allerdings, wie sie wohl nicht jeder kennt: Das außen von einer feinen horizontalen Schalung umfangene Gebäude zeigt im Inneren ohne Scheu den Sichtbeton. Die Räume sind hell grundiert; kräftige Farbakzente erleichtern die Orientierung. Weiße Lamellen aus Dämmstoff hauchen einen zarten Rhythmus an die Decken, durch den kreisrunde Beleuchtungskörper und Lichtkuppeln fliegen.

Die heitere Stimmung im Haus ist nicht zuletzt dem starken Bezug zum Freiraum zu verdanken, den Fasch & Fuchs mit allen zu Gebote stehenden Mitteln hergestellt haben. In beide Längsseiten des Neubaues sind Loggien eingeschnitten, die mit Glaswänden zu Wintergärten verschlossen werden können. Breite beschattete Balkone über dem Haupteingang und zum Garten hin sowie geräumige, als Freiluftklassen nutzbare Loggien an der Stirnseite der Volksschule laden zum Aufenthalt im Freien ein. Die hier angeordnete Stiege erfüllt, wie ihr Pendant am gegenüberliegenden Ende des Schulzentrums nicht bloß ihre Funktion als Fluchtweg, sondern stellt auch eine gern genutzte Verbindung in den Garten dar.

Der östlich an die große Aula anschließende Trakt der ehemaligen, zur Mittelschule erhobenen Hauptschule wurde im Zuge der Bauarbeiten thermisch saniert. Seine von einem zentralen Stiegenhaus mit flankierendem Luftraum geprägte Grundstruktur blieb bestehen. Die vorgefundene Einteilung in Klassenräume wurde ebenfalls beibehalten, diese jedoch mit Glaselementen in ihren Eingangsbereichen stärker an die Erschließungszone angebunden. Denn das Schaffen neuer Wege und Beziehungen ist hier nicht nur im Großen, sondern auch in der Form vieler kleiner, mit erheblicher Detailgenauigkeit gestalteter Situationen präsent.

Es scheint, als hätten Fasch & Fuchs Erich Kästners Ansprache zum Schulbeginn – sie ist es, die die Brüstungen der Aula ziert – sehr ernst genommen. Das Kultur- und Schulzentrum Feldkirchen ist ein Haus ohne „abgesägte überflüssige“ Stufen, in dem man nach Herzenslust „treppauf und treppab“ gehen kann, wie in einem gelungenen Leben.

Spectrum, Sa., 2014.10.04



verknüpfte Bauwerke
Schul- und Kulturzentrum Feldkirchen an der Donau

23. August 2014Romana Ring
Spectrum

Dialog von Alt und Neu

Und aus Ruinen hebt sich die Vergangenheit... Unmittelbares Nebeneinander von repräsentativer Geste und Verfall: Aus der Burg Reichenstein im Mühlviertel wurde nun das Burgenmuseum Reichenstein.

Und aus Ruinen hebt sich die Vergangenheit... Unmittelbares Nebeneinander von repräsentativer Geste und Verfall: Aus der Burg Reichenstein im Mühlviertel wurde nun das Burgenmuseum Reichenstein.

Es sind drei Gemeinden: Tragwein, Pregarten und Gutau, die sich das Gebiet der kleinen Ortschaft Reichenstein im oberösterreichischen Mühlviertel teilen. Das Selbstverständnis Reichensteins bezieht sich seit dem frühen Mittelalter auf die Burg, die der Ortschaft ihren Namen gibt. Sie erhebt sich – zum Teil Ruine, zum Teil bewohnt – über dem bewaldeten Felsen, den die mäandrierende Waldaist hier in einer großen Schlinge fasst. Ihre wie überdimensionierte Zinnen in den Himmel ragenden Mauerreste mit leeren, wiewohl von intakten Steingewänden gefassten Öffnungen auf der einen Seite des Burghügels und der von einem Zeltdach bekrönte Turm auf der anderen prägen das Ortsbild seit je. Die letzte große Veränderung Reichensteins ist weitgehend unsichtbar geblieben. Wir haben es nicht mehr mit der Ruine, sondern mit dem Oberösterreichischen Burgenmuseum Reichenstein zu tun, das im Laufe einer langjährigen Projektierungs- und einer infolge sorgfältiger archäologischer Erhebungen ebenfalls ausgedehnten Bauphase entstanden ist. Eine aus den Architekten Christian Hackl, Norbert Haderer, Herbert Pointner und Harald Weiß gebildete Projektgemeinschaft hat in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt einen Zubau entwickelt, der die Anlage durch neue Räume zum Museum ergänzt, ohne ihr über Jahrzehnte vertraut gewordenes Erscheinungsbild stark zu verändern.

Die erste urkundliche Erwähnung einer befestigten Anlage auf dem Gipfel des Felsens datiert aus dem Jahr 1230. Ein einfacher Wehrturm wurde bald durch ein lang gestrecktes Wohnhaus, ein Wirtschaftsgebäude und eine vorgelagerte Ringmauer ergänzt. Zu Beginn des vierzehnten Jahrhunderts entschloss man sich zum weitgehenden Abbruch und errichtete eine neue, wesentlich größere Burg, die jedoch in ihrer Kompaktheit nach wie vor die beengten Platzverhältnisse auf dem Felssporn widerspiegelte. Aus dieser Epoche stammt die heute noch intakte Burgkapelle. Dem großzügigen Ausbau der Burg zu einem Renaissance-Schloss ab dem späten 16. Jahrhundert war weniger Glück beschieden: Der Initiator der Umgestaltung, Ritter Christoph Haym, wurde kurzerhand vom Anführer seiner ob der hohen Steuern zur Finanzierung des ehrgeizigen Projektes erbosten Bauern ermordet; und obwohl bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts der Wandel von der Wehranlage zum repräsentativen Adelssitz dann doch vollzogen war, mussten die Neubauten an der Südwestseite des Burghügels – wohl dem unsicheren Baugrund geschuldet – bald wieder abgebrochen werden.

Mit dem Wegfall einer Nutzung begann der Verfall der Anlage. Die gezielte Entfernung der Decken und Dächer im frühen 19. Jahrhundert besiegelte den Niedergang zur Ruine. Die Schlosskapelle jedoch wurde weiter als Pfarrkirche genutzt, das unmittelbar anschließende „Aiststöckl“ als Schulgebäude und der ehemalige Torbau mit seinem markanten Turm als Wohnung des Pfarrers. So sind die Gebäude in bemerkenswert gutem Zustand erhalten geblieben. Im Jahr 1988 formierte sich ein Verein zur Sanierung der erst 1948 unter Denkmalschutz gestellten Ruine. Man errichtete – historisierend – einenTreppenturm und rang der alten Hauptburg mit Hilfe von Betonkonstruktionen wieder einige gedeckte Räume ab.

Die Aufgabe, ein Museum in dieses heterogene und zum damaligen Zeitpunkt keineswegs vollständig erforschte Gebilde zu fügen, beantwortete die Projektgemeinschaft Hackl/Haderer/Pointner/Weiß mit mehreren Entwürfen. Doch erst der Vorschlag, das Volumen des gesamten Neubaues im Hügel zu versenken, fand die Zustimmung des Bundesdenkmalamtes. Eine Probebohrung zur Prüfung des Baugrundes war auf keine nennenswerten Einbauten gestoßen. Umso größer war die Überraschung, als bei weiterführenden Grabungsarbeiten ebenso massive wie gut erhaltene Mauern, Bögen und Gewölbe zum Vorschein kamen. Diese galt es nun für immer abzubrechen oder in den Neubau zu integrieren, wozu man sich – eine vollständige Neuplanung in Kauf nehmend – entschied.

Die Raumfiguration wurde den historischen Bauteilen angepasst, diese wurden so weit wie möglich auch in tragender Funktion eingesetzt. Das Museum findet in einer Halle Platz, deren flaches Dach im Einklang mit dem Bestand von Ost nach West abfällt und die Fläche des Burghofes nahezu verdoppelt. Ihr ist im Süden eine Terrasse vorgelagert, deren Parapet von einer der alten Burgmauern gebildet wird. Die Südfassade des Museums mit dem Haupteingang und jener Teil der östlichen Stirnseite, der aus dem Gelände ragt, werden von einer unregelmäßig vertikal geteilten Lärchenholzfassade gebildet, in der vereinzelte Glasschlitze den Blick in die Landschaft freigeben. An der Ostseite der Halle führt eine Gitterstiege aus rostfarben beschichtetem Stahl – kostengünstiger als echter Rost! – auf das Niveau des Burghofes, der an seinem westlichen Ende auch über eine auf begrünten Stützmauern ruhende Rampe erreichbar ist. Die tragende Stahlbetonkonstruktion des Neubaues ist dunkelgrau gestrichen; dunkel ist auch der hölzerne Boden, der durch feuchtigkeitsdurchlässige Kiesstreifen von den vorgefundenen Mauerteilen getrennt bleibt; dunkel die eingebauten Stahlteile wie die Treppe, die den kleinen Einschub eines Obergeschoßes an der hohen Ostseite des Museums erschließt und weiter hinauf zum Burghof führt.

Die historischen Bauteile hingegen werden mit Ausstellungsstücken aus der Sammlung des Museums mit Licht in Szene gesetzt. Damit wird die doppelte Bedeutung der Einrichtung unterstrichen: In Reichenstein hat man nicht nur Gelegenheit, sich anhand der jeweiligen Ausstellung über gesichertes Wissen zu informieren. Die hier praktisch unverändert erhaltenen Fundstücke laden nach wie vor zu ihrer Erforschung ein. So ist etwa die ursprüngliche Nutzung eines sechseckigen Steinbeckens mit darunter liegendem, auffallend niedrigem Gewölbe – sind es Teile eines mittelalterlichen Badehauses, einer dekorativen Brunnengrotte? – noch nicht restlos geklärt.

Reichenstein hat als Ort für kulturelle Veranstaltungen eine lange Tradition, die neue Impulse aus dem Museumsbau erhält. Das unmittelbare Nebeneinander von repräsentativer Geste und Verfall und die enge Verbindung von Architektur und Landschaftsraum schaffen, jetzt noch deutlicher um den Dialog von Alt und Neu bereichert, eine Atmosphäre, der man sich nicht leicht entziehen kann.

Spectrum, Sa., 2014.08.23

12. Juli 2014Romana Ring
Spectrum

Ein Nachlass als Vorbild?

Eine Aussichtsplattform mit Weitblick und ein revitalisierter Heustadel, beides in der Unesco-Welterberegion Hallstatt/Salzkammergut: Und was bedeutet „Weltkulturerbe“ eigentlich? Eine Annäherung.

Eine Aussichtsplattform mit Weitblick und ein revitalisierter Heustadel, beides in der Unesco-Welterberegion Hallstatt/Salzkammergut: Und was bedeutet „Weltkulturerbe“ eigentlich? Eine Annäherung.

Weltkulturerbe: In diesem Begriff schwingt vieles mit. Was den einen als wirksamer Schutzmechanismus wertvollen Kulturguts erscheint, dient den anderen als schlagkräftiges Instrument zur Ankurbelung des Fremdenverkehrs, während wieder andere den Blick vor allem auf die Einschränkungen richten, die so eine der ganzen Welt vermachte Erbschaft mit sich bringt. Bautätigkeit im Weltkulturerbe bedarf jedenfalls einer positiven Stellungnahme seitens der Unesco. Zwei Objekte am Hallstättersee zeigen, wie unterschiedlich man die Frage nach dem angemessenen Bauen auf weltkulturgeweihtem Boden beantworten kann.

Steigen wir zunächst auf den Salzberg – wir können auch die Seilbahn nehmen; denn die Aussichtsplattform, die der Linzer Ingenieur Erhard Kargel im Bereich des Einganges zum historischen Salzbergwerk für die Salzwelten GmbH Hallstatt geplant hat, ist vom Seeufer kaum sichtbar: ein schlanker Flügel aus Stahl, der sich, mit einer im Flugzeugbau häufig eingesetzten Farbe beschichtet, nur zart vor dem Himmel abzeichnet. Der Eindruck, dass wir es hier mit einem Minimum an Bauwerk bei gleichzeitig maximalem Ausdruck seiner Funktion zu tun haben, verfestigt sich, sobald wir die Plattform aus der Nähe sehen. In der Verlängerung einer vorgefundenen Stützmauer über dem Grundriss eines schlanken Dreiecks entwickelt, lehnt sie sich, verblüffend fragil anmutend, weit in den Abgrund hinaus. Ein Hohlkasten aus Stahlblech, an der Bergseite durch das Gegengewicht einer Betonplatte gehalten, wird im Querschnitt wie im Grundriss zur Spitze hin immer schlanker. Ein feines Netz aus Edelstahl zeichnet die Kontur der Plattform nach. Leicht nach innen geneigt, vermittelt es Besuchern Sicherheit, ohne das Panorama zu verstellen. So treten wir hinaus, um den „Weltkulturerbeblick“ zu genießen. Dabei tut es gut zu wissen, dass die Verjüngung der Tragkonstruktion nach vorne ebenso der Stabilität dient wie die Dreiecksform des Grundrisses: An der Spitze hat nur ein Mensch Platz, während weiter hinten, dem Auflager zu, mehrere stehen können.

So schauen wir also hinunter auf Hallstatt und den von abrupt aufragenden Bergen umschlossenen See. Gegenüber, an seinem östlichen Ufer, liegt, von einer bewaldeten Halbinsel verdeckt, eine Hütte. Ursprünglich als Heustadel errichtet, wird sie seit Jahrzehnten nicht mehr als solcher, doch nach wie vor im Zusammenhang mit der Bewirtschaftung des umliegenden Grundstückes genutzt. Ihre längst überfällige Revitalisierung war selbst für das in ähnlichen Aufgaben höchst erfahrene Architekturbüro Luger & Maul aus Wels keine leichte Aufgabe: Die Organe der Unesco konnten sich mit keinerlei Änderung des von außen wahrnehmbaren Erscheinungsbildes der Hütte anfreunden. Denn dieses ist Bestandteil des Weltkulturerbes. So befindet sich nun hier, auf dem Gemeindegebiet von Obertraun, der wohl am aufwendigsten revitalisierte Heustadel der Welt. Mögen die Nutzungsanforderungen auch bescheiden sein: Ein trockener Boden, intakte Wände und eine stabile Dachkonstruktion sind als Voraussetzungen heute nicht mehr verhandelbar. So haben Luger & Maul sich nach genauer Vermessung des Bestandes daran gemacht, diese unter Wahrung des ursprünglichen architektonischen Ausdrucks zu schaffen. Die vier brüchig gewordenen Steinpfeiler an den Ecken der Hütte wurden fachgerecht restauriert und innen mit einer verputzten Vorsatzschale aus Glasschaum gedämmt; der Boden der Hütte wurde abgegraben, gedichtet und gedämmt wieder aufgebaut; die Wände zwischen den Steinpfeilern wurden als gedämmte Holzkonstruktion mit einer vertikalen Schalung aus Lärchenholz ergänzt; und die drei Fenster in ihrer vorgefundenen Größe wurden ebenfalls aus Lärchenholz erneuert.

Über das Innere der nun mit Holzschindeln gedeckten und bis zu den geschnitzten Zierbrettern an den Ortgängen dem „Original“ entsprechenden Hütte wurde seitens der Unesco nicht befunden. Es ist – Erhard Kargels Aussichtsplattform nicht unähnlich – dem Gedanken der Reduktion auf das Wesentliche verpflichtet. Ein Tisch, eine Bank, eine Kochstelle, ein Schlafplatz sowie ein WC und eine Dusche haben auf etwa 35 Quadratmeter bebauter Fläche Platz gefunden. Der Raum wirkt dennoch hell und großzügig. Die Sorgfalt, mit der Luger & Maul ihn gestaltet haben, übersteigt die ursprünglichen Ansprüche der Anlage bei Weitem, ohne den Rahmen des Ortes zu sprengen. Im Gegenteil: Hier – wie auch in der sachte verfeinerten Ausformung der Hülle – werden alte Traditionen nicht bloß oberflächlich nachgeäfft, sondern tatsächlich aufgegriffen und weiterentwickelt. Jedes Detail des in möglichst ungestörter Geometrie vollkommen mit geölter Weißtanne ausgekleideten Raumes trägt ebenso zur Funktionalität bei wie zur Vervollkommnung des Gesamteindrucks. Der von den Fenstern schlicht gerahmte Blick in die Landschaft gehört nun als ganz wesentliches Element dazu.

Was wir heute am Hallstättersee als Weltkulturerbe bewahren wollen, ist in Gebäuden und Anlagen festgeschriebener Alltag von Bergbauern und Bergleuten. Was wir in Form malerischer Ausblicke genießen, brachte für sie in hohem Maß Mühsal und Bedrohung mit sich. Den Zeugnissen ihrer längst versunkenen Welt mit Respekt zu begegnen bedeutet auch, sich am Vorbild ihrer Klugheit, ihres Erfindungsreichtums und nicht zuletzt ihres ästhetischen Anspruchs zu orientieren. Erhard Kargel hat mit seiner Aussichtsplattform gezeigt, wie man ein Bauwerk ganz ohne Leihgaben aus dem Formenvokabular vergangener Zeiten harmonisch in die alpine Landschaft fügt; Luger & Maul haben mit der von ihnen revitalisierten Hütte eine nicht minder schwierige Aufgabe gemeistert: das scheinbar Historische ohne Abgleiten in den Zynismus zu gestalten.

Auf dem Rückweg nach Hallstatt zweigen wir noch kurz von der Hauptstraße Richtung Seeufer ab. Hier befindet sich seit Kurzem das im „authentischen Baustil des Salzkammergutes“ errichtete „Resort Obertraun“. Gut und gerne 30 „Chalets“ genannte Doppelhäuser hat hier jemand ohne jede Ambition zur Bildung nutzbarer Außenräume in bautechnisch nicht nachvollziehbarer Mischung aus verputzten und mit Holz verkleideten Fassaden auf die Wiese geworfen. Auch so kann man Weltkulturerbe interpretieren. Für die Unesco jedenfalls scheint das kein Problem zu sein.

Spectrum, Sa., 2014.07.12

17. Mai 2014Romana Ring
Spectrum

Spare in der Not?

Neue Wirtschaftlichkeit oder Armseligkeitsgebot? Anmerkungen zum sozialen Wohnbau – und zu einem aktuellen Vorschriftenkatalog aus Oberösterreich.

Neue Wirtschaftlichkeit oder Armseligkeitsgebot? Anmerkungen zum sozialen Wohnbau – und zu einem aktuellen Vorschriftenkatalog aus Oberösterreich.

Wem würde es heute noch einfallen, an der Wahrheit des branchenübergreifend allgegenwärtigen Satzes: „Wirhaben kein Geld“ zu zweifeln? Und wie sollte ein Mangel, der vom beständigen Anziehen der Abgabenschraube über Sparmaßnahmen im Bildungswesen bis zum Zurückfahren der Entwicklungshilfe offenbar so vieles begründet, vor dem geförderten Wohnungsbau haltmachen?

Wer wollte es also Manfred Haimbuchner, dem oberösterreichischen Landesrat für Wohnbau, Naturschutz und Sparkassenaufsicht verdenken, wenn sein Ressort einen Standardausstattungskatalog gebiert, dessen Umsetzung in den grundlegenden Funktionen des Wohngebäudes zu gravierenden Einsparungen führen kann, ohne die Qualität des Wohnens selbst negativ zu beeinflussen?

Lesen wir doch das Papier – die Ausschnitte sind kursiv geschrieben –, während wir uns einen Wohnbau der letzten Jahre anschauen. Etwa die 2012 fertiggestellte Anlage der GWG an der stark befahrenen Linzer Humboldtstraße. Das in Linz ansässige Büro R2 Architekten hat die beiden einander gegenüberliegenden Häuser geplant. Sie fassen neben 28 Mietwohnungen eine Kinderbetreuungseinrichtung und eine Tiefgarage. Beide Häuser haben sechs oberirdische Geschoße. Das ist gut, denn es sind grundsätzlich mindestens drei oberirdische Geschoße ohne Dachgeschoß, also EG + 1.OG +2.OG + allfälliges Dachgeschoß zu errichten. Ob das Zurücksetzen der Dachgeschoße in Zukunft gestattet wäre? Kann doch der Ausnahmefall, im Randbereich des Grundstückes an eine vorhandene, niedrigere Bebauunganzugrenzen, hier nicht bemüht werden. Die zweigeschoßige Nische, mit der das Haus Humboldtstraße 3a und 5 dem Kindergarten eine witterungsgeschützte Haltebucht einräumt, ist dann mit Sicherheit nicht mehr genehmigungsfähig. Große Vor- und Rücksprünge in der Fassade sind zu vermeiden.

Auch der seichte Glaserker im ersten Obergeschoß, aus dem die Kinder Ausschau in den Straßenraum halten können: verboten. Glasflächen, für deren Reinigung technische Hilfsmittel wie Hebebühnen, Steiger und dgl. erforderlich sind, dürfen nicht ausgeführt werden. Zudem liegt der Verdacht nahe, dass Teile des Glases bedruckt oder gar emailliert sind; ein Luxus, den die neuen Richtlinien unterbinden werden. Aber wozu sich mit Kleinigkeiten am Rande aufhalten? Die Fassaden beider Häuser sind mit metallisch schimmernden Platten belegt. Mit dieser robusten und relativ leicht zu säubernden Hülle gelingt zwar das Kunststück, dem bislang von Sexshops und Wettspelunken geprägten Straßenzug ein Stück seiner ursprünglichen Gediegenheit zurückzugeben. Doch was zählt schon die beharrliche schrittweise Reparatur innerstädtischer Problemquartiere! Vorgehängte Außenwandverkleidungen mit Blech, Keramik usw. dürfen nicht ausgeführt werden. Fassadenbegrünungen– an den Hofseiten gesichtet! – dürfen nur in Ausnahmefällen (Vorgabe der Baubehörde) ausgeführt werden.

Immerhin haben die R2 Architektenselbst im Licht der neuen Standards einiges richtig gemacht: Einfache, funktionale Grundrisse sind zu planen; auf die Verwendung von Standardmöbeln ist zu achten. Auf ein einfaches statisches Konzept in wirtschaftlicher Hinsicht ist zu achten. Eine Teilunterkellerung ist anzustreben. Die hierum fünf Zentimeter überschrittene Ausführung der Raumhöhen von 250 cm ist in anderenBundesländern üblich undsollte nicht das große Problem sein. Aber: Passivhausqualität?! Dämmstärken nur in jenem Ausmaß, wie dies zur Erreichung des vorgegebenen Mindestenergiestandards notwendig ist. Gingen wir in diesem Sinn weiter durch die Häuser, die in aller Bescheidenheit ihren Bewohnern Raum, Licht und Luft einräumen, wir fänden mit Sicherheit noch zahlreiche weitere Verstöße gegen das neue oberösterreichische Armseligkeitsgebot, das – selten wirkt das Wort so drohend – offen ist: allfällige Ergänzungen bzw. Änderungen werden bei Bedarf vorgenommen.

Und wir haben uns noch nicht mit Wege zur Wirtschaftlichkeit II befasst! Hier wird nun endlich in Zahlen gegossen, woran sich Generationen von Architektinnen und Architekten scheinbar erfolglos abgemüht haben. Der wahre soziale Wohnungsbau lässt sich nämlich, jawohl, berechnen! Aus dem Verhältnis von Flächen – den nutzbaren und den allgemeinen, den Dachflächen, Fensterflächen, Fassadenflächen und so weiter – zueinander; in steter Rückkoppelung mit der Anzahl der Wohneinheiten. Für die Zuordnung zu einer Größenklasse gilt die Anzahl der baubewilligten Wohnungen unabhängig von der zuerrichtenden Anzahl von Baukörpern. Viel Freude beim Entwerfen! Schon möglich, dass solche Rahmenbedingungen zu kreativen Höhenflügen inspirieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass der soziale Wohnungsbau nun endgültig den kulturell weniger zimperlichen Bauträgern mitsamt ihren Planern überlassen werden wird, ist allerdings größer; und der Verdacht, dass der Anstrengung nicht einmal aus wirtschaftlicher Sicht Erfolg beschieden sein wird, leider mehr als berechtigt. Keller und Tiefgarage: kein Wand- und Deckenanstrich.

Glaubt wirklich jemand, mit Repressalien dieser Art das Ruder der Kostenentwicklung herumzureißen, sodass Wohnen leistbar bleibt? Ist schon jemand auf die Idee gekommen, sich dem Thema ein wenig umfassender und womöglich unter Einbeziehung der Expertinnen und Experten, der verantwortungsbewussten Bauträger und der Architektenschaft nämlich, zu widmen? Sieht jemand den Zusammenhang zwischen der Qualität innerstädtischen Wohnungsbaues und dem auch ökonomisch längst nicht mehrverkraftbaren Anwachsen der Speckgürtel? Wie wäre es, die verfügbaren Fördermittel gezielt gegensteuernd einzusetzen?

Denn für mich steht hier der Mensch im Mittelpunkt. Ist das Quartier, das den Einkommensschwächsten täglich ihre Armut vor Augen stellt, nicht eher ein Pulverfass als ein Mittelpunkt? Niemand, der auch nur im Entferntesten die Wahl hat, wird freiwillig in die auf unbewehrten, unverputzten Teilkellern mit Schwindrissen ruhenden und in jeder Hinsicht auf das Geringste heruntergerechneten kompakten Baukörper ziehen. Die mäßige Bepflanzung der Restflächen und die Außenbeleuchtung: Minimalausführung werden daran nichts ändern. Wir sind hier die Avantgarde des österreichischen Wohnbaus. Um einen solchen Anspruch stellen zu können, Herr Landesrat, mussman mehr leisten, als auf den Stapel bereits geltender Normen ein weiteres Regelwerk zu legen, in dem vor allem eines zum Ausdruck kommt: das tiefe Missverständnis, Baukultur mit Luxus gleichzusetzen. Die Frage, wie man Steuermittel klug und zur Mehrung des Allgemeinwohls einsetzen kann, ist auch im sozialen Wohnungsbau höchst komplex. Doch wer auf Weiterwursteln setzt, riskiert, dass demnächst jemand unter lautem Hallo verdammt einfache Antworten gibt.

Spectrum, Sa., 2014.05.17

22. Februar 2014Romana Ring
Spectrum

Neigung statt Not

Hoher Anspruch für Normalverbraucher: Auch geförderte Wohnbauten profitieren von gelungener Architektur. Nahe dem Stadtgeschehen, aber dennoch Privatsphäre – neu in Wels.

Hoher Anspruch für Normalverbraucher: Auch geförderte Wohnbauten profitieren von gelungener Architektur. Nahe dem Stadtgeschehen, aber dennoch Privatsphäre – neu in Wels.

Braucht sozialer Wohnungsbaudenn die Architektur? Ist doch von der allgemeinen Ausstattung einer Anlage über die Mindestgrößen der Räume bis zu den bauphysikalischen Kennwerten der Bauelemente ohnedies alles von den jeweiligen Wohnbauförderungsstellen vorgeschrieben.

Manche Bundesländer machen durch die Vorlage der Projekte in Gestaltungsbeiräten sogar die Einhaltung ästhetischer Mindeststandards zur Bedingung für die Vergabe von Förderungsmitteln. Was könnte da noch schiefgehen? Oder anders gesagt: Wie viel Innovationsspielraum bleibt denn da selbst für engagierte Architekturbüros? Hertl Architekten aus Steyr haben für die Linzer Wohnungsgesellschaft EBS in Wels ein Wohngebäude geplant, das sich allen Vorgaben der Branche inklusive dem allgegenwärtigen ökonomischen Druck beugt und dennoch ein erfrischend eigenständiges Bild bietet.

Das Haus erhebt sich viergeschoßig an der Kreuzung der Anton-Bruckner- mit der Wallererstraße. Die Gegend ist von Wohnbauten kleinen und mittleren Maßstabes und durch die Konzentration mehrerer Schulen geprägt; nicht weit entfernt, im Norden, liegt das Welser Krankenhaus; die historische Innenstadt im Süden, jenseits der Bahntrasse, ist selbst zu Fuß in ungefähr 20 Minuten erreichbar; ein angenehmes Wohnumfeld also, das die Entscheidung, hier geförderte Eigentumswohnungen zu errichten, plausibel macht.

Der Bauplatz selbst ist nicht groß. Das über einem rechteckigen, parallel zur Anton-Bruckner-Straße ausgerichteten Grundriss entwickelte Gebäude füllt ihn, unter Einhaltung der Abstandsbestimmungen, fast zur Gänze aus. Ein Eckhaus mit geringen Distanzen zu den Nachbarn verlangt nach genau jenem kompakten Körper, den die Sparsamkeit in Errichtung und Betrieb des Hauses längst geboten hat. Hertl Architekten haben daher das gesamte Raumprogramm, auch die privaten Freiräume, mit einer rundum gleichen Hülle gefasst.

So gewinnt das Haus Volumen, Eindeutigkeit und eine heiter gestimmte Imposanz. Die mit leichter Hand über die Fassaden verstreuten Öffnungen unterschiedlicher Größe signalisieren Eigenständigkeit bei gleichzeitiger Akzeptanz der auch hierorts den Ton angebenden gedämmten und verputzten Außenwand. Erst auf den zweiten Blick sieht man, wie groß der Spielraum ist, den das scheinbar absichtslose Muster den Architekten in seiner Ausarbeitung gelassen hat: Die Öffnungen sind in Größe und Lage sorgfältig auf die Himmelsrichtungen und die Anforderungen der hinter den Fassaden liegenden Räume abgestimmt.

Der Haupteingang in das Haus liegt an der annähernd von Ost nach West verlaufenden Anton-Bruckner-Straße. Eine kleine Loggia wird von einem Fahrradabstellraum, dem Müllraum und dem Stiegenhaus flankiert. Die Eingangsebene ist weitgehend den Gemeinschaftsräumen, darunter einer dem Kinderspielplatz benachbarten Waschküche, vorbehalten. Nur an der Südwestecke haben Hertl Architekten eine Wohnung mit einem kleinen eigenen Garten angeordnet.

Der Erschließungskern liegt in der Mitte der Nordfassade. Die zweiläufig um einen Aufzug geführte Stiege ist natürlich belichtet. Sie erschließt jeweils vier Wohnungen im ersten und im zweiten sowie drei Wohnungen im dritten Obergeschoß. Daraus ergibt sich eine im Vergleich zur Größe des Objektes erhebliche Vielfalt an Wohnungstypen, die eines gemeinsam haben: eine eigene, nach Süden orientierte Loggia, die dank der durchgehenden Lochfassade echte Privatheit bietet. Die kleineren Wohnungen liegen alle an der Südseite des Hauses, die größeren schauen nach jeweils drei Himmelsrichtungen, was an sich schon eine im Wohnbau selten gewordene Qualität darstellt.

Die Grundrisse sind, wie das Haus selbst, äußerst kompakt, alltagstauglich und tatsächlich barrierefrei konzipiert. Hier fehlt kein Raum, weder für die Schuhe und Mäntel noch für das Bügelbrett oder den Staubsauger; Hertl Architekten haben aber auch keinen Kubikzentimeter vergeudet. Doch vermitteln gerade die geräumigen Wohnküchen im unmittelbaren Zusammenhang zu den Loggien den Nutzerinnen und Nutzern ein Gefühl der Großzügigkeit, das gut zur gediegenen Ausstattung des Objektes passt. Helle Holzböden, unauffällige Keramikoberflächen in den Nassräumen und Fenster aus Kunststoff gehören mittlerweile zwar ebenso zum Kanon des geförderten Wohnungsbaues wie die unvermeidliche Tiefgarage; doch eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, Fußbodenheizung und eine Solaranlage zur Unterstützung von Heizung und Warmwasseraufbereitung heben den gebotenen Komfort doch deutlich über den Durchschnitt.

So ist also zu hoffen, dass die eine oder andere Familie ihre Kinder hier nicht der Not, sondern der Neigung gehorchend großziehen wird: Dieses Haus bietet seinen Bewohnerinnen und Bewohnern jedenfalls eine faire Chance, die aus der Dichte der Stadt erwachsenden Vorteile zu genießen, ohne den legitimen Wunsch nach angemessener Privatheit hintanstellen zu müssen.

Wohnbauten dieser Art sind von großem Wert, will man versuchen, die verheerenden Folgen der umfassenden Zersiedelung Österreichs einzudämmen. Es fällt wohl sehr schwer, den vielen Menschen, die sich das Heil vom eigenen Heim im Grünen erhoffen, zu sagen: Träume, was du willst, aber nicht (mehr) auf Kosten der Allgemeinheit. Zu groß ist nicht zuletzt der Leidensdruck, den städtebaulich fragwürdige und in ihrer Ausgestaltung unbrauchbare Wohnbauten ausüben.

Die immer enger werdenden Budgets haben die Situation nicht verbessert: Es finden sich inzwischen namhafte Architekturbüros, die Wettbewerbsbeiträge mit Schlafzimmern ohne Fenster abliefern. Aus dieser Doppelmühle fehlgeleiteter Fördergeldströme auf der einen Seite und sich selbst gebärenden Mangels auf der anderen könnte man sich vielleicht mit einem beherzten Schlag befreien; oder durch das beharrliche Setzen vieler kluger Züge, wie das Wohnhaus der Hertl Architekten für die Linzer EBS einer ist.

