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Texte

25. April 2002Gerd Zehetner
Der Standard

Eine Umgebung zum Gesundwerden

Krankenhaus und Architektur - das ist so eine Sache: Wem dürstet nach Kunst und Schönheit, wenn der Bauch zwickt. Genau falsch: Die Baukunst soll doch dem Menschen dienen und das notwendige Equipment so integrieren, dass es uns nicht dauernd an unser Leid und unsere Abhängigkeit erinnert.

Krankenhaus und Architektur - das ist so eine Sache: Wem dürstet nach Kunst und Schönheit, wenn der Bauch zwickt. Genau falsch: Die Baukunst soll doch dem Menschen dienen und das notwendige Equipment so integrieren, dass es uns nicht dauernd an unser Leid und unsere Abhängigkeit erinnert.

Die Realität ist anders. Krankenhausplanung ist eine Spitzenklasse der Berufsdivision der Planer. Schwierig ist es, den endlosen Vorgabenlisten noch ein bisschen Humor und Feinheit abzutrotzen.

Schwierig ist es, den funktionellen Ansprüchen wie dem Hygienestandard Rechnung zu tragen und trotzdem eine menschenwürdige Umgebung zu schaffen.

Ein Ort der Heilung, des Sich-Zeit-Nehmens für die Regenerierung des eigenen Körpers, der Konzentration auf sich selbst - das könnte ein modernes Krankenhaus sein. Nicht weit entfernt von einem belebenden Hotel, einer entspannenden Kur, ein Erlebnis für die Sinne, das vom eigentlichen Problem ablenkt.

Die Erweiterung des Landeskrankenhauses in Feldkirch, Vorarlberg (Architekten Gutmorgeth, Kuthan und Graß), bietet eine 200 m lange, verglaste Promenade für den für die Genesung so wichtigen Spaziergang mit seinen Sozialkontakten, seien es Ärzte, Besucher oder Patienten. Eine geschwungene Lehmwand begleitet diesen aufregenden Raum und stellt neben ihrer klimatischen Wirkung den so krankenhausfernen Bezug zur „Erde“ da; im hygienischen Ambiente eines Spitals wirkt sie um so seltsamer und elementarer als irgendwo sonst.

Die Umgestaltung der Pavillons im Otto Wagner Spital, in diesem Fall von Ernst Beneder und Anja Fischer, macht aus einer klassischen Anstalt richtige „Gästezimmer“ mit Rücksicht auf Privatsphäre und Ruhe des Einzelnen. Selbst in Mehrpersonenzimmern gelingt dieser Anspruch durch halbhohe Abtrennungen aus Elementen.

Die Kunst der Architekten liegt in der Integration der technischen Elemente in schlichte Möblierungselemente. Die Abhängigkeit unseres Überlebens von der Apparatur wird uns nicht mehr so unmittelbar vorgeführt wie in den Krankenhaus-Raffinerien der früheren Jahre, als der Fortschritt der Technik Aushängeschild der Fassade war. Auch in der Medizin findet ein Rückzug zu den „Basics“, zur Heilung des Menschen statt. Im Gangbereich, der öffentlichen Straße des Patienten, laden Bänke zur Ruhe und Kommunikation ein.

Während hier der umliegende Park die Atmosphäre prägt, ist es im Fall des Medizinzentrums Anichstraße in Innsbruck die Stadt, die über große Fenster ins Gebäude geholt wird. Hier passiert nicht Isolation von der Außenwelt, wie etwa im Allgemeinen Krankenhaus mitten in Wien, sondern Aufenthalt in einem öffentlichen urbanen Bereich mit Innenhöfen, Loggien und Ausblicken. Paul Katzberger und Michael Loudon, nicht gerade Männer übertriebener und vordergründiger Gesten, ließen sich auch hier nicht vom Übermaß an Anforderungen beeindrucken und behandelten das Projekt mit der gleichen Nähe und Sensibilität wie ein privates Projekt.

Kunst am Bau geschieht hier nicht als kalte Installation in einem neonbelichteten Aufenthaltsraum, sondern als ständiger Begleiter und Motivator des Patienten und seines Ärzteteams. Heimo Zobernig zeichnet dafür verantwortlich - keine peinliche Berührtheit beim Krankenbesuch im Resopalzimmer, sondern ein stolzes und würdiges Empfangen der Blumen in der stilvollen Lobby.

Der Standard, Do., 2002.04.25



verknüpfte Bauwerke
Landeskrankenhaus - Erweiterung

23. September 2000Gerd Zehetner
Der Standard

Die zwei von der Baustelle

Den Brüdern Laurids und Manfred Ortner scheint das architektonische Können im Blut zu liegen

Den Brüdern Laurids und Manfred Ortner scheint das architektonische Können im Blut zu liegen

Eine dicke Haut und eine Menge Durchhaltevermögen gehören heute ebenso zum Architektenberuf wie Statik und Geometrie.

Auch die Brüder Laurids Ortner und Manfred Ortner mussten diesen Beweis in den letzten Jahren mit ihrem Projekt für das Museumsquartier oft genug antreten.

Die lange Phase nach dem Wettbewerbsgewinn 1990, wo Wien anstelle der Progressivität einer internationalen Stadt die Entscheidungsstruktur eines Dorfstammtisches an den Tag legte, veränderte das größte Kulturbauwerk Europas dramatisch.

