Presseschau

12. Januar 2008Ute Woltron
Der Standard

Architektenaufstand gegen die ÖBB

Ein internationales Architektenkonsortium lässt das Expertenverfahren Bahnhof City der ÖBB vom Bundesvergabeamt überprüfen. Es soll festgestellt werden, ob für den neuen Stadtteil um den künftigen Hauptbahnhof ein EU-weiter Wettbewerb hätte ausgelobt werden müssen.

Ein internationales Architektenkonsortium lässt das Expertenverfahren Bahnhof City der ÖBB vom Bundesvergabeamt überprüfen. Es soll festgestellt werden, ob für den neuen Stadtteil um den künftigen Hauptbahnhof ein EU-weiter Wettbewerb hätte ausgelobt werden müssen.

Das im Herbst von der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH ausgelobte „Expertenverfahren Bahnhof City“ auf dem Wiener Südbahnhofareal, zu dem lediglich acht Architektenteams geladen wurden, geht demnächst in die Juryentscheidung. Ob allerdings die gewählte exklusive Verfahrensart rechtens war, wird in den kommenden Wochen das Bundesvergabeamt zu entscheiden haben.

Nachprüfungsanträge

Denn am Freitag brachten insgesamt 50 österreichische und internationale Architekten bei der Kontrollbehörde Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibung ein. Mit dabei sind etwa die norwegischen Snohetta AS, die sich mit dem Bau der Bibliothek von Alexandria einen Namen gemacht haben und derzeit unter anderem das 9/11-Memorial auf Ground Zero errichten. Ebenfalls darunter befindet sich Volkwin Marg vom Hamburger Büro Gerkan, Marg und Partner, die im Vorjahr mit großem internationalem Aufsehen den ersten Urheberrechtsprozess eines Architekturbüros gewinnen konnten - pikanterweise gegen die Deutsche Bundesbahn im Falle des Berliner Hauptbahnhofs.

Den Architekten geht es darum, endlich klar festzustellen, ob Unternehmen wie die zu hundert Prozent im Staatseigentum stehenden ÖBB und somit auch deren Immobilientochter in Sachen Architekturwettbewerbe dem Bundesvergabegesetz (BVergG 2006) unterliegen, oder, wie die ÖBB-Immo-GesmbH selbst von sich behauptet, rein privatwirtschaftlich agieren dürfen.

Laut BVergG müssen öffentliche Auftraggeber ab einem Schwellenwert von 206.000 Euro EU-weite, öffentliche Wettbewerbsverfahren ausloben, an denen sich alle befugten Architekten beteiligen dürfen. Dieser Schwellenwert wird weit überschritten: Auf dem Wiener Südbahnhofgelände soll in den kommenden Jahren neben dem neuen Hauptbahnhof ein neuer Stadtteil entstehen. In einem der Hochhäuser soll die ÖBB-Zentrale untergebracht werden.

Das umstrittene Verfahren wurde in Absprache mit der Wiener Stadtplanung ausgeschrieben und erst durch Berichte im Standard öffentlich bekannt gemacht. Darauf hin war Architekt Georg Pendl Ende Dezember als Juryvorsitzender zurückgetreten.

Dass die Gewinne der ÖBB-Immo-Gesellschaft unter anderem in die ÖBB-Infrastruktur Bau AG fließen, die wiederum für Errichtung sowie Finanzierung des neuen Hauptbahnhofs zuständig ist, ist für Petra Rindler von der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Pflaum, Karlberger, Wiener, Opetnik, die die Antragssteller vertritt, nur einer der Beweispunkte dafür, dass hier von einem öffentlichen Auftraggeber das Vergabegesetz eindeutig umgangen wurde.

Chaos der Beliebigkeit

Ein Nachprüfungsverfahren dieser Art hat Präzedenzcharakter. Denn derzeit herrscht gerade auf dem Architekturwettbewerbssektor ein nie zuvor dagewesenes Chaos der Beliebigkeit. Einer der Gründe dafür: Das Bundesvergabeamt darf überhaupt nur aktiv werden, wenn es dazu per Antrag aufgefordert wird. Das ist zum einen kostenpflichtig, zum anderen äußerst aufwändig, zum Dritten scheuen die Architekten naturgemäß den Konflikt mit potenziellen Auftragspartnern.