Sie sehen: Architektur macht den Unterschied. Gerade in Situationen, die angeblich ohne Alternative sind.

Spectrum, Sa., 2014.02.22



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Wohnbau Anton-Bruckner-Straße

30. November 2013Romana Ring
Spectrum

Gutes Gedeihen

Welche Räume für den Nachwuchs geeignet sind, weiß man inzwischen. Wie man diese erlangt, ist dagegen noch nicht ganz gesichert – doch gibt es bereits positive Versuche. Ein Besuch in Linz.

Welche Räume für den Nachwuchs geeignet sind, weiß man inzwischen. Wie man diese erlangt, ist dagegen noch nicht ganz gesichert – doch gibt es bereits positive Versuche. Ein Besuch in Linz.

Was erwarten wir von der Institution Schule? Wo und von wem sollen Kinder und Jugendliche betreut und erzogen werden, wenn ihre Eltern dafür keine Zeit haben? Das Dienstrecht der Lehrer - ob alt oder neu - wird diese Fragen nicht beantworten. Doch Schulerhalter und Gemeinden reagieren auf die unleugbar vorhandenen Bedürfnisse der Bevölkerung und nehmen mit der Bereitstellung angemessener Räume die Antworten teilweise vorweg. So hat die Stadt Linz mit Schulbeginn 2013 ihr Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen um fast 500 Plätze erhöht. Ein Besuch im Schülerhort Spaunstraße zeigt, wie hoch die Stadt respektive ihre ILG genannte Immobiliengesellschaft den Wert räumlicher Qualität im Umgang mit einem gesellschaftlich sensiblen Thema ansetzt.

Geplant haben den Neubau des Schülerhortes Grabner/Konrad Architektinnen, ein junges, in Linz ansässiges Team, das die ILG mit seinem Erweiterungsbau des Bundesrealgymnasiums Linz Hamerlingstraße auf sich aufmerksam gemacht hat. Den Gewinnerinnen eines seitens der Bundesimmobiliengesellschaft ausgeschriebenen Architekturwettbewerbes ist es gelungen, den zusätzlichen Raumbedarf in einer bereits weitläufigen Anlage zu decken und diese gleichzeitig klarer und übersichtlicher zu gestalten.

Das Schulgebäude zeigt dem Stadtraum nun eine neue, die unterschiedlichen Bauetappen ruhig fassende Fassade. Die großzügige, von einer Glasfuge erhellte Loggia vor dem Haupteingang findet in einer von störenden Einbauten befreiten Halle ihre Fortsetzung, die den Blick in einen überraschend weiten Grünraum freigibt. Dieser wird von neuen, in das Gelände eingesenkten Baukörpern gegliedert, in denen die Schulbibliothek, Musikräume sowie ein teilbarer Mehrzwecksaal untergebracht sind. Von eingeschnittenen Atrien erhellt, bereichern diese Räume den Schulkomplex mit ihrer kontemplativ gestimmten Heiterkeit.

Neben der Sanierung und Erweiterung eines Gymnasiums für mehr als 850 Schülerinnen und Schüler nimmt sich der Neubau eines Hortes mit sechs Gruppenräumen klein und einfach aus. Umso mehr Detailgenauigkeit haben Grabner/Konrad in die Planung fließen lassen. Der Schülerhort liegt in einem „Neue Welt“ genannten Stadtteil von Linz, der von kleinmaßstäblichen Wohnhäusern und ihren Gärten geprägt ist. Ein wenig von der namengebenden Spaunstraße abgerückt, gibt das Gebäude einen Teil seines Bauplatzes dem öffentlichen Raum zurück und lässt Platz für eine fußläufige Verbindung zu Sportplätzen in der Nähe.

Die gewählte Grundrissform eines nicht ganz regelmäßigen Ypsilons gliedert sowohl den Außen- als auch den Innenraum und stellt die Wahrung des Maßstabes sicher: Die drei Stirnseiten des Schülerhorts entsprechen in ihren Proportionen jenen der Wohnhäuser, allerdings ohne sich ihrer Architektursprache zu bedienen. Das zweigeschoßige, als konstruktiver Holzbau errichtete Gebäude ist mit einer Schalung aus vertikalen Lärchenholzlatten verkleidet, aus der weiße glatte Aluminiumrahmen unterschiedlich tiefe Außenräume schneiden.

Einer dieser Rahmen markiert den Haupteingang an der Nordwestecke des Gebäudes, der über eine gedeckte Vorzone und einen gläsernen Windfang in die Erschließungszone des Schülerhortes führt. Diese weitet sich, eine Kurve nach Südwesten beschreibend, nach innen auf und dient den Kindern als zusätzlicher Bewegungsraum. Die einläufige Treppe an der straßenseitigen Fassade führt unmittelbar vom Eingang in das Obergeschoß. Auf beiden Ebenen öffnet sich das breite Ende der Erschließungszone gläsern zum Garten. Hier nehmen die Kinder mittags das Essen ein, das in der Küche im Erdgeschoß gewärmt wird. Der deutliche Bezug zum Außenraum ist ein wichtiges Motiv der Raumgestaltung: Alle Gruppenräume, die beiden Bewegungsräume und auch der Aufenthaltsraum der Betreuerinnen haben einen Ausgang entweder auf eine der Loggien oder in den Garten. Dank der Ausblicke und der klaren Organisation der Grundrisse orientiert man sich leicht in diesem Haus. Die konsequent ab einer Höhe von 1,40 Metern verglast ausgeführten Trennwände der Räume tragen zur Wahrung der Zusammenhänge bei, ohne die nicht minder wichtige Komponente der Geborgenheit preiszugeben.

Geborgenheit und helle, aufgeräumte Übersichtlichkeit geben die Grundstimmung des Gebäudes wieder, in dem Volksschulkinder jene Stunden verbringen, in denen weder Schule noch Elternhaus für sie zuständig ist. Mit entsprechend großer Sorgfalt sind Grabner/Konrad auf die Bedürfnisse der Kinder und ihrer Erzieherinnen eingegangen. Den Großteil der zur Ordnung eines Alltags zwischen Spielen, Lernen und Üben, zwischen Ruhe und Aktivität notwendigen Stauräume haben sie in Wandeinbauten integriert. Darin finden aber auch mit farbigem Filz ausgekleidete Rückzugsnischen Platz und Laden, die erst beim Herausziehen ihren Inhalt mit zarter Farbigkeit unterstreichen.

Weiß gemalte Decken und Wände und helles Holz - die tragende Mittelwand aus Brettsperrholz ist unverkleidet geblieben - bilden einen freundlich wirkenden, unaufdringlichen Hintergrund. Nur die WC-Anlagen sind in kräftigere Farben - Blau für die Buben, Grün für die Mädchen - getaucht. Kreisrunde, ebenflächig in die Akustikdecken integrierte Leuchten korrespondieren mit runden Lichtkuppeln und Glasausschnitten in der Decke zwischen Erd- und Obergeschoß. Netze dienen als Absturzsicherung im Bereich der Stiege und der Loggien. An dünnen Stahlseilen, durch Ausnehmungen im Boden der Loggien gefädelt, haben sich einige Schlingpflanzen schon vom Garten bis in den ersten Stock hinaufgearbeitet.
Es ist leicht möglich, dass es noch Jahre dauert, bevor sich die Wünsche unserer Gesellschaft in der Organisation des Schulwesens abbilden. Welche Räume dem Gedeihen unseres Nachwuchses förderlich sind, ist jedoch hinlänglich bekannt. Die von Architektinnen und Architekten für aufgeschlossene Auftraggeber erarbeiteten Beispiele räumlicher Qualität flächendeckend und organisationsübergreifend als Standard durchzusetzen könnte die schon lange schwelenden Konflikte zur Zukunft des Bildungswesens deutlich entspannen. Und den Betroffenen - Kindern, Lehrenden und Erziehenden - wäre damit sehr geholfen.

Spectrum, Sa., 2013.11.30



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Schülerhort Spaunstraße Linz

19. Oktober 2013Romana Ring
Spectrum

Bekannt in neuem Gewand

Entstehen Traditionen aus Nachahmung? Die Weiterentwicklung ursprünglicher Bauaufgaben bringt eine neue Bodenständigkeit hervor. Gefunden auf einem Bauernhof im Hausruckviertel.

Entstehen Traditionen aus Nachahmung? Die Weiterentwicklung ursprünglicher Bauaufgaben bringt eine neue Bodenständigkeit hervor. Gefunden auf einem Bauernhof im Hausruckviertel.

Kaum einer Bevölkerungsgruppe wird so viel Beharrungsvermögen zugeschrieben wie dem Bauernstand. Kaum ein Gebäudetypus ruft so verlässlich Bilder von dicken Mauern, mächtigen Dächern und massiven Holzquerschnitten in unserer Vorstellung wach wie der Bauernhof. Das in Wels ansässige Architekturbüro Luger & Maul beschäftigt sich seit Beginn seiner Tätigkeit vor bald 25 Jahren immer wieder mit der Weiterentwicklung traditionsgebundener Bauaufgaben. Das Anwesen, das sie für eine Landwirtsfamilie im oberösterreichischen Hausruckviertel geplant haben, zeigt, wie weit diese Entwicklung bereits gediehen ist.

Luger & Maul haben das Gehöft im Grünland, jedoch am Rand des Siedlungsgebietes der Gemeinde Finklham in das hügelige Gelände gefügt. Eine Zufahrt zweigt von der Straße ab und führt ein kurzes Stück den nach Westen abfallenden Hang hinauf zu einem weiten ebenen Platz, den eine Sichtbetonwand mit großen Radien aus dem Gelände schneidet. Aus etwa der Mitte dieses Platzes erhebt sich, mit der östlichen Stirnwand an den Hang gerückt, das eine Kernstück des Hofes: die Maschinen- und Manipulationshalle. Ihr über eine Grundfläche von gut 300 Quadratmetern und eine Höhe von mehr als zwei Geschoßen aufgespanntes Volumen wird an den Schmalseiten von zwei Sichtbetonscheiben begrenzt. Die Längswände aus Holz ruhen auf einem betonierten Sockel und werden von je zwei einander gegenüberliegenden Holztoren durchbrochen. Ein Vordach ist auf beiden Seiten knappoberhalb der Toröffnungen über die gesamte Länge der Fassade gespannt. Es ist wie das Dach der Halle aus Holz konstruiert. Die Halle ist zum Teil unterkellert.

Neben ihr liegt, durch einen niedrigen Garagentrakt verbunden, das vergleichsweise fragil anmutende Wohnhaus. Es erhebt sich zweigeschoßig im rechten Winkel zur Halle über einem lang gezogen rechteckigen Grundriss und gewinnt durch seine Lage an der Böschungskante zur Straße hin einiges an Imposanz. Auch im Wohntrakt haben Luger & Maul zwei Bauweisen kombiniert: Seine der Halle im Norden zugewandte Längswand ist als massive, nur von zwei Öffnungen durchbrochene Mauerscheibe ausgebildet, die als schmales U den Rücken des Hauses umfängt. Davor, im Süden, erhebt sich ein konstruktiver Holzbau. Der Eingang in das Haus befindet sich im eingeschoßigen Verbindungstrakt, der die Eingangszonen mit tiefen Vordächern beschirmt. So betritt man wahlweise das Büro des Betriebes oder den Wohnbereich der Familie. Das südliche Dach deckt einen Sitzplatz im Freien, der den Essplatz nächst der Küche erweitert.

Das umfassende Einbeziehen des Außenraumes in die Architektur ist ein Schlüsselthema der Anlage. Der Geste, mit der die Stützwand dem Hang auf der einen Seite ebene Fläche abgewinnt, antwortet auf der anderen Seite die rhythmische Abfolge raumhoher, von auskragenden Dächern beschatteter Glaselemente, die den Wohnräumen das ringsum sich ausbreitende Hügelland zu Füßen legen. Der Grundriss des Wohnhauses ist auf beiden Ebenen in einer nach Süden orientierten Zimmerflucht organisiert, die von der massiv ummantelten Zone im Norden erschlossen wird. Eine einläufige, parallel zur Längskante verlaufende Stiege verbindet die beiden Geschoße. Im Erdgeschoß haben Wohn- und Wirtschaftsräume Platz gefunden, wobei das Wohnzimmer an der Südwestecke des Hauses mit der davor ausgeweiteten Terrasse eine prominente Stellung einnimmt. Ihm entspricht im Obergeschoß ein großes Schlafzimmer mit eigenem Bad und Schrankraum. Doch auch die anderen Schlafzimmer bieten mit ihren Ausgängen auf den gedeckten Balkon höchste räumliche Qualität.

Das kulturelle Niveau der Anlage erschöpft sich allerdings nicht im Bereitstellen einer schönen Aussicht. Die kluge, in ihrer Intention vor allem alltagstaugliche Führung der Wege durch die Anlage etwa beruht auf einer sorgfältigen Planung der Lichtverhältnisse und Ausblicke. Der große Glasausschnitt, mit dem sich die Maschinenhalle auf der Höhe ihrer Vordächer zum Landschaftsraum öffnet, zeigt ein ähnliches Motiv wie der Blick durch die gesamte Länge des Wohnhauses, den eine Folge gläserner, orthogonal an die Fensterwand schließender Türen frei gibt. Das zart detaillierte Aufeinandertreffen von massiver Wand und Holzkonstruktion bezeugt wie die sorgfältig gestalteten Übergänge zwischen den Materialien der Innenräume das große handwerkliche Verständnis und den hohen Durcharbeitungsgrad der Planung. Es sind also die Verbindung vorausschauend durchdachterFunktionsabläufe, ihre Übersetzung in geeignete Technologien und nicht zuletzt das unbedingte Bekenntnis zu Ordnung und Form, die den Hof als Vorbild qualitätsvollen zeitgenössischen Bauens für die Landwirtschaft zeigen.

In diesem Zusammenspiel des Vernünftigen und Schönen liegen die gemeinsamen Wurzeln des neuen und des traditionellen Bauens. Wirtschaftlich erfolgreiche Landwirte heute haben Mitarbeiter, kein Gesinde. Ihre Geräte werden von Verbrennungsmotoren bewegt, nicht von Pferden. Der Misthaufen in der Mitte des Hofes hat sich erübrigt. Gültig geblieben sind Fragen nach dem Verantwortungsbewusstsein der Bauernschaft; nach einem Bekenntnis zu Qualität und Nachhaltigkeit auf vielerlei Ebenen, auch auf jener der Baukultur. Luger & Maul haben mit Rücksicht auf den Siedlungs- und Landschaftsraum, mit feinem Gespür für die Ausdruckskraft der Materialien und aus einem reichen Erfahrungsschatz zu Wechselwirkung von Funktionalität und ästhetischem Anspruch schöpfend gehandelt. Ihre Auftraggeber wiederum haben zum Gelingen des Vorhabens mehr als dessen bloße Finanzierung beigetragen. Entstehen Traditionen aus Nachahmung? Zuweilen hat diese Vorstellung etwas Ermutigendes an sich.

Spectrum, Sa., 2013.10.19

21. September 2013Romana Ring
Spectrum

Auf dem Boden geblieben

Kunst am Industriestandort. Vom privaten Sammeln zum öffentlichen Vermitteln von Kunst: das Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels.

Kunst am Industriestandort. Vom privaten Sammeln zum öffentlichen Vermitteln von Kunst: das Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels.

Mehr als 4000 Quadratmeter Nutzfläche auf höchstem gestalterischen und technischen Niveau, aus privaten Mitteln finanziert: Das am vergangenen Wochenende eröffnete Museum Angerlehner in Thalheim bei Wels überragt zweifellos den Horizont alltäglichen Baugeschehens, nicht nur in Oberösterreich. Dass es dennoch fest in seinem Umfeld verankert ist, hat womöglich mit der unleugbaren Aura von Bodenständigkeit zu tun, die den Hausherrn Heinz J. Angerlehner umgibt; oder mit der Tatsache, dass just das im nahen Grieskirchen ansässige Büro Wolf Architektur den unter 16 namhaften Architekturbüros ausgeschriebenen und voneinem prominent besetzten Preisgericht jurierten Wettbewerb zur Planung des Museums gewonnen hat; viel enger aber bindet die Geschichte der Anlage selbst, von Wolf Architektur scheinbar mühelos und ohne Abstriche vom ästhetischen Anspruch oder der Funktionalität erzählt, diese an den Ort und seine Menschen.

Das Museum ist aus den Betriebsgebäuden der international im Anlagenbau tätigen FMT hervorgegangen, deren Gründer, Heinz J. Angerlehner, ein bedeutender Sammler zeitgenössischer Kunst ist. Der Umzug des Betriebes an einen anderen Standort im nahen Wels eröffnete die Möglichkeit,die Anlage zum Museum umzudeuten und so den Schritt vom privaten Sammeln zum öffentlichen Vermitteln von Kunst zu tun. Einige Grundzüge des Bestandes, seine Lage an der Ascheterstraße, der Haupterschließungsstraße Thalheims etwa, oder die aus dem großen Maßstab erwachsende, vom geräumigen Vorfeld zur Straße unterstrichene Prägnanz des Gebäudes haben es leicht gemacht, in die neue Rolle hineinzuwachsen. Einer der ersten Schritte auf dem Weg vom Industrieobjekt zum Kulturbau lag in der Begradigung des Baukörpers, der nun alle Museumsnutzungen unter Ausnahme der Administration aufnimmt. Diese ist in einem unverändert belassenen Bürogebäude untergebracht, das durch einen niedrigen Trakt mit dem Haupthaus in Verbindung steht. – Wolf Architektur hat von dem ursprünglichen, den betrieblichen Anforderungen gehorchend heterogenen Komplex der Fertigungshallen hier ein wenig abgebrochen, dort ein wenig hinzugefügt und mit überraschend sparsamen Eingriffen einen geometrisch leicht lesbaren Körper geschaffen, der dem Straßenverlauf im Norden eine breite, glatte Front zeigt. Zum bewaldeten Bachufer im Süden hin nimmt die Fassade einen mehrfach gekanteten Verlauf und ermöglicht hier die gezielte Öffnung eines im Grunde introvertierten Hauses zum Naturraum.

Der neue Körper wird von einer Hülle aus schwarzen Metallkassetten umfangen, die mit ihrem feinem, aus den unterschiedlichen Glanzgraden der Oberflächen geschaffenen Muster den Wandel vom Industrie- zum Kulturobjekt auf subtile Weise anschaulich macht. Aus den Werkshallen ist eine im Wechsel des Lichtes und der Bewegung schimmernde schwarze Schatulle geworden, die Wolf Architektur weiß ausgekleidet hat. Diesem ebenso einfachen wie einprägsamen Konzept folgend, ist der Haupteingang des Museums als weiß gefasste Öffnung aus der östlichen Ecke der Straßenseite geschnitten.

Gleich beim Betreten des mit Absicht niedrig gehaltenen Foyers fällt der Blick, die gesamte Tiefe des Gebäudes querend, durch eine Glaskonstruktion über eine gedeckte Terrasse wieder ins Freie, zum Grünraum am Wasser. Knapp davor öffnet sich der Raum nach oben. Aus einem glasgedeckten Einschnitt im Dach fällt Licht durch den über beide Geschoße des Museums reichenden Luftraum in das Foyer. Eine gläserne Wand im ersten Stock stellt die Sichtverbindung zum Seminarraum her, der über eine eigene Treppe aus dem Foyer zugänglich ist. Er kann, wie der für museumspädagogische Zwecke eingerichtete Raum darunter und das Foyer selbst, ohne technischen oder personellen Aufwand unabhängig vom Museumsbetrieb genutzt werden.

Ein zweiter, nicht minder wichtiger Einblick öffnet sich beim Eintritt linker Hand: durch eine Glaswand sehen Besucher in ein Herzstück des Museums, das Schaudepot. Hier verwahrt der Hausherr in ausziehbaren Registern seine Schätze. Das Depot wird von der Anlieferung an der nordwestlichen Ecke der Anlage mit einem angeschlossenen Raum zur Dokumentation und Restaurierung der Kunstwerke beschickt. Das eingeschoßig angelegte Depot wird nur durch eine Glaswand von einem Veranstaltungsbereich getrennt, in dem die gesamte Höhe des Baukörpers erfahrbar wird. Eine Treppe und ein Aufzug führen, von einer weißen Wandscheibe flankiert, in das Obergeschoß. Eine Brücke quert die haustechnisch für alle Veranstaltungseventualitäten gerüstete Halle und erschließt zwei intime, über dem Schaudepot angelegte Ausstellungsräume. Neben dem als Filter zur Außenwelt gedachten Veranstaltungsbereich liegt die großeAusstellungshalle des Museums.

Dieser 60 Meter lange und 20 Meter breite Raum reicht ebenfalls bis unter das Dach. Zwei von einer Galerie an der Längsseite erschlossene Brücken im Obergeschoß schaffen Platz für Sonderausstellungen und gliedern die Ausstellungsflächen, deren Zuschnitt durch mobile Trennwände verändert werden kann. Ein aus dem Bestand erhaltener Hallenkran erinnert wie die schwarzgestrichenen Trapezbleche der original belassenen Dachuntersicht und die hinter den weißen Vorsatzschalen sichtbaren Außenwände an die Vergangenheit. Wo früher Lichtkuppeln im Dach der Halle angeordnet waren, sind die Öffnungen nun mit speziell für museale Anforderungen entwickelten Verglasungen versehen.

In der Mitte der nordwestlichen Stirnseite der Ausstellungshalle hat Wolf Architektur eine Öffnung in der Außenwand zum großen Panoramafenster umgedeutet, das mit seinem weißen Rahmen die schwarze Hülle durchdringt. Das mit einem Parapet in Sitzbankhöhe ausgeführte Fenster gibt den Blick zum Aiterbach frei. Diesen quert nun ein Steg, der das Museumsareal mit dem Zentrum der Stadt Wels verbindet. Der in Linz ansässige Konstrukteur Erhard Kargel hat Brücke und Steg als Ensemble entwickelt, in dem jeder Teil der Vorstellung minimalen Materialeinsatzes zur Schaffung größtmöglicher Eleganz folgt. Auch das ist ein Weg, jene Idee des Zusammenwirkens von Kunst und Technik anschaulich zu machen, die im Bau des Museums Angerlehner verkörpert ist.

Spectrum, Sa., 2013.09.21



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Museum Angerlehner

03. August 2013Romana Ring
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Ein Loft auf dem Lande

Erst Wohnhaus mit Schießstätte und Ausschank, dann Motel, schließlich Nahversorgermarkt: die kuriose Karriere eines Gebäudes, das nun Platz für sieben Wohnungen bietet. In Schwanenstadt, Oberösterreich.

Erst Wohnhaus mit Schießstätte und Ausschank, dann Motel, schließlich Nahversorgermarkt: die kuriose Karriere eines Gebäudes, das nun Platz für sieben Wohnungen bietet. In Schwanenstadt, Oberösterreich.

Wohnen im ländlichen Raum: Das ist für die einen der Traum vom Eigenheim imGrünen, für die anderen die häufig als weniger traumhaft empfundene Mietwohnung im Genossenschaftswohnblock. Dazwischen hat der Wohnungsbau abseits der großen Zentren nicht allzu viel zu bieten. Ein kleines, von der in Wien und Schwanenstadt ansässigen Architektin Marie-Theres Süßner geplantes Objekt in Schwanenstadt ist in diesem Zusammenhang eine erfrischende Ausnahme. Es zeigt, dass ungewöhnliche Konzepte des Wohnens nicht der Großstadt bedürfen, um warmen Anklang zu finden.

Ursprünglich stand auf dem kaum 500 Meter vom Schwanenstädter Stadtplatz entfernten Grundstück an der Kaiserschützenstraße das, was die Adresse bereits andeutet: ein Wohnhaus mit angeschlossener Schießstätte und Ausschank. In den 1950er-Jahren genehmigte die Gemeinde die Errichtung eines Motels im Norden des historischen Wohngebäudes. Später, nach dessen Niedergang und Abbruch, siedelte sich ein Nahversorgermarkt hier an, der jedoch die erste sich bietende Gelegenheit wahrnahm, an den Stadtrand zu ziehen.

Zurück blieb ein ebenerdiges Gebäude, das so dicht an die Grenzen seines Bauplatzes heran gebaut war, wie dies wohl kaum jemals wieder genehmigt werden würde. Damit aber wurde der Erhalt des Bestandes – so wenig Liebreiz man dem ohne erkennbaren gestalterischen Willen errichteten Gebäude auch abgewinnen mochte – zu einer wirtschaftlichen Überlebensfrage. Auch der Entschluss, das aufgegebene Marktgebäude als Wohnhaus zu revitalisieren, war angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten der innerstädtischen Handel- und Gewerbetreibenden, sich gegen den Kaufkraftabfluss an die Peripherie zu stemmen, wohl vernünftig.

Im Norden und Süden von jeweils einem Altbau in die Zange genommen, erhält der ehemalige Supermarkt von zwei Seiten Licht und erhebliche räumliche Großzügigkeit. Denn im Westen öffnet sich ein großer, von einigen Bäumen bestandener innerstädtischer Parkplatz, während das im Osten an die Kaiserschützenstraße grenzende Feld gänzlich unverbaut ist. Eine weitere Qualität des Bestandes, die darin gegebene Raumhöhe von vier Metern, wurde zur zweiten Konstante auf der Suche nach einer neuen Ordnung des Vorgefundenen. Die von Ost und West annähernd gleichwertige Belichtungs- und Aussichtssituation und die Tiefe des Baukörpers von etwa 20 Metern legten die Entscheidung zu einer zweihüftigen Anlage nahe.

So betritt man nun den Trakt mit den neuen Wohnungen über eine schmale, von einem elegant in Schwebe gehaltenen Vordach beschirmte Fuge zum alten Wohnhaus und befindet sich in einem von Lichtkuppeln erhellten Mittelgang, der insgesamt sieben Wohnungen erschließt. Der Gang mündet im Norden in einer Lagerfläche mit Stauräumen für die einzelnen Wohnungen. Diese sind unter kleinen, der jeweiligen Lage im Gebäude entsprechenden Anpassungen der Grundrisse sehr ähnlich ausgebildet.

Alle Wohnungen werden durch ein großzügig zum Boden geführtes, mehrteiliges Fensterelement belichtet, das nahezu die gesamte Breite ihrer nach Osten respektive Westen schauenden Fassade einnimmt. Marie-Theres Süßner hat die tragende Stahlbetonstruktur des Bestandes übernommen, die ehemalige Außenwand des Supermarktes jedoch nach Entfernen der Parapete zur Grenze überdachter Loggien umgedeutet. Die thermische Hülle der Wohnungen liegt um etwas mehr als einen Meter nach innen versetzt. Somit verfügt jede Wohnung über eine Terrasse, die durch das Einbeziehen des jeweiligen Vorgartenstreifens respektable Tiefe gewinnt; zu den Nachbarn und zum Parkplatz hin sind die Freiräume durch geschlossene Leichtbauwände vor neugierigen Blicken geschützt; im Osten wiederum wird der Ausblick auf das ländlich-idyllische Umfeld durch einen Maschenzaun nicht behindert.

Die Wohnungsgrundrisse sind durchwegs offen angelegt: Ein in allen Dimensionen großzügiger Raum wird durch eine Nasszelle in unterschiedliche Nutzungsbereiche geteilt. Die frei im Raum stehende Box hat die Tiefe einer Badewanne und fasst ein Badezimmer, das auch Platz für eine Waschmaschine bietet sowie ein räumlich vom Bad getrenntes WC. Die in Trockenbauweise errichtete Box weist eine der Proportion ihrer Grundrissfläche angemessene Raumhöhe auf. An den oberen Längskanten überbrücken hölzerne Balken ihren Abstand zu den Wohnungstrennwänden. Auf diesen Balken liegt die Decke der Nasszelle, die in einigen Abschnitten aus lichtdurchlässigen Kunststoff-Stegplatten, in anderen Bereichen aus beschichtetem Sperrholz gefertigt ist. Somit liegt in jeder Wohnung über der Nasszelle ein Bereich, der, beispielsweise als Hochbett genutzt, die Grundrissfläche kostenlos erweitert.

Diese umfasst auf der unteren Ebene in jeder Einheit einen Wohn- und Essbereich mit Ausgängen auf die vorgelagerte Terrasse, einen Vorraum, der das Wohnzimmer vom Eingang trennt und eine Küchenzeile, die als Durchgangsraum den entsprechend bemessenen Abstand zwischen Bad und Wohnungstrennwand auf der anderen Seite der Wohnung nutzt. Der Bereich zwischen der Nasszelle und der dem erschließenden Mittelgang zugewandten Innenwand kann bei Bedarf vom Rest der Wohnung durch die Holzbalken entlanglaufende Schiebewände – optisch – getrennt werden. Hier, in der geschützten, von einer Lichtkuppel zusätzlich erhellten Tiefe des Raumes findet ein Schlaf- oder Arbeitsbereich seinen angemessenen Platz.

Die Variabilität der Raumnutzung wird durch eine bewusst ins allgemein Gültige zurückgenommene Wahl der Materialien und Farben unterstützt. Weiße Wände und Decken, von Betonträgern strukturiert, ein hellbrauner Holzboden, keramische Beläge ähnlichen Farbtones in der Mittelzone,durchscheinende Stegplatten und dunkel beschichtetes Sperrholz ergeben einen Hintergrund, vor dem sich Lebensentwürfe unterschiedlichster Art entfalten können. Marie-Theres Süßners ebenso robuste wie gestalterisch anspruchsvolle Detailausbildung festigt in Verbindung mit Licht und Abstand jene Anmutung von Großzügigkeit, die der handelsüblichen Kleinwohnung doch viel zu selten beschieden ist.

Spectrum, Sa., 2013.08.03

25. Mai 2013Romana Ring
Spectrum

Im Meer der Namen

Wie sind logistische und didaktische Anforderungen an eine Gedenkstätte mit der Wahrung ihrer Würde zu vereinen? Eine Nachschau in der Gedenkstätte Mauthausen, drei Wochen nach der Präsentation ihrer Neugestaltung.

Wie sind logistische und didaktische Anforderungen an eine Gedenkstätte mit der Wahrung ihrer Würde zu vereinen? Eine Nachschau in der Gedenkstätte Mauthausen, drei Wochen nach der Präsentation ihrer Neugestaltung.

Das Konzentrationslager Mauthausen im strömenden Regen: So soll es sein. Die viel zu harmlos wirkende Betulichkeit seiner Architektur, wuchtige Steinmauern und Stacheldrahtzäune inklusive, bildet auch ohne ihre Bettung in mildes Sonnenlicht einen schmerzhaften Kontrast zu den Ungeheuerlichkeiten, die hier geschehen sind. Wir stellen das Auto auf einem der großen, im Zusammenhang mit dem Besucherzentrum errichteten Parkplätze im Süden des Lagers ab. Über eine Freitreppe aus dem Hof vor der Kommandantur hinaufsteigend, gelangen wir auf den Appellplatz, das Rückgrat der Anlage. Hier tummelt sich eine überraschend große Menge von Besuchern. Einige Familien sind mit kleinen Kindern – manche sitzen noch im Kinderwagen – unterwegs. Überhaupt: viele junge Leute. Österreichische Schulklassen? Unwahrscheinlich an einem Freitagnachmittag. Man hört Italienisch, Amerikanisch, slawische Klänge. Mauthausen heute: die Gedenkstätte als touristisches Angebot.

Es war die Aufgabe des in Linz ansässigen Büros ArgeMarie (Siegfried Miedl und Manuel Schilcher), die aus dieser Tatsache erwachsenden logistischen und didaktischen Anforderungen an die Gedenkstätte mit der Wahrung ihrer Würde zu vereinen. Der Ort erklärt sich in seiner heute „besenreinen“ Erscheinung nicht selbst. Die Besucher müssen über die einstigen Funktionen der Anlage ebenso informiert werden wie über die hier gesetzten Handlungen. Die historische Bausubstanz zieht als Schauplatz von Ereignissen, denen wir heute differenzierte Grade menschlicher Grausamkeitzuordnen, der Information enge Grenzen. Aus diesem Grund konzentrieren sich die Eingriffe zur Herstellung einer in mehrerlei Hinsicht schützenden Ausstellungssituation zunächst auf ein Gebäude, das bereits in den1970er-Jahren zu diesem Zweck adaptiert wurde. Dieses vermutlich als Krankenstation für das Lagerpersonal – für die Häftlinge gab es im Krankheitsfall ein eigenes „Sanitätslager“ ohne medizinische Versorgung –errichtete Haus war zu Kriegsende nochnicht fertiggestellt.

