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Presseschau

03. März 2012Wojciech Czaja
Der Standard

Österreich baut Raum mit Menschen und Avataren

„Reports from a city without architecture“, so lautet das Motto des österreichischen Beitrags für die kommende Architekturbiennale in Venedig, die am 28....

„Reports from a city without architecture“, so lautet das Motto des österreichischen Beitrags für die kommende Architekturbiennale in Venedig, die am 28....

„Reports from a city without architecture“, so lautet das Motto des österreichischen Beitrags für die kommende Architekturbiennale in Venedig, die am 28. August eröffnet werden wird. Gestern, Freitag, lud Kulturministerin Claudia Schmied (SP) zur Pressekonferenz. Vorgestellt wurden das Planungsteam rund um den österreichischen Kommissär Arno Ritter, Leiter des Innsbrucker Architekturhauses aut, sowie das inhaltliche Konzept. Oder zumindest eine vage Andeutung dessen.

„Wir wollen keine klassische Architekturausstellung mit Fotos, Plänen und Modellen machen“, erklärte Ritter. Stattdessen werde es auf der kommenden Biennale einen einzigen „charakteristischen und unverwechselbaren“ Beitrag an der Schnittstelle von Architektur, Kunst und Grafikdesign geben.

In Zusammenarbeit mit Architekt Wolfgang Tschapeller, dem Grafischen Büro Wien und den beiden Künstlern Martin Perktold und Rens Veltman entwirft Ritter das, was er als „Projekt zwischen Science und Fiction“ bezeichnet. Geplant ist, den Österreich-Pavillon in den Giardini mit Projektionsflächen, Spiegeln und einem „topografisch gestalteten Boden“ auszustatten. Die projizierten Trickfilme sollen interaktiv sein. Anhand der sich bewegenden Menschen im Raum sollen Figuren in Echtzeit und im Maßstab 1:1 animiert und in den Raum projiziert werden. „Wir bauen einen Raum mit realen menschlichen Figuren und ihren Avataren“, so Architekt Tschapeller.

Claudia Schmied ist überzeugt, man könne sich auf der kommenden Biennale in Venedig „auf etwas Außergewöhnliches einstellen“. Und Arno Ritter fasste zusammen: „Ich möchte einen Pavillon machen, den die Leute entweder fluchtartig verlassen, weil sie damit nichts anfangen können, oder aber darin bleiben, wie sie selbst ein Bestandteil dieser neuen Architektur der Zukunft werden wollen.“

Vorerst nichts als vage Anspielungen. Doch eines scheint fix: Nach den letzten vorsichtigen und pluralistischen Ansätzen in Venedig bekennt sich Österreich endlich zu Radikalität und bezieht Stellung.

Der Standard, Sa., 2012.03.03

03. März 2012Die Presse

Architekturbiennale: „Immaterielle“ Schau für Österreich

Österreich schickt ein Trio nach Venedig: Architekt Wolfgang Tschapeller und die Künstler Rens Veltman und Martin Perktold.

Österreich schickt ein Trio nach Venedig: Architekt Wolfgang Tschapeller und die Künstler Rens Veltman und Martin Perktold.

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21. Mai 2012Jürgen Tietz
Neue Zürcher Zeitung

Party in der Kirche

«Common Ground» lautet der Titel der von David Chipperfield kuratierten 13. Architekturbiennale Venedig, die Ende August eröffnet wird. Auch mehrere Schweizer Architekten hat der Brite eingeladen. Jürgen Tietz sprach mit David Chipperfield über die Biennale und die Bedeutung des architektonischen Dialogs.

«Common Ground» lautet der Titel der von David Chipperfield kuratierten 13. Architekturbiennale Venedig, die Ende August eröffnet wird. Auch mehrere Schweizer Architekten hat der Brite eingeladen. Jürgen Tietz sprach mit David Chipperfield über die Biennale und die Bedeutung des architektonischen Dialogs.