Unter den heimischen Antragsstellern befinden sich namhafte Architekten wie etwa Adolf Krischanitz, Volker Giencke, Szyszkowitz Kowalski, Max Rieder, Hermann Czech - und auch die Architekten Domenig & Wallner. Pikantes Detail am Rande: Als geladene Wettbewerbsteilnehmerin hatten die ÖBB noch im November die Bürogemeinschaft Domenig, Eisenköck angeführt, die jedoch schon längst nicht mehr existiert. Günther Domenig, einer der bekanntesten Architekten der Nation, hatte von seiner angeblichen Teilnahme erst von jenen Kollegen Kenntnis erlangt, die das Verfahren nun überprüfen lassen.

Der Standard, Sa., 2008.01.12

16. Januar 2008Eric Frey
Der Standard

Bahnhof City droht Neuausschreibung

Der Standard-Bericht über den Architektenaufstand gegen den Wettbewerb für die Bahnhof City hat unter Vergabejuristen heftige Diskussionen ausgelöst. Viele von ihnen halten den Antrag auf Nachprüfung für aussichtsreich.

Der Standard-Bericht über den Architektenaufstand gegen den Wettbewerb für die Bahnhof City hat unter Vergabejuristen heftige Diskussionen ausgelöst. Viele von ihnen halten den Antrag auf Nachprüfung für aussichtsreich.

Sollte das Bundesvergabeamt (BVA) zum Schluss kommen, dass die ÖBB mit ihrem nicht EU-weit ausgeschriebenen Architektenwettbewerb für den neuen Stadtteil „Bahnhof City“ rund um den Hauptbahnhof Wien das Vergaberecht verletzt haben, dann wäre eine Neuausschreibung notwendig, sagt der BVA-Vorsitzende Michael Sachs. Die Chancen dafür stehen nach Meinung führender Vergaberechtsexperten gut.

Wie der STANDARD am Wochenende exklusiv berichtet hatte, hat eine Arbeitsgemeinschaft von knapp 50 in- und ausländischen Architektenbüros beim BVA eine Nachprüfung beantragt. Zusätzlich hat das renommierte norwegische Büro Snohetta AS einen Einzelantrag gestellt. Sie argumentieren, dass die ÖBB Immobilienmanagement GmbH, eine 100-Prozent-Tochter eines Staatsbetriebs, dem Bundesvergabegesetz (BVergG 2006) unterliegt und der Wettbewerb daher EU-weit ausschreiben hätte müssen. Stattdessen wurden nur acht Architektenbüros zu einem Wettbewerb eingeladen.

Nach dem BVergG sind öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber in bestimmten Wirtschaftssektoren wie Straße oder Schiene an das Vergabegesetz gebunden, kommerziell agierende Töchter von Staatsbetrieben aber nicht.

Vom STANDARD befragte Experten vermuten eine versuchte Umgehung des Vergaberechts durch die Ausgliederung in eine Tochter, die allerdings bei geschickter Strukturierung vor den Berufungsstellen halten könnte.

Die Vergaberechtsanwältin Kathrin Hornbanger sieht in der Causa einen spannenden Grenzfall: „Wenn die Immobilienmanagement GmbH eine Sektorentätigkeit ausübt und für die ÖBB agiert, dann wäre sie ein öffentlicher Auftraggeber und müsste ausschreiben - nicht aber, wenn sie ganz normal am Markt tätig ist.“ Auch wenn mehr als 50 Prozent der Finanzierung des Projekts von der öffentlichen Hand kämen, wäre eine Ausschreibung notwendig.

Für den Anwalt Stephan Heid ist die Antwort auf diese Fragen klar: „Es handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen öffentlichen Auftragsgeber oder allenfalls einen Sektorenauftraggeber, der einen EU-weiten Wettbewerb hätte durchführen müssen“, sagt er. Ein Schwachpunkt des Nachprüfungsantrag sei allerdings, dass die Antragsteller plausibel machen müssen, dass sie am Auftrag tatsächlich interessiert sind. „Eine Arbeitsgemeinschaft von 50 Büros würde sich niemals an der Ausschreibung beteiligen - das könnte sich als Stolperstein erweisen“, warnt Heid.