ArgeMarie hat die vorgefundenenAusstellungseinbauten entfernt, die einmal abgebrochenen Wände jedoch nicht rekonstruiert, sondern nur ihren Verlauf in etwas dunklerem Grau auf dem grauen Boden sichtbar gemacht. Links vom schon früher durch einen gläsernen Windfang mit automatischen Schiebetüren an heutige Verhältnisse angepassten Haupteingang umfängt eine in Gelbgrün gehaltene Pultlandschaft das hier arbeitende Ausstellungspersonal. Der gleiche Farbton findet sich im Mobiliar wieder, mit denen die dahinter anschließenden, thematisch nicht zugeordneten Besucherbereiche ausgestattet sind.

Auf der anderen Seite des Einganges hat ArgeMarie die Struktur des durch einen Mittelgang erschlossenen Hauses für ihre Ausstellungsarchitektur genutzt, wobei sie auch hier abgebrochene Wände als Volumen zwischen den Einbauten frei gelassen respektive deren Konturen auf dem Boden sichtbar gemacht hat. Ein weißes Tor, von einer Lichtdecke über die gesamte Gebäudetiefe gespannt, stellt die Verbindung zwischen dem Heute und der Vergangenheit her und stimmt die Besucher auf das Gezeigte ein.

Während in der mittigen Erschließungsachse die geopolitischen Vorgänge im chronologischen Verlauf abgebildet werden, schildern die Räume links davon die Geschichte des Lagers, die Räume rechter Hand die persönlichen Schicksale der Häftlinge. Unterschiedliche, nach hinten dunkler werdende Grautöne verdeutlichen den zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang der drei Erzählstränge. Die der Geschichte des Lagers gewidmeten Einbauten sind, der Rigidität des Terrorsystems nachspürend, streng rechtwinkelig ausgeführt und angeordnet. Auf der anderen Seite ist die Geometrie gebrochen, und die Form der Präsentation reagiert auf das jeweilige, auf eine bestimmte Person verweisende Objekt. Das Tageslicht wird zur Schonung der Exponate fast zur Gänze durch vor die Fenster gesetzte Schirme ausgeblendet. Doch sind zwei mit besonders großen Fenstern ausgestattete Zonen mit Bezug zum Appellplatz eingerichtet, die durch vitrinenähnlich gestaltete Ausblicke am Ende der Ausstellung ergänzt werden.

Für das Untergeschoß des Gebäudes, das durch eine breite, nachträglich eingebaute Stahltreppe erschlossen ist, hat ArgeMarie eine Ausstellungsarchitektur entwickelt, die stark mit der Wirkung des Bestandes arbeitet. In einem von Bruchsteinmauern und Stahlbeton geprägten Raum bremsen zueinander versetzt angeordnete pulthohe Körper den Besucherstrom. Ihre den Eintretenden zugewandte Seite ist mit Fotos der jeweiligen Tatorte in ihrem heutigen Zustand bedruckt. Auf der anderen Seite erläutern Texte, Bilder und ein spezifisches Exponat die verschiedenen im Lager praktizierten Tötungsarten. Auf diese Weise gelingt es, den anschließenden Pietätsbereich von illustrierenden Gesten frei zu halten. Hier hat ArgeMarie ein System aus Stegen auf den Boden gesetzt, die dabei helfen, diesen höchst sensiblen historischen Boden mit dem gebührenden Respekt zu betreten. OhneGeländer zwar, doch in der Fuge zum Boden hinterleuchtet ausgeführt, dienen die Stege der geordneten Wegführung.

An entscheidender Stelle hochgefaltet, tragen die Stege sparsam gesetzte Inschriften und hindern die Besucher etwa am Hantieren mit den Krematoriumsöfen oder am Betreten der Gaskammer. Einen besonderen Stellenwert nimmt der „Raum der Namen“ ein: In den von vier Stahlbetonstützen strukturierten Raum mit seinem stark zum Ausgang hin fallenden Lehmboden hat ArgeMarie eine horizontale Ebene aus Glastafeln mit den etwa 81.000 Namen der im Lager Umgekommenen eingezogen. In diese Ebene wiederum sind Stege eingeschnitten, die es ermöglichen, das Meer von Namen zu durchschreiten. Reicht es beim Eintreten noch bis zum Knie, versinkt man dem Ausgang zu schon bis über die Hüften in den Namen der Toten.

Weiter auf dem Weg: eine kaltweiße Lichtdecke vor der Gaskammer; Hunderte Gedenktafeln, an die Wände des Krematoriums gehängt und gelehnt; der Leichenkühlraum; die Genickschussecke; und eine kleine Türe mit dem Wort: Ausgang. Es weht ein kalter Wind. Der Regen hat nicht nachgelassen.

Spectrum, Sa., 2013.05.25

20. April 2013Romana Ring
Spectrum

Genug Bier für die Zukunft

Im oberösterreichischen Freistadt gilt Bierbrauen seit jeher als Bürgerrecht. Warum der Umbau der Braucommune nicht nur wichtig für die diesjährige Landesausstellung ist.

Im oberösterreichischen Freistadt gilt Bierbrauen seit jeher als Bürgerrecht. Warum der Umbau der Braucommune nicht nur wichtig für die diesjährige Landesausstellung ist.

Freistadt, Verwaltungssitz des gleichnamigen Bezirkes, ist nicht ohne Grund Austragungsort der auch heuer wieder grenzüberschreitend konzipierten oberösterreichischen Landesausstellung. Der aus dem Mittelalter stammende und im Barock signifikant überformte historische Kern der Stadt ist mehr als ein touristisch verwertbares Ziel. Er verdankt seinen guten Erhaltungszustand großteils dem Glück, von kriegerischen Zerstörungen verschont geblieben zu sein. Doch hat erst das vorbildhafte Zusammenwirken von Stadtpolitik und -verwaltung mit dem Bundesdenkmalamt und einer engagierten Architektenschaft jenes andere, nicht weniger schmerzhafte Zerstörungswerk in Schranken gehalten, das vielerorts in kurzer Zeit des Friedens und der wirtschaftlichen Prosperität vernichtet, was lange Perioden der Unsicherheit und des Mangels überdauert hat. Am Beispiel Freistadts und einer Vielzahl hier realisierter, mit zahlreichen Preisen gewürdigter Revitalisierungsprojekte kann man lernen, wie man eine kleinteilig strukturierte, historisch gewachsene Substanz durch unsere Ära des rückhaltlosen Bekenntnisses zum motorisierten Individualverkehr ökonomisch sinnvoll für die Zukunft erhält.

Die Braucommune Freistadt wird heuer neben drei weiteren Standorten in Bad Leonfelden, Ceský Krumlov und Vyšší Brod die Ausstellung „Alte Spuren – Neue Wege“ beherbergen. Die Braucommune ist mit ihrer Produktion von rund 60.000Hektolitern Bier und 20.000 Hektolitern alkoholfreier Getränke die größte Brauerei des Mühlviertels. Ihre Existenz geht auf das 1363 verbriefte Recht jedes Freistädter Bürgers, Bier zu brauen, zurück. Mit der 1770 als Qualitätssicherungsmaßnahme begonnenen Errichtung eines gemeinsamen Brauhauses außerhalb der Stadtmauern wurden alle 149 Hausbesitzer der Innenstadt Mitglieder der Braucommune und sind es bis heute geblieben. Das Areal der Braucommune liegt südwestlich des historischen Stadtkerns, von dem es die in diesem Abschnitt „Promenade“ genannte Bundesstraße 310 trennt.

Mit dem Umbau des Hauptgebäudes der Braucommune jedenfalls hat die Projektgemeinschaft der in Freistadt ansässigen Architekten Pointner Pointner und Christian Hackl ihre Fähigkeit zur denkmalpflegerisch sensiblen Ertüchtigung historischer Bausubstanz erneut bewiesen. Sie haben das dreigeschoßige, in seiner Erscheinung von massiven, verputzten Mauern, kleinen Fenstern und einem mächtigen Walmdach geprägte Gebäude in seinem Charakter bestärkt, nicht verändert. Seine Umformung vom reinen Brauhaus zu einer Mischung aus (Schau-)Brauerei, temporärem Ausstellungsgebäude, Büro-, Seminar- und Kulturhaus sowie zum Standort einer großen Gastronomie haben sie mit sparsamen Eingriffen bewältigt, die dem Wesen des Bestandes nicht geschadet haben. Dieser hat als echter Industriebau schon manche Veränderung gesehen: Einige der jetzt vorgenommenen Maßnahmen haben gezeigt, dass hier ein Zustand erneut hergestellt wurde, den es im Lauf der Jahrhunderte längst gegeben hat.

Das Herzstück des heutigen Brauhauses ist eine zweigeschoßige Halle links des Durchganges, der den Straßentrakt etwa in seiner Mitte teilt und die Promenade mit dem Hof der Braucommune verbindet. Während der Landesausstellung wird die Halle als Foyer und Ausgangspunkt der Führungen genutzt, später wird sie der Braucommune als Schau-Sudhaus dienen. Die Planung der eigentlichen Brauanlage oblag dem technischen Büro Weihenstephan, für dessen Konzept die Architekten in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt die räumliche Entsprechung gefunden haben. Vier mächtige Pfeiler tragen die gewölbte Decke der Halle. Eingestemmte Nischen erinnern an die Betondecken, die hier einmal aufgelegen sind. Aus dem Keller ragen drei Sudkessel in den Raum. Ein vierter Kessel ist in einem kleinen Anbau an der Südseite des Hauses untergebracht, der mit seiner an der Innenseite halbkreisförmig gerundeten Rückwand Anleihen beim Sakralbau nimmt. Diese Anmutung ist zu einem guten Teil dem von Arik Brauer entworfenen Glasbild geschuldet, das durch einen vom selben Maler geschaffenen Brunnen im Hof ergänzt wird. Man kann, wie Architekten nur zu gut wissen, nicht alles haben.

Auch den jenseits der Mittelachse untergebrachten Braugasthof haben Pointner Pointner und Christian Hackl nur in seiner logistischen Struktur entwickelt. Die Ausstattung der Räume ist an einen Gastronomieplaner vergeben worden. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn es dieser Zunft endlich einfallen wollte, ihr Einrichtungswerk eher in den Dienst erträglicher akustischer Verhältnisse denn kurzlebigen Lifestyles zu stellen. Nach dem Abbau der Landesausstellung wird die im Nordtrakt untergebrachte Küche jedenfalls nicht nur den Gastgarten, sondern über zwei bestehende Stiegen auch die Kellerräume beliefern, die von den Architekten unter Schonung der ursprünglichen Erscheinung trocken gelegt wurden. Während das erste Obergeschoß des Brauhauses hauptsächlich von den Büros der Braucommune eingenommen wird, gibt es im zweiten Obergeschoß wieder multifunktional angelegte, kulturell wie gastronomisch nutzbare Räume. Doch auch die ureigene Funktion des Bierbrauens bleibt mit den Hopfenlagern im Nordtrakt des Gebäudes präsent.

Die barrierefreie Erschließung der gesamten Anlage wird über den einzigen von außen ersichtlichen Eingriff in den Bestand ermöglicht. Die aus Stahlblech gekanteten Stiegenläufe sind um den im Auge situierten Aufzug angeordnet; daneben haben Sanitärräume Platz gefunden. Im zweiten Stock öffnet sich das Stiegenhaus auf eine kleine Terrasse mit Ausblick auf den Süden der Stadt. Hier ragt der alte Schlot auf, dessen jährliche Kehrung noch als ein mit beträchtlichem Bierkonsum verbundenes Ereignis im Gedächtnis der Freistädter verankert ist. In diesem Stockwerk hat eine weitere traditionsreiche Einrichtung Freistadts, das Bürgerkorps, seinen Proberaum. So wird aus den unterschiedlichsten Funktionen ein Netz gewoben, das dem Brauhaus die Zukunft weit über die Landesausstellung hinaus sichert – sodass es seinen Besuchern weiterhin mit vielen sorgfältig freigelegten Details Blicke in die Vergangenheit ermöglichen wird.

Spectrum, Sa., 2013.04.20

30. März 2013Romana Ring
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Alles andere ist primär

Quasi ein Gemeinschaftsprojekt: geplant von dem einen, weiter ausgeführt und umgesetzt von den anderen. Und dazwischen auch noch Platz für eine Zeitungsvolksbefragung. Zum neuen Musiktheater in Linz.

Quasi ein Gemeinschaftsprojekt: geplant von dem einen, weiter ausgeführt und umgesetzt von den anderen. Und dazwischen auch noch Platz für eine Zeitungsvolksbefragung. Zum neuen Musiktheater in Linz.

Das Ergebnis zählt. Im Fall des kurz vor seiner Eröffnung stehenden Musiktheaters in Linz weist dieser Satz einer ungefähr 40 Jahre währenden Entstehungsgeschichte den ihr gebührenden Erinnerungsraum zu. Heute haben Bahnreisende kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof den ersten Blick auf die oberen Geschoße des Musiktheaters. Wer mit dem Auto in die Industriegebiete im Osten der Stadt unterwegs ist, passiert die enge Schlucht zwischen Bahn und Theater. Von der Wiener Straße aus gesehen, erhebt sich das Theater als mächtiger Block hinter dem Bahndamm. Der Linzer Einkaufsmeile, der Landstraße, setzt es einen deutlichen Schlusspunkt. Wer die Entstehungsgeschichte des Musiktheaters nicht kennt, wird sich vielleicht über den zwar zentralen, doch von Zwängen geprägten Bauplatz wundern. Nur so viel: Seine Wahl war weder die erste noch die einzige. Das Siegerprojekt eines internationalen Wettbewerbs an einem anderen Standort musste nach einer von der massiven Agitation des Boulevards begleiteten Volksbefragung aufgegeben werden.

Der britische Architekt Terry Pawson hat 2006 den erneut international ausgelobten Wettbewerb mit einem Projekt gewonnen, das den bis dahin vage gebliebenen Stadtraum der sogenannten Blumau am südlichen Rand der Linzer Innenstadt neu geordnet hat. Er hat die beiden Emissionsquellen, die stark befahrene Straße und die Bahn im Süden des Bauplatzes, gebündelt und der Randbebauung der Blumauerstraße mit dem Theaterbau ein Gegenüber gegeben. Das wahrscheinlich schönste Element des Standortes, der im Westen angrenzende Volksgarten, wirkt dank der großflächig verglasten Foyerfassade in die öffentlich zugänglichen Bereiche des Theaters hinein. Letztere machen, wie in jedem Haus, das neben den Räumen für den unmittelbaren Bühnenbetrieb nicht nur seine Administration, sondern auch Werkstätten und Lager fasst, nur einen kleinen Teil des Raumprogramms aus.

Terry Pawson wollte, so heißt es, dieses dicht gedrängte und heterogene Raumgefügemit einer Fassade umfangen, die einem Vorhang gleichen sollte. Tatsächlich gliedern nun schmale weiße Betonfertigteile die Außenhaut des weitgehend vom Straßenverlaufgeformten Körpers in vertikaler Richtung mitgelegentlich eingeschobenen horizontalen Unterbrechungen; die Zwischenräume bleiben dunkel im Hintergrund; geschlossenenfalls sind sie mit Platten aus auffallend rau gebrochenem Travertin gefüllt. Die Anmutung meterdicker Massivität wird durch die zarten Betonlamellen eher irritiert als gebändigt und hat wenig mit einem Vorhang zu tun. Das wäre nicht weiter schlimm: Vorhänge gibt es im Theater ja zur Genüge. Allein, die Gelegenheit, auch mit der Fassade eine Antwort auf den Ort und seine Herausforderungen zu geben, ist ungenutzt verstrichen.

Die Anekdote zur Entscheidungsfindung hinsichtlich der Außenwandgestaltung: Dass die ursprünglich von Pawson vorgeschlagene Haut aus Corten-Stahl mit dem Argument verworfen wurde, in der Stahlstadt Linz gäbe es keine rostenden Oberflächen, ist möglicherweise nur gut erfunden. Die Leserbefragung einer lokalen Tageszeitung im Vorfeld –„Welche Fassadenvariante wählen Sie?“ – dagegen ist hinreichend dokumentiert. Terry Pawson hat sein Wettbewerbs-Siegerprojekt nur bis zur Einreichplanung betreut. Die weitere Planung haben die Büros Architektur Consult (Graz/Wien) und Dworschak + Mühlbachler Architekten (Linz) übernommen. Gemeinsam haben sie diesen schwierigen Schnitt zwischen Entwurfsidee und Ausführungsplanung ohne sichtbare Brüche gemeistert und Terry Pawsons Konzept im Wesentlichen umgesetzt.

Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen, in den Arbeitsalltag des technisch oder organisatorisch tätigen Personals. Hier entfaltet sich die dem gesamten Projekt Terry Pawsons eingeschriebene Qualität, in einer beengten Situation gleichzeitig Luft und menschliches Maß zu gewinnen: Mehrgeschoßige Lichtschneisen im Bereich der Erschließungskerne und eingeschnittene Terrassen erhellen das Bauwerk und werten die Arbeitsräume mit Licht und Ausblick auf.

Das auch außerhalb des eigentlichen Theaterbetriebs öffentlich zugängliche Foyer des Musiktheaters wendet seine gläserne, durch transparente Lamellen bei Bedarf beschattete zweigeschoßige Glasfassade dem Volksgarten zu, der dadurch als städtischer Erholungsraum erheblich aufgewertet wird. Davor erstreckt sich, von ein paar Stufen über das Niveau des Parks gehoben, eine mit hellem Stein belegte Terrasse. Der gleiche helle Boden im Inneren des Foyers, eine quer zur Außenwand strukturierte, ansonsten ebenflächige Decke über der Eingangsebene und parallel zur Fassade geführte Stiegen im Hintergrund des Foyers formen einenüber mehrere Geschoße fließenden Raum. Das Foyer ist mit allerlei Technik ausgestattet und vielseitig nutzbar. Ähnlich multifunktional sind der große, mit goldfarbenen Akustikpaneelen verkleidete Proberaum des Brucknerorchesters und die Studiobühne, die nicht nur gute Probebedingungen bieten, sondern auch für Aufführungen im kleineren Rahmen geeignet sind.

Der große Saal vermittelt eine Stimmung gediegener Festlichkeit ohne Überschwang – an Originalität oder Askese. An seiner Innenseite mit dem gleichen Holz belegt, sieht er aus, wie man es von einem Theatersaal mit Rängen und Logen gewohnt ist. Doch sind die Sitzplätze auf gleichwertig gute Sicht- und Hörbedingungen ausgelegt, der ovale Leuchtkörper in der Mitte der Decke dient als Beleuchterbrücke, und die akustisch wirksam geformten Brüstungen der Ränge verdanken ihren goldenen Schimmer einer Beschichtung aus flüssigem Metall. Nichts im Raum versucht, vom Geschehen auf der (Guckkasten)Bühne abzulenken, die technisch zu den modernsten Europas zählt. Ein minutiös austariertes Zusammenspiel von Dreh- und Hebevorrichtungen, Hinter- und Seitenbühnen, Portalen, Brücken und einem angemessen dimensionierten Orchestergraben macht es Künstlern und Technikern nach langen Jahren der Entbehrung endlich möglich zu zeigen, was Musiktheater alles kann.

Spectrum, Sa., 2013.03.30



verknüpfte Bauwerke
Musiktheater Linz

02. Februar 2013Romana Ring
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Würde in Zivil

Eine Garnison aus dem 19. Jahrhundert als modernes Domizil. Ein Teil ist für Wohnungen reserviert, im anderen findet sich eine betreute Wohngruppe. Zur Revitalisierung der Welser Dragonerkaserne.

Eine Garnison aus dem 19. Jahrhundert als modernes Domizil. Ein Teil ist für Wohnungen reserviert, im anderen findet sich eine betreute Wohngruppe. Zur Revitalisierung der Welser Dragonerkaserne.

Die Dragonerkaserne in Wels ist der wahrscheinlich größte Profanbau Oberösterreichs. Die unter dem Eindruck der bürgerlich-demokratisch motivierten Revolution von 1848 errichtete Anlage ist seit 1998 im Besitz der WAG. Im Bewusstsein ihrer baukulturellen Verantwortung hat diese das Welser Architekturbüro Luger & Maul mit der Erstellung einer Nutzungsstudie und Ausarbeitung eines Gesamtkonzepts zur Sanierung der Kaserne beauftragt. Wo immer sich in dem 337 mal 123 Meter messenden Komplex ein Leerstand im Zusammenhang mit einer Nutzungserfordernis und einem gesicherten Budget ergibt, wird nun der Gebäudeteil im Sinn dieses Gesamtkonzepts revitalisiert.

Das Konzept sieht eine Längsteilung des Areals vor, das etwa einen Kilometer westlich des historischen Stadtkerns von Wels im Norden von der Salzburger und im Süden von der Dragonerstraße begrenzt wird. Die nördliche Hälfte der drei von Ost nach West an eine Mittelachse gereihten Höfe der Kaserne soll mit Wohnungen, die südliche mit Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben belegt werden. Das unmittelbar an die Kaserne schließende Umfeld wiederum soll von kleinmaßstäblichen Bauwerken bereinigt werden, um die Monumentalität der Anlage ebenso wieder angemessen zur Geltung zu bringen wie ihre Qualität als stark durchgrünter urbaner Freiraum.

Es gilt zu zeigen, wie man mit einer denkmalgeschützten, militärisch geprägten Substanz aus dem 19. Jahrhundert den zivilen Komfortwünschen des 21. Jahrhunderts entsprechen und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen öffentlich geförderten Bauens berücksichtigen kann. Die erste Bauetappe betraf den Einbau von Mietwohnungen in das Erdgeschoß des Nordtrakts und des im Winkel daran anschließenden Zwischentrakts im Westhof. Luger & Maul haben die im Wechsel von massiven Mauerscheiben und Granitstützen getragenen Gewölbedecken der ehemaligen Stallungen erhalten und für die notwendigen Einbauten eine Systematik entwickelt, in der sich die additive Haltung des Bestands spiegelt. Nebenräume finden sich mit reduzierten Raumhöhen in die Mittelzone der jeweils die gesamte Trakttiefe einnehmenden Wohnungen gestellt; die Anschlüsse an die historischen Bauteile erfolgen über gläserne Fugen; daraus ergibt sich eine Galerieebene, die als Erweiterung des Wohnraums dient.

Die Fenster in den Fassaden wurden, sofern es sich um Kastenfenster handelt, als solche erhalten. Historische, mehrfach geteilte Stallfenster wurden raumseitig durch feste Verglasungen und Lüftungsflügel ergänzt. Die aus den hofseitigen Fassaden gebrochenen Öffnungen haben Luger & Maul mit gläsernen Erkern geschlossen. Vom daraus gewonnenen Zuwachs an Tageslicht profitieren die zum Hof orientieren Wohnräume bis hinauf in die Galeriegeschoße. Um sowohl die auftraggebende WAG als auch das Bundesdenkmalamt und die Baubehörde von der Angemessenheit der Maßnahmen zu überzeugen, wurde zunächst ein Prototyp errichtet, der in seiner hohen Detailqualität nun als Messlatte für alle Sanierungsarbeiten in der Kaserne dient. Der Respekt vor der konstruktiven Struktur des Bestands unter Nutzung bereits vorgefundener Veränderungen hat sich auch im südlichen Abschnitt des Westhofs bewährt, in dessen Erdgeschoßzone Büros eingezogen sind. Auch hier sind Nebenräume in den niedrig gehaltenen Einbauten der Mittelzone untergebracht; auch hier erweitert die darüber liegende Galerie den Raum. Nur die gläsernen Brüstungen wurden durch bescheidenere Sprossengeländer ersetzt. Selbst der einstigen Reithalle an der Südflanke des Hofs, deren ursprünglich deutlich repräsentativere Anmutung längst durch die Zerstörung des ursprünglichen Tragwerks und das Einziehen einer flachen Decke verloren gegangen ist, haben Luger & Maul in der disziplinierten Ordnung des Notwendigen wieder Würde verliehen.

Würde ist auch das Thema eines Sanierungsabschnitts in der nordwestlichen Ecke des Westhofs. Hier ist eine betreute Wohngruppe für zehn von Demenz betroffene Menschen entstanden, die zeigt, wie man selbst im ehemaligen Pferdestall einer Kaserne eine Atmosphäre unaufdringlicher Behaglichkeit schaffen kann, wenn man es denn versteht, die Qualitäten des Bestands zu sehen und zu nutzen. Die klare, ja strenge Ordnung der Konstruktion, die Massivität von Pfeilern und Wänden, die behütende Geste der gewölbten Decken vermitteln Sicherheit, während gläserne Fugen im Inneren und großzügige Öffnungen zum Außenraum die Grenzen einer zwangsläufig eingeschränkten Lebenswelt durchlässiger gestalten. Der zentrale Wohnraum der Gruppe ist zum Hof hin orientiert. Er wird über einen gläsernen Windfang erschlossen und von drei verglasten Erkern erhellt. Drei Stützenpaare teilen den Raum in Zonen, von denen eine durch ein sorgfältig auf mehrere Arbeitshöhen abgestimmtes Möbel als Küche ausgewiesen ist.

Die Zimmer sind vom Gemeinschaftsbereich durch die gleichen Nebenraumeinbauten getrennt, wie sie sich im Mietwohnungs- und im Bürobereich bewährt haben. Mit dem Unterschied, dass die Bäder der Pflegebedürftigkeit ihrer Nutzer entsprechenund auf die Ausbildung einer Galerieebene aus gutem Grund verzichtet wurde. Grauer Stein, weißer Verputz, der warme Holzton des Bodens; Glas, an Stellen, wo es befreiend, aber nicht verunsichernd wirkt: Die Wahl der Materialien und Farben greift auf Vertrautes zurück und lässt genügend Raum für Mitgebrachtes. Um elf Uhr vormittags haben sich alle Bewohner im Wohnzimmer zu einer Konzentrationsübungsrunde eingefunden, während gleich daneben eine zweite Betreuerin das Mittagessen fertigstellt. Das Gemüse für das Ragout haben ihre Schützlinge den Vormittag über selbst klein geschnitten. Entlang der Hoffassade erstreckt sich ein schmaler Garten. Der Alltag der Wohngruppe wird allgemein als Erfolg wahrgenommen. Der Ausbau einer weiteren Gruppe ist im Gespräch.

Die Welser Dragonerkaserne bietet noch genügend Raum für solche und viele weitere Projekte. Mit jedem gelungenen Revitalisierungsschritt aber erobert das bürgerliche Wels ein Stückchen mehr von einer Anlage, die einst als Sitz und Symbol einer längst untergegangenen Macht errichtet wurde. Ganz nah am Herzen der Stadt.

Spectrum, Sa., 2013.02.02

19. Januar 2013Romana Ring
Spectrum

Alles für das Dorf

Die Entstehung von Raum durch einen wohlorganisierten Wettbewerb ist keine Selbstverständlichkeit. Doch mit Mut und Sachverstand kann einiges in Gang gesetzt werden. So geschehen im Hausruckviertel.

Die Entstehung von Raum durch einen wohlorganisierten Wettbewerb ist keine Selbstverständlichkeit. Doch mit Mut und Sachverstand kann einiges in Gang gesetzt werden. So geschehen im Hausruckviertel.

Ein Projekt von gut 4000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche und sieben Millionen Euro Errichtungskosten ist für eine Gemeinde wie das im Hausruckviertel gelegene Krenglbach mit seinen knapp 3000 Einwohnern keine Kleinigkeit. Wenn das Projekt überdies mit Krabbelstube, Volksschule, Hort, Bibliothek und Mehrzwecksaal einem Großteil des kulturellen Gemeindelebens Raum schaffen soll, wird es schnell zum politischen Zankapfel oder aber, wie hier, zu einer Herzensangelegenheit. Und wenn den Emotionen auch noch Mut und Sachverstand zur Seite stehen, entsteht Architektur, die über die Erfüllung der unmittelbar gestellten Nutzungsanforderungen hinausgehend das Leben bereichert und ein kleines Dorf auch hinsichtlich der Baukultur mit seiner Zeit verbindet.

Karl und Bremhorst Architekten haben einen nach EU-weitem Bewerbungsverfahren beschränkt ausgeschriebenen Architekturwettbewerb mit einem Entwurf gewonnen, der sich, so das Juryprotokoll, „. . . mit dem entsprechend proportionierten Baukörper und seinen Freiräumen überzeugend auf den Charakter des ländlichen Umfeldes im Dorfraum bezieht“. Tatsächlich nimmt das über rechteckigem Grundriss vierseitig einen Hof umschließende Gebäude die traditionelle Gehöftform der Gegend auf. Etwa in der Mitte seines zwischen der Krengelbacherstraße im Westen und dem bewaldeten Bachufer im Osten aufgespannten Bauplatzes gelegen, hält das Haus den Abstand eines breiten, nur teilweise als Parkplatz genutzten Vorplatzes zur Straße, während sich zum Bach hin ein Grünraum erstreckt. Im Westen zweigeschoßig angelegt, ist das Gebäude dem natürlichen Geländeverlauf angepasst, was ein weiteres, dem Garten zugeordnetes Geschoß im östlichen Trakt der Anlage ermöglicht.

Der Haupteingang des Hauses ist der Straße zugewandt. Hier betritt man das nahezu die gesamte Breite des Gebäudes einnehmende Foyer, das mit seinen Verglasungen den Blick zur Kirche und zum Gemeindeamt freigibt und den Innenhof überschaut. Die Organisation des Hauses wird somit beim Eintreten ebenso klar wie seine Lage im Ort, was gerade angesichts der Vielfalt der hier beherbergten Nutzungen von großem Wert ist. Der Turn- und Mehrzwecksaal nimmt, bei Bedarf um eine Galerie im Obergeschoß erweiterbar, den Nordtrakt des Gebäudes ein. Er ist wie die im ersten Stock untergebrachte Bibliothek unabhängig vom Schulbetrieb nutzbar. Auch der Hort und die Krabbelstube im Gartengeschoß des Osttraktes haben ihren eigenen Eingang. Der Innenhof stiftet Orientierung und Gemeinschaftsgefühl und wird in allen Geschoßen von Gängen flankiert.

Karl und Bremhorst Architekten haben in enger Zusammenarbeit mit der Lehrerschaft ein offenes Haus geplant, in dem das Lernen nicht ausschließlich an Klassenräume gebunden ist. So werden die Zimmer durch kleinere, variabel zuordenbare Gruppenräume verbunden. Die Gangflächen sind breiter als nötig. Sie werden nicht nur über die Glasfassade zum Innenhof erhellt, sondern treffen auch an mehreren Stellen auf die Außenwand und geben so Aufschluss über die Position im Ortsgefüge.
Gleichzeitig gewährt die Übersichtlichkeit des Hauses jene Freiheit, die aus dem Vertrauen der Lehrerschaft, die Dinge im Blick und damit die Sicherheit der Kinder weitgehend unter Kontrolle zu haben, erwächst. Der direkte Bezug zum Außenraum ist ein weiteres Gestaltungselement, das in enger Wechselwirkung mit dem pädagogischen Konzept der Schule steht. Der rundum verglaste Hof, der mit seinen Terrassen und Treppenanlagen die Topografie des Ortes nachvollzieht, ist während der Pausen ein beliebter Aufenthaltsort und kann für den Unterricht im Freien genutzt werden. Auch in den Klassen sind die Fensterflächen großzügig bemessen. Parapete von nur 35 Zentimeter Höhe gewähren den Schulkindern uneingeschränkten Blick ins Freie und dienen als Ablagefläche und Sitzgelegenheit. Die gesamte Möblierung ist mit Bedacht auf den Komfort der Nutzer gewählt und, mit Ausnahme der Tische und Sessel, von Karl und Bremhorst Architekten eigens entwickelt worden. Geradlinig und reduziert in der Farbigkeit bildet sie den ruhigen Hintergrund für einen bunten Schulalltag.

Ein Eichenholzboden im Obergeschoß, der dunkle Natursteinbelag im Erdgeschoß und Details wie die Bespannung von Pinnwänden und Rückzugsnischen mit Filz aus reiner Wolle sollen das Empfinden für den angemessenen Einsatz bodenständiger Materialien schärfen. Nach außen zeigt das Gebäude im Wechsel von Fensterband und geschlossener Fläche seine Verbundenheit mit der Moderne. Die gut gedämmte Hülle und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung sorgen zudem nicht nur für den zum Lernen notwendigen Sauerstoffgehalt der Luft in allen Räumen. Sie senken auch den Energieaufwand zum Betrieb des Hauses auf ein Niveau, das zumindest für öffentliche Gebäude in Oberösterreich mittlerweile Standard geworden ist.
Was leider auch hierzulande noch nicht zu den Selbstverständlichkeiten zählt, ist das hohe gestalterische und handwerkliche Niveau, auf dem Karl und Bremhorst Architekten ihr Wettbewerbsprojekt ausführen konnten. Hier kommt wieder das Herzblut der Krenglbacher ins Spiel. Anstatt ihre Verantwortung an einer ursprünglich dem Wohnbau verpflichteten Genossenschaft abzustreifen, haben sie die Wettbewerbssieger mit sämtlichen Planungsleistungen beauftragt und ansonsten das getan, was Entscheidungsträger mit Willen zur Qualität tun sollten: Sie haben ihre Rolle als Bauherrschaft von der Vorbereitung des Wettbewerbs bis zur Eröffnung des Hauses ausgefüllt. Mit Mut und Sachverstand. Zur Nachahmung empfohlen.