Die geänderten Anforderungen bezüglich Kubatur und Höhenentwicklung zogen nicht eine bloße Schrumpfung des Wettbewerbsprojekts mit sich, sondern eine Neuentwicklung: Wenn die Gebäude nicht mehr mit der Stadt kommunizieren dürfen, weil sie sich hinter dem Fischer-von-Erlach-Bau ducken müssen, so die Planer, dann brauchen sie auch keine Glasfassaden mehr, sondern komprimierte Energie in Form von Stein, die nun im Inneren des Gevierts ein städtebauliches Spannungsfeld entstehen lässt.

Die Raster im dunkelgrauen Basalt der Fassade von Museum Moderner Kunst und der weiße Kalkstein des Leopold Museums fügen sich mit der Schichtung der roten Ziegelhülle der Kunsthalle zu einem rhythmischen Tanz.

Die Kunst des Städtebaus interessiert die Ortners besonders: Schon als Künstlergruppe „Haus-Rucker-Co.“ gemeinsam mit Günther Zamp Kelp beschäftigten sie sich intensiv mit der Wirksamkeit von Eingriffen und Zeichen. „Lineares Haus“, „Wellenwiese“, „Oase Nr. 7“ hießen Projekte, die frei von herkömmlicher Funktion und Gesellschaftsbild Experimente mit ebendiesem zuließen.

Aus den provokanten Aufforderungen zum „neu Sehen“ von Zusammenhängen und Umwelt wurden wertvolle Ansätze für den Umgang mit der Stadt geboren.

Die Atmosphäre in den Büros in Wien, Linz, Düsseldorf und Berlin, die interne Kommunikation und Mobilität der Mitarbeiter stellen ein Klima her, dass eine Engstirnigkeit eines Einzelnen nie entstehen lassen könnte. Auch die Erfolge bei internationalen Wettbewerben sprechen für sich.

Ein Meisterstück der Kommunikation aus den Werkstätten der Ortners ist auch das Gemeindezentrum Brüserberg, das in einem gemeinsamen Miteinander, das der Pfarrer so gern predigt, aus Kindergarten, Bibliothek, evangelischer und katholischer Kirche besteht.

Der Glockenturm steht als verbindendes und kommunikatives Zeichen im Hof, wie es auch der Leseturm für das Museumsquartier gewesen wäre. Die Fassade des Kindergartens übernimmt in verkleinerter Form die Proportion des gegenüberliegenden Pfarrzentrums.

Und auch die neuen, wunderbar unaufgeregten ARD-Hauptstadtstudios in Berlin aus rötlich gefärbtem Betonstein beweisen eine große Gabe der Architekten: die Coolness, an einem „besonderen Ort“ nicht vor lauter Ehrfurcht gleich auszuflippen, für immer raffiniertere Studiotechnik nicht aufdringlich technoide Architektur schmieden zu müssen, und im Detail immer ein Augenzwinkern parat zu haben.


BIOGRAFIEN

Laurids Ortner, 1941 in Linz geboren.
Architekturstudium an der TU Wien 1967-87. „Haus-Rucker-Co“ mit Günter Zamp Kelp und Manfred Ortner. 1976-87 Professor an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz. Ab 1987 Professor für Baukunst an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf.

Manfred Ortner, 1943 in Linz geboren.
Studium Malerei und Kunsterziehung an der Akademie der bildenden Künste, Geschichte an der Universität Wien. 1966-71 Kunsterzieher. 1993 Mitglied der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. 1994 Professor für Entwerfen an der FH Potsdam.

Der Standard, Sa., 2000.09.23

01. Juli 2000Gerd Zehetner
Der Standard

Venezianischer Kämpfer

Obwohl er zahlreiche Gebäude in der Lagunenstadt plante, blieb dem 1906 geborenen Carlo Scarpa die Anerkennung als Architekt in seiner Heimatstadt die längste Zeit versagt.

Obwohl er zahlreiche Gebäude in der Lagunenstadt plante, blieb dem 1906 geborenen Carlo Scarpa die Anerkennung als Architekt in seiner Heimatstadt die längste Zeit versagt.

Das Museo di Castelvecchio in Verona war Scarpas erster großer Auftrag und zeigt zugleich seine größten Stärken: die unkonventionelle und doch äußerst harmonische Verbindung zwischen Bestand und Adaption und die Arbeit mit Beton. Die Spuren der Verarbeitung und Schalung dieses Baustoffs sind willkommene Leinwand für ein weiteres wichtiges Element: das Licht.

Der Umbau der ehemaligen Trutzburg mit den gotischen Portalen aus anderen abgerissenen Gebäuden gleicht einer Geschichtsaufnahme, Vergangenheit wird mit Gegenwart in Spannung versetzt. Die sich aus der langen Baugeschichte ergebenden Schichten des Hauses wurden sichtbar gemacht, Fenster, Türen so eingesetzt, dass sie den Altbestand nicht berühren, und für sich selbst eine Skulptur, eine Einheit bilden, ohne den räumlichen Zusammenhang zu verlieren.

Die Kunst des Übergangs, des Abstands, des Verbindens, der Schichtung von Alt und Neu im kleinsten Maßstab lässt die Gebäude Carlo Scarpas zu Pilgerstätten von Studenten aus aller Welt werden. Es sind die Nahtstellen, elegante Fugen, subtil ineinander greifende Flächen, die aus den Materialien Architektur machen, bevorzugt Marmor, Messing, Holz und Beton. Die Schnittmuster, mit denen seine Mutter, eine Schneiderin arbeitete, transformierte er in seiner Architektur zu Plänen für die Schnittstellen verschiedener Materialien.