Kritisch ist auch der sehr knappe Fristenlauf bei der Bekämpfung von Vergabeentscheidungen. Dabei spielt es eine Rolle, wann die Antragsteller vom Wettbewerb erfahren haben und realistischerweise erfahren konnten. Da die ÖBB dies nicht öffentlich gemacht hat, war die einzige Quelle die Berichterstattung im Standard - vor allem für ausländische Büros keine Pflichtlektüre.

Eine Rolle spielen könnte der jüngste Fall vor dem EuGH zur Fernwärme Wien (C-393/06), bei dem der Generalanwalt im November eine strikte Auslegung der Vergaberegeln bei öffentlichen Auftraggeber, die auch kommerziell tätig sind, gefordert hat.

„Staatsnähe“ nicht alles

Wenig überzeugt vom Standpunkt der antragsstellenden Architekten ist Michael Hecht, Partner bei Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte in Wien. Die bloße „Staatsnähe“ alleine mache Unternehmen noch lange nicht zu öffentlichen Auftraggebern im Sinne des BVergG.

Hecht dazu: „Dass die Gewinne eines Unternehmens an den Gesellschafter - in diesem Fall die ÖBB Infrastruktur Bau AG - fließen, ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist schon richtig, dass die überwiegende Finanzierung oder Leitung durch einen anderen öffentlichen Auftraggeber mit ausschlaggebend dafür ist, ob das Unternehmen ein öffentlicher Auftraggeber ist. Dieser Umstand alleine aber ist bedeutungslos, solange das Unternehmen nicht zum Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die noch dazu nicht gewerblich sein dürfen.“

Diese besonderen Zwecke liegen laut Hecht im vorliegenden Fall nicht offenkundig vor: Wäre die bestmögliche Bewirtschaftung und Verwertung von Liegenschaften immer eine öffentliche Aufgabe, dann wäre die gesamte Immobilienbranche ein einziges öffentliches Unternehmen. „Die Forderung nach einer Anwendbarkeit der Vergabebestimmungen scheint hier geradezu überbordend zu sein. Würde jedes im weiteren Sinne staatliche Unternehmen vergabepflichtig, so wäre dies für einen vergaberechtlich ohnehin überreglementierten Markt eine Katastrophe.“

Der Standard, Mi., 2008.01.16

16. Januar 2008Der Standard

ÖBB stoppen Architektenwettbewerb

Bis zur Entscheidung des Bundesvergabeamts - Hollein, Feichtinger und Behnisch bisher in engerer Auswahl

Bis zur Entscheidung des Bundesvergabeamts - Hollein, Feichtinger und Behnisch bisher in engerer Auswahl

Angesichts der Turbulenzen um die „BahnhofCity“ beim geplanten Wiener Hauptbahnhof haben die ÖBB nun den Architektenwettbewerb für das Projekt gestoppt, erklärte Sprecherin Bettina Gusenbauer der APA.

Dies gelte, bis das Prüfungsergebnis des Bundesvergabeamts (BVA) vorliegt. An der Rechtsposition habe sich nichts geändert, man sehe sich als privatwirtschaftlicher Akteur und falle damit nicht in den Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes. „Wir gehen davon aus, dass dieses Verfahren korrekt ist“, so Gusenbauer. Zu Konsequenzen eines allfälligen negativen Urteils, die möglicherweise eine EU-weite Neuausschreibung notwendig machen würde, wollte man bei den ÖBB nur wenig sagen. „Wenn der Entscheid besagt, dass es nicht rechtens ist, muss man natürlich auch handeln“, so Gusenbauer.

Drei Favoriten

Im Wettbewerb gibt es bereits ein Zwischenergebnis, die Weiterbearbeitung der drei Favoriten wurde verschoben. Die 13-köpfige Jury unter Vorsitz von Architekt Rüdiger Lainer hat die Projekte der acht geladenen Teams begutachtet. Für die zweite Stufe ausgewählt wurden die Vorschläge von Hans Hollein, „Feichtinger Architects“ sowie des Stuttgarter Büros „Behnisch Architekten“.