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verknüpfte Akteure
Chipperfield David

28. August 2012Wojciech Czaja
Der Standard

Verschlüsselungszeremonien im digitalen Raum

Die Architektur-Biennale in Venedig, die am Mittwoch eröffnet wird, widmet sich dem „Common Ground“ - dem Raum, der uns alle angeht

Die Architektur-Biennale in Venedig, die am Mittwoch eröffnet wird, widmet sich dem „Common Ground“ - dem Raum, der uns alle angeht

Die meisten Länder haben die Botschaft begriffen. Einige scrollen sich ins Abseits.

Überraschung: Die Architekten dieser Welt haben die iPads, Tabloids und QR-Codes für sich entdeckt. Ein auffällig großer Teil der 13. Internationalen Architektur-Biennale in Venedig, die morgen, Mittwoch, offiziell eröffnet wird, greift auf diese praktischen technologischen Errungenschaften zurück. Da wird gescannt, geswyped und gescrollt bis zum Daumenkatarrh. Manche Beiträge verwehren sich überhaupt der Realität. Sie bleiben virtuell.

Russland ist so ein Beispiel. Im Untergeschoß ihres Pavillons stellt Kurator Sergej Tschoban geheime Forschungsgelände und nicht öffentlich zugängliche Wissenschaftsstädte aus der Zeit des Kalten Krieges aus. Bis heute sind diese Orte - dargestellt anhand von Schwarz-Weiß-Fotos - blinde Flecken auf der Landkarte.

Dem gegenüber präsentiert Tschoban das Moskauer Stadterweiterungsprojekt Skolkovo. Die neue Forschungsstadt, eine Art russisches Silicon Valley, befindet sich derzeit in Bau und ist das Prestigeprojekt Russlands schlechthin. Jedoch: Man sieht nichts. Der gesamte Pavillon besteht aus hunderten quadratischen QR-Codes, die erst mit dem Tabloid fotografiert werden müssen und deren Inhalte sich nach dem Scannen schließlich auf dem Touchscreen offenbaren. Das Ganze erinnert an den Science-Fiction-Horrorfilm Cube (1997).

„Skolkovo wird eine offene, transparente, freundliche und einladende Science-Metropole sein, eine Art öffentliche iCity“, erklärt Tschoban im Standard-Interview. Der PR-Ton ist unüberhörbar. „Und anders als die geheimen Wissenschaftsterritorien der Vergangenheit wird Skolkovo für jeden frei zugänglich sein.“

Davon ist nicht viel zu merken, denn mehr als über die Offenheit präsentiert sich Russland über das Prinzip des Ausschlusses. Keine Technik? Kein Inhalt. Das Generalmotto „Common Ground“, das Biennale-Direktor David Chipperfield wie einen Schleier sorgfältig über die insgesamt 55 Länderbeiträge und 58 Kunstprojekte im Arsenale und in den Giardini legte, sucht man hier vergeblich.

Auch andernorts spielt die Technik eine wichtige Rolle. Das Projekt Gateway von Norman Foster, Carlos Carcas und Charles Sandison projiziert mehr oder wenige bekannte Bauwerke sogenannter Stararchitekten an die Wände und verdeutlicht mit der passenden Geräuschkulisse beziehungsweise mit einer entsprechend dramatischen musikalischen Untermalung, wie sich Architektur durch ihre Nutzung verändert. Ja, eh. Und immer wieder QR-Codes zu Scannen.

Mensch und Raum

Unter den technikaffinen Beiträgen ist der österreichische Pavillon heuer die einzige große positive Ausnahme. Nach vielen Jahren ist das Josef-Hoffmann-Haus endlich wieder einen Ausflug wert. Kurator Arno Ritter und Architekt Wolfgang Tschapeller spielen in ihrer Installation hands have no tears to flow..., für die das BMUKK 400.000 Euro zur Verfügung stellte (siehe Seite 1) mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Raum.