Spectrum, Sa., 2013.01.19



verknüpfte Bauwerke
Volksschule Krenglbach

15. Dezember 2012Romana Ring
Spectrum

Wenn Sieger Verlierer sind

Wozu Wettbewerbe? Geht ja eh nur um das Parlament!

Wozu Wettbewerbe? Geht ja eh nur um das Parlament!

Im Jahr 2008 haben die Linzer Heidl Architekten den EU-weiten Architekturwettbewerb zum Umbau des Nationalratssitzungssaales gewonnen. Seither ist mancherlei geschehen. Der Umfang der projektierten Sanierungsmaßnahmen im gesamten Parlamentsgebäude hat sich vervielfacht und mit ihm das Budget. Mit dem Wettbewerbssieger von 2008 will man sich, so scheint es, heute nicht mehr belasten. Das Verfahren wurde aufgehoben; der Heidl Architekten schriftlich zugesicherte Planungsauftrag – zuletzt für einen Teil des Gesamtkonzepts, dessen Generalplaner erst gefunden werden muss – ist Geschichte. Das Bundesvergabeamt hat am 7. Dezember 2012 Andreas Heidls Einspruch gegen den Widerruf des Auftrags abgewiesen.

Doch auch den Weg eines Architekturwettbewerbes will das Hohe Haus auf der Suche nach seinem Generalplaner nicht ein zweites Mal gehen. Man zieht ein „Verhandlungsverfahren mit wettbewerbsähnlichem Charakter“, dem wichtige Qualitätskriterien wie Anonymität, Chancengleichheit und objektivierbare Bewertungskriterien fehlen, vor.

Eine solche Entscheidung würde dem Wettbewerbswesen österreichweit massiven Schaden zufügen. Wer sollte es dem Bürgermeister einer kleinen Landgemeinde denn verdenken, Architekturwettbewerbe als Mittel zur Hebung der Planungskultur in seinem Einflussbereich gering zu schätzen, wenn die Parlamentsdirektion mit solchem Beispiel vorangeht? Wenn selbst für die umfassende Neugestaltung des wichtigsten Gebäudes der Republik kein Architekturwettbewerb ausgeschrieben wird?

675 Architektinnen und Architekten haben deshalb innerhalb weniger Tage eine Petition an Nationalratspräsidentin Barbara Prammer unterschrieben. Ihre Forderung, die Generalplanung zum Gesamtumbau des Parlaments nicht über ein Verhandlungsverfahren, sondern einen Architekturwettbewerb zu vergeben sowie gewonnene Wettbewerbe von ihren Gewinnern umsetzen zu lassen, sollte im Sinn von Transparenz, Fairness und dem Bekenntnis zur Baukultur eine Selbstverständlichkeit sein.

Spectrum, Sa., 2012.12.15

17. November 2012Romana Ring
Spectrum

Für die gewissen Momente im Alltag

Vergangenheit und Gegenwart, Bauwerk und Nutzung, vereint in funktioneller Verknüpfung: das „Medien Kultur Haus“ in Wels.

Vergangenheit und Gegenwart, Bauwerk und Nutzung, vereint in funktioneller Verknüpfung: das „Medien Kultur Haus“ in Wels.

Das „Medien Kultur Haus“ in Wels war immer schon – das hat eine Installation im Herbst 2008: Painting the Medienkulturhaus nur auf die Spitze getrieben – eine schillernde Erscheinung. Vor 110 Jahren nach den Plänen des vorwiegend auf den Theaterbau spezialisierten Architekturbüros Fellner & Helmer errichtet, weckt der reich gegliederte zweigeschoßige Bau mit seinem auch hinsichtlich der Materialwahl üppigen Auftritt durchaus Verständnis für die in vielen Fällen unberechtigte Ablehnung, die dem Historismus über viele Jahrzehnte hinweg entgegengebracht worden ist. Am Denkmalcharakter des Hauses und seiner Bedeutung für die Innenstadt von Wels besteht jedoch kein Zweifel, und so treten die am „Medien Kultur Haus“ vorgenommenen, vor wenigen Wochen abgeschlossenen Adaptierungsarbeiten im Straßenraum vorwiegend durch die Sanierung des historischen Bestands in Erscheinung. Sie wurden von den Siegern eines Architekturwettbewerbes, den Architekten Gärtner + Neururer aus Vöcklabruck, geplant.

Die horizontale Teilung des Gebäudes – das Erdgeschoß ist verputzt, der erste Stock in Sichtziegelmauerwerk ausgeführt – erzählt von der ursprünglichen Zweiteilung seiner Nutzung als Sparkasse und Museum. Die Adaptierung hat die Multifunktionalität des Hauses noch wesentlich weitergeführt: Das „Medien Kultur Haus“ beherbergt neben dem mit Kulturvermittlung und Medienprojekten befassten mkh° die Galerie der Stadt Wels, ein Programmkino, YOUKI, Österreichs größtes internationales Jugend Medien Festival, den Verein REIZEND, das Lesekompetenzzentrum Buch.Zeit, einen Gastronomiebetrieb und das Kaiser Panorama, ein original erhaltenes stereoskopisches Rundpanorama. Es ist, als hätte das Haus in seinem gestalterischen Überschwang nur auf eine solche Mischung an Nutzungen gewartet. Tatsächlich haben Gärtner + Neururer sich in der Umdeutung des Bestands an die neuen Gegebenheiten vorgefundener Details und vieler mit der Entstehungsepoche verbundener Bilder bedient, um Vergangenheit und Gegenwart, Bauwerk und Nutzung nicht nur funktionell, sondern auch atmosphärisch sinnvoll zu verknüpfen.

Zunächst aber galt es, die Arbeit im „Medien Kultur Haus“ aus rein technischer Sicht auf eine professionelle Ebene zu heben. Die barrierefreie Zugänglichkeit aller Räume und eine Erweiterung des Raumprogramms auf dem knapp bemessenen Bauplatz waren zwei wichtige Voraussetzungen für die Adaptierung. Erstere haben Gärtner + Neururer durch die Errichtung eines flachen Rampenbauwerks vor dem Haupteingang an der Pollheimerstraße, eines neuen, in das historische Eichentor gesteckten gläsernen Portals und durch den Einbau eines Aufzugs geschaffen. Neue Flächen sind in einem schmalen zweigeschoßigen Zubau entstanden, der sich entlang der Grundgrenze erstreckt und durch eine Glasfuge und das Absenken seiner Traufkante dem Bestand Respekt erweist. Die in einem hellen Braunton gehaltene Putzfassade des zum öffentlichen Raum hin fensterlosen Körpers gibt nach außen keinen Aufschluss über seine Nutzung. Um diese zu erfassen, muss man sich in den durch den Zubau neu gefassten Hof begeben, der das Angebot des Kulturzentrums um einen kleinen, in Korrespondenz mit den Kanten des Bestands logisch entwickelten Außenraum erweitert.

Dieser intime Hof wird über seine gesamte Länge von einer Terrasse flankiert. Von einem Vordach aus Glas beschirmt, wertet sie den durch seine Glasfassade zum Hof hin orientierten Gastronomiebetrieb mit Freiluftplätzen auf. Da der Erdgeschoßfußboden des Zubaus sich auf gleicher Ebene mit jenem des historischen Gebäudes liegt, ist der natürliche Lichteinfall auch für das untere, ins Erdreich versenkte Geschoß des Erweiterungsbaus gegeben. Ein ebenfalls über die gesamte Länge des Hofs geführtes Fensterband lässt Tageslicht in die hier untergebrachten Arbeitsräume fallen und bietet gleichzeitig Einblicke in das hier stattfindende Geschehen. Diese enge räumliche Verknüpfung der unterschiedlichen Funktionen zu einer Einheit ist ein wichtiges Motiv, das auch Gärtner + Neururers Umgang mit dem Bestand geleitet hat.

Betritt man das „Medien Kultur Haus“ über seinen Haupteingang, gelangt man zunächst in ein Vestibül, dessen mit silbrig glänzenden Bossen geschmückte Putzoberfläche nun anthrazitfarben beschichtet ist. Damit wird der Kontrast zu dem sich dahinter öffnenden Hauptstiegenhaus effektvoll gesteigert. Dessen große Fenster haben Gärtner + Neururer im Einvernehmen mit dem Bundesdenkmalamt von ihren bunten Butzenscheiben befreit, was dem nun großzügig und hell wirkenden Raum über die reine Erschließungsfunktion hinaus auch Aufenthaltsqualität beschert hat. Von hier aus betritt man rechter Hand über die als Einschübe in die historischen Türgewände gestalteten Licht- und Schallschleusen die beiden Kinosäle. Auf der anderen Seite der Halle führt der Weg in das Restaurant, das bei Bedarf um ein multifunktionales Zimmer erweitert werden kann.

Das Deckengemälde des Stiegenhauses ist zurzeit hinter einer Installation verborgen. Sie befasst sich mit den Deckenuntersichten, die Fellner & Helmer ursprünglich für das Haus entwickelt haben, und ist bis ins Erdgeschoß, den Innenhof und die daran schließenden Räume wirksam. Im ersten Stock, der auch über den unmittelbar vom Haupteingang her zugänglichen Aufzug erschlossen wird, nimmt ein großer Ausstellungsraum den Nordflügel des winkelförmig angelegten Altbaus ein. Weiße Wände, ein heller Holzboden und eine schwarze Decke gewährleisten größtmögliche Freiheit in der Ausstellungsgestaltung.

Die kleineren, von Ateliers, Büros und dem erwähnten Kaiserpanorama belegten Räume des Obergeschoßes haben Gärtner + Neururer unter Berücksichtigung haustechnischer Erfordernisse noch näher an den Originalzustand herangeführt. Mit wenigen sparsamen Eingriffen, die sich in vielen Bereichen auf den Einsatz von Farben und Mustern beschränken, ist es hier wie in der gesamten Anlage gelungen, den Notwendigkeiten des Alltags unter der gebotenen Rücksichtnahme auf das Baudenkmal eine überraschende Dichte an sinnlichen Momenten abzugewinnen.

Spectrum, Sa., 2012.11.17

13. Oktober 2012Romana Ring
Spectrum

Von der Sünde auf dem Land

Vergangenheit und Gegenwart treffen in einem alten Bauernhof im Traunviertel aufeinander. Und was bringt die Bauzukunft für den Traum vom Leben in der Natur?

Vergangenheit und Gegenwart treffen in einem alten Bauernhof im Traunviertel aufeinander. Und was bringt die Bauzukunft für den Traum vom Leben in der Natur?

Nähert man sich der Ortschaft Saaß von Garsten kommend, wird der Weg zu einer Reise in vergangene Zeiten: in ein Land der Äcker, deren Eigentümer ihren Stolz in einer der suggestivsten Bauformen landwirtschaftlichen Bauens, dem Vierkanthof, zum Ausdruck brachten. Das Traunviertel gehört zu den fruchtbarsten Gegenden, und die Bauern zählen zu den wohlhabendsten Oberösterreichs. Doch auch an begünstigten Landstrichen ist der jüngste Strukturwandel der Landwirtschaft nicht spurlos vorübergegangen. Viele der stattlichen Höfe stehen leer; die Familien sind kleiner geworden, die Maschinen umso größer: Sie passen nicht mehr durch die alten Durchfahrten. In den Ställen ist kein Vieh, in den Speichern kein Getreide mehr, und die imposanten Dächer, unter denen einst so vieles seinen Platz gefunden hat, sind zu einem drückenden Kostenfaktor geworden.

Der im ländlichen Idyll von Saaß gelegene Hof der Familie K. wurde bereits in den 1940er-Jahren durch einen Brand auf zwei im rechten Winkel zueinander stehende Trakte reduziert. Ein gotischer Stadel, der sich etwas abseits vom Hauptgebäude über einem gewölbten Mostkeller erhebt, gibt Aufschluss über die Tiefe der historischen Wurzeln dieses Ortes, der wohl schon einige Male an die Gegebenheiten einer neuen Zeit adaptiert wurde. Seine letzte Überformung hat vor etwa acht Jahren mit der Hofübergabe eingesetzt. Eine der ersten Maßnahmen galt der Modernisierung des Wohngebäudes aus bauphysikalischer Sicht.

Schon damals begleiteten Hertl Architekten aus Steyr diesen Prozess. Anstatt die dem alten Mauerwerk angefügte Hülle aus Wärmedämmung kurzerhand unter einer unverfänglich geputzten Oberfläche verschwinden zu lassen, haben sie ihr eine hinterlüftete Schicht aus Faserzementplatten vorgeblendet. An der Südfassade unterstützen Solarpaneele das Bemühen um die Dämpfung des Energieverbrauchs. Die aus den Formaten der Paneele abgeleitete Plattenteilung findet sich im Bereich der Faserzementfassade wieder, was die Geschlossenheit des Baukörpers bewahrt. Mit der nach wie vor mineralischen Oberfläche und der Betonung der horizontalen Fugen durch schmale Aluminiumbänder wird die Verbindung zu den historischen, oft unverputzten Höfen der Gegend geknüpft, ohne die hinter der Fassade liegende Sanierungsmaßnahme zu verschleiern.

Als der Familienzuwachs die Vergrößerung des Wohnraums wünschenswert machte, setzte die nächste Stufe der Umgestaltung des Hofes ein. Man hatte die Schafhaltung mittlerweile aufgegeben, Stall und Speicher standen leer. Ihr Volumen sollte nun der Erweiterung des Wohnbereichs dienen. Hertl Architekten haben auch hier eine Lösung entwickelt, die sich die Überlieferung des Bestandes zum Anliegen macht und gleichzeitig klar in der Gegenwart verankert ist, ja, als Beispiel in die Zukunft weist. Die Kontur des Stalltraktes ist ebenso wie die alte Durchfahrt erhalten geblieben. Auch in das Dach wurde nur sehr sparsam eingegriffen. Der Misthaufen auf dem schönsten und sonnigsten Platz des Hofes gelegen, musste einer Holzterrasse weichen, in die ein kleines Schwimmbecken eingelassen ist. Hier sitzt man nun geschützt auf einem Podest am Rand der kleinen Mulde, in die der Hof gebettet liegt, und genießt die Sonnenstrahlen. Der neue Wohntrakt nimmt ein wichtiges Motiv bäuerlich geprägten Bauens auf: die Großzügigkeit. Diese geht hier zunächst mit praktischen Aspekten des täglichen Lebens einher. So sind im Erdgeschoß des Neubaus vorwiegend Wirtschaftsräume, eine Werkstätte sowie die dazugehörenden Schmutzschleusen und Sanitärräume untergebracht. Auch eine kleine Praxis hat im Erdgeschoß Platz gefunden. Sie ist dem neuen Eingang an der Ostseite des Hofes unmittelbar nachgeordnet und Klienten somit ohne Störung der Privatsphäre zugänglich. Eine massive, weiß verputzte, mit Trittstufen aus Holz belegte Stiege wendelt sich um eine von oben belichtete Nische in den ersten Stock. Hier wie unten gibt die Mittelgangerschließung im angrenzenden Bestand die Organisation des Grundrisses vor. Neben der Stiege hat ein neues Bad Platz gefunden, das eine robuste Eleganz zeigt. Vis-à-vis von Stiege und Bad erschließt der Gang ein WC und das Schlafzimmer der Eltern, während die Kinderzimmer, die Küche und der Essbereich unverändert im alten Trakt verblieben sind.

Jener Teil des Neubaus aber, in dem die Hertl Architekten den Wunsch ihrer Bauherrschaft nach mehr Platz mit einem deutlichen Mehr an Raum beantwortet haben, öffnet sich über die gesamte Tiefe des Traktes und die volle Höhe seines Dachraums an der nördlichen Stirnseite des Hauses. Wo früher der Heuboden war, befindet sich jetzt ein großes Wohnzimmer. Der mächtige Dachstuhl des Stadels ist erhalten geblieben, und auch die Tannenholzverkleidung dieses Gebäudeteils hält die Erinnerung an seine Vergangenheit lebendig. Entlang der Traufen verwischen gläserne Schiebelemente die Grenze zwischen außen und innen; hier blickt man über das Land, während die zarten Stäbe der äußeren Holzverkleidung das Gefühl der Geborgenheit bewahren. Über einen Glasschlitz im Dach fällt Streiflicht von oben auf die Giebelwand. Die Stimmung des Raums suggeriert Bodenständigkeit, Freiheit und einen weiten Horizont. Sie beschwört den kulturellen Funken, der einst auch die Entwicklung der Vierkanthöfe befeuert haben mag.

So schaut man aus diesem gut gepflegten Erbstück ländlicher Baukultur weit über das hügelige Land und sieht den westlichen Horizont von der weitaus häufigeren Gestalt, die uns das Bauen auf dem Lande heute zeigt, begrenzt: von einem Zersiedlungsgebiet, dessen Existenz sich keiner kulturellen Regung verdankt. Das schnelle Geld, das sich mit Umwidmungen machen lässt, die Sehnsucht der Städter nach Natur und das dichte Netz persönlicher Abhängigkeiten, in dem die Entscheidungsträger sogenannter Raumordnung gefangen sind, bringen, von der öffentlichen Hand kräftig subventioniert, diese traurigen Schlachtfelder fehlgeleiteter Träume auf Österreichs besten Ackerböden hervor. Ein Strukturwandel dieser Art von Land-Wirtschaft ist schon lange überfällig, doch kaum wahrscheinlich.

Spectrum, Sa., 2012.10.13



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Kern Bauernhaus

25. August 2012Romana Ring
Spectrum

In lockerer Dichte

Im oberösterreichischen Altmünster: eine Wohnhausanlage, angelehnt an die „klassische“ Sommerfrische-Architektur des Salzkammerguts. Mitsamt Swimmingpool und Weitblick.

Im oberösterreichischen Altmünster: eine Wohnhausanlage, angelehnt an die „klassische“ Sommerfrische-Architektur des Salzkammerguts. Mitsamt Swimmingpool und Weitblick.

Die Marktgemeinde Altmünster am Traunsee ist stark vom Tourismus geprägt. Das muss nicht unbedingt nur Gutes heißen. Denn wie nahezu überall, wo es etwas zu verschandeln gibt, führen auch hier Zeugnisse der handelsüblichen pseudoalpinen Ländlichkeit den seltsamen Qualitätsschwund im anonymen Bauen der Wirtschaftswundergesellschaft vor Augen. Doch sind gerade in Altmünster zuletzt wichtige Beispiele zeitgenössischer Architektur entstanden, wie etwa das mit dem oberösterreichischen Holzbaupreis 2012 ausgezeichnete Agrarbildungszentrum Salzkammergut der Fink Thurnher Architekten. Und mag dieser Umstand auch dem Zufall zu verdanken sein, so spricht er doch für das Glück der Tüchtigen, denn Altmünster bedient sich in seiner Rolle als Baubehörde zur Entscheidung komplexer Fragen eines Gestaltungsbeirates, den es mit der Nachbargemeinde Gmunden teilt.

Dieser Beirat war auch mit der Begutachtung einer Wohnanlage befasst, den die Linzer Riepl Riepl Architekten für den in Wels ansässigen Bauträger Consulting Company entwickelt haben. Der Bauplatz liegt prominent an der Ebenzweierstraße, unmittelbar neben der von Luger & Maul 2010 vorbildlich erweiterten Berufsschule für Lehrlinge aus dem Tourismus. Durch seine erhöhte Lage ist er von einer Qualität geprägt, die in der gesamten Region eine große Rolle spielt: Er bietet eine schöne Aussicht. Doch während noch im Raum von Vöcklabruck alle Häuser, die auf sich halten, unweigerlich zum Traunstein blicken, haben Riepl Riepl sich die Freiheit genommen, alle vier Blickrichtungen des Bauplatzes als attraktiv einzuschätzen und ihre Häuser folglich über quadratischem Grundriss mit umlaufenden Balkonen konzipiert.

Insgesamt neun viergeschoßige Häuser sind so über das Grundstück verteilt, dass sie einander nicht die Sicht verstellen und überdies zwei gemeinschaftlich genutzte Freiräume fassen. Diese sind in eine von Anna Detzlhofer gestaltete Grünanlage eingebettet, die als Fortsetzung der historischen Parkanlage im Osten gedacht ist. Die Entscheidung, die ebenerdigen Wohnungen nicht, wie sonst häufig geübt, durch die Zuteilung von Eigengärten zu privilegieren, bewahrt der Anlage ihre Großzügigkeit. Die einzelnen Häuser erheben sich aus Rasenflächen, die durch ein rechtwinkelig gehaltenes Wegesystem geteilt werden. Staudenbeete in geschwungener Linienführung und mit Bedacht auf die ungestörte Aussicht gesetzte Bäume greifen weitere Motive des historischen Parks auf und verankern so die für das Projekt gewählte Bezeichnung „Parkvillen“ in der Wirklichkeit. So ein Park muss von Autos naturgemäß vollkommen frei gehalten werden. Dem kommt die Topografie entgegen: Dank der Hochlage des Bauplatzes über der Straße war es möglich, eine Tiefgarage in das Gelände zu versenken, die an alle neun Häuser angebunden ist, sodass selbst für das Beziehen der Wohnungen oder schweres Gepäck oberirdisch eine rein fußläufige Erschließung der Anlage genügt.

Auch der zweite Teil des mit dem Namen gegebenen Versprechens ist nicht allzu weit hergeholt: Die Häuser sind – obwohl nur etwa halb so hoch wie die straßenbegleitenden Alleebäume – nobel proportioniert und lassen in ihren von durchlaufenden Geschoßdecken und Hochformaten geprägten Fassaden die Gesimse und Fensterachsen historischer Landhäuser entfernt anklingen. Deutlich leichter noch entdeckt mandas Motiv der Veranda der „klassischen“ Sommerfrische-Architektur des Salzkammerguts. Riepl Riepl haben dieses Motiv in den umlaufenden Balkonen mit ihren vorgesetzten, verschiebbaren Sonnen- und Sichtschutzelementen aus perforiertem Blechaufgegriffen, die mit raumhohen Verglasungen korrespondieren. Außen liegende, den leer stehenden Zweitwohnsitz unweigerlich kündende Rollläden werden durch diesen baulichen Sonnenschutz obsolet und sind in der sorgfältig detaillierten Ebenflächigkeit von Boden und Decke außen und innen bewusst nicht vorgesehen. Alle Wohnungen sind ungeachtet ihrer unterschiedlichen Größen zumindest aus zwei Himmelsrichtungen belichtet und haben Anteil an einem Balkon. Für jede Wohnung ist an einer Ecke der Balkon ein wenig in das Innere der Gebäudeflucht gezogen, sodass eine Art Wohnzimmer im Freien entsteht. Die lichte Raumhöhe von 2,80 Metern und der Wechsel von verputzten Wandscheiben und raumhohen Verglasungen verstärken den Eindruck großzügiger Weite in allen Wohnungen. So wird der Bezug zur Natur zu jenem von Komfort temperierten ästhetischen Genuss, den man in dieser Gegend schon vor 100 Jahren zu schätzen wusste.

Die Anlage ist auch bautechnisch auf dem neuesten Stand errichtet: Hohe Wärmedämmwerte der Hülle, die sorgfältige thermische Entkopplung der auskragenden Bauteile und eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung gewährleisten geringe Heizkosten. Die Erschließung derHäuser erfolgt über zentral angeordnete, von oben belichtete Stiegenhäuser, die eine einläufige Treppe und einen Lift fassen. Die solide Ausführung der Gebäude korrespondiertmit klug organisierten Grundrissen und einer Material- und Farbwahl, die den Anspruch der Gediegenheit erneut unterstreicht. Doch während in den Wohnhäusern die Interpretation des Raumes den Boden des zwar Feinen, aber dennoch Alltäglichen aus gutem Grund nicht verlässt, zeigen Riepl Riepl im zentral gelegenen Badehaus, was sich aus Sichtbeton und Tannenholz alles machen lässt, wenn man mit Raum, Licht und Material umzugehen weiß. In diesem kleinen – Umkleiden, Sanitärzellen und einen gedeckten Sitzplatz fassenden – Gebäude und dem anschließenden, mit einigem Geschick in die Topografie des Parks gefügten Schwimmbecken wird die Inspiration spürbar, die Architekten aus einer Aufgabe, einemOrt, einer Stimmung zu schöpfen vermögen.

Riepl Riepl haben in den Parkvillen von Altmünster die für das Salzkammergut so typischen Verbindungen von ländlicher Bodenständigkeit und ihrer Wahrnehmung als Idyll, der (Ehr)furcht vor der Natur und ihrer Zähmung im Ausblick, vom einfachen Leben und dem gehobenen Komfort neu geknüpft und der Region eine Antwort gegeben, die für Fragen des Alltagslebens wie des Fremdenverkehrs gleichermaßen Gültigkeit hat.

Spectrum, Sa., 2012.08.25



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Parkvillen Altmünster

29. Juni 2012Romana Ring
Spectrum

Respekt statt Routine

Ungünstig gelegener Bauplatz, schwieriges Umfeld, hoher Kostendruck: Was kann daraus schon werden? Kaum zu glauben, aber wahr: Qualität im Wohnbau. Nachrichten aus Linz.

Ungünstig gelegener Bauplatz, schwieriges Umfeld, hoher Kostendruck: Was kann daraus schon werden? Kaum zu glauben, aber wahr: Qualität im Wohnbau. Nachrichten aus Linz.

Nehmen wir einen Bauplatz ungünstigen Zuschnitts in einem städtebaulich schwierigen Umfeld. Fügen wir das Wissen um die systembedingte Trägheit des geförderten Wohnungsbaus hinzu, und würzen wir das alles mit jenem Kostendruck, der Bauaufgaben der Kategorie „Sozial-“ stets belastet. Wer wollte es uns da übel nehmen, wenn wir sagten: Unter solchen Umständen hat Qualität im sozialen Wohnungsbau – leider, leider – keine Chance? Deutlich mühevoller, den künftigen Bewohnern aber unmittelbar nützlicher ist es, sich bei aufrechtem Einsatz zur Veränderung der Rahmenbedingungen ihren Widrigkeiten zu stellen und mit vielen kleinen, wenig glamourösen Maßnahmen eben doch Qualität zu erzeugen.

Die GWG der Stadt Linz ist eine gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft, die ihre Planungsaufträge zuweilen über Wettbewerbe oder freihändig an inhaltlich und gestalterisch anspruchsvolle Architekturbüros vergibt. Der in der Steiermark und in Oberösterreich mit hochrangigen Architekturpreisen ausgezeichnete Linzer Klaus Leitner gehört zu dieser, im oberösterreichischen Wohnungsbau nicht eben überrepräsentierten Schar. Er hat in Arbeitsgemeinschaft mit dem in Wien ansässigen Architekten Walter Hans Michl für die GWG auf einer „Laskahof“ genannten Restfläche unter hohem Planungsaufwand eine Anlage von 90 Wohnungen mit einem viergruppigen Kindergarten entwickelt, die den Mehrwert von Architektur in einem weitgehend visionslos gewordenen Aufgabenfeld dokumentiert.

Der Laskahof liegt im Südwesten von Linz unmittelbar neben einem Park. Da dieser Park aber von drei stark befahrenen Straßen flankiert wird, zeichnet den Bauplatz ungeachtet der Lage am Grünraum vor allem seine hohe Immissionsbelastung aus. Gelänge es von dieser abzusehen, bliebe dennoch das wenig ansprechende Umfeld der von Drive-ins, Gewerbebauten und den Resten kleinstmaßstäblicher Wohnhäuser geprägten Randzone, die an das klarer aufgebaute Siedlungsgebiet der Neuen Heimat grenzt. Aber es bleibt: der Park. Wenngleich sein Wert durch eine den Verkehrslärm mildernde Bebauung entlang der Salzburger Straße enorm steigen würde, macht er hier mit seinem schönen alten Baumbestand eine Wohnbebauung erst denkbar.

Die klugerweise in Passivhausqualität mit kontrollierter Raumlüftung ausgeführte, also auch bei stets geschlossenen Fenstern funktionstüchtige Anlage schirmt folglich den Grünraum von den Straßen im Süden und Osten ab. Der die Krümmung der Laskahofstraße begleitende Trakt ist fünfgeschoßig, jener an der Dauphinestraße setzt die geschlossene Bebauung nur in einem Sockelgeschoß fort, über dem sich drei Pavillons mit jeweils vier Obergeschoßen erheben. Ein vierter, ebenerdiger Pavillon ist in die an dieser Stelle ein wenig größere Tiefe des Bauplatzes geschoben. Er fasst die vier Gruppenräume des Kindergartens, die sich mit großzügigen Verglasungen und über vorgelagerte überdachte Freibereiche zum Garten hin öffnen. Die mit sorgfältig detaillierten Einbauschränken aus hellem Holz ausgestatteten Gruppenräume haben eine etwas erhöhte, zweigeschoßig ausgebildete, von einer Laterne erhellte Mitte und eine korrespondierende Mulde im Boden. So wird der Umgang mit unterschiedlichen Raumebenen und -qualitäten zu einer anregenden Alltagserfahrung für die Kinder. Die Gemeinschafts-, Verwaltungs- und Nebenräume des Kindergartens sind im straßenbegleitenden Trakt untergebracht, jedoch wie die Gruppenräume weitgehend zum Garten hin orientiert. Zwei Geschäftslokale und die drei Stiegenhäuser zur Erschließung der Wohngeschoße nehmen den Rest des Sockelgeschoßes ein.

In den Stockwerken darüber liegen die über großflächige Glasfassaden natürlich belichteten Treppen in der Mitte der Baukörper und erschließen so pro Ebene drei respektive vier Wohnungen. Die verringerte Bebauungsdichte der Wohngeschoße geht mit der Erweiterung des Freiraums und der Steigerung der Nutzungsqualität einher: Keine der Wohnungen ist ausschließlich zur Straße hin orientiert, das Dach des Sockelgeschoßes ist überdies als Terrasse den daran liegenden Wohnräumen zugeordnet. Der zweite, die Laskahofstraße flankierende Trakt wird von einem anderen Wohnungstyp geprägt, in dem die Teilhabe am Grünraum jedoch mit ähnlichem Sinn für Gerechtigkeit behandelt wird. Die Wohnungen im etwas aus dem Terrain gehobenen Erdgeschoß öffnen sich allesamt zum begrünten Innenhof und verfügen über einen kleinen Garten, während der straßenseitige Teil des Erdgeschoßes mit Nebenräumen belegt ist. In den Obergeschoßen aber liegen Maisonetten, die auf jeweils einer ihrer beiden Ebenen von der Straße, auf der anderen aber vom Hof her belichtet werden. Damit haben Leitner/Michl den ausdrücklichen Wunsch der GWG, rein straßenseitig belichtete Wohnungen zu vermeiden, erfüllt und gleichzeitig in zwei Geschoßen die horizontalen Erschließungsflächen eingespart.

Ein zweites Anliegen: Die Ergänzung jeder Wohnung durch einen privaten Freiraum prägt auch das Erscheinungsbild der Anlage. Die mit einer dicken Schichte aus Wärmedämmung und orangem Verputz Witterung und Stadtraum trotzenden Baukörper gewinnen durch eine Vielzahl an dicht und bewusst unregelmäßig gesetzten Loggien eine fröhlich anmutende Plastizität. Die schiere Menge und das unbekümmerte Nebeneinander rufen Erinnerungen an die dichten Siedlungen südlicher Gefilde wach, was, je nach Hintergrund, „Urlaub oder Heimat“ bedeuten mag. Der Respekt vor der Sehnsucht vieler Menschen nach dem eigenen kleinen Stück grüner Wiese und blauen Himmels erschöpft sich im Laskahof aber nicht in einigen wenigen Mietergärten und in Loggien für alle. Es spricht für die Beweglichkeit der GWG, dass sie den Vorschlag der Architekten, die flachen Dächer der Häuser in kleine Gartenparzellen zu teilen, umgesetzt hat. Hier oben, weit über dem Lärmen des Stadtrands, pflegen die Mieter ihre Blumen und Gemüsestauden. Vielleicht ersparen sie es sich dadurch sogar, eines Tages den ohnedies nie versiegenden Strom der Pendler in das vermeintliche Idyll des Speckgürtels zu speisen.

Spectrum, Fr., 2012.06.29

19. Mai 2012Romana Ring
Spectrum

Im Rahmen des Möglichen

Interventionen am Schulbau in Oberösterreich: Viel Neues entstand in den vergangenen Jahren – von einer Qualität, die Hoffnung für die Zukunft macht.

Interventionen am Schulbau in Oberösterreich: Viel Neues entstand in den vergangenen Jahren – von einer Qualität, die Hoffnung für die Zukunft macht.

Es vergeht kein Tag, an dem nicht die dringende Reformbedürftigkeit des österreichischen Schulwesens Thema wäre. Doch während man die Veränderungen der Institution verhandelt, wird Schule als Raum weitergebaut. Ist das mutwilliges Zementieren bestehender Strukturen? Oder vernunftgeleitetes Handeln zur Verbesserung der Situation im Rahmen des Möglichen?