Keine Visualisierungen

Details oder Bilder der Arbeiten wollte die ÖBB-Immobilienmanagement GmbH nicht veröffentlichen. Verwiesen wurde lediglich auf das Juryergebnis, das den drei Projekten „hohe urbane Qualität“ und „gute Signalwirkung“ attestiert. Die Rede ist von „Merkzeichen in der Stadtsilhouette“. Generell würden sie sich stark an den Vorgaben des Masterplans für das Gelände orientieren. Dieser sieht beim Südtiroler Platz ein Hochhaus vor, das künftig die ÖBB-Zentrale beheimaten soll.

Jury

Mitentschieden haben unter anderem Wirtschaftskammer-Präsidentin Brigitte Jank, die Wiedener Bezirksvorsteherin Susanne Reichard (öVP) und mehrere Architekten, nicht aber Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SPÖ). Dieser ließ sich durch einen Beamten vertreten. Nachträglich gab er sein Ausscheiden aus der Jury bekannt und forderte wegen des Streits um das nicht EU-weite offene Verfahren eine „rechtskonforme Ausschreibung“.

Von Schickers Jury-Ausstieg sei man sehr überrascht. „Wir nehmen diesen Schritt mit Bedauern zur Kenntnis. Uns ist eine gute Kooperation mit der Stadt Wien gerade bei diesem Großprojekt ein großes Anliegen“, so die Sprecherin. Sollte er nach der Entscheidung der Behörde zurückkehren, würde man ihn „sehr willkommen heißen“.

Der Standard, Mi., 2008.01.16

28. Dezember 2007Der Standard

Pendl aus Jury ausgestiegen

Architekten-Präsident zweifelt nach wie vor an geladenem Wettbewerb für „Bahnhof City“ - Gutachten bestätigen ÖBB als „privatwirtschaftlichen Akteur“

Architekten-Präsident zweifelt nach wie vor an geladenem Wettbewerb für „Bahnhof City“ - Gutachten bestätigen ÖBB als „privatwirtschaftlichen Akteur“

Georg Pendl, Präsident der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, ist aus der Wettbewerbsjury für die „Bahnhof City“ beim künftigen Wiener Hauptbahnhof ausgestiegen. Anlass des Rückzugs sind Zweifel, ob das Projekt nicht gemäß Bundesvergabegesetz EU-weit hätte ausschrieben werden müssen, anstatt einen geladenen Wettbewerb durchzuführen. Der Argumentation der ÖBB, sie handelten in diesem Fall privatwirtschaftlich, wollte Pendl nicht folgen.

Gegenstand der Unstimmigkeiten sind Bauten rund um den neuen Bahnhof. Die ÖBB haben für das Areal acht Architektenteams, darunter prominente Namen wie Coop Himmelb(l)au oder Hans Hollein, für das Expertenverfahren ausgesucht. Jury-Mitglied Pendl teilte vor gut einem Monat dann seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausschreibungsmodalitäten mit. In einer Aussendung verlangte er von den ÖBB eine Rechtsprüfung und drohte mit Rückzug, falls sich herausstelle, dass es sich um ein nicht rein privatrechtlichen Gesichtspunkten unterliegendes Verfahren handle.

Gutachten

„Wir haben zwei rechtliche Gutachten vorliegen, die eindeutig belegen, dass wir als privatwirtschaftlicher Akteur agieren und somit nicht in den Geltungsbereich des Bundesvergabegesetzes fallen“, sagte Michaela Steinacker, Geschäftsführerin der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH, kürzlich am Rande einer Bahnhofsbesichtigung zur APA. Die entsprechenden Expertisen seien Pendl bereits vorgelegt worden.

Pendl bestätigte gegenüber der APA nun den Erhalt eines Textes, in dem die beiden Expertisen zusammengefasst worden seien. Diese hätten seine Zweifel aber nicht ausräumen können, so der Architekten-Präsident. Aus diesem Grund habe er Projektleiter Norbert Steiner von der ÖBB Immobilienmanagement GmbH schriftlich mitgeteilt, dass er sich aus der Jury zurückziehe. Dieser habe dies zur Kenntnis genommen.

Außerdem habe er die ÖBB aufgefordert, entsprechende Verfahren künftig nach dem Bundesvergabegesetz durchzuführen, so Pendl. Beim Hauptbahnhof könnte es möglicherweise zu Einsprüchen nicht berücksichtigter Architekten kommen.