Zu diesem Zweck wurden 32 Personen mit jeweils rund vier Millionen Punktdaten dreidimensional vermessen und in Bewegung gesetzt. Die animierten Figuren gehen, tanzen und kriechen an den Wänden des Innenraums. Zwei dieser Figuren sind interaktiv: Sie nehmen die Bewegungen der Besucher auf und treten auf diese Weise - zumindest mit den besonders Aufmerksamen unter ihnen - in Kontakt. „Wir haben bei unserer Arbeit gemerkt, dass die Figuren eigentlich sehr ähnlich konstruiert sind wie Räume“, erklärt Ritter. „Für die Zukunft lassen sich daraus durchaus Schlüsse für das Verhältnis von Raum und Körper ziehen.“ Architekt Tschapeller formuliert es noch etwas konkreter: „Ich denke, dass wir unsere Räume in Zukunft näher am menschlichen Körper entwerfen werden. Damit könnte das Subjekt mehr in den viel diskutierten Mittelpunkt der Architektur rücken.“

Dieser Mittelpunkt schließlich ist es, der die Biennale unter Schirmherrschaft von Chipperfield so spannend macht - von wenigen Selbstbeweihräucherungs-Aktionen von Zaha Hadid, Herzog & de Meuron & Co einmal abgesehen. Die interessanten Fragen stellen heuer definitiv Chile, Bahrain, Japan und Dänemark. Sie alle interpretieren den „Common Ground“ nicht als gebaute Architektur, also als künstliche Landschaft - sondern als natürliche.

Chile schickt seine Architekten in die Salzwüste, Bahrain befasst sich mit dem medialen Bild seiner Landschaft, die sich in Form von Hintergrundbildern auf BBC und CNN manifestiert, Japans Kommissär Toyo Ito denkt über billige und intelligente Wiederaufbaumöglichkeiten jener Gegenden nach, die 2011 vom Tsunami in Mitleidenschaft gezogen wurden, und Dänemark widmet sich dem öffentlichen Freiraum auf Grönland, Strategien inklusive. Der Schutz dieses architektonischen und klimatisch wichtigen Raumes geht uns alle an. Diese Message sitzt. Auch ohne Smartphone und Verschlüsselungszeremonie.

Der Standard, Di., 2012.08.28

18. August 2012Wojciech Czaja
Der Standard

Der Raum zwischen Genie und Bastard

Am 29. August startet die Architektur-Biennale in Venedig. Direktor David Chipperfield nutzt die Gelegenheit und will das Starsystem aushebeln.

Am 29. August startet die Architektur-Biennale in Venedig. Direktor David Chipperfield nutzt die Gelegenheit und will das Starsystem aushebeln.

STANDARD: Sie wurden gebeten, die Direktion der 13. Architektur-Biennale 2012 zu übernehmen. Was war Ihre erste Reaktion?

Chipperfield: Ich war sehr überrascht. Es ist nicht leicht, so eine große Aufgabe in den beruflichen Alltag zu integrieren. Ich glaube, da haben es hauptberufliche Kuratoren schon leichter. Wir haben im Büro lange darüber diskutiert, doch schließlich dachte ich mir, dass das eine schöne Herausforderung wäre. Und so habe ich gesagt: Ja, ich mach's.

STANDARD: Warum gerade David Chipperfield?

Chipperfield: Da kann ich nur raten. Die letzten Ausstellungen in Venedig waren oft recht künstlerisch und kuratorisch geprägt. Vielleicht wollte man einfach wieder mal „back to the roots“, zurück zur Architektur. Da bietet sich ein praktizierender Architekt wie ich durchaus an. Doch vor allem glaube ich, dass ich ein guter Gegenpart zur letzten Biennale-Direktorin Kazuyo Sejima bin. Sie ist die Avantgardistin, ich bin der Bodenständige.

STANDARD: Das von Ihnen gewählte Thema für die Biennale lautet „Common Ground“. Das heißt?

Chipperfield: Common Ground ist für mich der Ort, an dem viele verschiedene Positionen, Charaktere und Ideen aufeinandertreffen. Im Deutschen gibt es dafür einen sehr schönen Begriff: Allmende. Ich würde den Common Ground daher am ehesten als eine Art „mentale Allmende“ übersetzen.

STANDARD: Und was soll auf dieser mentalen Allmende passieren?