In Oberösterreich hat der Schulbau in den letzten Jahren eine überraschend große Zahl an beachtenswerten Beispielen hervorgebracht. Das Bundesschulzentrum Kirchdorf der Riepl Riepl Architekten beispielsweise, das Schulzentrum Taufkirchen an der Pram der Dietmar Feichtinger Architectes oder das unlängst fertiggestellte AgrarBildungsZentrum Salzkammergut in Altmüster der Fink Thurnher Architekten sind über die Grenzen des (Bundes)Landes hinweg als wegweisend wahrgenommen worden. Doch gibt es neben den in der Fachpresse publizierten Objekten noch eine erhebliche „Dunkelziffer“ an Interventionen am Schulbau in Oberösterreich, die von Neubauten über Adaptierungen oder Zubauten eines gemeinsam haben: eine den engen Grenzen der Schulbauverordnungen und Budgets abgerungene räumliche Qualität, die Freude mit der Gegenwart und Hoffnung für die Zukunft macht.

Für das Umfeld, in dem diese Leistungen entstehen können, ist die mit dem Bauherrenpreis der ZV 2011 ausgezeichnete Landwirtschaftliche Berufs- und Fachschule Ritzlhof in Haid der Architekten Dickinger-Ramoni (Vorchdorf/Innsbruck) symptomatisch. Die Bauherrschaft, das Land Oberösterreich, hat dieses Projekt als Impulsgeber für den Schulbau, das Bauen für die Landwirtschaft und für den Holzbau gesehen und entsprechend gehandelt. Man hat das Projekt nicht einem der plausiblen „Anbieter für Baudienstleistungen“ überantwortet, sondern von der Wettbewerbsausschreibung bis zur Übergabe in der eigenen Bauabteilung begleitet; das Potenzial des Entwurfs von der Juryentscheidung bis zur Detailentwicklung erkannt und weitestgehend umgesetzt.

Der Erweiterungsbau des denkmalgeschützten Ritzlhofes schmiegt sich als Komposition aus Beton, Holz und Licht in den Landschaftsraum und rückt das Bild der gesamten Anlage zurecht. War diese bisher von Repräsentation nach außen und Rigidität im Innenraum geprägt, verzichtet man nun auf den großen Auftritt, um sich in aller Ruhe vor allem einmal Raum zu geben. Hinter dem unter dem Dachvorsprung eingezogenen, niedrig gehaltenen Windfang öffnet sich in gleicher Breite eine Aula, durchmisst die gesamte Tiefe des Hauses, kreuzt dabei den unterirdischen Verbindungsgang zu den beiden historischen Trakten und führt letztlich über Stufen hinauf und wieder hinaus in das Gelände. Zur rechten Hand erweitert die ein wenig tiefer liegende Zentralgarderobe, von runden Lichtkuppeln erhellt, den Raum. Auf der linken Seite der Aula liegt der Mehrzweck-Turnsaal, mit seinem flankierenden Atriumhof als lichtspendendes Volumen im Gelände versenkt. Darum herum sind die Bibliothek und Unterrichtsräume an Gängen gruppiert, die jeweils ins Freie münden. Den Holzbau zeigen Dickinger-Ramoni als feingliedrige, additive Technologie, die den hohen Planungsaufwand mit feinen Details und subtilen (Licht)Stimmungen belohnt. Auch dem Neubau der Volksschule in Bad Wimsbach ist ein Architektenwettbewerb vorausgegangen, den die Welser Architekten Luger & Maul gewonnen haben. Den Planungsauftrag wollten die Bad-Wimsbacher dann lieber an ein Architekturbüro vergeben, das in der ersten Runde des Wettbewerbs ausgeschieden war. Doch auch hier hat das unmissverständliche Bekenntnis des Landes die glückliche Wende gebracht. Luger & Maul haben die Volksschule gebaut und die kleine Landgemeinde damit in den Genuss eines Schulhauses gebracht, das künftige Entwicklungen des Schulalltags inspirieren wird. Denn das kompakt um einen Atriumhof herum entwickelte zweigeschoßige Gebäude legt mit seinen hellen, in enger Beziehung zueinander stehenden und ebenso behaglich wie variabel und nutzungsneutral gestalteten Räumen nicht nur ein offenes, gemeinschaftliches Lernen über die Grenzen von Themen und Klassen nahe. Es stellt auch über eine Vielzahl von Blickbeziehungen und einige multifunktional angelegte, direkt aus dem öffentlichen Raum zugängliche Bereiche, wie die Küche mit dem Essplatz, die Bibliothek oder den Mehrzweck-Turnsaal, den Kontakt zum Ortskern her.

Während sich also Schule auf dem Land schon recht wandlungsfähig zeigt, ist man beispielsweise in der VS49, der „Robinsonschule“ in Linz, beim „Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen“ geblieben. Die Stadt Linz hat die Architekten Schneider & Lengauer mit der Sanierung des ursprünglich aus den 1970er-Jahren stammenden Schulgebäudes und mit der Errichtung eines Hortes auf dem Gelände beauftragt. Schneider & Lengauer haben den Bestand unter weitgehender Beibehaltung seiner einhüftig und nicht ohne Großzügigkeit angelegten Struktur thermisch saniert, den Turnsaal kräftig runderneuert und die Eingangszone neu geordnet. Das zweigeschoßige, in Holzbauweise errichtete Hortgebäude schließt das aus Schule und Turnsaal gebildete L zu einem U und blendet so den angrenzenden Möbelhaus-Parkplatz aus. Damit lebt die von einem äußerst engagierten Team geführte Schule noch näher an ihrem Motto „Naturerlebnis für Stadtkinder“; denn Schule und Hort teilen sich den nun geschützten Garten, in dem ein begehbares Kunst-am-Bau-Objekt, die von Tobias Hagleitner und Gunar Wilhelm gestaltete „Luftigschule“, eine wichtige Rolle spielt. Beide Gebäude wenden sich mit ihren Klassen- respektive Gruppenräumen dem Garten zu. Dabei beziehen die Gruppenräume des Hortes mit ihren vorgelagerten gedeckten Terrassen den Außenraum besonders deutlich ein und bringen, als einfache, doch sorgfältig bearbeitete Holzschatullen ausgeführt, einen weiteren Naturbezug ins Spiel. Sollte es einer bildungspolitischen Obrigkeit einst gefallen, die Grenze zwischen Lernen (vormittags) und Leben (nachmittags) zu öffnen: An der Robinsonschule wird das wohl ohne allzu großen Aufwand möglich sein.

Spectrum, Sa., 2012.05.19

18. Februar 2012Romana Ring
Spectrum

Die schöne Seite der Medaille

Das Salzburger Bankhaus Spängler in Linz: Aus einem desolaten Haus wurde ein modernes Bankgebäude – mit Rücksicht auf die historische Bausubstanz. Dafür gab es auch den Bauherrenpreis.

Das Salzburger Bankhaus Spängler in Linz: Aus einem desolaten Haus wurde ein modernes Bankgebäude – mit Rücksicht auf die historische Bausubstanz. Dafür gab es auch den Bauherrenpreis.

Zuletzt sind es doch eher die Schattenseiten des Geldes gewesen, denen unsere Aufmerksamkeit gegolten hat: der Gier, der Ungerechtigkeit, dem allgemeinen Niedergang, die durch „die Finanzwirtschaft“ befeuert werden. Viel seltener nehmen wir – aus Mangel an Gelegenheit? – die kulturellen Werte in den Blick, die Geld, klug eingesetzt, schafft und erhält. Es mag die recht selten gewordene Verbindung von Vermögen, kulturellem Verantwortungsbewusstsein und visionärem Mut gewesen sein, die dem Salzburger Bankhaus Spängler 2011 den begehrten Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs eingetragen hat.

Mut hat ja schon die Entscheidung erfordert, ein desolates und denkmalgeschütztes Haus am Linzer Hauptplatz zum Standort der Niederlassung in Oberösterreich zu wählen. Ebenso (branchen)unüblich war es, die Revitalisierung des Gebäudes nicht einem geschmeidigen Immobilienabwickler zu überlassen, sondern sie den jungen ortsansässigen Heidl Architekten anzuvertrauen. Und auch der in den 1990er-Jahren begonnene, in bisher drei Etappen abgelaufene Adaptierungsprozess hat Architekten und Bauherrschaft mit immer neuen Herausforderungen überrascht.

Das nur sechseinhalb Meter breite, aber 60 Meter tiefe Haus, das sich mit seinen drei Fensterachsen fünfgeschoßig an der Westseite des Linzer Hauptplatzes erhebt, steht auf mittelalterlichen Grundmauern und wurde in seiner Jahrhunderte währenden Geschichte mehrmals umgeformt. Es besteht aus einem dem Platz zugewandten Haupthaus, dem von einem spätgotischen Arkadenhof geprägten Mitteltrakt und einem Hinterhaus. Beim Gang durch das Gebäude öffnet sich, an der perspektivisch wirkungsvoll geknickten Mittelmauer aufgefädelt, eine abwechslungsreiche Folge von Innen- und Außenräumen, die ein ebenso komplexes wie leistungsfähiges Gefüge von Wegen, Blickbeziehungen, Lichtschneisen und Belüftungsströmen bildet. Es galt nun, dieses behutsam von den Anlandungen der Zeit zu befreien und ihm so seine ursprüngliche Funktionstüchtigkeit wiederzugeben. Dabei stieß man auf eine Tragstruktur, die zwar viele Hohlräume aufwies, ihrer Aufgabe der Lastverteilung dennoch weitgehend in der historischen Substanz gewachsen war. Einschneidende Ereignisse wie der Linzer Stadtbrand im Jahr 1800 haben darin ebenso ihren Niederschlag gefunden wie die Eigenart gotischer Gewölbe, sich an den Nachbarhäusern abzustützen.

Die Rückführung der Anlage auf ihren Zustand in einer bestimmten Epoche war ebenso wenig Ziel der Maßnahmen wie ihre Modernisierung mit dem Ergebnis einer einheitlichen, heutigem Schönheits- oder auch nur Ordnungsempfinden entsprechenden Oberfläche. Heidl Architekten haben zwar großflächig gotischen Verputz und alte Steinstiegen unter dicken Belägen freigelegt, eine aus dem frühen 19. Jahrhundert stammende Fensterverkleidung aber dennoch belassen und ergänzt, sodass die dahinter verborgene barocke Wandmalerei erst durch das Öffnen eines Paneels sichtbar wird. Mit kleinen Gesten dieser Art wird der besondere Reiz des Hauses, seine zeitliche wie räumliche Vielschichtigkeit, ebenso unterstrichen wie durch den Verzicht auf schnelle Perfektion: Was noch gebrauchstüchtig war, wurde in Ruhe gelassen. Manche Steinplatten in den Gängen haben Sprünge, der eine oder andere Deckenbalken ist nach wie vor leicht angekohlt, und man senkt den Kopf gerne vor dem Türsturz, der mit seiner Schräglage die unterschiedlichen Setzungen der Wände dokumentiert und, hoffentlich, auch künftigen Generationen noch zeigen wird, wann und wo die Situation gefährlich werden könnte.

Die Schichte, mit der die Heidl Architekten die historische Substanz an heutige Vorstellungen von Komfort herangeführt haben, fügt sich deutlich sichtbar ihrer Entstehungszeit zugehörig und dennoch ohne falschen Ton in den Zusammenklang der Epochen. Da die Bauherrschaft bereit war, die Organisationsstruktur ihres Betriebs jener des Hauses anzupassen, konnten die Heidl Architekten die Revitalisierungsmaßnahmen im Erdgeschoß und in den beiden ersten Obergeschoßen auf ein schonendes Freilegen der räumlichen Vorzüge des Denkmals konzentrieren. Der schlechte Erhaltungszustand der Tragkonstruktion im dritten und vierten Obergeschoß machte hier allerdings den Einbau von Betonscheiben und einer neuen Dachschale aus Beton notwendig. Um Gewicht zu sparen, ist ein großer Teil dieser beiden Ebenen zweigeschoßig ausgeführt, was ihr Entstehungsdatum ebenso klar kommuniziert wie die Oberflächen aus Sichtbeton. Die haustechnische Nachrüstung des Gebäudes erfolgte über einen vertikalen Strang, der in allen Geschoßen mit hinterleuchtet satiniertem Glas verkleidet ist. Ein Doppelboden aus Bambusholz – ebenfalls effektvoll durch Lichtbänder vom Bestand getrennt – ermöglicht die horizontale Verteilung der Versorgungsleitungen unter weitgehender Vermeidung von Eingriffen in die historische Substanz. Gleichzeitig gewährt er größtmögliche Variabilität der Arbeitsplätze, was seitens der Nutzer gerne angenommen wird.

Generell zeigt das Bankhaus Spängler nach wie vor jene Offenheit und Experimentierfreude im Umgang mit seinem Objekt, die es schon zu Beginn des Unterfangens an den Tag gelegt hat. Lediglich die dem Hauptplatz zugewandte Kassenhalle im Erdgeschoß – von den Heidl Architekten mit scharrierten, teils lederbelegten Betonfertigteilen ausdrücklich bescheiden bei größtmöglicher Werthaltigkeit ausgestattet – ist seit der Eröffnung unverändert. Die anderen Räume werden im Wechsel der Bedürfnisse immer wieder neu besiedelt. Dazu zählt auch der Hof mit seiner im Zuge der Umbauarbeiten wiederentdeckten, teilweise erst entstandenen Vielfalt an malerischen Terrassen, Aufgängen und Durchblicken. Er ist in Zusammenarbeit mit der Landschaftsplanerin Barbara Bacher als abwechslungsreiche Ergänzung des Raumangebots gestaltet worden. So ist die gesamte Anlage nun ein schönes Beispiel dafür, wie man aus schlummerndem Kapital mit maximaler Anmut Gewinne für die Zukunft schöpft.

Spectrum, Sa., 2012.02.18



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Bankhaus Spängler

17. Dezember 2011Romana Ring
Spectrum

Die Brücke von Linz

Die Eisenbahnbrücke ist die älteste der Linzer Brücken. Doch seit je fristet sie ein Stiefkind-Dasein. Nun wird wieder einmal über ihre Zukunft debattiert, weil die Bausubstanz schwere Schäden aufweist.

Die Eisenbahnbrücke ist die älteste der Linzer Brücken. Doch seit je fristet sie ein Stiefkind-Dasein. Nun wird wieder einmal über ihre Zukunft debattiert, weil die Bausubstanz schwere Schäden aufweist.

Die Linzer Eisenbahnbrücke, Schauplatz und Symbol einer bewegten Geschichte, ist ein Denkmal und muss als solches erhalten werden. Darüber ist man sich einig. Die weitgehend im Original erhaltene Brücke ist in Österreich einzigartig und prägt wie kaum ein anderes Bauwerk den Linzer Donauraum. Im Jahr 1900 nach den Plänen des k. u. k. Hofschlossers Anton Biró fertiggestellt, ist die Eisenbahnbrücke die älteste der drei Linzer Brücken. Sie überspannt den Fluss mit drei bogenförmigen Fachwerkträgern aus genietetem Stahl, die auf gemauerten Pfeilern ruhen. Die Vorlandfelder werden von parallelgurtigen Fachwerken gebildet. Als Verbindung zwischen Mühlkreis- und Westbahn, also im Eigentum der Bahn errichtet, wird die Brücke dennoch seit jeher vom Individualverkehr – in der Frühzeit von Fuhrwerken – mitgenutzt. Heute fahren hier kaum noch Züge, während der Autoverkehr zur Versorgung des Linzer Speckgürtels stetig zunimmt.

Mit dieser einst seitens der kostenbewussten Linzer Stadtväter begrüßten Kombination von Straße und Schiene hat man einen guten Teil jener Probleme geschaffen, die seit Langem bekannt und ungelöst sind: Der Autoverkehr fordert den für die Bahn nicht notwendigen Einsatz von Streusalz im Winter; Streusalz verursacht Korrosion. Die folglich weder seitens der Stadt noch der ÖBB als solche wahrgenommene Instandhaltungspflicht hat zur kontinuierlichen Verschleppung notwendiger Reparaturarbeiten und wohl auch zu einem höchst ambivalenten Verhältnis der Linzer zu ihrem Wahrzeichen geführt. Schon 1981 wählte Meinhard Buzas für seinen durchaus kritischen Kommentar einer langen Sanierungssperre der Brücke in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ den Titel: „Halleluja, sie ist hin“.

Die Vielfalt der über die Jahrzehnte geborenen Ideen zur Behebung ihrer Unzulänglichkeiten – zu schmal, zu holprig, zu altmodisch, zu teuer, zu rostig – ist groß. Vom Abbruch und Neubau bis zum Auseinanderschneiden in der Mitte zwecks Einfügens einer ordentlich breiten Fahrbahn ist alles dabei. Verhindert wurde die Ausführung dieser Vorschläge stets durch Geldmangel und den doch noch aufkeimenden Respekt vor dem Denkmal. „Die Eisenbahnbrücke ist für Linz, was der Eiffelturm für Paris ist“, sagt Hermann Knoflacher und ergänzt: „Würde man neben die Eisenbahnbrücke eine zweite Brücke setzen, die das Gesamtbild beeinträchtigt, käme das dem Ansinnen gleich, rund um den Eiffelturm Hochhäuser zu errichten.“

Heute, 2011, ist es wieder einmal so weit: Gutachten attestieren schwere Schäden am Tragwerk der Brücke und fordern – hier differieren die Fachmeinungen – entweder die baldige Sperre für jeden Verkehr oder eine rasche umfassende Sanierung. ÖBB, Stadt Linz und Bundesdenkmalamt diskutieren folgende Lösung: Die Eisenbahnbrücke soll saniert werden, jedoch in Zukunft ausschließlich dem Schienenverkehr – hier denkt man an eine Straßenbahnlinie – dienen. Den Individualverkehr soll eine neue, unmittelbar stromabwärts neben der alten errichtete Brücke aufnehmen. Damit wäre zum ersten Mal im gewohnten Auf und Ab von Versagen und Reparatur die Hauptursache der Schäden, die Salzstreuung, beseitigt.

Gegenstand der Gespräche ist aber auch ein Projekt, das die Eisenbahnbrücke auf anderem Weg als durch Abbruch oder Einsturz zu zerstören verspricht. Es zeigt die neue Straßenbrücke als einen in drei Felder geteilten Hohlkastenträger aus Stahlbeton, auf dem die Fahrbahn etwa auf Höhe der historischen Bogenansätze zu liegen käme. Damit würde die Eisenbahnbrücke einer entscheidenden Wirkung beraubt: ihrer Transparenz. Damit nicht genug, teilen die Brückenpfeiler des Projekts die Donau nicht wie jene der alten Brücke in drei gleiche, etwas über 80 Meter breite Teile, sondern lassen – der Schifffahrtsanlagenverordnung brav entsprechend – wenige Meter neben den bestehenden Pfeilern eine mittlere Fahrrinne von 100 Metern frei. Auch diese Entscheidung kann man kaum als glücklich bezeichnen, zumal sie ein klares „. . . für den Fall, dass es die alte Brücke eines Tages doch nicht mehr gibt . . .“ transportiert.

Während also der dem Erhalt der Brücke so abträgliche Konflikt zwischen Eigentümerschaft und Nutzung auf eine Lösung zusteuert, schiebt man ihre Zukunft unnötig zwischen den Polen „Sachzwang“ und „Gestaltung“ hin und her. Die Entscheidungsträger der Stadt Linz sehen im vorliegenden Projekt ihre gültige Antwort auf den Wunsch des Bundesdenkmalamtes nach einer schlichten neuen Brücke und verwechseln leider schlicht mit einfallslos. Das weder mit Ressourcen noch öffentlichem Rückhalt verwöhnte Bundesdenkmalamt wiederum hat es schwer, die Behauptung der Techniker, es gäbe keine andere Lösung, zu widerlegen. Dass Verkehrsbauwerke und Schifffahrtsanlagenverordnungen nicht naturgegeben oder gottgewollt, sondern das Ergebnis menschlicher Entscheidungen und als solche veränderbar sind, kommt offenbar niemandem in den Sinn.

Geblendet von der zweifellos gegebenen Komplexität der Materie, übersieht man, dass gerade die alte Eisenbahnbrücke ein besonders schönes Beispiel dafür ist, wie elegant man einer Vielzahl von Anforderungen – auch den ästhetischen! – gleichzeitig genügen kann. Der in Linz ansässige, 2010 als erster Bauingenieur mit dem oberösterreichischen Landeskulturpreis für Architektur ausgezeichnete Konstrukteur Erhard Kargel setzt sich ebenfalls für die Rettung der Brücke ein: „An der Eisenbahnbrücke kann man alles ablesen. Das Ausmaß der Kräfte, die Druckstäbe, die Zugstäbe, die Art der Herstellung. Nichts ist zu viel, und nicht ist zu wenig.“ Seine eigenen zahlreichen Brückenbauten zeigen eine ähnliche Haltung, die es immer wieder ermöglicht, die unterschiedlichsten technischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten mit kulturellen Ansprüchen zur Deckung zu bringen.

Noch sind die Verhandlungen „im Fluss“, noch ist die weitere Vorgangsweise nicht festgelegt, „kein Planungsauftrag für die neue Brücke vergeben“. Doch wäre es nicht das erste Mal, wenn ein ohne Auftrag (?!) erstelltes Vorprojekt im Zusammenwirken von Zeitdruck und scheinbar fehlenden Alternativen unversehens als gebaute Wirklichkeit da stünde. Die neue Brücke muss in einen angemessen respektvollen Dialog mit dem Denkmal treten, will sie dieses nicht nachhaltiger beschädigen als es die Korrosion vermochte. Die Unart, Ingenieursleistungen nach dem Billigstbieterprinzip auf der Basis sogenannter Amtsplanungen zu vergeben, zeugt schon bei alltäglichen Bauvorhaben von Unwissen und Kurzsichtigkeit der Auftraggeber. Im Zusammenhang mit einem Denkmal wie der Linzer Eisenbahnbrücke sollte sie unvorstellbar sein.

Spectrum, Sa., 2011.12.17

19. März 2011Romana Ring
OÖNachrichten

Qualität auf mehr als einer Ebene

Mit dem neuen Niederlassungsgebäude des Baukonzerns Alpine im Gewerbepark Steyr haben die in Steyr ansässigen HERTL.ARCHITEKTEN gestalterisches Feingefühl zum überzeugenden Botschafter soliden Bauhandwerkes gemacht.

Mit dem neuen Niederlassungsgebäude des Baukonzerns Alpine im Gewerbepark Steyr haben die in Steyr ansässigen HERTL.ARCHITEKTEN gestalterisches Feingefühl zum überzeugenden Botschafter soliden Bauhandwerkes gemacht.

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Alpine Bürohaus

12. Februar 2011Romana Ring
OÖNachrichten

voestalpine: Seelsorge in der Arbeitswelt

Was gibt es Schöneres für ein Architekturbüro, als eine Oase in der Wüste zu planen? Die Linzer x architekten haben mit der Seelsorgestelle der Diözese Linz am Standort voestalpine diese und andere Metaphern in gebaute Wirklichkeit verwandelt.

Was gibt es Schöneres für ein Architekturbüro, als eine Oase in der Wüste zu planen? Die Linzer x architekten haben mit der Seelsorgestelle der Diözese Linz am Standort voestalpine diese und andere Metaphern in gebaute Wirklichkeit verwandelt.

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Seelsorgestelle „Treffpunkt Mensch und Arbeit“ voestalpine

29. Januar 2011Romana Ring
OÖNachrichten

Kunst und Bau auf Augenhöhe

Der Blick, den die Ausstellung UNSCHARFE GRENZEN im architekturforum oberösterreich am Linzer Herbert-Bayer-Platz 1 auf die aktuelle Architekturlandschaft Oberösterreichs wirft, ist im Winkel bewusst eng gehalten. Sein Informationsgehalt ist dennoch hoch.

Der Blick, den die Ausstellung UNSCHARFE GRENZEN im architekturforum oberösterreich am Linzer Herbert-Bayer-Platz 1 auf die aktuelle Architekturlandschaft Oberösterreichs wirft, ist im Winkel bewusst eng gehalten. Sein Informationsgehalt ist dennoch hoch.

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15. Januar 2011Romana Ring
OÖNachrichten

Schule und Tourismus als Maßstab von Kultur

Der Zustand unserer Schulen ist ein verlässlicher Indikator für den Wert, den wir der Bildung beimessen. Angesichts der vom Welser Architekturbüro Luger & Maul erweiterten Berufsschule in Altmünster ist dieser Wert hoch und überdies gut angelegt.

Der Zustand unserer Schulen ist ein verlässlicher Indikator für den Wert, den wir der Bildung beimessen. Angesichts der vom Welser Architekturbüro Luger & Maul erweiterten Berufsschule in Altmünster ist dieser Wert hoch und überdies gut angelegt.

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31. Dezember 2010Romana Ring
OÖNachrichten

Seelsorgezentrum: Ein neuer Kern für Lichtenberg

Lichtenberg, im Ballungsraum von Linz gelegen, sucht infolge des heftigen Wachstums der letzten Jahrzehnte seine Mitte. Ein jüngst fertig gestelltes Seelsorgezentrum markiert den Ort eines solchen neuen Schwerpunktes.

Lichtenberg, im Ballungsraum von Linz gelegen, sucht infolge des heftigen Wachstums der letzten Jahrzehnte seine Mitte. Ein jüngst fertig gestelltes Seelsorgezentrum markiert den Ort eines solchen neuen Schwerpunktes.

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18. Dezember 2010Romana Ring
OÖNachrichten

Vom neuen Wachstum in alten Kernen

Was über Jahrhunderte gewachsen ist, zerstören wir mitunter in wenigen Jahren. Doch die Revitalisierung eines Hauses im historischen Zentrum von Freistadt zeigt, dass das Aussterben unserer Ortskerne weder notwendig noch unumkehrbar ist.

Was über Jahrhunderte gewachsen ist, zerstören wir mitunter in wenigen Jahren. Doch die Revitalisierung eines Hauses im historischen Zentrum von Freistadt zeigt, dass das Aussterben unserer Ortskerne weder notwendig noch unumkehrbar ist.

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27. November 2010Romana Ring
OÖNachrichten

Dem wachsenden Musiktheater über die Schulter geschaut

Architektur ist komplex. Daher empfiehlt es sich, Gebäude frühestens nach ihrer Fertigstellung zu bewerten. Das Opernhaus jedoch, das zurzeit am Linzer Volksgarten entsteht, ist ein Projekt, dem man getrost beim Wachsen über die Schulter schauen darf.

Architektur ist komplex. Daher empfiehlt es sich, Gebäude frühestens nach ihrer Fertigstellung zu bewerten. Das Opernhaus jedoch, das zurzeit am Linzer Volksgarten entsteht, ist ein Projekt, dem man getrost beim Wachsen über die Schulter schauen darf.

Der Weg zum Baubeginn war weit und steinig. Blicken wir also lieber voraus: Entworfen und bis zur Baugenehmigung weiterentwickelt wurde das am einstigen Blumauerplatz gelegene Gebäude von Terry Pawson Architects aus London, den Siegern des seitens des Landes Oberösterreich international ausgelobten Architektenwettbewerbs.

Ihr Projekt hat die Jury durch seinen souveränen, von städtebaulicher Sensibilität getragenen Umgang mit dem Bauplatz überzeugt. Denn während die beiden großen Lärmquellen des Ortes, Bahn und Autoverkehr, nun gebündelt und abgeschirmt im Süden am Gebäude vorbei geführt werden, wendet sich das Foyer als logisches Bindeglied zwischen Theater und Stadt einem der wichtigsten Potenziale des Standortes, dem Volksgarten zu.

Die weit geöffnete Fassade hinüber zur Landstraße verschwenkt, blickt der aus mehreren Ebenen spannungsvoll komponierte Raum in den Park. Die mit der Ausführungsplanung beauftragten Büros ArchitekturConsult (Graz) und Dworschak+Mühlbachler Architekten (Linz) haben diesen engen Bezug der publikumsfrequentierten Bereiche zum Grünraum ebenso umgesetzt wie die Idee eines in seiner plastischen Durcharbeitung imposanten und dennoch Intimität ausstrahlenden Zuschauerraumes. Das Auditorium bleibt mit seinen zwei hufeisenförmig angelegten, akustisch wirksam ausgeformten Rängen dicht am Geschehen auf der Bühne, die künstlerisch wie technisch optimiertes Arbeiten ermöglichen wird.

Diesem Anspruch werden auch jene Räume gerecht, die den zahlreichen, dem Publikum meist verborgenen Arbeitsvorgängen eines Opernhauses gewidmet sind. Immerhin haben wir es mit einem Raumvolumen von 280.000 Kubikmetern zu tun, die sich in das Gefüge der Stadt gliedern. Einige Bedeutung kommt hier den aus dem fünfgeschoßigen Baukörper geschnittenen Lichthöfen zu: Sie erhellen die Aufenthaltsbereiche der Beschäftigten und tragen gleichzeitig dazu bei, den Maßstab des Ortes zu wahren.

Der Probenbetrieb für Orchester, Sängerinnen und Sänger, aber auch die Arbeit auf der Bühne und in den Werkstätten finden nun ihre angemessene räumliche Entsprechung. Diese wiederum erschließt – man setzt auf Doppelnutzungen – neue Möglichkeiten, auch im Rahmen kleiner, experimenteller Formate mit dem Publikum in Kontakt zu treten. An ihm wird es liegen, dieses Jahrhundertprojekt der Oberösterreicher nach getaner Bauarbeit zum eigentlichen Leben zu erwecken.

OÖNachrichten, Sa., 2010.11.27



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Musiktheater Linz

20. November 2010Romana Ring
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Verwandtschaft unter Brücken

Der oberösterreichische Landeskulturpreis 2010 für Architektur wurde an den Linzer Konstrukteur Erhard Kargel verliehen. Damit hat das Land ein Bekenntnis zur Baukultur abgelegt, wie man es sich deutlicher nicht wünschen kann.

Der oberösterreichische Landeskulturpreis 2010 für Architektur wurde an den Linzer Konstrukteur Erhard Kargel verliehen. Damit hat das Land ein Bekenntnis zur Baukultur abgelegt, wie man es sich deutlicher nicht wünschen kann.

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06. November 2010Romana Ring
OÖNachrichten

Wenn Alltägliches zum Besonderen wird

Das Werk der in Steyr ansässigen HERTL.ARCHITEKTEN ist von beeindruckender Vielfalt. Einen ihrer privaten Kleinhausbauten sehen wir uns heute um der Treffsicherheit willen an, mit der sie das Wesen einer Allerweltsaufgabe vorbildlich freigelegt haben.

Das Werk der in Steyr ansässigen HERTL.ARCHITEKTEN ist von beeindruckender Vielfalt. Einen ihrer privaten Kleinhausbauten sehen wir uns heute um der Treffsicherheit willen an, mit der sie das Wesen einer Allerweltsaufgabe vorbildlich freigelegt haben.

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23. Oktober 2010Romana Ring
OÖNachrichten

Das offene Amtshaus von Ottensheim

Es ist schön, wenn Form und Funktion zueinander finden. Die Wiener SUE Architekten aber haben im neuen Marktgemeindeamt von Ottensheim ein politisches Konzept gebaute Wirklichkeit werden lassen.

Es ist schön, wenn Form und Funktion zueinander finden. Die Wiener SUE Architekten aber haben im neuen Marktgemeindeamt von Ottensheim ein politisches Konzept gebaute Wirklichkeit werden lassen.

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Marktgemeindeamt Ottensheim

14. Juli 2010Romana Ring
zuschnitt

In der Not das Krokodil gerufen

Planungsbeginn im Mai, Baubeginn zwei Monate später, Fertigstellung im Oktober und ein Budget von 180.000 Euro: Diese Schlagworte allein beschreiben eine...

Planungsbeginn im Mai, Baubeginn zwei Monate später, Fertigstellung im Oktober und ein Budget von 180.000 Euro: Diese Schlagworte allein beschreiben eine...

Planungsbeginn im Mai, Baubeginn zwei Monate später, Fertigstellung im Oktober und ein Budget von 180.000 Euro: Diese Schlagworte allein beschreiben eine beachtliche Leistung. Die Erweiterung des bestehenden Kindergartens in Neumarkt im Mühlkreis ist jedoch mehr als das bloße Meistern ungünstiger Voraussetzungen. Die im Ort ansässigen Architekten Peter Schneider und Erich Lengauer haben ein ungewöhnliches, ja sinnliches Objekt geschaffen. Mit seiner lang gestreckten, in einem großen Panoramafenster mündenden Form, dem breiten Oberlicht und der grünen Fassade sieht der Kindergartenzubau aus wie ein Krokodil. Da waren sich von Beginn an alle sicher: Kinder, PädagogInnen ebenso wie die NachbarInnen.