Der Fotograf Gerald Zugmann beschäftigte sich eingehend mit der Lichtwirkung des rohen Basismaterials des Skulpteurs Scarpa. Seine Bilder des Grabmals des Ehepaars Brion in der Hügellandschaft von San Vito transportieren eine Sprache der Stille, die den Anliegen Scarpas gerecht wird. Dieser selbst bezeichnete diese berührende Installation, die mehr Garten als Gruft ist, als sein wichtigstes Werk.

Der „Zeichenprofessor“, der nie promoviert hatte, wurde von seiner Umgebung lange nicht akzeptiert, als er 1972 die Leitung der Architekturfakultät in Venedig übernahm, gab er lieber am Zeichentisch mit dem Stift in der Hand anstatt im Hörsaal Unterricht, erzählen seine Studenten.

Scarpa schien keinen Unterschied zwischen Städtebau, Hausbau und Möbel zu machen. Der Materialkontext, die Art wie unterschiedliche Oberflächen zusammenfinden, prägt auch Scarpas kleinste Entwurfseinheit, ja selbst ein Möbel wird zur Architektur. Ein Prinzip, das auch sein Schüler, der zwischen Venedig und Wien wirkende Architekt und Designer Paolo Piva fortführt.

Erst am Tag nach seinem Begräbnis wurde Carlo Scarpa der Titel „Architetto h.c.“ verliehen, seine Assistenten mussten Zeit seines Lebens für seine Projekte unterschreiben.

Der Standard, Sa., 2000.07.01

06. Mai 2000Gerd Zehetner
Der Standard

Die Kunst des Understatements

Ein schwarzer Kindergarten, ein blaues Haus, eine bunte Wohnanlage, eine gelbe Kunsthalle: Wenige Architekten bedienen sich einer so breiten Farbpalette wie Adolf Krischanitz und gelten trotzdem als schlicht und klar.

Ein schwarzer Kindergarten, ein blaues Haus, eine bunte Wohnanlage, eine gelbe Kunsthalle: Wenige Architekten bedienen sich einer so breiten Farbpalette wie Adolf Krischanitz und gelten trotzdem als schlicht und klar.

Seine scharf artikulierten Gebäude strahlen als Mitspieler im städtebaulichen Match Selbstbewusstsein und gleichzeitig Gelassenheit aus.

„Ich arbeite an der Lust des Sehens, nicht an der Propaganda der Form“, sagt der Architekt, der die Künstler Oskar Putz und Helmut Federle bei einer Reihe von Projekten für die auffallenden Farbkonzepte beizog.

Für Krischanitz dient Farbe als Raumerzeuger: „Im Zusammenspiel mit Licht ist Farbe pure Raum-Energetik, abstrakter und natürlicher (und billiger) als jedes andere gestalterische Mittel.“

Die Präsenz der beiden zur gleichen Zeit entstanden Büro- und Geschäftshäuser in Linz und in Graz, jeweils an dominanten Plätzen, entsteht unter anderem durch die Farbe, die dem „einfachen“ Formenspiel klare Artikulation zuspielt.

Wobei „einfach“ hier als Kunstform verstanden werden soll. So können die magischen Mixturen aus Natur, Sonne, Farben und Form ihre Kraft entfalten.

Wie viele seiner öffentlichen Gebäude zeichnen sich auch diese beiden Projekte durch die Überlegung aus, den belebten Stadtraum im Erdgeschoß weiter- oder gar durchzuführen.

Seinen Umgang mit Farbe charakterisiert auch die scheinbare Monochromie eines anderen Objektes, das von einigen Kollegen viel eher mit einem Überschwang an Farbe geplant würde.

Das Leben soll diesmal aber von wo anders her kommen: im Kindergarten „Neue Welt“ sind die Kinder aufgefordert, „Stimmung“ zu machen, den Rest besorgt die Natur. Das inmitten des Praters beim Lusthaus gelegene Gebäude aus schwarzem Beton bezieht das umgebende Grün als Gestalter mit ein.

Das Blau des Himmels in den französischen Fenstern und die Sonnenreflexion der Trennwände erzeugen die Farben. Nackte Betonoberflächen im Inneren und eingelassene Leuchtstoffröhren kontrastieren mit der von den Kindern geschaffenen Welt.

Schon zu „Missing Link“-Zeiten tauchte das Kindergarten-Thema auf. „El Condor“ sah eine Art Adlerhorst, ein Baumhaus, zur Kinderbetreuung vor.

Keine vordergründigen Kitschorgien, wie sich Erwachsene gerne die rosa-hellblau-heile Kinderwelt vorstellen, sondern Raum für Kreativität - ein Zugang, der sehr kontroversiell aufgenommen wird.

Der „schwarze Bunker“ als jüdischer Kindergarten gewinnt auch dadurch an Bedrohlichkeit, dass leider auch schon Kinder vor Übergriffen geschützt werden müssen, was mit Hilfe von Zäunen und Kameras geschieht.

Bei der im letzten Jahr fertiggestellten Schule im Augarten, der Lauder Chabad Campus, verzichtete Krischanitz erstmals auf die Beiziehung eines Künstlers bei der Farbgestaltung.

Eine präzise Rasterung und ausgeklügelte Erschließungsachsen vertikal und horizontal erzeugen hier einen Rhythmus, der die an sich massive Bauweise zum Schwingen bringt. Die dezente und raffinierte Materialwahl tritt an die Stelle prägnanter Farbflächen und schafft Wirkung.
So sind die tiefen Fensterlaibungen mit Platten aus Untersberger Kalk ausgekleidet, die erst beim Näherkommen erkennbar werden. Aus der Ferne erscheinen sie als dunklere Abstufung des sonst hellgrauen Putzes. Understatement pur.