Chipperfield: Ich will das Starsystem infrage stellen. Ich will den ewigen Wettbewerb ausblenden. Ich will dem Genie ein bisschen Raum wegnehmen. Und ich will wieder zurück zur Gemeinschaft. Wissen Sie, von den meisten Menschen wird Architektur immer noch missverstanden. Sie stellen sich darunter die auffälligen, kostspieligen Gebäude der sogenannten Stararchitekten vor, die das Image und den optischen Effekt jedem funktionalen Nutzen vorziehen. Und sie halten Architekten für urbane Dekorateure!

STANDARD: Ist genau das nicht oft der Wunsch der Vorstandsebenen und Chefetagen?

Chipperfield: In den großen Unternehmen wird Architektur ganz nach dem Motto abgewickelt: Ein Star muss her! Sollten wir uns einen Frank Gehry leisten? Oder kaufen wir eine Zaha Hadid? Oder bitten wir doch lieber Herzog & de Meuron um einen Entwurf? Und die Lifestyle-Medien unterstützen dieses Bild auch noch. Sie interpretieren die moderne, zeitgenössische Architektur als eine Summe autobiografischer Tendenzen. Ich halte diesen Ansatz für komplett falsch.

STANDARD: Laut Lifestyle-Medien sind Sie doch auch ein Star.

Chipperfield: Immer dieser Medienjargon!

STANDARD: Die meisten Menschen haben Angst vor Architekten. Woher kommt das?

Chipperfield: Sie haben Angst vor ihnen, weil die meisten Architekten arrogant und überheblich sind. Sie erarbeiten sich ihre Position durch Widerstand und Hartnäckigkeit. Das sind nicht gerade die besten Voraussetzungen für Beliebtheit und Akzeptanz.

STANDARD: Wo würden Sie sich selbst positionieren?

Chipperfield: Sie meinen auf der Arroganz-Skala? Ich muss jeden Tag kämpfen. Ich kämpfe um Aufträge, ich kämpfe um Fairness, und ich kämpfe um Qualität. Mag schon sein, dass dieser Kampf gegen Auftraggeber und Behörden arrogant rüberkommt. Mag schon sein, dass ich dadurch manchmal wie ein „fighting bastard“ wirke. Damit kann ich leben.

STANDARD: Auf einer Skala von 0 bis 10?

Chipperfield: Ich würde sagen: 3 im Umgang mit der Öffentlichkeit, 7 im Umgang mit Investoren.

STANDARD: Wie wollen Sie erreichen, dass sich die Architekten an Ihre Vorgabe „Common Ground“ halten und nicht wieder ihre eigene Show abziehen wie so oft?

Chipperfield: Mit Optimismus. Die Vorgabe ist ganz klar.

STANDARD: Konkret: Was werden wir sehen?

Chipperfield: Ich möchte noch keine Details verraten. Bis zur Eröffnung sind es noch zehn Tage. So viel Geduld muss schon sein.

STANDARD: Inwiefern tragen Sie als Architekt selbst dazu bei, einen Common Ground in der Bevölkerung zu schaffen?

Chipperfield: Ich bin ein Verfechter einer Architektur für Menschen. Ich versuche, in all meinen Projekten die soziale Komponente mitzudenken. Aber vielleicht bin ich ja Idealist.

STANDARD: Sind Sie das?

Chipperfield: Die Art und Weise, wie wir heute Städte bauen, ist eine Ansammlung von vielen einzelnen Beiträgen. Und den meisten Beiträgen sieht man an, dass sie aus einem Impetus an Gewinnproduktion und Geldgier heraus entstanden sind. Die meisten Bauwerke in der Stadt sind nichts anderes als Geldmaschinen. Jedes Mal, wenn ich mich in meiner Heimatstadt London umschaue, bin ich zutiefst schockiert. So kann Stadt jedenfalls nicht funktionieren. Das muss sich ändern.

STANDARD: Was schlagen Sie vor?

Chipperfield: Wir brauchen einen intellektuellen Überbau. Wir brauchen Protagonisten, die das große Ganze im Blickfeld behalten. Und wir müssen es endlich schaffen, die Stadt zwischen den Häusern mitzudenken - und nicht nur von Grundstücksgrenze zu Grundstücksgrenze. Die Wahrheit ist: Der öffentliche Freiraum, also die Straßen, Plätze, Parks und Gärten - mit einem Wort: die Stadt - sollte jedem gehören. Doch in den meisten Städten hat man das Gefühl, dass sie niemandem gehört.