Das Budget, mit dem die Architekten den Zubau zu realisieren hatten, betrug weniger als die Hälfte der für ähnliche Aufgaben üblicherweise bewilligten Mittel. Aber auch der Bauplatz sowie Lage und Ausformung des Bestands stellten massive Einschränkungen für das Projekt dar. Auf das Wesentliche der Aufgabe konzentriert, schufen Schneider & Lengauer trotzdem einen großzügigen, den pädagogischen Richtlinien entsprechenden Gruppenraum, der den Kindergarten um mehr als nur die gewonnenen Flächen bereichert. Für den Baustoff Holz sprachen nicht nur seine besondere Eignung zur Vorfertigung und die damit verbundene Bauzeitverkürzung, sondern auch seine optischen, akustischen und haptischen Qualitäten, die Schneider & Lengauer einsetzten, um die Architektur mit Begriffen wie Naturverbundenheit, Wärme und Geborgenheit zu verknüpfen.

Der bestehende Kindergarten ist ein in den frühen 1990er Jahren errichteter, auf sich selbst bezogener Zentralbau. Er steht im Ortskern von Neumarkt etwa in der Mitte eines jäh nach Westen abfallenden Bauplatzes. Für den Zubau blieb nur der nördliche Teil des Grundstückes übrig. Schneider & Lengauer entwarfen einen schmalen, länglichen Baukörper, der etwas abgerückt vom Bestand sitzt und mit diesem über einen Glasgang verbunden ist. Der Neubau ragt weit über die Hangkante hinaus, sodass der neue Gruppenraum nicht nur in den Genuss von Besonnung aus Süden kommt, sondern auch durch die Aussicht in die Mühlviertler Hügellandschaft wesentlich erweitert wird. Ein Oberlichtband erfüllt die Tiefe des Baukörpers mit Tageslicht.

Die Kinder lieben den Panoramablick ebenso wie die gebaute Topografie im Inneren des Gruppenraumes, die es zu erkunden gilt. Hier gibt es ebenerdige Spielbereiche, eine Empore und die darunterliegende Leseecke, von der aus sie die Hühner in Nachbars Garten beobachten können. Straßenseitig liegt ein kleiner Mehrzweckraum, der durch eine großzügige Blickverbindung mit dem Vorgarten zusätzliche Qualitäten erhält.

Der Neubau ist als Holzriegelkonstruktion mit eingeblasener Zellulosedämmung errichtet. Die Flächen im Inneren des Gebäudes sind mit weiß geöltem Fichtenholz ausgekleidet. Dies bietet in Verbindung mit den schlichten Birkensperrholz-Möbeln einen hellen, ruhigen Hintergrund für die bunte Aktivität der Kinder. Wände und Decken sind zum Teil als akustisch wirksame Paneele ausgebildet. Der Zubau ist zur Gänze mit grünem Eternit verkleidet. Diese Farbwahl hat wohl das Ihre zur Bildung der Assoziationskette weit aufgesperrtes Maul – hoch liegende Augen – grün – Krokodil beigetragen. Seit jemand dem Bestand die Rolle des Kasperls zugeordnet hat, bilden Alt und Neu auch in diesem Sinne eine Einheit.

zuschnitt, Mi., 2010.07.14



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Kindergarten Neumarkt



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zuschnitt 37 Im Kindergarten

17. Januar 2009Romana Ring
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Dachsberg: Das Ewige im Wandel finden

Das Gymnasium in Dachsberg ist in vielerlei Hinsicht das kulturelle Zentrum eines ländlich geprägten Umfeldes. Mit dem Umbau seiner Kapelle hat es dieses um ein eindrucksvolles Beispiel zeitgenössischer Architektur bereichert.

Das Gymnasium in Dachsberg ist in vielerlei Hinsicht das kulturelle Zentrum eines ländlich geprägten Umfeldes. Mit dem Umbau seiner Kapelle hat es dieses um ein eindrucksvolles Beispiel zeitgenössischer Architektur bereichert.

Für die in Dachsberg wirkenden Patres – Oblaten vom heiligen Franz von Sales – hatte die Kapelle als Grablege eines sich über Österreich und Süddeutschland erstreckenden Einzugsgebietes seit jeher besondere Bedeutung.

In ihrer vom Linzer Architekturbüro Heidl Architekten geplanten Neugestaltung ist sie nun zu einem für Spiritualität und Begegnung gleichermaßen anregenden Ort geworden, der sowohl im Schulalltag als auch seitens der „Außenstehenden“ in der Region begeistert angenommen wird.

Andreas Heidl hat mit der ihm eigenen Gründlichkeit nicht nur den ursprünglich aus den 1960er Jahren stammenden Bau selbst, sondern auch dessen Zugangsbereich neu geordnet.

Heidl hat dem aus der bewegten Topographie hervorgegangenen Auf und Ab zwischen dem ehemaligen Schloss, der recht unvermittelt daran gebauten Kapelle und dem von einem Verkehrsweg flankierten Schulgebäude einen barrierefreien Zugang und Vorplatz abgewonnen, in den Relikte aus dem Umbau integriert sind: Steine aus den Stufen zum abgebauten Hochaltar und die steinerne Kanzel, die neben einem einzelnen Baum, einem natürlich gespeisten Brunnen und einigen Sitzstufen dem kleinen Platz erstaunliche Nutzungsvielfalt verleiht.

Den Eingang beschirmt nun eine mit einer einzelnen Skulptur geschmückte, von drei Öffnungen durchbrochene Wandscheibe, was den Übergang zum historischen Bestand in eine zweifelsfrei als neu ablesbare und dennoch seit der Antike gebräuchliche Form bringt.

Die Tore der daraus entstandenen Übergangszone sind aus massiven, sorgfältig gerosteten und gewachsten Stahlblechen gefertigt. Dieses schier unverwüstliche und dennoch die Vergänglichkeit alles Irdischen beschwörende Material findet sich auch in der Konstruktion des Tabernakels und des über einen ausgeklügelten Mechanismus mitsamt der schweren, aus dem Bestand übernommenen Mosaikplatte im Boden versenkbaren neuen Volksaltars wieder.

Generell hat die auch haustechnisch und akustisch wirksame Sanierung viele vorgefundene Elemente wie die großformatigen Steinverkleidungen oder die zartfarbigen Reliefs nicht nur erhalten, sondern als Zeichen der Kontinuität in einer Weise ergänzt, die ihre Qualität eigentlich erst zur Wirkung bringt.

So hat die Zurücknahme der Empore das hinterste der bunten Fenster freigelegt und der silberne, mit dem versilberten Gehäuse des Tabernakels korrespondierende Hintergrund der Christusfigur in der Mittellachse der Kapelle verleiht dem von steinernen Sedes gerahmten Chor eine unaufdringlich transzendentale Wirkung.

Die Kapelle lebt im Wandel des farbigen Lichts, das in der feinsinnig schlichten Fassung des Raumes eine berührende Stimmung entfaltet.

OÖNachrichten, Sa., 2009.01.17



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Sanierung Kapelle Dachsberg

16. Juni 2008Romana Ring
zuschnitt

Holz-Philosophie im Industriebau

Wenn ein Holz verarbeitender Betrieb – genauer die Firma Holzbau-Obermayr – sein eigenes Betriebsgebäude aus Holz errichtet, ist das noch nicht sonderlich bemerkenswert. Ein Bau, wie ihn die in Schwanenstadt ansässigen F2 Architekten gemeinsam mit dem betriebseigenen Konstruktionsbüro ihrer Auftraggeber entwickelt haben, zieht jedoch beträchtliche Aufmerksamkeit auf sich und erreicht damit – neben seiner Funktion als Fertigungshalle – gleich mehrere Ziele.

Wenn ein Holz verarbeitender Betrieb – genauer die Firma Holzbau-Obermayr – sein eigenes Betriebsgebäude aus Holz errichtet, ist das noch nicht sonderlich bemerkenswert. Ein Bau, wie ihn die in Schwanenstadt ansässigen F2 Architekten gemeinsam mit dem betriebseigenen Konstruktionsbüro ihrer Auftraggeber entwickelt haben, zieht jedoch beträchtliche Aufmerksamkeit auf sich und erreicht damit – neben seiner Funktion als Fertigungshalle – gleich mehrere Ziele.

Zum einen wird mit Hilfe der ausdrucksstarken, die eingefahrenen Geleise des landläufigen Holzbaus deutlich hinter sich lassenden Formensprache Holz als moderner Baustoff gezeigt, mit dem sich formal wie konstruktiv einiges anstellen lässt, sofern man damit umzugehen weiß. Zum anderen aber wird Holz als wesentlicher Teil eines in der Firmenphilosophie verankerten Ansatzes zum ökologisch nachhaltigen Denken und Handeln präsentiert.

Denn wenn man in der Kalkulation eines Bauwerks neben den Errichtungs- und Betriebskosten auch die zur Herstellung des Gebäudes aufzuwendende Energie und die Frage nach dem dereinstigen Abbruch einbezieht, ist heimisches Holz als Baustoff nahezu unschlagbar. Der für den Wandel vom Baum zum Bauholz nötige Energieaufwand ist im Vergleich mit jenem für andere Baustoffe gering. Ähnliches gilt für die Lager- und Transportkosten, was schon durch die kurzen Transportwege und das geringe Gewicht von Holz in Relation zu seiner konstruktiven und bauphysikalischen Belastbarkeit bedingt wird.

Vielfach sparsam

Diese Voraussetzungen wiederum ermöglichen schlanke und somit hinsichtlich des Flächenverbrauchs sparsame Konstruktionen – ein Aspekt, der im ganzheitlich ökologischen Denken ebensowenig fehlen darf wie die Möglichkeit zur Vorfertigung und die damit verbundene Verkürzung der Bauzeit. Denn diese lässt sich nicht nur in Geld, sondern selbstverständlich auch in Energieverbrauch beziffern. Hat man nun das Gebäude aus Holz – und welcher Baustoff würde sich aufgrund seiner bauphysikalischen Eigenschaften besser dafür eignen – wie die von uns betrachtete Fertigungshalle als Passivhaus errichtet, entsprechend sparsam betrieben und mit wesentlich geringerem Aufwand als etwa einen Massivbau den im Lauf der Zeit wechselnden betrieblichen Anforderungen angepasst, wird man es auch einmal demontieren und wiederverwerten oder – im schlimmsten Fall – verbrennen können. Selbst dann gibt das Holz nicht mehr Kohlendioxid an die Atmosphäre ab, als es im Wachstum gespeichert hat.

Sommer und Winter

Dieser umfassende ökologische Ansatz der Auftraggeber steht naturgemäß nicht als einziges Motiv am Anfang der Planung, sondern wird um den Wunsch nach einer humanen Arbeitswelt und nicht zuletzt das Bekenntnis zu qualitätvoller zeitgenössischer Architektur ergänzt. Die F2 Architekten haben die etwa 3.500 m² große Bodenfläche der Halle mit einem Faltwerk überspannt, das, im Westen aus dem Boden aufsteigend, im Osten als weit auskragendes Vordach seinen Abschluss findet. Die Ober- und Untergurte des tragenden Fachwerks sind wie die Dachplatten und Wandelemente der Halle aus Holz gefertigt, die diagonalen Stäbe zur Verringerung der Querschnitte aus Stahl. Über die Flanken der Fachwerksträger dringt das Tageslicht durch blendungsfreies Spezialglas gleichmäßig aus großer Höhe tief in die Halle und wird nur bei Bedarf, elektronisch gesteuert, durch Kunstlicht ergänzt. Damit sind gute Belichtungsverhältnisse mit der geringst möglichen Energiezufuhr gewährleistet. Da die Fertigungshalle als Passivhaus funktioniert – die Raumtemperatur von mindestens 15°C also sommers wie winters ohne Heizung gehalten wird – und der Produktionsablauf selbst kaum Wärmequellen birgt, wurde der solare Wärmeeintrag durch große südseitige Verglasungen optimiert, während eine zentral gesteuerte Nachtkühlung sommerlicher Überhitzung entgegenwirkt.

Inzwischen wird die Halle seit zwei Jahren genutzt und die Erfahrungen sind durchwegs positiv. Es herrscht ein angenehmes Raum- und Arbeitsklima, der Umgang mit dem Gebäude funktioniert klaglos und nicht zuletzt hat die Zahl der Krankenstände der MitarbeiterInnen signifikant abgenommen.

zuschnitt, Mo., 2008.06.16



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Elementfertigungshalle Obermayr



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zuschnitt 30 Holz bauen Energie sparen

15. März 2005Romana Ring
zuschnitt

Sinnlichkeit mit System

Ring
Herr Dickinger, bevor wir auf das zentrale Thema unseres Gesprächs – nämlich das Material Holz in Verbindung mit anderen Baustoffen – zu sprechen...

Ring
Herr Dickinger, bevor wir auf das zentrale Thema unseres Gesprächs – nämlich das Material Holz in Verbindung mit anderen Baustoffen – zu sprechen...

Ring
Herr Dickinger, bevor wir auf das zentrale Thema unseres Gesprächs – nämlich das Material Holz in Verbindung mit anderen Baustoffen – zu sprechen kommen, erklären Sie bitte die Grundzüge des Entwurfs.

Dickinger
Das wichtigste Anliegen bei diesem Entwurf war zunächst die Korrektur des Zugangs. Vor der Erweiterung des Bürotrakts um den neuen Eingangsbereich, der durch den Erwerb des Nachbargrundstückes an der ehemaligen Rückseite möglich wurde, hat kein Mensch die Firma gefunden. Und wenn doch, hat man erst einmal an den Produktionshallen der Tischlerei entlang über enge Stiegen und verwinkelte Gänge irren müssen, um ein Gespräch zum Beispiel über die Gestaltung eines Restaurants führen zu können. Dieser Zustand war für eine Firma, die sich mit Innenausstattungen befasst, untragbar!

Ring
Kam also der Wunsch nach dem Baumaterial Holz vom Bauherrn? Die Verbindung zum Holz verarbeitenden Betrieb einerseits und zum Raumausstatter auf der anderen Seite wäre ja logisch.

Dickinger
Nein, gar nicht. Der Bauherr hat mir da völlig freie Hand gelassen. Es war meine Entscheidung und diese ist hauptsächlich aus konstruktiven und bauphysikalischen Gründen gefallen. Es war allerdings schon ein Vorteil, dass die angeschlossene Tischlerei so viel selbst ausführen konnte.

Ring
Was waren denn die konstruktiven Voraussetzungen?

Dickinger
Der Bestand konnte aus statischen Gründen durch den Zubau nicht belastet werden. Ich habe deshalb zwei in der Seitenansicht hammerförmige Betonscheiben parallel zueinander angeordnet, die die Decke über dem Erdgeschoss und das Dach des Zubaus tragen und ihm seine signifikante Form geben. Der Rest des Tragwerks ist aus Holz. Nicht zuletzt, weil ich damit das Gewicht reduzieren konnte. Es hätte aber durchaus auch Stahl sein können.

Ring
Die hölzerne Akustikdecke und der Boden aus dem gleichen Material sind ja sehr sorgfältig gearbeitet. Besonders Details wie der Übergang des an dieser Stelle hochgezogenen Bodens zu der Ausnehmung in der Sichtbetonscheibe sind bewundernswürdig exakt ausgeführt.

Dickinger
Ja, da waren die Handwerker schon gefordert. Auch die Fuge zwischen Außen und Innen, der Sichtbeton innen und die hinterlüftete Blechfassade außen, nur durch die Glasscheibe getrennt, war nicht so einfach herzustellen! Das Detail zwischen Betonscheibe und hochgezogenem Boden hat auch einen konstruktiven Hintergrund: Die Holzdecke über dem Erdgeschoss ist an der Lattung der Blechfassade aufgehängt. Mit ein paar Stahlstäben verstärkt, aber sonst lupenrein aus Holz konstruiert. Und das spürt man auch, weil die Decke schwingt. Dieses Fühlen eines Materials, einer Konstruktion, das Schwingen eines Bodens, von dem man weiß, er befindet sich in einem auskragenden Baukörper, das war wichtig für mich und ein entscheidender Faktor bei der Materialwahl. Dazu kommt noch ein wesentlicher Punkt, warum ich gerne mit Holz arbeite: Zimmerleute sind das Konstruieren gewöhnt, das gehört einfach zu ihrem Denken dazu. So wie mir, als gelerntem Steinmetz, die Ausformung eines Details ein Anliegen ist, in das ich auch bereit bin, Arbeit zu investieren. Ein Baumeister hat heute 100 Subfirmen. Ein Zimmerer baut noch. Das ist das Sympathische am Holz für mich, nicht das »Heimelige«.

Ring
Sie haben das Holz aber in diesem Fall durch Beton ergänzt, oder eigentlich am Beton aufgehängt. Warum Beton?

Dickinger
Zunächst als Speichermasse, zum Ausgleich des Raumklimas. Die Bauherrschaft hat unangenehme Erfahrungen mit einem schlecht gedämmten Dachstuhl gesammelt. Der Beton selbst wurde dann ganz bewusst nicht als Hightech-Sichtbeton ausgeführt, sondern so, wie man ihn da sieht: mit den Zuschlägen und Kiesnestern, und dann lediglich sandgestrahlt. Alles andere hätte nur hohen Energie- und Geldaufwand bedeutet und wäre dann trotzdem unbefriedigend ausgefallen!

Ring
Sie haben ja Erfahrung mit der Kombination verschiedener Baustoffe in einem Objekt. Mit welchem Bau haben sie diesen Weg begonnen?

Dickinger
Schon mit der Revitalisierung eines jahrhundertealten Bauernhauses, dem Ofnergut im steirischen Triebendorf. Da musste einfach mit verschiedensten Materialien gearbeitet werden, weil der Bestand das verlangte. Die jüngste Bauetappe stammte aus dem Jahr 1722 und Holz beispielsweise war in den verschiedensten Ausformungen, von einfachen Rundlingen bis zu schön bearbeiteten Trämen da. Und als dann die Orgelbauwerkstätte Vonbank in den Umrissen des ehemaligen Stalles zu planen war, habe ich die alten Prinzipien des Bauens dieser Region eben wieder angewendet: einen massiven Sockel, wo es nass ist und wo der Hang schiebt, darauf eine Konstruktion aus Stahlbeton als einfaches und kostengünstiges Tragwerk und dazwischen die vorgefertigten Wandelemente aus Holzbaustoffen, um eine kurze Bauzeit zu ermöglichen. Seit dieser Zeit ist Holz für mich als Baustoff immer präsent geblieben.

Ring
Auch beim Bau des Weingutes Weninger im Burgenland.

Dickinger
Ja, auch dort, zum Beispiel als Verkleidung der Hallenwand, die in ihrer Rundung die gedankliche Verbindung zum Keller herstellt. Das Holz bewährt sich übrigens gegenüber dem Rotwein tadellos. Oder die Holzdecke über dem Fasskeller. Die schwingt und klingt hohl und sie hat eine Ausnehmung, damit man den Keller von oben auch sieht und riecht. Denn darum geht es mir bei allen meinen Bauten: um das sinnliche Erlebnis.

zuschnitt, Di., 2005.03.15



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21. Oktober 2004Romana Ring
OÖNachrichten

Der Kunst den Vortritt gelassen

Übermorgen wird das neue Salzburger Museum der Moderne (MDM) offiziell eröffnet. Die OÖN waren bereits gestern zu einer Architekturkritik vor Ort. Ergebnis: durchwegs gelungen.

Übermorgen wird das neue Salzburger Museum der Moderne (MDM) offiziell eröffnet. Die OÖN waren bereits gestern zu einer Architekturkritik vor Ort. Ergebnis: durchwegs gelungen.

Kunst ist kostbar. Sie will sicher bewahrt, schonend behandelt und vor einem dezenten Hintergrund in größtmöglicher Breite präsentiert werden. Ein Museum muss dies alles leisten und darüber hinaus der Kunst einen Ort geben, indem es die Kunst selbst verkörpert. Dem eben fertig gestellten Museum in Salzburg, hoch oben auf dem Mönchsberg, gelingt es überdies, ein Museum der Moderne zu sein, und das ist an diesem Standort tatsächlich eine Leistung.

Die Konturen des Bestandes nicht zu überschreiten war ebenso Vorgabe wie die Erhaltung des zwar belanglosen aber vertrauten Wasserturmes aus dem neunzehnten Jahrhundert: Die Sieger eines 1998 ausgelobten Wettbewerbes, die Münchner Architekten Klaus Friedrich, Stefan Hoff und Stefan Zwink haben diesen Rahmen mit einem Gebäude ausgefüllt, das der Stadt - als Geste der Beschwichtigung oder doch eher der Provokation? - ein denkbar einfaches Gesicht zeigt. Ein schlichter, mit Untersberger Marmor belegter Quader lagert breit über den Aussichtsterrassen und schaut seinerseits mit einer einzigen Öffnung auf Stadt und Festung.

In drei Schichten geteilt

Jetzt eine Klage über die Allgegenwart der als große Form getarnten Einfallslosigkeit zeitgenössischer Architektur anzustimmen, hieße die Sache selbst grob vereinfachen.

Das Museum der Moderne Salzburg mag sich seinem - ohnedies mit Höhepunkten nicht geizenden - Umfeld gegenüber zurückhaltend geben und zweifellos lässt sein Inneres der Kunst den Vortritt. Dennoch räumen die differenzierte Behandlung der einzelnen Funktionsbereiche und die abwechslungsreichen Raumfolgen den Verdacht, hier habe es sich jemand allzu leicht gemacht, schnell aus.

Niemals geschwätzig

Der Besucher gelangt aus dem Foyerbereich über eine breite, von oben erhellte Stiege in die erste, ausschließlich künstlich beleuchtete Ausstellungsebene. Von hier führt der Weg, um 90 Grad gedreht, weiter in das nächste Geschoß. Der Grundriss ist in drei, durch die Erschließungszonen getrennten Schichten organisiert, deren südlichste das Restaurant mit seinem Panoramablick auf die Stadt bildet. Der mittlere und der nördliche Raum dienen der Ausstellung.

Während sich im Osten ein vom Wasserturm begrenzter Skulpturengarten an die Terrasse des Restaurants schließt, wird letzteres über eine weitere Freifläche im Westen unabhängig vom Museumsbetrieb erschlossen. Erst in der vierten Ebene umfasst die Ausstellungsfläche das ganze, von Oberlichten erhellte Geschoß. Dass der Grundriss hier ein stilisiertes „S“ schreibt, mag ebenso zu Herzen gehen, wie die Information, die Belüftungsschlitze vollzögen Teile aus der Partitur des Don Giovanni nach.

Für die Qualität der Architektur ist es wenig relevant. Diese ruht sicher auf der schlüssigen Weg- und Lichtführung, den sparsam und wirkungsvoll gesetzten Bezügen zum Außenraum und einer bei aller Stärke des Ausdruckes niemals geschwätzigen plastischen Durchbildung der Räume.

OÖNachrichten, Do., 2004.10.21

15. September 2004Romana Ring
OÖNachrichten

Teppich für Urfahraner Marktgelände

Vor einigen Monaten hat die Stadt Linz Experten zu einem Gutachten für die zukünftige Gestaltung des Urfahraner Marktgeländes eingeladen. Das Projekt des...

Vor einigen Monaten hat die Stadt Linz Experten zu einem Gutachten für die zukünftige Gestaltung des Urfahraner Marktgeländes eingeladen. Das Projekt des...

Vor einigen Monaten hat die Stadt Linz Experten zu einem Gutachten für die zukünftige Gestaltung des Urfahraner Marktgeländes eingeladen. Das Projekt des in Wien ansäßigen Architekten Boris Podrecca wurde von der Jury zur Ausführung empfohlen. Während die Gespräche über die Realisierung zwischen dem Magistrat und dem Architekten noch im Gange sind, hat das Projekt bereits internationale Anerkennung erfahren: Es wird gerade bei der Architekturbiennale in Venedig gezeigt.

Die von Podrecca vorgeschlagene Strategie, einen Großteil des Terrains mit einem Teppich zu überziehen, dessen Muster zwar aus unterschiedlichen Oberflächen - Asphalt, Kies, Erde - und Farben zusammengesetzt ist, dank seiner homogenen Erscheinung den Zusammenhang der Fläche aber nicht zerstört, ist eine Wandlung, die dem Biennale-Thema „metamorph“ entspricht. Sie begegnet der Herausforderung, welche die Vielfalt der Nutzungen an das Terrain stellt, mit Poesie und bewahrt dem Gelände einen Abglanz des Unbestimmten, das viel zum Charme des Ortes beiträgt.

Gemeinsam „Platz finden“

Ganz anders sind Peter Arlt (Linz) und Stefan Saffer (Berlin) an die Gestaltung eines zweiten Linzer Platzes heran- gegangen. Sie haben im Rahmen des von der Stadt Linz unterstützten und im Architekturforum Oberösterreich durchgeführten Projektes „Platz finden“ zunächst Experten zu den technischen Rahmenbedingungen der Freiflächengestaltung vor dem Architekturforum befragt. In einem zweiten Arbeitsschritt wurden die Bewohner des Umfeldes animiert, ihre Wünsche vorzubringen. Nächster Schritt: die Bildung von Teams aus Fachleuten und Bewohnern, konkrete Gestaltungsvorschläge und die Auswahl eines Projektes zur Realisierung.

OÖNachrichten, Mi., 2004.09.15

15. März 2004Romana Ring
zuschnitt

Brandwiderstand als Kriterium für die Materialwahl

Ein Kriterium für die Wahl des Konstruktionsmaterials Holz könnte allerdings überraschend wirken: der seitens der Behörde geforderte Brandwiderstand der...

Ein Kriterium für die Wahl des Konstruktionsmaterials Holz könnte allerdings überraschend wirken: der seitens der Behörde geforderte Brandwiderstand der...

Ein Kriterium für die Wahl des Konstruktionsmaterials Holz könnte allerdings überraschend wirken: der seitens der Behörde geforderte Brandwiderstand der tragenden Teile von F30 war mit Holz anstelle des Stahls ganz problemlos zu erzielen. Dies, obwohl dem Holz als unleugbar brennbarem Material ein gewisser Nimbus anhaftet, der bis vor kurzem noch seinen Niederschlag beispielsweise in den Bauordnungen gefunden hat. Doch das Aufgehen ganzer – aus Holz gebauter – Städte in Flammen gehört einer weit zurückliegenden Vergangenheit an und Bauweise sowie damit einhergehend auch Bauordnungen sind mittlerweile so weit modernisiert, dass sie mehrgeschossigen konstruktiven Holzbauten nicht mehr entgegen stehen. Tatsächlich ist ein Holzbau im Vergleich zu einem aus unbrennbarem Material errichteten Gebäude für die Sicherheit der Nutzer kein Nachteil. Was in den ersten dreißig Minuten brennt, ist hier wie dort die Einrichtung. Die Tragfähigkeit einer Holzkonstruktion im Brandfall über einen festgelegten Zeitraum sicher zu stellen, ist lediglich eine Frage der Bemessung des Tragwerks.

Jenes der Höss-Halle ist relativ komplex. Die Offenheit des Erdgeschosses bedingt, dass in dieser Ebene keine Wandscheiben zur Ableitung der Horizontalkräfte zur Verfügung stehen. Die vergleichsweise schmalen, von großzügigen Glasflächen flankierten Teile, wurden daher als Holzelemente ausgebildet, die in der massiven Decke des Untergeschosses eingespannt und in die geschlossenen Wandscheiben des Obergeschosses eingebunden sind. In der Ebene der Decke über dem Erdgeschoss und des Daches übernehmen horizontale OSB-Scheiben die Queraussteifung. Ein kombiniertes räumliches Tragwerk aus Brettschichtholzträgern, Stützen und an den auskragenden Brettschichtholzträgern hängenden Wandscheiben nimmt die hohen Schneelasten sowie die Nutzlasten eines Veranstaltungsgebäudes auf und ermöglicht die Auskragungen des Obergeschosses. So wurden fünf Meter hohe und bis zu siebzehn Meter lange Wandelemente vorgefertigt, um die auskragende Ostecke statisch zu ermöglichen. Ein Kabelbrand in der Heizung der Dachabläufe hat übrigens am Tag vor der Eröffnung noch zu einem Zwischenfall geführt. Ein Gemeindeangestellter fuhr jedoch kurzer Hand mit dem Bagger in den Saal und konnte den Brandherd so mit der auf die Schaufel des Fahrzeugs gestellten Leiter erreichen und löschen.

Eine wesentliche Frage im Zusammenhang des Brandschutzes ist natürlich jene nach der raschen Räumung des Gebäudes im Brandfall. Der positive Beitrag, den bereits der Entwurf der Höss-Halle hier leistet, ist das Fluchtwegkonzept und die damit verbundene Konzeption der Anlage als offene Kommunikationsplattform und als gebauter Weg in einem Umfeld, das sich bisher hauptsächlich auf die lineare Struktur der Dorfstraße beschränkt hatte. Die Höss-Halle erweitert den Raum gegenüber der Kirche zu einem Platz, der zu einem Teil von der erwähnten Auskragung des Obergeschosses beschirmt wird und das weitgehend in Glas aufgelöste Erdgeschoss der Halle einbezieht. Dies gelingt mit dem Auslegen einer breiten Brücke, die den flankierenden Geländeabfall überspannt. Das massive Untergeschoss der Halle – es birgt die Infrastruktur des Hauses, zu der auch eine großzügig angelegte Küche gehört – macht sich diese Geländekante zunutze, indem die Lagerräume direkt von der unteren Ebene beliefert werden können. Diese Ebene ist vorwiegend den Parkplätzen vorbehalten. Sie wird aber auch von älteren, dem Vereinsleben Hinterstoders gewidmeten Gebäuden gesäumt, sodass die Nutzung des unteren Platzes für Veranstaltungen denkbar ist.

Eine behindertengerechte Rampe verbindet, vor dem Eingang in das Foyer der Halle ihren Ausgang nehmend, den oberen mit dem unteren Platz. Von dort führt auch – ebenso wie die Rampe in das klare Volumen des mit Holz verkleideten Körpers eingeschnitten – eine Stiege den Besucher in den ersten Stock. Am Ende des Aufgangs, vor dem eigentlichen Eintritt in das Obergeschoss, das den Veranstaltungssaal um eine auch separat gut funktionierende Galerie erweitert, ist ein Fenster angeordnet. Der praktische Nutzen des getrennten Zugangs in das Obergeschoss, der auch die Fluchtstiege stellt, wird auf diese Weise um die nicht weniger wertvolle Komponente des gerahmten Blicks in die Landschaft bereichert. Hier wie auch im Bereich der dem Kirchenplatz zugewandten Terrasse wird der Stellenwert sichtbar gemacht, den das Zusammenspiel von Gebäude, Ort und Landschaft für eine Fremdenverkehrsgemeinde wie Hinterstoder unweigerlich hat. Die großzügige Verschränkung von Gebäude und Außenraum wiederum macht sich in einem Haus der kurzen und vor allem logisch geführten Wege durch den geringen Aufwand bezahlt, den die Sicherheit seiner Nutzer erfordert.

zuschnitt, Mo., 2004.03.15



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Höss-Halle



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Zuschnitt 14 Holz brennt sicher

09. Januar 2004Romana Ring
OÖNachrichten

So ein Container ist eine wunderschöne Sache!

Es ist nicht ungefährlich, von der Architektur als einer Form der Kunst zu sprechen. Viel zu schnell geraten uns da vage Erinnerungen an medial aufbereitete...

Es ist nicht ungefährlich, von der Architektur als einer Form der Kunst zu sprechen. Viel zu schnell geraten uns da vage Erinnerungen an medial aufbereitete...

Es ist nicht ungefährlich, von der Architektur als einer Form der Kunst zu sprechen. Viel zu schnell geraten uns da vage Erinnerungen an medial aufbereitete Phantasten mit den am Stammtisch kolportierten Errichtungskosten ambitionierter Großprojekte in den Köpfen durcheinander. Und ergeben Vorstellungen, die der Baukunst - als einer der wenigen Disziplinen welche in einem einzigen Werk ökologische, wirtschaftliche, soziale und ästhetische Fragen stellt und vor allem: beantwortet! - kaum gerecht werden. Da wir aber ein Gebäude betrachten, welches als Betriebsgebäude einer mittelgroßen erfolgreichen Firma am Rande einer Landgemeinde die Rahmenbedingungen echter Durchschnittlichkeit bietet, kann der Begriff, von so viel Normalität flankiert, nicht allzu großen Schaden anrichten.

Kunst berührt uns umso stärker, je genauer sie das ist, was sie meint. Jener Pettenbacher Unternehmer, welcher seine berufliche Auseinandersetzung mit Containern in seinem Firmensitz verkörpert sehen wollte, ist - zugegeben - nicht die Norm. In dem ortsansässigen Architekten Ernst Pitsch-mann wiederum hat er einen Partner gefunden, der diesen Auftrag mit größtem ästhetischen Anspruch, jedoch völlig unverkrampft und ohne das ländliche Umfeld zu brüskieren, kurzum: wahrhaft kunstgerecht, erfüllen konnte.

Der Bau ist - wie sollte es anders sein - als Container konzipiert. Und er zeigt gleich und ein für alle Male, was für eine wunderschöne, elegante, in sich geschlossene, perfekt gearbeitete, allerorts einsetzbare und unverwüstliche Sache so ein Container einfach ist!