Der Standard, Sa., 2000.05.06

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Bauwerke

Presseschau 12

25. April 2002Gerd Zehetner
Der Standard

Eine Umgebung zum Gesundwerden

Krankenhaus und Architektur - das ist so eine Sache: Wem dürstet nach Kunst und Schönheit, wenn der Bauch zwickt. Genau falsch: Die Baukunst soll doch dem Menschen dienen und das notwendige Equipment so integrieren, dass es uns nicht dauernd an unser Leid und unsere Abhängigkeit erinnert.

Krankenhaus und Architektur - das ist so eine Sache: Wem dürstet nach Kunst und Schönheit, wenn der Bauch zwickt. Genau falsch: Die Baukunst soll doch dem Menschen dienen und das notwendige Equipment so integrieren, dass es uns nicht dauernd an unser Leid und unsere Abhängigkeit erinnert.

Die Realität ist anders. Krankenhausplanung ist eine Spitzenklasse der Berufsdivision der Planer. Schwierig ist es, den endlosen Vorgabenlisten noch ein bisschen Humor und Feinheit abzutrotzen.

Schwierig ist es, den funktionellen Ansprüchen wie dem Hygienestandard Rechnung zu tragen und trotzdem eine menschenwürdige Umgebung zu schaffen.

Ein Ort der Heilung, des Sich-Zeit-Nehmens für die Regenerierung des eigenen Körpers, der Konzentration auf sich selbst - das könnte ein modernes Krankenhaus sein. Nicht weit entfernt von einem belebenden Hotel, einer entspannenden Kur, ein Erlebnis für die Sinne, das vom eigentlichen Problem ablenkt.

Die Erweiterung des Landeskrankenhauses in Feldkirch, Vorarlberg (Architekten Gutmorgeth, Kuthan und Graß), bietet eine 200 m lange, verglaste Promenade für den für die Genesung so wichtigen Spaziergang mit seinen Sozialkontakten, seien es Ärzte, Besucher oder Patienten. Eine geschwungene Lehmwand begleitet diesen aufregenden Raum und stellt neben ihrer klimatischen Wirkung den so krankenhausfernen Bezug zur „Erde“ da; im hygienischen Ambiente eines Spitals wirkt sie um so seltsamer und elementarer als irgendwo sonst.

Die Umgestaltung der Pavillons im Otto Wagner Spital, in diesem Fall von Ernst Beneder und Anja Fischer, macht aus einer klassischen Anstalt richtige „Gästezimmer“ mit Rücksicht auf Privatsphäre und Ruhe des Einzelnen. Selbst in Mehrpersonenzimmern gelingt dieser Anspruch durch halbhohe Abtrennungen aus Elementen.

Die Kunst der Architekten liegt in der Integration der technischen Elemente in schlichte Möblierungselemente. Die Abhängigkeit unseres Überlebens von der Apparatur wird uns nicht mehr so unmittelbar vorgeführt wie in den Krankenhaus-Raffinerien der früheren Jahre, als der Fortschritt der Technik Aushängeschild der Fassade war. Auch in der Medizin findet ein Rückzug zu den „Basics“, zur Heilung des Menschen statt. Im Gangbereich, der öffentlichen Straße des Patienten, laden Bänke zur Ruhe und Kommunikation ein.

Während hier der umliegende Park die Atmosphäre prägt, ist es im Fall des Medizinzentrums Anichstraße in Innsbruck die Stadt, die über große Fenster ins Gebäude geholt wird. Hier passiert nicht Isolation von der Außenwelt, wie etwa im Allgemeinen Krankenhaus mitten in Wien, sondern Aufenthalt in einem öffentlichen urbanen Bereich mit Innenhöfen, Loggien und Ausblicken. Paul Katzberger und Michael Loudon, nicht gerade Männer übertriebener und vordergründiger Gesten, ließen sich auch hier nicht vom Übermaß an Anforderungen beeindrucken und behandelten das Projekt mit der gleichen Nähe und Sensibilität wie ein privates Projekt.

Kunst am Bau geschieht hier nicht als kalte Installation in einem neonbelichteten Aufenthaltsraum, sondern als ständiger Begleiter und Motivator des Patienten und seines Ärzteteams. Heimo Zobernig zeichnet dafür verantwortlich - keine peinliche Berührtheit beim Krankenbesuch im Resopalzimmer, sondern ein stolzes und würdiges Empfangen der Blumen in der stilvollen Lobby.

Der Standard, Do., 2002.04.25



verknüpfte Bauwerke
Landeskrankenhaus - Erweiterung

23. September 2000Gerd Zehetner
Der Standard

Die zwei von der Baustelle

Den Brüdern Laurids und Manfred Ortner scheint das architektonische Können im Blut zu liegen

Den Brüdern Laurids und Manfred Ortner scheint das architektonische Können im Blut zu liegen

Eine dicke Haut und eine Menge Durchhaltevermögen gehören heute ebenso zum Architektenberuf wie Statik und Geometrie.

Auch die Brüder Laurids Ortner und Manfred Ortner mussten diesen Beweis in den letzten Jahren mit ihrem Projekt für das Museumsquartier oft genug antreten.