„Wir akzeptieren die Entscheidung Pendls selbstverständlich. Jedes Mitglied sitzt schließlich freiwillig im Gremium und kann dieses auch freiwillig wieder verlassen“, hieß es in einer ersten Reaktion der ÖBB. Ob und durch wen der entsprechende Jury-Posten nachbesetzt werde, sei noch unklar und werde vermutlich in Absprache mit Steiner und der übrigen Jury entschieden, so eine Konzern-Sprecherin auf APA-Anfrage.

ÖBB sicher

Die ÖBB halten indes an ihrer Position fest und sehen sich auf juristisch sicherer Seite: „Das hält rechtlich auf jeden Fall“, zeigte sich Steinacker noch vor Bekanntwerden von Pendls Rücktritt überzeugt. Immerhin sei die Ausschreibung des Wettbewerbs unter Einbindung der Stadt Wien erfolgt, so die Geschäftsführerin. Sie stehe zu 100 Prozent hinter den derzeitigen Ausschreibungsmodalitäten: „Das ist ein völlig übliches und gängiges Verfahren“. An dieser Haltung ändere sich auch jetzt nichts, hieß es von den ÖBB.

Die Präsentation der Konzepte für die Bebauung der „Bahnhof City“ - also sämtliche Einreichungen - sollen Anfang Jänner präsentiert werden. Fest steht bereits die Gestaltung der Bahnhofshalle, sie ist nicht Teil des Wettbewerbs.

Der Standard, Fr., 2007.12.28

17. Januar 2008Ute Woltron
Der Standard

ÖBB stoppt Vergabe bei Hauptbahnhof

Der Wettbewerb um die BahnhofCity am Wiener Hauptbahnhof wurde von den ÖBB am Mittwoch vorläufig gestoppt. Drei Architekturteams kamen dennoch in eine zweite Runde. Ob die allerdings tatsächlich stattfinden kann, muss erst das Bundesvergabeamt entscheiden.

Der Wettbewerb um die BahnhofCity am Wiener Hauptbahnhof wurde von den ÖBB am Mittwoch vorläufig gestoppt. Drei Architekturteams kamen dennoch in eine zweite Runde. Ob die allerdings tatsächlich stattfinden kann, muss erst das Bundesvergabeamt entscheiden.

Während das Bundesvergabeamt die Überprüfung des umstrittenen ÖBB-Verfahrens BahnhofCity Wien bereits eingeleitet hat, wurden am Montag und Dienstag die Entwürfe der acht geladenen Architekturbüros juriert. Wie der Standard gestern berichtete, war der Wiener Planungsstadtrat Rudolf Schicker (SPÖ) am Montag erst nicht zur Sitzung erschienen, um dann am Dienstag kurzfristig und völlig überraschend als Juror zurückzutreten.

Ein Sieger wurde noch nicht gefunden, die Projekte von Behnisch Architekten, Stuttgart, Feichtinger Architekten, Paris, sowie Hans Hollein, Wien, gehen in einer zweiten Runde in die Überarbeitung. Allerdings, so ÖBB-Sprecherin Bettina Gusenbauer, gebe es dafür erst dann den Startschuss, wenn das Bundesvergabeamt seine Überprüfung abgeschlossen habe. Der Entscheid ist in sechs Wochen zu erwarten, die Frist läuft ab Antragsstellung.

Großes Erstaunen hat Rudolf Schickers Rückzieher aus dem Verfahren nicht nur bei der ÖBB hervorgerufen. Der oberste Planer der Stadt ließ via APA am Dienstag ausrichten, er könne sich als Juror nicht für ein Verfahren zur Verfügung stellen, dessen Rechtsgrundlage unklar sei. Dem Standard ließ Schicker auf Anfrage mitteilen, das ÖBB-Verfahren würde „außerhalb des Einflussbereiches der Stadt Wien geführt“, und: „Die rechtliche Beurteilung der Frage, wer ein öffentlicher und wer ein privater Auslober ist, entzieht sich der Entscheidungsfindung der Stadt.“

„Blitzrückzieher“

Diese Aussage erstaunt zumal die ÖBB, denn in der Ausschreibung ist der Auslober explizit als „ÖBB Immobilien in Kooperation mit der Stadt Wien“ angegeben.