STANDARD: Können Sie auch ein positives Beispiel nennen?

Chipperfield: Wissen Sie, die Projektentwicklung im angelsächsischen Raum ist stark von Investoren geprägt. Das ist eine Tatsache. Daher bin ich der tiefsten Überzeugung, dass der freie Markt Führung braucht. Man muss den Projektentwicklern und Investoren eine gewisse Verantwortung aufbürden. Es gibt in London seit kurzer Zeit recht strenge Vorgaben für Neubauentwicklungen. Zum Beispiel: Wenn ein Investor ein teures Spekulationsprojekt mit Wohnungen und Büros errichtet, dann müssen 35 Prozent davon dem geförderten Wohnbau zugutekommen. Das sorgt für eine gewisse Durchmischung in der Stadt. Oder noch besser: Berlin! Ein wunderbarer Freiraum, der einfach in Anspruch genommen wurde, ist der ehemalige Flughafen Tempelhof. Das Areal liegt mitten in der Stadt. Und während die Stadt Millionen von Euro ausgibt, um Studien für mögliche Nachnutzungen in Auftrag zu geben, spazieren die Bewohner durch die Büsche und nutzen das Flugfeld und den Rasen als Park. Das gefällt mir.

STANDARD: Das heißt, dass öffentlicher Freiraum nicht erst teuer gestaltet werden muss?

Chipperfield: That's it! Stadt und städtische Qualität - das ist in erster Linie das Erkennen und Nutzen von Potenzialen. In Berlin ist man da relativ cool. Die meisten Städte aber praktizieren lieber eine Kultur des Verbietens als eine des Ermöglichens. Das ist ein mentaler Knoten in den Behörden. Daran kann auch ein Architekt nichts ändern. Bestenfalls nur die Bevölkerung als Gruppe.

STANDARD: Und eine Biennale in Venedig?

Chipperfield: Sie sind ja ein noch größerer Idealist als ich! Nein, das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Dazu ist die Architektur-Biennale per se zu elitär und zu kulturaffin. Aber sie kann immerhin Alternativen aufzeigen.

STANDARD: Ihr größter Wunsch als Direktor?

Chipperfield: Ich hoffe, dass es mir gelingen wird, ein gewisses Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen. Ich will keine Selbstbeweihräucherung. Ich will keine Architekten, die durch die Biennale gehen und sich danach denken, wie toll sie sind. Alles - nur nicht schon wieder die Klischees und Ängste der Bevölkerung bestärken! Ich will die Besucher zum Nachdenken anregen und ihnen auf den Weg mitgeben: Common Ground - das sind wir alle.

David Chipperfield (58) ist Architekt in London. Er plante u. a. das Neue Museum in Berlin, das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck und das Kaufhaus Peek & Cloppenburg in der Kärntner Straße in Wien. Anfang des Jahres wurde er zum Direktor der 13. Architektur-Biennale in Venedig ernannt.

Die Biennale 2012: Mit Kazuyo Sejima, Direktorin der Architektur-Biennale 2010, hat die regelmäßige venezianische Nabelschau der Stars und Sternchen ein Ende genommen. Der diesjährige Biennale-Direktor David Chipperfield setzt diese Zurückhaltung fort. Unter dem Generalmotto „Common Ground“ nehmen insgesamt 55 Nationen teil. Angola, die Republik Kosovo, Kuwait, Peru und die Türkei feiern in Venedig heuer ihr Debüt. Darüber hinaus präsentiert Chipperfield eine Ausstellung mit 60 Positionen von Architekten, Künstlern und Fotografen. Eröffnung am 29. August. Zu sehen bis 25. November. (woj)

Der Standard, Sa., 2012.08.18



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29. August 2012Wojciech Czaja
Der Standard

David Chipperfield: Baumeister des Understatement

Aus dem Blitzlichtgewitter hält sich der Direktor der Architektur-Biennale heraus, seine Bauwerke weisen eine unaufgeregte Schönheit auf.