Die lange Phase nach dem Wettbewerbsgewinn 1990, wo Wien anstelle der Progressivität einer internationalen Stadt die Entscheidungsstruktur eines Dorfstammtisches an den Tag legte, veränderte das größte Kulturbauwerk Europas dramatisch.

Die geänderten Anforderungen bezüglich Kubatur und Höhenentwicklung zogen nicht eine bloße Schrumpfung des Wettbewerbsprojekts mit sich, sondern eine Neuentwicklung: Wenn die Gebäude nicht mehr mit der Stadt kommunizieren dürfen, weil sie sich hinter dem Fischer-von-Erlach-Bau ducken müssen, so die Planer, dann brauchen sie auch keine Glasfassaden mehr, sondern komprimierte Energie in Form von Stein, die nun im Inneren des Gevierts ein städtebauliches Spannungsfeld entstehen lässt.

Die Raster im dunkelgrauen Basalt der Fassade von Museum Moderner Kunst und der weiße Kalkstein des Leopold Museums fügen sich mit der Schichtung der roten Ziegelhülle der Kunsthalle zu einem rhythmischen Tanz.

Die Kunst des Städtebaus interessiert die Ortners besonders: Schon als Künstlergruppe „Haus-Rucker-Co.“ gemeinsam mit Günther Zamp Kelp beschäftigten sie sich intensiv mit der Wirksamkeit von Eingriffen und Zeichen. „Lineares Haus“, „Wellenwiese“, „Oase Nr. 7“ hießen Projekte, die frei von herkömmlicher Funktion und Gesellschaftsbild Experimente mit ebendiesem zuließen.

Aus den provokanten Aufforderungen zum „neu Sehen“ von Zusammenhängen und Umwelt wurden wertvolle Ansätze für den Umgang mit der Stadt geboren.

Die Atmosphäre in den Büros in Wien, Linz, Düsseldorf und Berlin, die interne Kommunikation und Mobilität der Mitarbeiter stellen ein Klima her, dass eine Engstirnigkeit eines Einzelnen nie entstehen lassen könnte. Auch die Erfolge bei internationalen Wettbewerben sprechen für sich.

Ein Meisterstück der Kommunikation aus den Werkstätten der Ortners ist auch das Gemeindezentrum Brüserberg, das in einem gemeinsamen Miteinander, das der Pfarrer so gern predigt, aus Kindergarten, Bibliothek, evangelischer und katholischer Kirche besteht.

Der Glockenturm steht als verbindendes und kommunikatives Zeichen im Hof, wie es auch der Leseturm für das Museumsquartier gewesen wäre. Die Fassade des Kindergartens übernimmt in verkleinerter Form die Proportion des gegenüberliegenden Pfarrzentrums.

Und auch die neuen, wunderbar unaufgeregten ARD-Hauptstadtstudios in Berlin aus rötlich gefärbtem Betonstein beweisen eine große Gabe der Architekten: die Coolness, an einem „besonderen Ort“ nicht vor lauter Ehrfurcht gleich auszuflippen, für immer raffiniertere Studiotechnik nicht aufdringlich technoide Architektur schmieden zu müssen, und im Detail immer ein Augenzwinkern parat zu haben.


BIOGRAFIEN

Laurids Ortner, 1941 in Linz geboren.
Architekturstudium an der TU Wien 1967-87. „Haus-Rucker-Co“ mit Günter Zamp Kelp und Manfred Ortner. 1976-87 Professor an der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz. Ab 1987 Professor für Baukunst an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf.

Manfred Ortner, 1943 in Linz geboren.
Studium Malerei und Kunsterziehung an der Akademie der bildenden Künste, Geschichte an der Universität Wien. 1966-71 Kunsterzieher. 1993 Mitglied der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. 1994 Professor für Entwerfen an der FH Potsdam.

Der Standard, Sa., 2000.09.23

01. Juli 2000Gerd Zehetner
Der Standard

Venezianischer Kämpfer

Obwohl er zahlreiche Gebäude in der Lagunenstadt plante, blieb dem 1906 geborenen Carlo Scarpa die Anerkennung als Architekt in seiner Heimatstadt die längste Zeit versagt.

Obwohl er zahlreiche Gebäude in der Lagunenstadt plante, blieb dem 1906 geborenen Carlo Scarpa die Anerkennung als Architekt in seiner Heimatstadt die längste Zeit versagt.

Das Museo di Castelvecchio in Verona war Scarpas erster großer Auftrag und zeigt zugleich seine größten Stärken: die unkonventionelle und doch äußerst harmonische Verbindung zwischen Bestand und Adaption und die Arbeit mit Beton. Die Spuren der Verarbeitung und Schalung dieses Baustoffs sind willkommene Leinwand für ein weiteres wichtiges Element: das Licht.

Der Umbau der ehemaligen Trutzburg mit den gotischen Portalen aus anderen abgerissenen Gebäuden gleicht einer Geschichtsaufnahme, Vergangenheit wird mit Gegenwart in Spannung versetzt. Die sich aus der langen Baugeschichte ergebenden Schichten des Hauses wurden sichtbar gemacht, Fenster, Türen so eingesetzt, dass sie den Altbestand nicht berühren, und für sich selbst eine Skulptur, eine Einheit bilden, ohne den räumlichen Zusammenhang zu verlieren.