Erbost über Schickers Blitzrückzieher zeigte sich via Aussendung auch die Vorsteherin des vierten Bezirks, Susanne Reichard (ÖVP), die ebenfalls Mitglied der Jury war. Schicker betreibe „einen Eiertanz par excellence“ und, so weiter: „So ein Verhalten ist eines Planungsstadtrates unwürdig.“ Denn: „An welchen Vorgaben sollen sich die Bezirke nun orientieren, wenn das ganze Projekt in Schwebe ist.“

Die Reaktionen innerhalb der Architektenschaft lassen ebenfalls nicht auf sich warten. Man werde, so ein am Verfahren beteiligtes Büro internationalen Formats, die ÖBB mit Sicherheit auf Schadenersatz klagen, sollte sich das Verfahren als nicht rechtsmäßig erweisen. Es gehe nicht an, dass man auf gut Glück einen Verfahrensweg wähle, der sich dann unter Umständen als gesetzeswidrig erweise.

Dietmar Feichtinger, als einer der drei Überarbeiter in Warteposition, sagte zum Standard: „Angenehm ist die Situation für uns natürlich nicht.“ Sollte aber festgestellt werden, dass die ÖBB tatsächlich öffentlich hätten ausschreiben müssen, habe er mit dem Antrag der Kollegen „kein Problem“. Hans Hollein meinte, er sei „davon ausgegangen, dass dies ein korrektes Verfahren ist“. Vom Architektenteam Behnisch war keine Aussage zu bekommen, außer, dass man über die Situation zu wenig im Bilde sei.

Derzeit läuft übrigens am Wiener Nordwestbahnhofgelände ein ebenfalls von den ÖBB Immobilien gemeinsam mit der Stadt Wien (MA21) ausgelobtes Verfahren, das eine „Städtebauliche Leitidee“ für das künftig zu entwickelnde Areal zum Ziel hat. Auch dieses Verfahren wird mit neun geladenen Teams durchgeführt, wird allerdings nicht zu einem konkreten Bau führen und befindet sich vergabetechnisch im Unterschwellbereich, muss ergo nicht EU-weit ausgeschrieben werden.

„Wir werden trotzdem aus diesem Verfahren aussteigen“, meinte Wolf Prix von den dazu geladenen Architekten Coop Himmelb(l)au auf Anfrage des Standard, denn das Vergabechaos, das sowohl bei den ÖBB als auch in der Stadtplanung zutage trete, habe sein Vertrauen in die Güte deren Architekturwettbewerbe einmal mehr erschüttert.

Und noch ein weiteres Verfahren dürfte auf der Kippe stehen: Am von der Stadtplanung ausgeschriebenen PPP-Modellwettbewerb für die Bildungseinrichtung am Nordbahnhof haben gerade drei der acht Architektenteams ihre Beteiligung zurückgezogen, da laut deren Aussage sowohl Ausschreibung als auch Verfahrensprozess die Herstellung architektonischer Qualität völlig unmöglich machten.

Der Standard, Do., 2008.01.17

19. Januar 2008Ute Woltron
Der Standard

„Klare Entscheidung wäre ein Erdbeben“

Der Wiener Hauptbahnhof sorgt bereits für Aufregung, bevor noch mit dem Bau begonnen wurde. Der STANDARD lud vier Experten ein, um über die Auswirkungen dieses spektakulären Aufbegehrens der Architekten gegen den Trend, Wettbewerbe in geladener Form zu organisieren. Ute Woltron moderierte.

Der Wiener Hauptbahnhof sorgt bereits für Aufregung, bevor noch mit dem Bau begonnen wurde. Der STANDARD lud vier Experten ein, um über die Auswirkungen dieses spektakulären Aufbegehrens der Architekten gegen den Trend, Wettbewerbe in geladener Form zu organisieren. Ute Woltron moderierte.

STANDARD: Was bedeutet die Vergabeamtsentscheidung für die gesamte Bauszene?

Walter Stelzhammer: Im Moment warten alle wie gebannt darauf. Die Entscheidung ist für den gesamten Berufsstand ungeheuer wichtig. Sie wird nicht nur die Position der ÖBB, sondern aller öffentlichen Auftraggeber neu definieren.

Christoph Stadlhuber: Egal wie die Entscheidung fällt, die BIG wird weiterhin öffentlich ausschreiben. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir über offene EU-weite Wettbewerbe die besten Ergebnisse bekommen.