Aus dem Blitzlichtgewitter hält sich der Direktor der Architektur-Biennale heraus, seine Bauwerke weisen eine unaufgeregte Schönheit auf.

Kein anderer Architekt von der Insel verkörpert das britische Understatement so überzeugend wie er. Aus dem Blitzlichtgewitter hält er sich her aus, sein Auftreten ist zurückhaltend, und seine Bauwerke weisen eine dermaßen unaufgeregte Schönheit auf, dass sie oft erst beim dritten Hinsehen ins Auge stechen. Die Rede ist von David Chipperfield (59).

Zu seinen bekanntesten Bauten der letzten Jahre zählen das Neue Museum auf der Museumsinsel in Berlin (2009), das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck (2010) und das Kaufhaus Peek & Cloppenburg in der Kärntner Straße in Wien (2011). Das nächste Wiener Projekt ist in Bau: Für den Hotelbetreiber Falkensteiner baut Chipperfield derzeit ein Vier-Sterne-Haus am Margaretengürtel. Die Eröffnung ist für nächstes Jahr geplant.

Vielen ist seine Architektur zu klobig, zu massiv, zu schwer in Kalkstein gemeißelt. Doch jetzt taucht der kühle Brite aus seiner strengen Gestaltungskammer auf und attackiert die großen Stars. Als Direktor der 13. Internationalen Architektur-Biennale in Venedig, die heute, Mittwoch, eröffnet wird, erklärte er: „Die meisten Architekten sind arrogant und überheblich. Daher will ich auf der diesjährigen Biennale das Starsystem in Frage stellen. Ich will dem Genie ein bisschen Raum wegnehmen.“

Doch die Biennale ist und bleibt ein Schauplatz der Eitelkeiten - sehr zum Verdruss des weißhaarigen Direktors, der sich eher dem Einfachen und Bodenständigen verbunden fühlt. „Je älter ich werden, desto stärker merke ich, wie sehr mich meine Kindheit geprägt hat“, sagte er kürzlich in einem Interview. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in der Grafschaft Devon, half er seinem Vater, Ferienwohnungen im eigenen Gut umzubauen. David riss den Zeichenstift an sich, studierte Architektur an der Kingston University sowie an der weltberühmten Architectural Association (AA) und unterhält heute Büros mit insgesamt mehr als 200 Mitarbeitern in London, Berlin, Mailand und Schanghai.

Nach vielen realisierten Luxusboutiquen, Museumsbauten und Privathäusern sowie einer kuratierten Nabelschau in Venedig fragt man sich: What will be next? „Sehen Sie dieses Hemd, das ich heute trage? Der Stoff ist zu transparent, der Kragen passt nicht, die Ärmel sind zu lang, die Manschetten zu steif und die Knöpfe nicht schön. Eine Katastrophe!“ Wieder einmal Understatement. „Eines Tages will ich einfach nur ein schönes, weißes Hemd entwerfen.“

Der Standard, Mi., 2012.08.29



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Chipperfield David

28. August 2012Anne Katrin Feßler
Der Standard

Protest auf großer Fahrt

Sie dürfe ins Auge stechen, schrieb Laurids Ortner einmal über provisorische Architektur. „Alles, was sich zur überfallsartigen Irritation des Betrachters eignet, ist hier wesentlich. In der Wahrnehmung verbrennt solche Überformung mit faszinierender Erhellung.“

Sie dürfe ins Auge stechen, schrieb Laurids Ortner einmal über provisorische Architektur. „Alles, was sich zur überfallsartigen Irritation des Betrachters eignet, ist hier wesentlich. In der Wahrnehmung verbrennt solche Überformung mit faszinierender Erhellung.“

Um Erhellung städtischer Geister und Irritation starrer Gemüter ging es auch den Studenten der renommierten Berliner Ernst-Busch-Schauspielschule, als sie im April diesen Jahres nach dem Motto „Wir wollen das öffentliche Leben hacken“ die ganze Stadt zu ihrer Protestbühne machten: ein fahrendes Theater, das las und spielte oder die performative Strategie der lautstarken Störung medienwirksam in Günther Jauchs TV-Talk nutzte.