Entlang einer Einfallstraße nach Pettenbach in einer kleinen Wiesenmulde gelegen, hat das Haus mit seiner nächtens effektvoll illuminierten Brücke, welche ein Wandschirm mit dem Firmenlogo flankiert, am Verkehrsstrom angelegt. Ein massiver Sockel, in warmem Orange gefärbt und an manchen Stellen gläsern aufgelöst, birgt Keller und Erdgeschoss, mutet jedoch dank des umlaufenden Oberlichtbandes weniger als Teil des Gebäudes denn als Wandschirm an. Diese Wirkung wird durch das Minimieren vertikaler Verbindungen wie beispielsweise technischer Versorgungsleitungen im Inneren des Hauses unterstützt.

Darüber liegt, von zwölf zarten Säulchen in der Schwebe gehalten, das eigentliche Bürogebäude. Zur Gänze in Aluminiumpaneele mit gut überlegter Teilung gehüllt, verkörpert es das neutrale, transportfähige Gehäuse, welches jedem Inhalt genügt.

Das Fensterband, das die Büros mit dem Wiesenidyll im Norden verbindet, die geschoßhohen Öffnungen des Erschließungsganges entlang der Straße mit ihren orangen hölzernen Schiebeläden und die deutliche Formulierung eines zum Ortszentrum orientierten Gebäudekopfes durch die einsame Loggienöffnung des Chefbüros zeigen, wie exakt sich solche Neutralität auf Nutzung und Symbolgehalt gleichermaßen abstimmen lässt, wenn jemand, wie Ernst Pitschmann, sein Handwerk versteht.

Auch im Inneren des Gebäudes, das im ersten Stock noch mit einem von oben belichteten, also völlig auf Konzentration gestimmten Besprechungsraum aufwartet, ist eine Perfektion von Planung und Ausführung allgegenwärtig, die den Blicken von Nutzern und Besuchern gleichermaßen den Anspruch des Unternehmens stimulierend zu Grunde legt.

OÖNachrichten, Fr., 2004.01.09

19. September 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Mit profunder Kenntnis des Handwerks

Es war zu seiner Zeit - 1937 - eines der ersten Häuser auf dem Berg und schon damals keine Speerspitze der Avantgarde. Ganz unähnlich etwa der nahen Villa...

Es war zu seiner Zeit - 1937 - eines der ersten Häuser auf dem Berg und schon damals keine Speerspitze der Avantgarde. Ganz unähnlich etwa der nahen Villa...

Es war zu seiner Zeit - 1937 - eines der ersten Häuser auf dem Berg und schon damals keine Speerspitze der Avantgarde. Ganz unähnlich etwa der nahen Villa Rosenbauer, mit der Lois Welzenbacher schon 1929 eine bis heute gültige Ikone der Moderne geschaffen hat, hält sich das kleine Haus an der Hohen Straße in Linz an das, was man gemeinhin unter „Tradition“ versteht. Auf sehr glaubwürdige, weil sichtlich aus dem Fundus eigenen Wissens und Wollens schöpfende Weise.

Aus mittlerweile fast schwarz gedunkeltem Holz errichtet, erhebt es sich eingeschossig auf einem Sockel aus Natursteinen über dem steil abfallenden Hang. Unter dem orthogonal zur Straße ausgerichteten Satteldach haben noch einige kleine Räume Platz gefunden, die zum Zentrum einer umfassenden Sanierung des Hauses werden sollten. Der Architekt Gerhard Fischill aus Puchenau hat sich des Dachraumes angenommen und dessen Adaptierung an modernen Wohnkomfort mit einer neuen Deutung des gesamten Gebäudes verknüpft. Seine Interpretation hält sich allerdings eng an das Original, ohne auf eine diskrete Dokumentation der technischen und gestalterischen Veränderungen im Laufe seiner Geschichte zu verzichten. So lebt das ursprüngliche Farbkonzept vom Kontrast des dunklen Holzes zum roten Dach, der mit dem blitzenden Blau der Fenstersprossen, dem Rot der Fensterrahmen und dem Gelbton der Klappläden beträchtlich aufgefrischt wurde. Der gelbe Holzton wird jetzt von den Rahmen und Stöcken der neuen Fenster übernommen, die Sohlbänke erstrahlen blau und die Fensterläden rot. Es sind Schiebeläden, die mit ihren Führungsbalken die Fassade um ein zusätzliches gliederndes Element bereichern.

Der Eingriff im Dachgeschoss wird straßenseitig lediglich durch einen Lichtbrunnen sichtbar, der mit seinem Volumen und der Verkleidung mit grauen Schindeln den Typus des Kamines verkörpert und somit die Fläche des Daches nicht zerstört. Auf der Gartenseite wendet sich das Haus nun mit einer großzügigen Glaskonstruktion dem Panorama zu. Das zarte Edelstahlgeländer des davor liegenden Holzbalkons und die auf ein Minimum reduzierten Profile der Balkontüre wie der scheinbar schwellenlose Übergang des Zimmerbodens ins Freie verstärken den Zusammenhang zwischen Gebäude und Landschaftsraum.

Der hinter dem Balkon liegende Schlaf- und Wohnraum ist zur Gänze in Lärchenholz gefasst. Ein Einbauschrank über seine gesamte Tiefe egalisiert die in Dachräumen oft anzutreffende Unregelmäßigkeit des Grundrisses. In ihrer liebevoll-präzisen Ausarbeitung führt die hier verwirklichte Detailarbeit fort, was in den erhaltenen Teilen der historischen Einrichtung wie beispielsweise der alten Küche noch zu spüren ist. Auch der zweite Raum des Dachgeschosses, das in die Helligkeit des straßenseitigen Lichtbrunnens getauchte Bad aus Naturstein und Holz ist vom gleichen Geist inspiriert: von profunder Kenntnis des Handwerkes und der Liebe zum Material.

OÖNachrichten, Fr., 2003.09.19



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Umbau Haus am Pöstlingberg

21. August 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Den Raum genutzt: In Linz müsste man sein

Die Ecke Gürtelstraße/ Jaxstraße in Linz ist Ihnen kein Begriff? Das ist weiter nicht verwunderlich, befindet sich die Stadt hier doch in einem jener diffusen Schwebezustände, die allerdings in ihrer inspirierenden Kraft nicht zu unterschätzen sind.

Die Ecke Gürtelstraße/ Jaxstraße in Linz ist Ihnen kein Begriff? Das ist weiter nicht verwunderlich, befindet sich die Stadt hier doch in einem jener diffusen Schwebezustände, die allerdings in ihrer inspirierenden Kraft nicht zu unterschätzen sind.

Von den Geleisefingern des Frachtenbahnhofes im Nordosten ebenso wenig Orientierung gewinnend wie vom Stern des Bulgariplatzes im Südwesten, scheinen die Straßenzüge das Gelände hier aufs Geratewohl zu teilen. Auch die Bebauung hat sich nicht wirklich festgelegt: Mietshäuser einer längst vergangenen Gründerzeit, Gewerbeobjekte und Wohnbauten, wahlweise kleinmaßstäblich oder „sozial“, haben der Gegend zwar kein sonderlich prägnantes Profil verliehen, ihr aber dafür etwas unschätzbar Wertvolles gelassen: Raum zur Entwicklung.

Das Architekturbüro Schneider/Lengauer aus Neumarkt im Mühlkreis hat einen Teil dieses Freiraumes mit einem Bauwerk besetzt, das Schritt für Schritt nachvollziehbar macht, wie Stadtentwicklung auch im kleinen Rahmen funktioniert, sofern man das Handwerk versteht. Die ersten Überlegungen galten den städtebaulichen Rahmenbedingungen: die moderate Ausnutzung des Grundstückes mit einem zweigeschossigen Bürogebäude tut niemandem in der Umgebung weh. Ein ausreichendes Angebot an Autoabstellplätzen ergänzt die gute Erreichbarkeit des Standortes in der Form eines ringsum belüfteten und belichteten Parkdecks. Um ein halbes Geschoss unter Straßenniveau versetzt, bildet es die erste Ebene des Hauses. Da Städtebau aber nicht nur organisatorische Fragen behandelt, sondern auch - und vor allem - Räume bildet, haben Schneider/Lengauer eine schöne bauplastische Antwort für die Straßenecke formuliert.

Vom Parkdeck ein wenig in die Höhe gelüpft gewinnt das annähernd quadratische Gebäude mit dieser Geste gleichzeitig Leichtigkeit und Imposanz. Die strenge Geometrie des Baukörpers bei weitgehender Auflösung der Außenwände und die auf Sichtbeton und Glas reduzierte Materialität setzen das Zwiegespräch zwischen Masse und Transparenz konsequent fort. Insbesondere der massive Erschließungsturm an der Ecke mit dem über eine Freitreppe erschlossenen, von einem Vordach beschirmten Eingang lässt weder in seiner Funktion noch als Zeichen Zweifel zu. Zur Gänze aus Sichtbeton errichtet, ist er folgerichtig thermisch vom Gebäude entkoppelt, dem er tatsächlich nur zur Erschließung dient.

Das Haus selbst ist ungeachtet seiner großzügigen Fensterflächen auf sich bezogen konzipiert. Die Glaswände bedeuten Licht, nicht Panorama. Der um ein kleines Atrium organisierte Grundriss des Hauses bietet eine Mischung aus Einzel- und Großraumbüros, die mit eigens entworfenem Mobiliar sowohl auf die Ungestörtheit des Individuums Rücksicht nehmen, als auch den Austausch in der Gruppe fördern. Hier spielt wieder die Geradlinigkeit der auf wenige Materialien wie geöltes Holz, Sichtbeton und Glas reduzierten Oberflächen eine kultivierende Rolle. Das Haus hat mit einer kleinen Holzterrasse auf seiner Rückseite der Steppe sogar noch einen brauchbaren Grünraum abgerungen. Ein Anfang ist gemacht. Nicht zum Schaden für die Stadt.

OÖNachrichten, Do., 2003.08.21



verknüpfte Bauwerke
Bürohaus S`P`S`

07. August 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Was ein Brautkleid mit Architektur zu tun haben kann

Wenige Themen böten so reichen Stoff zu Betrachtungen über das Auseinanderklaffen von Inhalt und Form gesellschaftlicher Grundmuster als die gestalterischen Rahmenbedingungen von Hochzeiten.

Wenige Themen böten so reichen Stoff zu Betrachtungen über das Auseinanderklaffen von Inhalt und Form gesellschaftlicher Grundmuster als die gestalterischen Rahmenbedingungen von Hochzeiten.

Insbesondere die Ausstattung der weiblichen Beteiligten sagt - in mehr als einer Hinsicht - selten etwas über die beiden Beine aus, mit denen die Bräute alltags wohl recht tüchtig im Leben stehen. Umso bemerkenswerter ist es, wenn eine so unverblümt mit vergangenen Epochen liebäugelnde Branche wie jene der Hochzeitsmode sich mit höchst zeitgenössischer Architektur vermählt. Und zwar gänzlich, ohne einem der beiden Partner beschämende Kompromisse in den Ehevertrag gejubelt zu haben.

Im Gegenteil: der Brautmodesalon, den der Linzer Architekt Andreas Heidl in Gunskirchen errichtet hat, ist bereits von weitem als uneingeschränktes Bekenntnis zum strengen Sittenkodex engagierter Architektur ersichtlich. Als U-förmige erste Bauetappe seiner möglichen späteren Erweiterung zu einer quadratischen Hofanlage errichtet, steht der Block aus rötlich pigmentiertem Sichtbeton im rechten Winkel zur Bundesstraße. Zeigt damit den an dieser Stelle recht schnell vorbeifahrenden Autos ein äußerst einprägsames weil leicht lesbares Gesicht.

An der südlichen Längsseite eindrucksvoll geschlossen, wird der Baukörper an der „offenen“ Nordseite von drei freigestellten Betonscheiben symbolisch und nicht minder imposant zum Quader ergänzt. Kraft ihrer Filterwirkung zwischen Außen und Innen signalisieren die Scheiben der Kundschaft überdies das an dieser Seite angeordnete Foyer.

Die grundsätzliche Geschlossenheit der etwa drei Meter breiten und acht Meter hohen Betonelemente, die dem Haus seinen strikt eingehaltenen Modul vorgeben, ist innen wie außen unverletzt geblieben. Öffnungen werden ausschließlich durch das Weglassen ganzer Wandelemente erzeugt. Diese Konsequenz erzeugt nicht nur immense Wirkung, sie hat auch praktische Hintergründe: Produktion und Montage austauschbar gleicher Elemente ist selbst als Sonderabfertigung noch erschwinglich und außerdem ohne allzu große Probleme auf der Baustelle durchführbar.

Und die empfindlichen Stoffe vertragen Sonnenlicht schlecht. So präsentieren sich die Brautkleider als sechsunddreißig Meter lange weiße Parade in jener zweigeschossigen, über ein Dach aus Sonnenschutzglas belichteten Halle, dem Herzstück des Hauses. Nach Entfernen der mobilen Trennwände zwischen den geräumigen Umkleiden kann es auch als Festsaal, etwa für Modeschauen genutzt werden. Das Obergeschoss, wo Herren- und Abendmode zu finden ist, hat als Galerie ebenfalls Anteil am festlichen Geschehen.

Die spartanisch reduzierte Geste der Architektur in Raumkonzeption und Materialwahl steht in kalkuliertem Kontrast zur verspielten Fülle der präsentierten Ware. Glatter Beton und raschelnde Seide verbinden sich in der großzügigen und dabei gänzlich in sich gekehrten Atmosphäre des Hauses zu einer gediegen gearbeiteten Wunderwelt, die allenfalls an der Kassa den Alltag reflektiert.

OÖNachrichten, Do., 2003.08.07



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Braut- und Abendmode Baudisch

24. Juli 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Noch ist es keine Epidemie, breitet sich aber rasant aus

Architektur greift um sich. Für diejenigen unter Ihnen, die das für eine schlechte Nachricht halten: keine Sorge, von einer Epidemie kann vorläufig keine Rede sein. Nach wie vor hat nur ein verschwindend kleiner Teil alles Gebauten etwas mit Architektur zu tun. Und doch: die Neigung, sich mit dem Bauen auf einem fachlich fundierten und zeitgemäßen Niveau auseinander zu setzen, ist keineswegs auf sogenannte Eliten - seien sie solche der Position, der Bildung oder des Bankkontos - beschränkt.

Architektur greift um sich. Für diejenigen unter Ihnen, die das für eine schlechte Nachricht halten: keine Sorge, von einer Epidemie kann vorläufig keine Rede sein. Nach wie vor hat nur ein verschwindend kleiner Teil alles Gebauten etwas mit Architektur zu tun. Und doch: die Neigung, sich mit dem Bauen auf einem fachlich fundierten und zeitgemäßen Niveau auseinander zu setzen, ist keineswegs auf sogenannte Eliten - seien sie solche der Position, der Bildung oder des Bankkontos - beschränkt.

In St. Marienkirchen im Innviertel hat der Linzer Josef Pointner die Allerweltsaufgabe, ein Eigenheim für eine Familie mit zwei Kindern zu bauen, in einer Weise gelöst, die, auf trockene Daten beschränkt, zunächst kaum aus dem Rahmen des Üblichen fällt: freistehendes Haus am Rande eines ländlichen Siedlungsgebietes, Erdgeschoss massiv, Obergeschoss Leichtbauweise (Holz), Küche, Ess- und Wohnbereich sowie Nebenräume ebenerdig, Schlafräume darüber, Niedrigenergiehaus, günstige Baukosten.

Doch gerade aus dieser Normalität jenen Funken zu schlagen, der dem Haus, neben und wohlgemerkt ohne Schmälerung der Brauchbarkeit für seine Nutzer, allgemeine Gültigkeit verleiht, ist eine Leistung, die allen Beteiligten: dem Architekten, seinen Bauherren auch der Behörde (die sie nicht verhindert hat), hoch anzurechnen ist.

Diese Leistung wird durch eine intensive Auseinandersetzung mit dem Raum möglich und teilt sich dem Betrachter in der Folge auch durch die Schlüssigkeit mit, in der die Räume und Raumfolgen auf das vorgefundene Umfeld und die Abläufe des täglichen Lebens reagieren.

Im Unterschied zu der beliebten Gleichung: „Grundstück - Gebäude = Garten“ hat Pointner die Liegenschaft als Gesamtheit betrachtet und durch ein beständiges Wechselspiel zwischen Haus und Grünraum beiden ein Maximum an Qualität gesichert.

Denn wie der Grundriss eines Hauses sich in Bereiche verschiedener Nutzungen und damit Grade der Öffentlichkeit oder Intimität zoniert, verlangen auch die Funktionen des Außenraumes nach unterschiedlichen räumlichen Antworten.

Auto und Fahrräder werden an einem geometrisch geordneten, von Lärchenholzlatten geschützten Platz gleich bei der Straße abgestellt und schützen so die dahinter angelegte Holzterrasse vor neugierigen Blicken. Der offizielle Zugang zum Haus liegt im östlichen Bauwich. Er wird von der Mauer eines Nebentraktes begleitet, der, ebenfalls die Terrasse flankierend, Haus und Garage verbindet und dessen Öffnungen keinen voreiligen Aufschluss über das Dahinter geben. Das Obergeschoss beschirmt mit seinem Vorsprung den Eingang, der zudem vom daneben angeordneten Küchenfenster eingesehen wird.

Im Süden und Westen wiederum öffnet sich das Haus winkelförmig auf die hölzerne Terrasse und auf den intimen Gartenhof, dessen südwestliche Ecke von einem Obstbaum markiert wird. Die auf mehr als einer Ebene gut durchdachte Konzeption bietet - durch ein harmonisches Farb- und Materialkonzept ergänzt - seinen Bewohnern somit mehr, als es selbst wesentlich teurere Objekte leisten können. Architektur wird weiter um sich greifen.

OÖNachrichten, Do., 2003.07.24



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Einfamilienhaus

05. Juni 2003Romana Ring
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Wenn Architektur zum Feindbild wird

Wer kennt sie nicht, die Schandflecke der Ortschaften, die ihre Besitzer zu Außenseitern der Gemeinde stempeln und manchen Bürgermeister in peinlichen...

Wer kennt sie nicht, die Schandflecke der Ortschaften, die ihre Besitzer zu Außenseitern der Gemeinde stempeln und manchen Bürgermeister in peinlichen...

Wer kennt sie nicht, die Schandflecke der Ortschaften, die ihre Besitzer zu Außenseitern der Gemeinde stempeln und manchen Bürgermeister in peinlichen Erklärungsnotstand bringen. Nein, gemeint sind nicht die schmucken Eigenheime, deren durch niedrige Grundstückspreise kompensierte Abgeschiedenheit prompt und auf Kosten der anderen mit der nötigen Ausstattung an Straßen und Ver- respektive Entsorgungsleitungen nachgerüstet wird. Auch nicht die Burgen, die mangels budgetärer Planung unvollendet oder infolge ehelicher Spannungen verwaist als Ruinen der Moderne Zeugnis unserer Gesellschaft geben. Denn so lange man den von Baumärkten, Sparkassen und Stammtischen festgelegten Formenkanon nicht verletzt, braucht man um sein Ansehen - jedenfalls als Bauherr - nicht zu bangen. Ökologisch, ökonomisch, ja womöglich noch ästhetisch nachhaltig zu bauen, das ist eine Forderung, zu der sich kaum jemand versteigt. Aber sich anpassen, das wird man doch wohl können! Und wehe dem Menschen, der im Namen der Freiheit auf den Schutz eines geneigten Ziegeldaches verzichten wollte.

Im Rahmen des Festivals der Regionen, das heuer unter dem Motto „Die Kunst der Feindschaft“ steht, lädt deshalb die Gruppe 4fff - „Vier Frauen (Gabriele Heidecker, Edith Karl, Uli Matscheko-Altmüller, Veronika Müller) fahren fort“ - das interessierte Publikum ein, sich zu gebauten Feindbildern in Oberösterreich und im angrenzenden Salzburger Land aufzumachen. Fünf durchwegs private Bauten können besichtigt und die heiter bis wolkigen Entstehungsgeschichten aus dem Munde der Bewohner vernommen werden.

So konnte das derzeit in Bau befindliche Atelierhaus in Waizenkirchen der anytime architekten (Linz) erst nach medienwirksamen Aktionismen des Bauherrn, wie einer Geiselnahme von Gartenzwergen und dank juristischer Unterstützung beim Durchlaufen aller Instanzen verwirklicht werden. Bei der Planung eines Sommerhauses in Buchberg am Attersee mussten die Architekten Riepl/Riepl (Linz) den Kompromiss eines leicht geneigten Satteldaches anstelle des gewünschten Flachdaches eingehen, um eine Baugenehmigung zu erwirken. Auch der Besitzer eines Badehauses in Weyregg am Attersee der Architekten Luger/Maul (Wels) brauchte einen langen Atem bis zur Genehmigung seines Gebäudes. Ein Einfamilienhaus in Wartberg ob der Aist von Andrea Reichhold (Wels) wurde seitens der Behörde überhaupt nur bewilligt, weil Nachahmungstäter in dem bereits verbauten Gebiet nicht befürchtet wurden.

Zu guter Letzt führt die Tour ein wenig aus Oberösterreich hinaus: das Einfamilienhaus in Seekirchen am Wallersee von Franz Grömer und Johannes Ebner ist eine Reise wert. Haben sich die Architekten doch der - im Bebauungsplan nicht festgehaltenen! - Forderung der Behörde nach einem Satteldach gebeugt, indem sie kurzerhand das ganze Haus in eine Schalung aus Lärchenlatten gesteckt haben, welche den einfachen, selbstverständlich flach gedeckten Baukörper in das gewohnte Häuschen-Schema bringt. Natürlich regnet es ganz ungehemmt durch das steile Dach: ein Umstand, der wie sein Verzicht auf alle Vorsprünge einer feinen Ironie nicht entbehrt. Doch hat man diese den Gewinnern des Salzburger Landesenergiepreises 2002 in Waizenkirchen inzwischen schon verziehen.

OÖNachrichten, Do., 2003.06.05

22. Mai 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Das Haus mit dem spiegelnden Glaskleid

Architektur bedarf mehr als „nur“ eines guten Architekten, respektive Architektenteams. Dass das neue Kunstmuseum der Stadt Linz, das Lentos, als Siegerprojekt...

Architektur bedarf mehr als „nur“ eines guten Architekten, respektive Architektenteams. Dass das neue Kunstmuseum der Stadt Linz, das Lentos, als Siegerprojekt...

Architektur bedarf mehr als „nur“ eines guten Architekten, respektive Architektenteams. Dass das neue Kunstmuseum der Stadt Linz, das Lentos, als Siegerprojekt eines europaweit ausgeschriebenen Architektenwettbewerbes realisiert wurde, ist der korrekten Vorgangsweise der Stadt als Auftraggeberin zu verdanken. Und die von diversen Zwischenrufen unbehelligte Fertigstellung des Baus als zeitlich und budgetär genaue Punktlandung verdanken wir ebenso dem kulturellen Engagement der Auftraggeberseite - die zudem die heikle Aufgabe der Bauüberwachung selbst übernommen hat - wie dem Können der Architekten, dem Züricher Architekturbüro Weber + Hofer AG.

Linz ist mit seinem Kulturverständnis, seiner Kompetenz und nicht zuletzt mit seiner Macht so lange hinter dem Projekt gestanden, bis es zur Freude aller eröffnet werden konnte.

Es ist, als hätte die Reduktion auf eine große prägnante Form positiv disziplinierende Wirkung ausgeübt. Denn das Lentos ist sich selbst vom Entwurf bis zur Eröffnung treu geblieben. Keine nachträglich erdachten „Verbesserungen“, aber auch keine „spät entdeckten Notwendigkeiten“ stören die reine Geometrie des langgestreckten Bügels, der da auf seinem Betonsockel am Donauufer ruht.

Die gläserne Außenhaut hält, was das Wettbewerbsmodell an Abstraktion versprochen hat. Darüber hinaus aber kann sie hier an der Kante zwischen der Stadt und dem Fluss etwas leisten, das die modebewussten Schwestern in den Innenstädten kaum zustande bringen: sie spiegelt den Himmel, das Wasser, das Grün des Donauparks in die tausendfach auf das Glas gedampften Schriftzüge aufgelöst wider. Sie legt dem Haus ein Kleid aus Landschaft an und lässt die Stadt den Atem des Flusses schöpfen.

Der Park lädt wieder zum Flanieren ein, und auch er hat seine Einladung sehr knapp gefasst. Weg, Wiese, Wasser, von einigen streng geometrischen Körpern in Spannung gehalten, ergeben im Wechsel von Transparenz, Durchblick und Spiegelung die unmittelbar sinnliche Inszenierung einer Stadt und ihres Kunstmuseums.

Im Inneren des Gebäudes klingt das Thema ein weiteres Mal an: die - diesmal im Dienste der Kunst weitgehend zurückgenommene - Raumhülle im Zwiegespräch mit Ausschnitten der Stadtlandschaft. Doch wäre es nicht gelungen, das fragile Gleichgewicht von radikaler Vereinfachung und Subtilität zu halten, hätte nicht bereits das Wettbewerbsprojekt die künstlerischen, wissenschaftlichen und organisatorischen Anliegen der künftigen Nutzer realisiert. Das gesamte Obergeschoss des Stahlbetonbaues wird über eine großflächige Glasdecke und nach einem ausgeklügelten, computergesteuerten System hauptsächlich mit Tageslicht belichtet und bietet so eine ideale Ausstellungsfläche für die Sammlung des Hauses.

Die Speicher hingegen, die Werkstätten, die Bibliothek sowie die Ausstellungsräume für lichtempfindliche Exponate befinden sich im hochwassersicheren Untergeschoss. So bleiben für das Erdgeschoss jene Nutzungen, die in ihrem Wechsel die Beziehung zwischen der Stadt und dem Museum begründen. Foyer, Auditorium, museumspädagogische Räume, Restaurant und nicht zuletzt jene Lücke, die aus dem Gebäude ein Signal macht und einen Rahmen für alles, was man an Perspektiven hineinzustellen wünscht.

OÖNachrichten, Do., 2003.05.22



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Lentos Kunstmuseum

08. Mai 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Von der Zeitlosigkeit der Baukultur

Alte Häuser haben einen besonderen Charme. Doch bürden sie ihren Besitzern auch einiges an Lasten auf. Die zierlichen Stuckfassaden, die zart profilierten...

Alte Häuser haben einen besonderen Charme. Doch bürden sie ihren Besitzern auch einiges an Lasten auf. Die zierlichen Stuckfassaden, die zart profilierten...

Alte Häuser haben einen besonderen Charme. Doch bürden sie ihren Besitzern auch einiges an Lasten auf. Die zierlichen Stuckfassaden, die zart profilierten Kastenfenster oder edlen Holzböden verlangen nach einem Wartungsaufwand, der einer Zeit des Vollwärmeschutzes, der Kunststofffenster und Laminatböden längst fremd geworden ist. Umso bemerkenswerter ist es, wenn sich die Eigentümer etwa einer Jugendstilvilla dazu entschließen, ein schönes Haus so zu nehmen wie es ist. Es nicht kurzerhand zerstören, obwohl das - und wer könnte das bestreiten - viel bequemer und womöglich billiger ist.

Mit der Hilfe des Linzer Architekten Siegfried Meinhart ist es gelungen, eine im Jahr 1913 von der OÖ. Baugesellschaft für eine Industriellenfamilie auf der Linzer Gugl erbaute Villa in ihrem Wesen zu erhalten, ohne den Komfort der Bewohner auf dem Altar der Denkmalpflege zu opfern. Die Ausgangslage war dank der bis vor kurzem unveränderten Besitzverhältnisse seit der Errichtung des Gebäudes eine ungewöhnlich günstige: Das Haus war praktisch unverändert geblieben, sogar die alten Schlüssel zu den im übrigen wunderschön gearbeiteten Innentüren aus Holz und Glas waren noch vorhanden. Doch am unmittelbaren Umfeld war die Zeit nicht spurlos vorüber gegangen. Wo früher eine breite Wagenvorfahrt von der Roseggerstraße im Norden den Haupteingang erschlossen hat, ist der ehemals weitläufige Garten längst parzelliert und hat anderen Bauten Platz gemacht.

Heute betritt man das Grundstück im Süden, vom ehemaligen Dienstboteneingang her. Siegfried Meinhart hat die damit verunklärte, gerade für Häuser dieser Größenordnung besonders verunsichernde Wegführung korrigiert, indem er die Hangkante an der Südwestecke des verbliebenen Grundstückes mit einer geräumigen Garage sicherte, deren extensiv begrüntes Dach das Niveau des Gartens ausgleicht.

Gleich daneben führt jetzt eine Kaskadentreppe den Besucher in gerader Linie von dem schlichten, mit einem knappen gläsernen Vordach beschirmten Eingangstor in der nördlichen Gartenmauer zur Südseite des Hauses. Die südliche Grundgrenze, an deren westlichem Eck ein hölzernes Salettl im Originalzustand erhalten ist, hat Meinhart mit einer Mauer aus rötlich eingefärbtem Sichtbeton nachgezogen. Entlang dieser Mauer erstreckt sich das für den modernen Wohnkomfort fast unerlässlich gewordene und längst nicht mehr den absoluten Spitzenverdienern vorbehaltene Schwimmbad.

Denn der größte inhaltliche Wandel im Verständnis vom Eigenheim innerhalb der letzten hundert Jahre liegt sicherlich in der heute wesentlich stärker gelebten Nutzung des Gartens und der darum stets geforderten Verbindung von Innenraum und Außenraum.

So hat die Errichtung einer geräumigen, sich in den Garten hinabstufenden Terrasse an der Ostseite der Villa neben der Schaffung eines Fitnessbereiches in dem nunmehr trocken gelegten Souterrain einen wesentlichen Beitrag zur Modernisierung eines Hauses geleistet, dessen Räume ansonsten kaum einer Korrektur bedurften.

Selbst der Einbau der Badezimmer ist mit deutlicher formaler Betonung des Wortes -zimmer erfolgt, sodass auch hier die Technik nicht erschlägt, was schon so lange überdauert hat: die Zeitlosigkeit der Baukultur.

OÖNachrichten, Do., 2003.05.08



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Villa auf der Linzer Gugl - Umbau

27. März 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Ein Gebäude wird zu einer Drehscheibe

Linz liegt an der Donau, nicht an der Mühlkreisautobahn. Denn östlich dieser - zugegeben imposanten - Barriere erstreckt sich ein Teil der Stadt, über den nur jene die Nase rümpfen, deren Vorstellung von Poesie und Schönheit sehr direkt mit den geglätteten Oberflächen unserer komfortablen Scheinwelt zusammenhängt.

Linz liegt an der Donau, nicht an der Mühlkreisautobahn. Denn östlich dieser - zugegeben imposanten - Barriere erstreckt sich ein Teil der Stadt, über den nur jene die Nase rümpfen, deren Vorstellung von Poesie und Schönheit sehr direkt mit den geglätteten Oberflächen unserer komfortablen Scheinwelt zusammenhängt.

Von der Längsachse der Industriezeile mit dem Grundstoff der Geschäftigkeit: dem Verkehr gespeist, verästeln sich die Wege schnell zu einem labyrinthischen Gefüge aus Bauten, Maschinen und Landschaftsraum. Nicht jeder hat hier das Bedürfnis nach einem effektvollen Auftritt. Einige haben es - design sells! - mit untauglichen Mitteln versucht.

Das Linzer Architekturbüro [x architekten] hat seine Inspiration für den Neubau des Hafen-Verwaltungsgebäudes der Linz AG in der Saxingerstraße gerade in jenem Umfeld gefunden, welches den wenigsten die Mühe eines Gedankens wert erscheint. Die längst erprobten Kurvenradien für Lastwagen und Zuggarnituren sind hier in Straßenkrümmung und Schienenweg ebenso abgebildet wie der sanfte Schwung, mit dem die Einfahrt zu den Hafenbecken jene Donauschlinge nachvollzieht, der Linz wahrscheinlich seine Existenz verdankt. Dieses Motiv der Rundung aufnehmend haben die [x architekten] das Gebäude als kreisrunde Scheibe konzipiert und damit eine nahezu unschlagbar prägnante Form gewählt, die aber durch eine inhaltlich unpassende Anwendung schnell peinlich wirkt und überdies durch Ungeschick in der Umsetzung verhunzt werden kann.

Im Falle des neuen Hafengebäudes findet sich die Scheibe in fünffacher Ausfertigung übereinander gestapelt von einem massiven Kern um ein Geschoss über den Boden erhoben, welcher im Arbeitsalltag mit Abstellplatz - für Autos oder Container - gleichzusetzen ist, im Katastrophenfall mit dem Abflussbereich des Hochwassers. Das Gebäude wird praktisch ebenso wie bildlich zu einer Drehscheibe, die ein wenig über den Dingen stehend überblickt, was sie lenkt. Und sich gleichzeitig als ein zumindest gedachter Knotenpunkt jener dicht gewobenen Zusammenhänge zu erkennen gibt, die wir gewöhnlich unter den beruhigenden Begriff „Logistik“ kehren.