Die Kunst des Übergangs, des Abstands, des Verbindens, der Schichtung von Alt und Neu im kleinsten Maßstab lässt die Gebäude Carlo Scarpas zu Pilgerstätten von Studenten aus aller Welt werden. Es sind die Nahtstellen, elegante Fugen, subtil ineinander greifende Flächen, die aus den Materialien Architektur machen, bevorzugt Marmor, Messing, Holz und Beton. Die Schnittmuster, mit denen seine Mutter, eine Schneiderin arbeitete, transformierte er in seiner Architektur zu Plänen für die Schnittstellen verschiedener Materialien.

Der Fotograf Gerald Zugmann beschäftigte sich eingehend mit der Lichtwirkung des rohen Basismaterials des Skulpteurs Scarpa. Seine Bilder des Grabmals des Ehepaars Brion in der Hügellandschaft von San Vito transportieren eine Sprache der Stille, die den Anliegen Scarpas gerecht wird. Dieser selbst bezeichnete diese berührende Installation, die mehr Garten als Gruft ist, als sein wichtigstes Werk.

Der „Zeichenprofessor“, der nie promoviert hatte, wurde von seiner Umgebung lange nicht akzeptiert, als er 1972 die Leitung der Architekturfakultät in Venedig übernahm, gab er lieber am Zeichentisch mit dem Stift in der Hand anstatt im Hörsaal Unterricht, erzählen seine Studenten.

Scarpa schien keinen Unterschied zwischen Städtebau, Hausbau und Möbel zu machen. Der Materialkontext, die Art wie unterschiedliche Oberflächen zusammenfinden, prägt auch Scarpas kleinste Entwurfseinheit, ja selbst ein Möbel wird zur Architektur. Ein Prinzip, das auch sein Schüler, der zwischen Venedig und Wien wirkende Architekt und Designer Paolo Piva fortführt.

Erst am Tag nach seinem Begräbnis wurde Carlo Scarpa der Titel „Architetto h.c.“ verliehen, seine Assistenten mussten Zeit seines Lebens für seine Projekte unterschreiben.

Der Standard, Sa., 2000.07.01

06. Mai 2000Gerd Zehetner
Der Standard

Die Kunst des Understatements

Ein schwarzer Kindergarten, ein blaues Haus, eine bunte Wohnanlage, eine gelbe Kunsthalle: Wenige Architekten bedienen sich einer so breiten Farbpalette wie Adolf Krischanitz und gelten trotzdem als schlicht und klar.

Ein schwarzer Kindergarten, ein blaues Haus, eine bunte Wohnanlage, eine gelbe Kunsthalle: Wenige Architekten bedienen sich einer so breiten Farbpalette wie Adolf Krischanitz und gelten trotzdem als schlicht und klar.

Seine scharf artikulierten Gebäude strahlen als Mitspieler im städtebaulichen Match Selbstbewusstsein und gleichzeitig Gelassenheit aus.

„Ich arbeite an der Lust des Sehens, nicht an der Propaganda der Form“, sagt der Architekt, der die Künstler Oskar Putz und Helmut Federle bei einer Reihe von Projekten für die auffallenden Farbkonzepte beizog.

Für Krischanitz dient Farbe als Raumerzeuger: „Im Zusammenspiel mit Licht ist Farbe pure Raum-Energetik, abstrakter und natürlicher (und billiger) als jedes andere gestalterische Mittel.“

Die Präsenz der beiden zur gleichen Zeit entstanden Büro- und Geschäftshäuser in Linz und in Graz, jeweils an dominanten Plätzen, entsteht unter anderem durch die Farbe, die dem „einfachen“ Formenspiel klare Artikulation zuspielt.

Wobei „einfach“ hier als Kunstform verstanden werden soll. So können die magischen Mixturen aus Natur, Sonne, Farben und Form ihre Kraft entfalten.

Wie viele seiner öffentlichen Gebäude zeichnen sich auch diese beiden Projekte durch die Überlegung aus, den belebten Stadtraum im Erdgeschoß weiter- oder gar durchzuführen.

Seinen Umgang mit Farbe charakterisiert auch die scheinbare Monochromie eines anderen Objektes, das von einigen Kollegen viel eher mit einem Überschwang an Farbe geplant würde.

Das Leben soll diesmal aber von wo anders her kommen: im Kindergarten „Neue Welt“ sind die Kinder aufgefordert, „Stimmung“ zu machen, den Rest besorgt die Natur. Das inmitten des Praters beim Lusthaus gelegene Gebäude aus schwarzem Beton bezieht das umgebende Grün als Gestalter mit ein.

Das Blau des Himmels in den französischen Fenstern und die Sonnenreflexion der Trennwände erzeugen die Farben. Nackte Betonoberflächen im Inneren und eingelassene Leuchtstoffröhren kontrastieren mit der von den Kindern geschaffenen Welt.

Schon zu „Missing Link“-Zeiten tauchte das Kindergarten-Thema auf. „El Condor“ sah eine Art Adlerhorst, ein Baumhaus, zur Kinderbetreuung vor.

Keine vordergründigen Kitschorgien, wie sich Erwachsene gerne die rosa-hellblau-heile Kinderwelt vorstellen, sondern Raum für Kreativität - ein Zugang, der sehr kontroversiell aufgenommen wird.

Der „schwarze Bunker“ als jüdischer Kindergarten gewinnt auch dadurch an Bedrohlichkeit, dass leider auch schon Kinder vor Übergriffen geschützt werden müssen, was mit Hilfe von Zäunen und Kameras geschieht.

Bei der im letzten Jahr fertiggestellten Schule im Augarten, der Lauder Chabad Campus, verzichtete Krischanitz erstmals auf die Beiziehung eines Künstlers bei der Farbgestaltung.