Adolf Krischanitz: In Österreich gab es immer eine hochstehende Wettbewerbskultur, und es ist problematisch, wenn sich der öffentliche Bauherr verstärkt über Abwicklungsgesellschaften aus diesem System herausnimmt. Der Architektenberuf ist ohnehin einer der existenziell problematischsten überhaupt. Für Jüngere ist es extrem schwierig, zum Zug zu kommen. Der Wettbewerb ist das Mittel, um an öffentliche Aufträge heranzukommen.

Sabine Gretner: Die Auswirkungen werden enorm sein. Das ÖBB-Verfahren zeigt die Haltung der öffentlichen Hand gegenüber der Baukultur und ihren Rückzug aus der Verantwortung.

STANDARD: Warum ist die EU-weite Ausschreibung offenbar ein Schreckgespenst für manche Bauherren?

Stelzhammer: Man hat Angst, die falschen Preisträger zu kriegen.

Krischanitz: Das kommt aus dem Omnipotenzanspruch gewisser Bauherren, die jedes Risiko, auch im Positiven, ausschließen wollen: Es könnte ja ein Projekt dabei sein, mit dem kein Mensch rechnet, das aber trotzdem irrsinnig klass ist. Die versuchen die Ergebnisse von Beginn an so hinzubiegen, dass es ihnen in den Kram passt.

Gretner: In der Stadt Wien arbeitet man in den letzten Jahren zudem stark mit Branding. Dazu braucht man internationale Namen, weil man Stadtteile besser verkaufen kann, wenn der Masterplan von Norman Foster stammt, auch wenn der nicht realisierbar ist.

Stadlhuber: Die Gefahr bei geladenen Wettbewerben besteht auch darin, dass in der Jury eher darüber diskutiert wird, welcher Architekt genommen werden soll, als welches Projekt. Aber eben das Projekt sollte im Vordergrund stehen, nicht die Planer.

STANDARD: Welche Institutionen wird die Entscheidung betreffen?

Gretner: Es gab allein in Wien in den vergangenen Jahren viele Ausgliederungen. Eine klare Entscheidung wäre ein Erdbeben!

Stadlhuber: Es wird den gesamten öffentlichen Bau in Österreich betreffen. Es gibt kaum mehr Gebietskörperschaften mit Liegenschaftseigentum. Die sind meistens in BIGs, LIGs und GIGs - Bundes-, Landes- und Gemeindeimmobiliengesellschaften - ausgelagert.

STANDARD: Von welchem unter Umständen betroffenen Bauvolumen reden wir eigentlich?

Stelzhammer: Von Milliarden.

Krischanitz: Viel auf jeden Fall. Doch komischerweise sind Gesamtbaukosten meistens weit weniger interessant als Architektenhonorare. Tatsächlich ist das momentane Wettbewerbssystem selbstausbeuterisch bis zum Exzess. Im Schnitt muss man zehn Wettbewerbe machen, bevor man einen gewinnt, und die muss man alle finanzieren. So kommst du als Architekt nie zu Rücklagen, weil du sofort wieder alles in Wettbewerbe investieren musst. Diese Basis wird durch geladene Verfahren noch einmal verschlechtert, und insofern glaube ich, dass es nur mehr Wahnsinnige sind, die diesen Beruf ausüben.

STANDARD: Welche Wettbewerbsart ist dann eigentlich anzustreben?

Krischanitz: Offene Wettbewerbe mit vorgeschalteter Bewerbung, die Jury kann entscheiden, wer mitmacht, und automatisch wird ein gewisser Prozentsatz von Jungen automatisch einbezogen.

Stelzhammer: Die ÖBB hätte wie die Erste Bank am Nachbargrundstück genau so ein Verfahren mit vorgeschalteter Bewerbung ausloben können. Warum hat sie das nicht getan?

STANDARD: Kluge Bewerbungsverfahren sind also die Lösung, die erfordern allerdings bewusste Bauherren, die ihre eigenen Kriterien definiert haben.

Krischanitz: Exakt. Über die Nachhaltigkeit von Gebäuden wird kaum geredet, das wird dann halt irgendwie gemacht. Aber das ist zu kurz gedacht.

Gretner: Noch dazu in einer Zeit, in der die Betriebskosten heftig steigen.