Die Architektur dieses Bürohauses, welches die Linz AG nur im 1. Obergeschoss für sich beansprucht und zum größeren Teil in der Branche vermietet - lässt mit ihrer Betonung der großen Form und des konstruktiven Elements ganz leise einen Anklang an die 1970er-Jahre hören. An eine Epoche also, deren Formensprache eben noch als „groovy“ empfunden wird oder - so genau lässt sich das nie sagen - wurde. Tatsächlich war diese Zeit aber auch von positiven Erwartungen an technischen Fortschritt und Wirtschaftswachstum geprägt und ist daher als gebaute Erinnerung nicht fehl am Platz.

Ganz im Heute wurzelt jedenfalls die Entwurfsentscheidung, die Fassade aus sich auf und ab bewegenden Fensterbändern, respektive grau verkleideten Brüstungen unterschiedlicher Höhe zu entwickeln und so ihre Drehung ganz gehörig zu beschleunigen. Mit den sich daraus ergebenden unterschiedlichen Panoramablicken aus den Büros wird nicht nur dem Sonnenstand Rechnung getragen, sondern auch das Zusammenspiel von Natur, Siedlung und Arbeit wirkungsvoll zur Stadtlandschaft erhoben.

OÖNachrichten, Do., 2003.03.27



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Kombiverkehrszentrum

26. März 2003Romana Ring
OÖNachrichten

ArchitekTour: Bildungshaus Puchberg umgebaut

Das Bildungshaus Schloss Puchberg ist - als Einrichtung der Diözese Linz - fünfzig Jahre alt. Das Gebäude allerdings blickt auf eine wesentlich ältere...

Das Bildungshaus Schloss Puchberg ist - als Einrichtung der Diözese Linz - fünfzig Jahre alt. Das Gebäude allerdings blickt auf eine wesentlich ältere...

Das Bildungshaus Schloss Puchberg ist - als Einrichtung der Diözese Linz - fünfzig Jahre alt. Das Gebäude allerdings blickt auf eine wesentlich ältere Geschichte zurück, ist es doch aus einem Renaissanceschloss hervorgegangen, dem seit 1960 in mittlerweile vier Bauetappen mehrere Erweiterungsbauten hinzugefügt worden sind. Der vorläufig letzte Umbau des Bildungshauses, von den Gewinnern eines geladenen Architektenwettbewerbes, den Welser Architekten Max Luger und Franz Maul geplant, hat das Haus rechtzeitig zu den Jubiläumsfeiern ein weiteres Mal als Ort etabliert, an dem die Bildungsarbeit ihrem hohen kulturellen Anspruch auch räumlich gerecht wird.

Luger/Maul hatten die Aufgabe, die bestehenden Gebäude an die Erfordernisse eines modernen Seminarbetriebes anzupassen und insbesondere die Verbindung zwischen den einzelnen Bauteilen funktional und ästhetisch neu zu formulieren.

Dabei spielte die respektvolle Wahrnehmung der Geschichte des Hauses eine ebenso wichtige Rolle wie der klare Ausdruck zeitgenössischer Formvorstellungen. Der Eingang wurde unter Beibehaltung der alten Erschließungsachse des Renaissancehofes durch die formal sehr zurückhaltende Verglasung des Arkadenganges komfortabler gestaltet.

Ein neuer Rezeptionsbereich gleich bei Kaffeebar und Hauptstiege übernimmt die Verteilerfunktion im Haus. Im Schutze einer rundum gläsernen, glasgedeckten Halle gelangt der Besucher in den quadratischen Kubus, den Luger/Maul aus dem Bestand des Feierraumes mit der darunter liegenden Kapelle (Karl Odorizzi, 1960) geformt haben. Ein glasummantelter Aufzug erschließt die beiden Obergeschosse des historischen Gebäudes behindertengerecht.

Eine Bodenplatte und eine Deckenplatte bilden, an der Nordseite ein wenig über die Oberfläche eines kleinen Teiches kragend, den Raum. Die Wände sind in Glas aufgelöst, sodass der neue Bau den reinen Typus des Pavillons verkörpert, der im Dialog zwischen herrschaftlichem Ansitz und Parklandschaft ein klassisches Motiv darstellt.

Dieser Pavillon birgt nun neben dem Feierraum und seiner durch eine Faltwand zuschaltbaren neuen Erweiterungsfläche ein großzügiges Foyer, das der Kommunikation dient und dem Abgang in die Kapelle einen würdigen, von einem Glasausschnitt in der Decke erhellten Abgang bietet. Der massive Körper des Feierraumes ist mit dunklem Kork ummantelt und von der Glasfassade umhüllt, die im Norden um Gangesbreite von dem somit erhaltenen Betonglasfenster (Rudolf Kolbitsch) abgerückt einen zwar bauphysikalisch motivierten, in seiner Wirkung aber durchaus poetischen Raum über dem Wasser umschließt. Auch die über eine bewusst dunkel gehaltene Eingangszone zu betretende Kapelle bezieht sich nun mit einer neuen, großflächigen Verglasung noch stärker auf das Wasser als bisher.

Dieser Dialog zwischen Gebäude und Naturraum als Leitmotiv des Hauses, seine Transparenz und nicht zuletzt das Neue, das entsteht, wenn man Vorhandenes bewusst ein wenig anders sieht, findet seinen Niederschlag auch in den Bildern, die Edith Maul-Röder vom Prozess der Baustelle festgehalten hat und die großformatig auf transparentem Material montiert zurzeit im Foyer zu sehen sind.

OÖNachrichten, Mi., 2003.03.26



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Bildungshaus Schloss Puchberg

13. März 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Leibhaftige Aus- und Einblicke, Referenz an die Musik

Die Architekten sind weitergezogen, ebenso die Vertreter aus Beamtenschaft und Politik. Neukirchen an der Enknach ist nach seinem Symposion wieder zur...

Die Architekten sind weitergezogen, ebenso die Vertreter aus Beamtenschaft und Politik. Neukirchen an der Enknach ist nach seinem Symposion wieder zur...

Die Architekten sind weitergezogen, ebenso die Vertreter aus Beamtenschaft und Politik. Neukirchen an der Enknach ist nach seinem Symposion wieder zur Tagesordnung übergegangen. Geblieben ist, was schon vorher da war: der Neubau der Musikschule von Karin und Hermann Proyer aus Steyr, mit dem sich Neukirchen als eine jener Gemeinden positioniert hat, die den kulturellen Aspekt ihres Bauens ernst nehmen und daher auch die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Architektur nicht scheuen.

Bereits die Entscheidung, die Musikschule nicht „auf der grünen Wiese“ sondern zur Belebung des Ortskernes als Anbau des sanierungsbedürftigen Gemeindeamtes auszuführen, hat Mut und Diskussionsbereitschaft der Verantwortlichen erfordert. Wie notwendig der mit der Vorbildwirkung eines öffentlichen Gebäudes vielleicht zu erzielende Sinneswandel ist, zeigt ein Blick auf Bauten in den Zentren unserer Ortschaften, die zu Gunsten heillos zersiedelter Ränder aufgegeben worden sind.

Karin und Hermann Proyer haben das Neukirchner Gemeindeamt schon als Ergebnis eines Umbaus vorgefunden. Doch das mächtige Mansarddach des damaligen Neubaus wollte mit jenem des alten Westflügels nicht harmonieren. Proyer/Proyer haben Letzteren daher vom verschnittenen Dach befreit und sein Volumen um etwa ein Drittel erweitert. Eine massive Attika in der Höhe des Gesimses umfasst den gesamten Bau, ohne die Ablesbarkeit der Baustufen zu verschleiern.

Hinter dem Zubau markiert ein Glasdach das Entrée der Musikschule. Diese flankiert als langer, schmaler Körper den Altbau, ist jedoch aus dessen Orthogonalität gedreht, um dem Fußweg zur Kirche im Norden und seinem begleitenden Grünraum entsprechende Großzügigkeit zu verleihen.

Die Entwicklung der aus unterschiedlich großen dunkelgrauen Eternittafeln gefertigten Fassade der Musikschule hat Proyer/Proyer wohl ebenso viel Energie gekostet, wie in die daran geknüpfte Diskussion mit den Gemeindebürgern. Die Plattenteilung, die kleinen Vor- und Rücksprünge der Flächen und die darin scheinbar frei verteilten Fensteröffnungen sind eine Referenz an die Musik, eine Metapher über den Sinn des Hauses, während die Fenster für leibhaftigen Aus- und Einblick stehen.

Das Gemeindeamt selbst wurde in seiner Grundstruktur mit dem Nord-Süd-gerichteten Durchgang im Erdgeschoß erhalten. Auch hier haben Proyer/Proyer mit Sichtbezügen und Ausblicken die Düsternis vertrieben und für eine zeitgemäße Nutzbarkeit des Hauses gesorgt. Dieses enthält neben den Büros und Sitzungszimmern zahlreiche Räume, die das regen Vereins- und Kulturleben des Ortes beheimaten. Wie etwa den großen Veranstaltungssaal im Obergeschoß, der auch Gesprächen über zeitgenössische Architektur einen würdigen Rahmen bietet.

OÖNachrichten, Do., 2003.03.13



verknüpfte Bauwerke
Musikschule - Gemeindeamt Neukirchen

08. März 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Die Baukultur Oberösterreichs verbessern

Die Veranstaltung „Lebenszeichen und Tauwetter“ hat sich nichts Geringeres zum Ziel gesetzt, als die Baukultur Oberösterreichs zu verbessern. Der neue...

Die Veranstaltung „Lebenszeichen und Tauwetter“ hat sich nichts Geringeres zum Ziel gesetzt, als die Baukultur Oberösterreichs zu verbessern. Der neue...

Die Veranstaltung „Lebenszeichen und Tauwetter“ hat sich nichts Geringeres zum Ziel gesetzt, als die Baukultur Oberösterreichs zu verbessern. Der neue Zusammenklang von Gemeindeamt und Musikschule in Neukirchen a. d. Enknach (Arch. Proyer/ Proyer) wurde als gebautes Beispiel genutzt, um über das Bauen auf dem Land und die Möglichkeiten nachzudenken, zu sprechen und letzten Endes auch verantwortungsbewusst damit umzugehen.

Der Vormittag war der Architekturvermittlung durch die Schule gewidmet: Hier haben die Führungen durch die Wander-Ausstellung „Lebenszeichen“ mit vorbildlichen Bauten im Innviertel einen wertvollen Beitrag geleistet. Sie wurden bei dieser Gelegenheit von Landesrat Ackerl an ihrem neuen Standort eröffnet.

Friedrich Achleitners Vortrag „Aufstand (in) der Provinz“ zeigte anhand gebauter Beispiele aus dem ländlichen Raum, dass Baukunst längst kein Privileg der Großstadt mehr ist. Und obwohl ein guter Teil der von ihm gezeigten Objekte in Vorarlberg, dem gelobten Land der Baukultur liegt, beweist etwa das ebenfalls angeführte Gemeindezentrum im Polling (Architektur: Gärtner, Pitschmann, Neururer), dass sich auch in Oberösterreich einiges bewegt.

Die Referate der (Alt-)Bürgermeister von Polling (Mühlbacher), St. Veit (Haidenthaler), Hochburg/Ach (Lugmayr) und des vom Gemeindebund entsandten Bürgermeisters Hingsamer beleuchteten den möglichen Handlungsspielraum der Gemeinden im positiven Sinn. Ebenso wurde die Frage nach einem Forum der Schulung und Weiterbildung der kommunal Verantwortlichen aufgeworfen.

Kunstuni-Architekturprofessor Roland Gnaiger dachte in seinem Vortrag „Lernen von Vorarlberg“ darüber nach, das Gelingen von Baukultur als Resultat eines echten Sinneswandels zu etablieren und dabei nicht auf die Notwendigkeit des Dialoges zur Überbrückung der Kluft zwischen Hochleistungs- und Alltagskultur zu vergessen. Ernst Beneder (Architektur) und Werner Krammer (Politik) zeigten am Beispiel Waidhofen a. d. Ybbs die Ergebnisse eines solchen Dialoges.

OÖNachrichten, Sa., 2003.03.08

27. Februar 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Archinauten über den Dächern von Linz

Man könnte sagen: Dachböden sind für die Fledermäuse da. Einerseits. Andererseits stellt der Ausbau von Dachräumen eine relativ leicht ins Werk zu setzende...

Man könnte sagen: Dachböden sind für die Fledermäuse da. Einerseits. Andererseits stellt der Ausbau von Dachräumen eine relativ leicht ins Werk zu setzende...

Man könnte sagen: Dachböden sind für die Fledermäuse da. Einerseits. Andererseits stellt der Ausbau von Dachräumen eine relativ leicht ins Werk zu setzende Möglichkeit dar, Stadträume nachträglich zu verdichten. Ganz im Gegensatz zu den Werbebotschaften der einschlägigen Baustoffindustrie ist der Dachausbau - soll er wirklich nachhaltig nutzbaren Wohnraum schaffen - kein spielerisch zu eroberndes Betätigungsfeld für den fröhlichen Heimwerker und seine nachbarschaftsbehilflichen Freunde. Denn massive Eingriffe selbst in rein technische Komponenten wie das Tragsystem oder die bauphysikalischen Zusammenhänge eines Hauses sollten fachgerecht durchgeführt werden. Ebenso gekonnt aber muss der Umgang mit den funktionellen Anforderungen ausfallen, die untrennbar mit der Qualität der Räume und dem gültigen Erscheinungsbild des neuen Ganzen verbunden sind.

Dem Linzer Architekturbüro Archinauten (Andreas Dworschak und Wolfgang Mühlbachler) ist es geglückt, eine ganze Häuserzeile anlässlich ihrer Dachraumausbauten neu zu deuten und damit auch den städtebaulichen Aspekten gerecht zu werden, welche die gezielte Verdichtung eines bestehenden Quartiers mit sich bringt.

Neun dunkelgrau gerahmte Quader schneiden, mit ihrer Lage auf die unterschiedlichen Traufhöhen der drei verwandelten Häuser reagierend, klar umrissene Räume aus dem Himmel über der Linzer Eisenhandstraße. Sie verleihen damit dem bisher recht unscheinbar gehaltenen Übergang zwischen Wand und Dach geradezu dramatisch anmutende Plastizität. Die anspruchlosen Genossenschaftsbauten aus der Zeit des Wiederaufbaues haben Köpfe bekommen. Wo früher Wäsche zum Trocknen hing, haben die Passanten jetzt etwas zum Schauen. Eine weiteres Wohnhaus in der Noßbergerstraße gleich um die Ecke hat sich in der gleichen Weise fein gemacht.

Die grauen Körper schauen mit großzügig über die gesamte Stirnseite gezogenen Verglasungen in die Ferne. Auch die Brüstungselemente vor diesen raumhohen Fenstern sind aus Glas, um Lichteinfall und Ausblick nicht zu hindern.

In den Quadern, welche da so deutlich zutage treten, ist tatsächlich das räumliche und organisatorische Konzept der Dachausbauten in jenem Ausmaß zusammengefasst, wie es nach außen hin den Anschein hat. Sie sind quer über den gesamten Dachraum von Außenwand zu Außenwand gelegt und verschaffen so den Wohnungen jeweils einen großzügigen Wohnraum, der von beiden Seiten belichtet und belüftet ist und - das ist nicht zu unterschätzen - durchgehend normale Raumhöhe hat. Während in den Schlaf- und Nebenräumen entsprechend schräge Wände das für Dachböden typische Ambiente gewährleisten ohne den Bewohnern ein Zuviel an gebückter Haltung abzuverlangen, haben die Archinauten zwischen die Decke der durchgesteckten Quader und den unversehrten First der Häuser noch einmal einen kleinen hellen Wohnraum geschoben, der, von der Straße kaum eingesehen und auf beiden Seiten verglast, zwei kleine Terrassen erschließt. Somit haben die neuen Wohnungen (unter Einhaltung des moderaten Kostenrahmens geförderten Wohnbaues) nicht nur einen beträchtlichen Panoramablick zu bieten, sondern verfügen auch über jenen privaten Grünraum, der für Wohnungen mit einem zeitgemäßen Anspruch an Komfort unerlässlich ist.

OÖNachrichten, Do., 2003.02.27



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Zyclop

13. Februar 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Sorgfältig geplant, zeitgemäßer Anspruch

St. Martin im Innkreis hat sich um sein Schloss geschart. Ein ländlicher Herrschaftssitz nicht unbeträchtlichen Ausmaßes prägt das Erscheinungsbild der...

St. Martin im Innkreis hat sich um sein Schloss geschart. Ein ländlicher Herrschaftssitz nicht unbeträchtlichen Ausmaßes prägt das Erscheinungsbild der...

St. Martin im Innkreis hat sich um sein Schloss geschart. Ein ländlicher Herrschaftssitz nicht unbeträchtlichen Ausmaßes prägt das Erscheinungsbild der Marktgemeinde: Was an Gebäuden Anspruch auf Bedeutung erhebt, hat sich seinem strengen, von den Spuren der Verwitterung noch mit einiger Romantik aufgerüsteten Formenkanon gefügt. Auch die neue Musikschule an dem als neuem Ortszentrum projektierten freien Platz unweit der Kirche fügt sich als massiver zweigeschossiger Baukörper mit Satteldach anstandslos in das Ensemble.

Anders als jene sattsam bekannten Bauten, welche in missverstandener Anpassung an den ländlichen Raum, respektive die als selbstverständlich vorausgesetzte Rückständigkeit seiner Bewohner ihre gestalterischen Ambitionen in Putzfaschen und einer unverfänglichen Dachneigung erschöpfen, ist die Musikschule jedoch von dem Willen geprägt, den Anforderungen der Aufgabe wie des Ortes mit gut geformten Räumen zu entsprechen. Der Wiener Architekt Johannes Kastner-Lanjus hat in St. Martin einen Wettbewerb zur Gestaltung des Ortzentrums gewonnen, der - nach Jahren und in stark veränderter Form - zu ihrem Bau geführt hat.

Das Haus steht als langgezoger rechteckiger Baukörper orthogonal zur Hauptstraße und wird so dereinst den Platz flankieren. Mit dem Haupteingang diesem folgerichtig zugewandt, ist das Gebäude auch über einen zweiten Zugang zu betreten, der zu den Parkplätzen in seinem Rücken führt. Eine geräumige Eingangshalle verbindet die Wege und übernimmt ihre Verteilung zu den verschiedenen Funktionen. Denn außer der Musikschule sind die Probelokale von Gesangsvereinen und Musikkapellen im Haus untergebracht.

Die pragmatische Einteilung des Grundrisses mit seinen von einem Mittelgang erschlossenen Unterrichtsräumen im Erdgeschoss wird durch die sorgfältige Planung der Lichtführung und der Sichtbeziehungen in die Umgebung zu einem räumlichen Erlebnis ergänzt. So wie die Zurückhaltung, welche aus den gerade geführten Linien und den unspektakulär gewählten Materialien spricht, mit genauer Behandlung der Details und sanfter Farbigkeit etwaigen Vorwürfen gleichgültiger Lieblosigkeit entgegensteuert.

Im Obergeschoss ist es mit dem angepassten Pragmatismus dann endgültig vorbei. Der Stiegenaufgang mündet in einem Foyer, welches sich zur Gänze gläsern auf den künftigen Ortsplatz öffnet. Der Raum für den Tanzunterricht der Kinder ist - einer großen Trommel gleich mit patiniertem Kupferblech verkleidet - über das Foyer in den Dachraum gehängt. Während sich linker Hand die Probelokalität der Musikkapellen hinter einer massiven Betonscheibe mit elegant eingebauter Bar verbirgt, ist auf der rechten Seite der Hauptstiege das gesamte Geschoss ein Wandelgang, in welchen sich der große, mit Ahorn verkleidete Vortragsraum frei hineingestellt findet. Bei Tag von der Sonne golden angestrahlt, nachts ein weithin sichtbar leuchtender Körper, durchdringt er die neutrale Hülle des Hauses mit seinem eigenen zeitgemäßen kulturellen Anspruch. Im Inneren des Saales sind die Tafeln der akustisch wirksam schuppenförmig angeordneten Holzverkleidung zu Fenstern öffenbar, sodass Schloss, Kirchturm, Wirtshaus und die Felder der Umgebung den Besuchern stets im Blickfeld bleiben.

OÖNachrichten, Do., 2003.02.13



verknüpfte Bauwerke
Musikschule St.Martin

30. Januar 2003Romana Ring
OÖNachrichten

Durch Transparenz Epochen getrennt und verbunden

In Linz ist noch Platz! Vergleichsweise günstige Grundstückspreise in den Gemeinden des näheren oder auch weiteren Umlandes, großzügige Förderungen und...

In Linz ist noch Platz! Vergleichsweise günstige Grundstückspreise in den Gemeinden des näheren oder auch weiteren Umlandes, großzügige Förderungen und...

In Linz ist noch Platz! Vergleichsweise günstige Grundstückspreise in den Gemeinden des näheren oder auch weiteren Umlandes, großzügige Förderungen und die ungebrochene Bereitschaft der Allgemeinheit, dem Einzelnen technische Infrastruktur für ein Butterbrot zur Verfügung zu stellen, sind stärkere Motive für die Stadtflucht als ein tatsächlicher Mangel an Entfaltungsspielraum in der Stadt.

Das Linzer Architekturbüro Haller/Haller legt den Schwerpunkt seiner Arbeit seit langem in das Aufspüren von Feldern, die eine nachträgliche Verdichtung der Stadt ermöglichen. Sie sprechen damit ein Publikum an, dessen Wunsch nach einem eigenen, nicht zu klein bemessenen und qualitativ hochwertigen Heim in Verbindung mit einem Stück privatisierter Natur nicht automatisch an die Vorstellung gekoppelt ist, dieses Eigentum zu Fuß umrunden zu können. Und welches den morgendlichen Stau gern gegen die fußläufige Erreichbarkeit zentraler Einrichtungen sowie das Mähen von 800 Quadratmetern Wiese willig gegen die Pflege einiger Rosenstöcke tauscht.

Eine Liegenschaft in der Höchsmannstraße/Ecke Güntherstraße in Linz/Urfahr hat die Gelegenheiten geboten, durch simples „Zusammenrücken“ die Nutzung bestehender Standortqualitäten um ein Vielfaches zu steigern. Haller/Haller haben das vorgefundene Gebäude - ein solides zweigeschossiges Haus aus den Jahren um 1900 -, dessen massiver Steinsockel und von Rundbögen begrenzte Loggien an der nordwestlichen Ecke so gut an den Fuß des Pöstlingberges passen, im Charakter nicht verändert. Mit der roten Färbelung des Putzes sowohl die Massivität der Mauern als auch die bieder-romantische Ästhetik des Hauses unterstreichend, haben sie sich damit begnügt, im Inneren für zeitgemäße Wohnungen zu sorgen. Neu ist die Zufahrt an der Nordostseite, welche die Tiefgarage erschließt.

Im Süden wurde dem alten Haus ein zweites zur Seite gestellt, welches unter Ausnutzung des leicht abfallenden Geländes auf drei Ebenen bewohnt werden kann. In der Kubatur dem Altbau etwa angeglichen, ist es dennoch leicht als eine zweite, spätere Bauetappe zu erfassen. Denn anstelle des mächtigen Walmdaches findet sich hier ein um Terrassentiefe zurückgesetztes, flach gedecktes Dachgeschoss. Und der hellen Putzfassade ist straßenseitig eine filigrane Metallkonstruktion vorgesetzt, welche den großflächigen Verglasungen als Sonnenschutz und Putzbalkon dient. An der südlichen Stirnseite greift der Vorbau mit Loggien weiter in den Raum. In Verbindung mit dem als Kinderspielplatz eingerichteten Garten sind somit allen Wohnungen geschützte und zudem unterschiedlich ausgeformte Außenräume zugeordnet, welche die Sehnsucht der Städter nach einem nicht allzu heftigen Dialog mit der Natur befriedigen.

Den Abstand zwischen den Häusern haben Haller/Haller der Erschließung gewidmet. Ein transparent gehaltener Körper birgt das Stiegenhaus für beide Objekte. In seiner durchsichtigen geometrischen Klarheit hält er die Epochen ebenso säuberlich auseinander wie er sie durch seine Funktion verbindet.

Und über dem Stiegenhaus schwebt, einem Vordach gleich, die schlanke Platte eines Balkons: ein Zeichen, dem durch seine Nutzung einiges an Pathos, jedoch nichts von seiner Deutlichkeit genommen wird.

OÖNachrichten, Do., 2003.01.30

11. Dezember 2002Romana Ring
ORF.at

Impuls für die Mitte

Neukirchen an der Enknach kann gut und gerne als Prototyp der kleinen oberösterreichischen Landgemeinde dienen

Neukirchen an der Enknach kann gut und gerne als Prototyp der kleinen oberösterreichischen Landgemeinde dienen

Neukirchen an der Enknach kann gut und gerne als Prototyp der kleinen oberösterreichischen Landgemeinde dienen: mit einem kompakten, um die Kirche gedrängten Ortskern, den in die Landschaft gewürfelten Siedlungshäusern samt Kaufhaus aus der Verkleidungskiste des Baustoffhandels und - zwei Musikkapellen mit jeweils mehr als fünfzig Mitgliedern! Wer wüsste nicht um das politische Gewicht dörflichen Vereinslebens: der Bau einer eigenen Musikschule war nur eine Frage der Zeit.

Bereits die erste mit den Planern Karin und Hermann Proyer getroffene Entscheidung, die Musikschule als Anbau des sanierungsbedürftigen Gemeindeamtes auszuführen und so das Zentrum des Ortes zu beleben, stieß bei einigen Bürgern auf beträchtlichen Widerstand.


Plausible Verbindung

Die grüne Wiese, „wo man sich rühren kann“, ist durch Jahrzehnte währende Übung die erste Wahl für jegliche Bauaufgabe und es wird wohl noch eine Weile dauern, bis der Aufruf zur Nachhaltigkeit beim Bauen mehr nach sich zieht als Sonnenkollektoren auf den Dächern der Einfamilienhäuser.

Proyer & Proyer haben das Neukirchener Gemeindeamt bereits als Ergebnis eines Umbaus vorgefunden. Ein kleines, über rechteckigem Grundriss zweigeschossiges Gebäude mittelalterlichen Ursprunges war im 19. Jahrhundert zu einer imposanten U-förmigen Anlage mit einem schwungvollen Mansardedach ergänzt worden. Die unterschiedlichen Geschoßhöhen der beiden Gebäudeteile und der missglückte Verschnitt der beiden Dächer gaben Zeugnis des seinerzeit recht bedenkenlosen Umganges mit historischer Bausubstanz. Umso mehr Fingerspitzengefühl haben „Proyer & Proyer“ diesmal aufgewendet, um eine plausible Verbindung der verschiedenen Baustufen zu erreichen.


Sequenzen und Harmonien

„Proyer & Proyer“ haben die beiden Altbauten originalgetreu restauriert und die Räume - präzise aber unaufdringlich detailliert - den Erfordernissen unserer Zeit angepasst. Ähnlich in Dekor und Farbigkeit der Fassade hebt sich der ältere Westflügel nun wieder deutlicher von seinem jüngeren Anbau ab, denn die Architekten haben ihn von seinem missglückten Dach befreit und sein Volumen um etwa ein Drittel erweitert. Dank der umfassenden Geste einer massiven Attika in der Höhe des Gesimses gelingt diese Maßnahme bruchlos, ohne ihre Ablesbarkeit zu verschleiern.

Hinter dem Zubau wird das Glasdach sichtbar, welches das Entree der Musikschule kennzeichnet. Diese flankiert als langer, schmaler Körper den Altbau, ist jedoch deutlich aus dem rechten Winkel gedreht. Damit öffnet sich der verbleibende Raum zur Grundgrenze vom Vorplatz des Gemeindeamtes im Süden zur Kirche im Norden. Gleichzeitig bleibt die Distanz zwischen den Gebäuden genügend weit, um mit einfachsten Mitteln - Grünfläche, Fußweg und Sitzplatz - einen angenehmen öffentlichen Außenraum zu bauen.


Eine Metapher für Sinnhaftigkeit

In die Entwicklung der aus unterschiedlich großen dunkelgrauen Eternittafeln gefertigten Fassade der Musikschule haben „Proyer & Proyer“ wohl ebenso viel Energie investiert, wie in die daran geknüpfte Diskussion mit den Gemeindebürgern. Die Plattenteilung, die kleinen Vor- und Rücksprünge der Flächen und die darin scheinbar frei verteilten Fensteröffnungen sind eine Referenz an die Intervalle, Sequenzen und Harmonien der Musik, eine Metapher über den Sinn des Hauses, während die Fenster für leibhaftigen Aus- und Einblick stehen.

Das Gemeindeamt selbst wurde in seiner Grundstruktur mit dem Nord-Süd-gerichteten Durchgang im Erdgeschoss erhalten. Auch der ehemals düstere Stichgang in den Westflügel und die parallel dazu verlaufende Stiege zu den Veranstaltungsräumen im Obergeschoss wurden in ihrer Lage nicht verändert. Doch führt der Weg jetzt auf beiden Ebenen in die Halle, welche „Proyer & Proyer“ in die Mitte des Neubaues gelegt haben. Im Bereich der beiden skulptural in den Raum gestellten Treppenläufe gläsern nach Westen geöffnet, erschließt sie im Erdgeschoß neben dem Seniorentreffpunkt im alten Gewölbe des Westflügels einen Fraktionsraum im Süden und Lehrerzimmer im Norden sowie einige Nebenräume.


Verknüpfung der Zentren

Im ersten Obergeschoss wird die gesamte Südseite vom großen Proberaum der Musikkapellen eingenommen. Die schmälere Nordseite der Musikschule birgt einen weiteren Unterrichtsraum, während die Mitte als östliche Erweiterung der Halle und Endpunkt der Stiege, welche hier aus den Tiefen des Gemeindeamtes taucht, mit Glas gedeckt ist und so eine weitere Lichtschneise in das Haus schlägt.

Der mit einer effektvoll hinterleuchteten Bar aus dunklem Holz und milchigem Glas ausgestattete Raum fasst die Wege aus Neubau und Altbestand zusammen, indem er die Möglichkeit zum Verweilen bietet. Durch das Glasdach fällt der Blick auf den greifbar nahen Kirchturm, das Symbol für die Mitte des Ortes. Weiter im Osten gelangt man über das großzügige, als Saalerweiterung dienende Foyer in den Veranstaltungssaal, dem „Proyer & Proyer“ seinen verstaubten Charme liebevoll bewahrt haben. Hinter der schwungvoll gewolkten Decke - von keuschen Plüschbespannungen verborgen und dem Samtvorhang effektvoll kaschiert - verbergen sich die penibel berechnete Raumakustik und eine Bühnentechnik, die noch lange alle Stückeln spielen wird.


Sicht-Beziehungen

Das wesentliche Anliegen, die enge Verknüpfung des geistig-kulturellen Mittelpunktes eines Ortes mit seinem physischen Zentrum, manifestiert sich in den Sicht-Beziehungen zwischen Gebäude und Umfeld, die „Proyer & Proyer“ in großer Vielfalt und Präzision geschaffen haben. Und der Blick auf wertvolle, zum Teil traurig vernachlässigte Bausubstanz rundum stellt klar, dass der Impuls für den Ortskern nicht zu früh gekommen ist. Auch damit steht Neukirchen an der Enknach für viele Orte Oberösterreichs.


[Den Originalbeitrag von Romana Ring finden Sie in architektur aktuell, Österreichs größter Architekturzeitschrift.]

ORF.at, Mi., 2002.12.11



verknüpfte Bauwerke
Musikschule - Gemeindeamt Neukirchen

Profil

Architekturstudium an der TU Wien
Seit 1993 freischaffende Architektin in Linz
Seit 1995 Architekturkritiken für die OÖ Nachrichten und Beiträge über Architektur in verschiedenen Medien

Lehrtätigkeit

2007 – 2021 Lehrtätigkeit an der HTL1 Goethestraße, Linz
2015 – 2021 Abteilungsvorstand Hochbau/Holzbau an der HTL1 Goethestraße, Linz

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften
2001 – 2004 Vorsitzende des Fachbeirates für Architektur und Denkmalpflege im OÖ Landeskulturbeirat
2004 – 2006 Vorsitzende des architekturforums oberösterreich
2006 – 2015 Vorsitzende des Diözesankunstvereines der Diözese Linz
2010 – 2012 Vorsitzende des Fachbeirates für Architektur und Denkmalpflege im OÖ Landeskulturbeirat

Publikationen

2004 »Architektur in Oberösterreich seit 1980« Verlag Anton Pustet

Auszeichnungen

2012 Kunstwürdigungspreis der Stadt Linz für Architektur
2003 Kulturpreis des Landes Oberösterreich für Architektur
2003 Oberösterreichischer Holzbaupreis (Auszeichnung für Landwirtschaftliche Fach- und Berufsschule Otterbach)
1998 Journalismuspreis der Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Oberösterreich und Salzburg 1998

In nextroom dokumentiert:
Oberösterreichischer Holzbaupreis 2003, Preisträger, Landwirtschaftliche Berufs- und Fachschule Otterbach

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