Eine präzise Rasterung und ausgeklügelte Erschließungsachsen vertikal und horizontal erzeugen hier einen Rhythmus, der die an sich massive Bauweise zum Schwingen bringt. Die dezente und raffinierte Materialwahl tritt an die Stelle prägnanter Farbflächen und schafft Wirkung.
So sind die tiefen Fensterlaibungen mit Platten aus Untersberger Kalk ausgekleidet, die erst beim Näherkommen erkennbar werden. Aus der Ferne erscheinen sie als dunklere Abstufung des sonst hellgrauen Putzes. Understatement pur.

Der Standard, Sa., 2000.05.06

08. April 2000Gerd Zehetner
Der Standard

Architektur ohne Berührungsängste

Die simple Eleganz der Bauten des spanischen Architekten Rafael Moneo kann sich in jedem Umfeld beweisen

Die simple Eleganz der Bauten des spanischen Architekten Rafael Moneo kann sich in jedem Umfeld beweisen

Museen bezeugen Rafael Moneos Kompetenz als stiller, sensibler Perfektionist im Umgang mit Materialien ebenso wie Bahnhöfe. Selbst die Organisation seines Einkaufszentrums wird bei ihm zu einer städtischen, menschlichen Umwelt.

Ein bemerkenswertes Konzert- und Kongresshaus in San Sebastian wurde eben fertiggestellt. Dessen raffinierter Minimalismus war großen Teilen der Bevölkerung lange nicht geheuer, was einen sechsjährigen Aufschub nach dem Wettbewerbsgewinn 1989 mit sich brachte. Doch auch die vorerst skeptischen Besucher der beiden gläsernen Blöcke, die sich wie Kristalle aus den Felsbrocken der Küste San Sebastians erheben, verstehen schnell die Qualität seiner Architektur, wenn sie sie durchschreiten.

Ein schlichtes Äußeres bedeutet für Moneo nicht gleichzeitig auch ein einfaches Inneres. Im Gegenteil, durch die Hülle spielt er sich frei für die Gestaltung des Innenraums.

Dualität beschäftigt den Professor in all seinen Werken und Theorien.

Im Inneren schweben Auditorien aus Stahlbeton zwischen einer transluzenten Haut aus gebogenen Glassegmenten und dem massiven Unterbau und bilden ein eigenes, geschütztes städtisches Gefüge in der exponierten Lage an der Küste.

Die salzige Luft des Meeres war unter anderem ein Grund für die Verwendung des chemisch sehr resistenten Werkstoffes Glas. Zudem werden Himmel und See reflektiert - ein unendliches Farbenspiel entsteht, das am Abend in ein inneres Leuchten übergeht.

Ob Ziegelfassade wie beim Davis Museum in Massachusetts oder eine dreihundert Meter lange Steinfassade aus römischen Travertin für ein Büro- und Shopping-Center an der großen Diagonal in Barcelona - ein Material wird ausgewählt, analysiert, variiert, ohne es aber die Architektur dominieren zu lassen. Elegant, dem großen Prachtboulevard angemessen, mit Rücksprüngen und Abtreppungen gegliedert zeigt der spanische Architekt an der Diagonal souveränen Umgang mit Dimensionen. Doch auch im Kontakt mit Bauwerken früherer Meister gibt es keine Berührungsängste. Dem Davis Museum von Paul Rudolph stellte Moneo einen Anbau zur Seite, der einmal mehr durch spektakuläre Lichtführung fasziniert, ohne nach außen hin zu protzen. Seine Fondation Miró in Palma de Mallorca wiederum steht in unmittelbarer Nachbarschaft von Mirós ehemaligem Atelier, einem Werk Josep Lluís Serts. In beiden Fällen erzeugt die von Respekt und theoretischem Wissen gekennzeichnete Annäherung ein neues Spannungsfeld, das die Altbauten in neues Licht setzt. Rafael Moneo weiß um die Schnelllebigkeit der Zeit und schafft moderne Bauwerke, die mit Stolz und Würde altern können. Dies vermittelt der pasionierte 62- jährige Professor auch an seine Schüler, die Lehre stellt einen wichtigen Teil seiner Arbeit dar.

Die zahlreichen internationalen Symposien, Vorträge und Workshops werden vornehmlich von Studenten und Kollegen gestürmt, dennoch - Moneo möchte nicht nur Connaisseure ansprechen.

Der Standard, Sa., 2000.04.08

08. Mai 1999Gerd Zehetner
Der Standard

Mehr als nur künstlerische Brunnen

Die Kärntner Landeshauptstadt zeigt am Heiligengeistplatz, was Platzmöblierung sein kann

Die Kärntner Landeshauptstadt zeigt am Heiligengeistplatz, was Platzmöblierung sein kann

Der Heiligengeistplatz in Klagenfurt der Architekten Sonja Gasparin und Beny Meier zeigt moderne Stadtmöblierung, die als Vorbilder beziehungsweise sogar Prototypen für den öffentlichen Raum in ganz Österreich herhalten könnten. Obwohl am Anfang umstritten, erfreut der Platz nun seit 1995 nachhaltig die Stadtbewohner.

Ähnlich wie der Platz von Eichinger & Knechtl in Wiener Neustadt war es Ziel, zuerst leerzuräumen, um eine große Fläche zu schaffen, die dann mit feinfühligen Eingriffen zoniert wurde. Diese Zonen funktionieren, ohne sich wichtig in den Vordergrund zu drängen.