Stelzhammer: Das Wettbewerbssystem wäre ja an sich brauchbar, und es soll auch dem Auftraggeber vorbehalten bleiben, welche Verfahrensart er wählt. Das Bundesvergabegesetz bietet den Handlungsspielraum, aber wir Architekten müssen mitreden können, wie weit der geht. Manche Anwaltskanzleien haben sich geradezu auf diese Zwischengrauzonen spezialisiert und reizen sie bis zum Letzten gegen die Architektenschaft und die Architektur aus.

Krischanitz: Mir kommt vor, dass man in Österreich, aber auch in Deutschland etwas hinten ist. Schweizer Ausschreibungen sind wesentlich präziser. Hierzulande sitzen auch in der Jury oft Leute, die sich nicht genug auskennen. Es ist alles ein bisschen schlampig geworden in Österreich: Man weiß eh, wen man einlädt, und möglicherweise auch, wer gewinnen soll. Das ist ein übler Umgang mit Ressourcen, der aber für uns Architekten ganz entscheidend ist. Die Wettbewerbskultur braucht wieder eine Aufwertung.

Gretner: Es geht aber auch um den enormen Wert von guter Architektur für die Allgemeinheit. Architekten werden immer noch zu sehr als Künstler gesehen, doch was Architektur und Städtebau für uns alle bedeutet, darüber herrscht zu wenig Aufklärung.

Stadlhuber: Noch eine Frage: Warum unterscheidet man überhaupt so extrem zwischen Öffentlichen und Privaten? Gerade das aktuelle Beispiel BahnhofCity zeigt an einem Standort, dass ein privates Unternehmen, die Erste Bank, einen öffentlichen Wettbewerb veranstaltet, aber ein - gegebenenfalls - öffentliches Unternehmen umgeht das. Ich hoffe, dass die nun entbrannte Diskussion zu einem Plädoyer für den offenen Wettbewerb führt. Das sollten dann tunlichst auch die Privaten erkennen. Die Erkenntnis, dass der sinnvoll ist, muss greifen, denn durch Zwang allein kommt nie was Ordentliches zustande.

STANDARD: Die ausgegliederte BIG gilt immer noch als „Staatsmacht“ des Bauens, sie muss aber privatwirtschaftlich agieren und Geld verdienen. Inwieweit hat sie das Backing ihres Eigentümervertreters, des Wirtschaftsministers, die Baukultur über offene Wettbewerbe hochzuhalten?

Stadlhuber: Das ist absolut kein politisches Thema. Wir müssen das Geld, das wir ausgeben, zurückverdienen, und wenn's geht ein bisschen mehr dem Finanzminister abliefern. Da wehren wir uns nach Möglichkeit, weil wir das Geld in der Immobilie, im Bestand zu halten versuchen. Die Argumente könnten bei der BIG allerdings die gleichen sein wie bei den ÖBB. Denn wenn wir mit unseren Mietpreisen mit der Konkurrenz nicht mithalten können, geht der Mieter woanders hin.

STANDARD: Erbringt das den Beweis, dass es mit offenen Wettbewerben genauso möglich ist, wirtschaftlich zu agieren?

Stadlhuber: Ganz sicher. Was das Verfahren anlangt, hoffe ich jetzt auf eine rasche Entscheidung, die nicht in die Instanzen geht.

Gretner: Ich will die Politik aber keinesfalls aus der Verantwortung nehmen. Dieses Verfahren übt erstmals wirklich Druck aus. Jetzt wird mit juristischen Mitteln über Bauqualität entschieden.

Stelzhammer: Meine Botschaft an Stadtrat Schicker, der sich ja aus der Jury zurückgezogen hat, lautet: Wenn er nun die rechtskonforme Ausschreibung unverzichtbar nennt, dann ist für mich als Standesvertreter klar, dass er sich ab sofort hundertprozentig für die Sache einsetzen wird. Ich fordere ihn daher auf, das im Rahmen dieses Nachprüfungsantrages zum ÖBB-Verfahren auch zu tun.

Krischanitz: Neben all den juristischen Spitzfindigkeiten gibt es eine moralische und kulturelle Verantwortung - und da frage ich mich, wie so etwas überhaupt passieren kann.

Der Standard, Sa., 2008.01.19

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