Grund der üblen studentischen Verstimmung: Auch der dritte Anlauf, Ersatz für das alte, asbestverseuchte, verschimmelte und überdies viel zu kleine Hauptgebäude der Hochschule zu schaffen, drohte an zu hohen Kosten zu scheitern. Inzwischen hat sich der Senat zwar für den Siegerentwurf vom Architekturbüro Ortner & Ortner (Berlin, Köln, Rostow, Wien) ausgesprochen, nur muss der Bau noch ins 33 Millionen Euro Budget gezwängt werden.

Das Verbindungsstück zwischen diesem Entwurf der Architekten und dem damit verbundenen studentischen Aufruhr zeigt sich aktuell im Berliner O & O Depot (einem nicht zuletzt der künstlerischen Identität der ehemaligen Haus-Rucker-Co Laurids und Manfred Ortner gewidmeten Ausstellungsraum) und in ihrer Installation On European Ground für die Architektur-Biennale in Venedig: Das im internationalen Pavillon geparkte Objekt mit der reizvollen, durch Textil und Farbe erzielten Struktur ist eine Art temporäres Protestmöbel, eine Wanderbühne mit Namen Thespis-Karren. Denn vom griechischen Tragödiendichter, Schauspieler und Theaterleiter aus dem 6. Jahrhundert ist überliefert, er sei mit einem Wagen herumgezogen.

Das praktische und noch dazu schicke Gefährt wollte man den Studenten in Berlin zur Verfügung stellen; und die zusammengeklappt kaum einen Meter tiefe Bühne hätte jeden Berliner Trottoir aufgeputzt. Doch zum Glück war das bald nicht mehr nötig.

Seiner Funktion gerecht und doch noch bespielt wird der Thespis-Karren nun während der Eröffnungstage in Venedig. Perfekt ins moralische Motto „Common Ground“ von Kurator David Chipperfield passend, erinnert er so an den Protest als politisch wirksame Maßnahme einer Demokratie.

Dieser öffentliche Charakter spielt auch im Entwurf für die Ernst-Busch-Schule eine Rolle: Ablesbar ist er in der offenen Struktur der Probebühnen. Untergebracht in einem Turm, den die beiden Österreicher mit einfachen Holzplanken verkleidet zu „einer Art Wiener Pawlatsche“ machen.

Und während der reale Thespis-Karren in Venedig weilt, mahnt in Berlin eine Zeichnung desselben und das Modell der Hochschule: Auch Schauspielschüler sind ewig gleiches Theater einmal leid!

Der Standard, Di., 2012.08.28

31. August 2012Gabriele Detterer
Neue Zürcher Zeitung

Vom Ich zum Wir

55 Länderpavillons und die von David Chipperfield kuratierte Hauptausstellung machen sich in Venedig auf die Suche nach dem Gemeinsinn der Architektenschaft. Deutlich wird, wie schmal die Basis eines kollektiven Verständnisses für Baukultur ist. Mit dem Goldenen Löwen wurde Alvaro Siza Vieira ausgezeichnet.

55 Länderpavillons und die von David Chipperfield kuratierte Hauptausstellung machen sich in Venedig auf die Suche nach dem Gemeinsinn der Architektenschaft. Deutlich wird, wie schmal die Basis eines kollektiven Verständnisses für Baukultur ist. Mit dem Goldenen Löwen wurde Alvaro Siza Vieira ausgezeichnet.

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01. September 2012Wolf D. Prix
Der Standard

Architektur-Karneval in Venedig

Oder: Wie die Biennale zur Banale verkommt: Aufzeichnungen von einem teuren Totentanz zwischen biederem Glamour und eitler Inszenierung, bei der die Architektur in der Bedeutungslosigkeit versinkt.

Oder: Wie die Biennale zur Banale verkommt: Aufzeichnungen von einem teuren Totentanz zwischen biederem Glamour und eitler Inszenierung, bei der die Architektur in der Bedeutungslosigkeit versinkt.

Praise be to Nero's Neptune.
The Titanic sails at dawn.
And everybody's shouting
„Which Side Are You on?“
Bob Dylan,„Desolation Row“ 1966.