Die zweite Parallele zeigt die Wandlungsfähigkeit Tag - Nacht. Die eigens entwickelten Solarleuchten bilden einen stählernen Wald als dreidimensonale Erweiterung der Fläche, bei Nacht erzeugen sie ein Licht, das mehr ist als ein Versuch zur Orientierung und Tagesverlängerung.

Ein Element, das an dieser Stelle der Stadt integriert werden mußte, kann mittlerweile als glücklicher verkehrsplanerischer Anstoß betrachtet werden: Die Haltestellen der zahlreichen Buslinien brauchen mit ihren dynamischen Verkehrsinseln zwar viel wertvollen Stadtplatz, doch sonst wären die schmucken Wartehäuschen vielleicht nie entstanden.

Höhepunkte

Höhepunkt und gleichzeitig die Visitkarte einer jeden Stadt ist die öffentliche Sanitäranlage. Ein gläserner Kubus schiebt sich schräg durch die Pflasterebene, im Inneren bringt die Stahlwendeltreppe den Eiligen eine Ebene tiefer, gefolgt von direktem Tageslicht. Die Toiletten selbst würden jedem Szenelokal zur Ehre gereichen, hoffentlich sehen auch handgreiflichere Typen die derart erhaltenswerte Qualität dieses speziellen Ortes. Die restlichen Einrichtungen des Platzes stehen dem um nichts nach: Ein transparenter Zylinder trägt in Leuchtbuchstaben das Wort Heiligengeistplatz, eine selbstbewußte und moderne Geste.

Der Kiosk, Gepäckaufbewahrungsfächer (!) und Sitzbänke sind weitere Elemente, die in ihrer einfachen und unprätenziösen Art selten im Stadtraum zu finden sind. Die Kunst des Maßstabs wird in der Flächengestaltung nicht jedem sofort bewußt, ganz im Sinne der Zurückhaltung: Das in traditioneller Weise verlegte Granitstöcklpflaster liegt in scharf geschnittenen großen quadratischen Feldern, die mit den Kanaldeckeln und Beleuchtungskörpern eine Rasterung eingehen.

Es bleibt zu hoffen, daß die Beispiele Wiener Neustadt und Klagenfurt auch andere Städte anregen, unter Stadtmöblierung mehr als von Künstlerhand gestaltete Brunnen zu verstehen.

BELAG ist nicht gleich Belag, und Betonsteine unterscheiden sich wesentlich von Asphalt: Die ökologischen, technischen und ästhetischen Vorzüge von Pflastersteinen aus Beton diskutierten Mitte April die ARGE Flächengestaltung mit etwa 200 Architekten, Umweltexperten und Behördenvertretern anläßlich eines Symposiums zum Thema „Ballungsräume gestalten statt versiegeln“. Der STANDARD wird an dieser Stelle in seiner Ausgabe vom 5. Juni ausführlich über das Symposium berichten.

Der Fachverband ist auch im Internet mit einer Homepage unter www.wk.or.at/steinkeramik vertreten.

Der Standard, Sa., 1999.05.08



verknüpfte Bauwerke
Heiligengeistplatz

24. September 1997Gerd Zehetner
Der Standard

Berliner Reichstag mit Wiener Herz

Berlin � In seiner Rede anläßlich des Richtfests am Reichstagsgebäude zeigte sich Sir Norman Foster vergangenen Donnerstag sichtlich bewegt. Der englische...

Berlin � In seiner Rede anläßlich des Richtfests am Reichstagsgebäude zeigte sich Sir Norman Foster vergangenen Donnerstag sichtlich bewegt. Der englische...

Berlin � In seiner Rede anläßlich des Richtfests am Reichstagsgebäude zeigte sich Sir Norman Foster vergangenen Donnerstag sichtlich bewegt. Der englische Stararchitekt rechne es Deutschland hoch an, für dieses geschichtlich so bedeutende Gebäude einen internationalen Wettbewerb ausgeschrieben und den Sieger auch tatsächlich mit dem Umbau beauftragt zu haben.

Und es scheint Fosters wichtigstes Werk zu werden. Wie ein Implantat setzt er den neuen Plenarsaal mit 1200 Quadratmetern in den Reichstag ein, gemeinsam mit einem hochentwickelten Lichtleitsystem aus 360 Spiegeln. Schon jetzt sind die Qualitäten der Konzeption deutlich erkennbar: Transparenz und technische Perfektion überraschen in der doch von außen so massiven Hülle.

Großbritanniens international bekanntester Architekt, der bisher hauptsächlich spektakuläre Neubauten entwarf, überrascht durch seinen sensiblen Umgang mit historischer Substanz. Schicht für Schicht läßt Foster Altbestand untersuchen und restaurieren, fast täglich kommen so neue Spuren der Vergangenheit zum Vorschein und verändern den Planungsprozeß.

Die spiralförmige Rampe, eine Meisterleistung der Ingenieurskunst, ermöglicht erstmals einen atemberaubenden Blick über Berlin.

Verantwortlich für die Stahlkonstruktion der Kuppel ist Waagner-Biró, Wien/München, die in Berlin schon fast als Gurus verehrt werden und anläßlich der Feierlichkeiten sichtlich stolz waren, daß dieses Herzstück aus österreichischer Hand kommt.

Trotz des atemberaubenden Bautempos ist es schwer zu glauben, daß die Fertigstellung schon in 66 Wochen abgeschlossen werden soll.

Der Standard, Mi., 1997.09.24



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