Wenn man nicht wüsste, dass Medien immer übertreiben, könnte man fast glauben, dass die Architekturbiennale in Venedig -wie die Süddeutsche Zeitung schreibt - tatsächlich die wichtigste Architektur Ausstellung der Welt ist.

Ich vermute aber, dass mit Ausstellung nicht Ausstellung gemeint ist, sondern vielleicht meint Gerhard Matzig nur den Event per se. Also das Treffen einer Branche, wie bei einer Produktmesse.

Andere Kritiker stellen gar nicht mal die Sinnfrage, sondern stellen gleich fest, dass das Zusammenkommen, das Treffen, das Netzwerken das weitaus Wichtigere sei. Gegessen!

Nur vorgetäuscht

Ich möchte aber schon mal festhalten, dass die Bedeutung der Architektur-Biennale in Venedig in der theoretischen Auseinandersetzung seit ihren Beginn immer mehr abnimmt. Auch die persönliche Bedeutung für die Teilnehmer ist im Gegensatz zur Kunstbiennale sehr gering. Wir brauchen uns also nichts vormachen, dieser Event ist ein teurer Totentanz: In einer zusammengestohlenen Stadt („zusammengestohlene Ausstellung“) wälzen sich Touristenströme (Architekten) in einer nicht funktionierenden Infrastruktur um ihre bürgerliche Bildungslust (bei den Architekten: Eitelkeiten, Neid, Schadenfreude, Verdächtigungen) zu befriedigen. Auch der Glamour, den der Besucher zu spüren vermeint ist bieder und nur von den Medien (Stararchitekten = Filmstar) vorgetäuscht.

In Wahrheit ist das alles hohl, anstrengend, ermüdend, öde und langweilig. Weil es wirklich nicht mehr um eine lebendige Auseinandersetzung und Kritik mit Themen zeitrichtiger Architektur geht, sondern um leere, konservative und möglicherweise populistische Hüllen, die mit scheinbarer Bedeutung aufgeladen werden.

Was wäre das für eine Architektur Biennale hätte man statt langweiligen Ausstellungen Foren etabliert und Themen lanciert, die uns alle hinter die Kulissen der Entscheidungen blicken ließen. Zum Beispiel der Streit um den Bahnhof in Stuttgart. Die Hinter- und Vordergründe der Kostenexplosion der großen markanten Bauwerke, wie zum Beispiel der Elbphilharmonie. Die politische Auseinandersetzung um Moscheen und Minarette, also der Streit um die Verortung einer Idee. Warum der Einfamilienhausmarkt in den USA zusammengebrochen ist und wie mit Siedlungsarchitektur Machtpolitik betrieben wird. Über diese Themen lohnt es sich zu diskutieren und nicht wer ein Stararchitekt ist und wer nicht.

Aber stattdessen heißt es: „Menschen treffen sich in Architektur“ und jetzt „Common Ground“ (Übersetzt heißt das: Kompromiss). Schlimmer geht's nimmer!

Diese Situation lässt das Bild des venezianischen Karnevals aufkommen - man stelle sich vor, alle Architekten in Pierrot Verkleidung umgeben von maskentragenden Kritikern - tanzen den Banale-Tanz, oder noch besser, auf einer sinkenden Gondel spielen die Architekten wie weiland das Orchester der Titanic das letzte Lied, während draußen in der realen Welt unser Berufsstand leckgeschlagen in Macht- und Bedeutungslosigkeit versinkt. Denn Politiker und Projektsteuerer, Investoren und Beamte bestimmen schon lange unsere gebaute Umwelt. Nicht der Architekt.

Während in Russland die Künstler hartnäckig Widerstand leisten gegen das autoritäre Regime, befindet der jetzige Kommissar der Architektur Biennale diese Eigenschaften als hinderlich für unseren Beruf und er erklärt in einem Interview, dass dem Genie Raum weggenommen werden muss. Man müsste ihm die Pussy Riots vorführen damit er endlich versteht, wo es langgeht in unserer Gesellschaft.

Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Architektur Biennale in Venedig neu organisiert werden muss.

Der Standard, Sa., 2012.09.01

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