Übersicht

Texte

23. Juni 2021Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Die Smart City ist auch ein Spiel mit dem Feuer

Das viele Reden von Vernetzung und Effizienz beinhaltet viel gesellschaftliche Ambivalenz – aber es gäbe ohne diese Ideen keinen Fortschritt.

Das viele Reden von Vernetzung und Effizienz beinhaltet viel gesellschaftliche Ambivalenz – aber es gäbe ohne diese Ideen keinen Fortschritt.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

17. Juli 2018Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Ist die Platte die richtige Antwort auf die Wohnungsnot?

Die serielle Bauproduktion ist ein Erbe des Bauhauses. Nun wird sie von der Politik wieder in Beschlag genommen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das könnte eine gute Idee sein.

Die serielle Bauproduktion ist ein Erbe des Bauhauses. Nun wird sie von der Politik wieder in Beschlag genommen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das könnte eine gute Idee sein.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

22. Mai 2017Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Häuser und Beziehungen

Für die Integration von Flüchtlingen und Migranten in unseren Städten gibt es keine einfachen Rezepte. Ethnisch homogene Nachbarschaften können sich genauso bewähren wie gemischte Wohnquartiere.

Für die Integration von Flüchtlingen und Migranten in unseren Städten gibt es keine einfachen Rezepte. Ethnisch homogene Nachbarschaften können sich genauso bewähren wie gemischte Wohnquartiere.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

29. Juli 2016Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Das Leben findet zwischen den Häusern statt

Wer nach praktikablen urbanen Zukunftsrezepten sucht, findet in den Arbeiten von Jan Gehl umfangreiches Anschauungsmaterial. Gehl glaubt zu wissen, wie die Stadt als Lebensraum zu fassen ist.

Wer nach praktikablen urbanen Zukunftsrezepten sucht, findet in den Arbeiten von Jan Gehl umfangreiches Anschauungsmaterial. Gehl glaubt zu wissen, wie die Stadt als Lebensraum zu fassen ist.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

17. Juni 2016Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Die faulen Architekten

Für den dänischen Architekten und Städteplaner Jan Gehl sind Wolkenkratzer ein Symbol für die ortlose Verallgemeinerung von Architektur. Mit den Erbauern geht er hart ins Gericht.

Für den dänischen Architekten und Städteplaner Jan Gehl sind Wolkenkratzer ein Symbol für die ortlose Verallgemeinerung von Architektur. Mit den Erbauern geht er hart ins Gericht.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

01. Dezember 2015Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Shop till you drop

Die Lebendigkeit von Europas Städten wird geschätzt. Dabei spielt das Einkaufen eine wichtige Rolle. Doch Shoppingmalls und Online-Handel könnten den öffentlichen Raum in den Zentren veröden lassen.

Die Lebendigkeit von Europas Städten wird geschätzt. Dabei spielt das Einkaufen eine wichtige Rolle. Doch Shoppingmalls und Online-Handel könnten den öffentlichen Raum in den Zentren veröden lassen.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

28. Februar 2015Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Baukunst im Riesenformat

Die Vorstellung, dass nur grosse, komplexe Projekte genügend Kraft entwickeln können, um neue räumliche Ordnungen zu etablieren und Orte zu markieren, spielt in der Architektur heute eine wichtige Rolle. Alles zum Grossprojekt aufzublasen, ist aber fragwürdig, weil es kaum mit gewachsener Urbanität vereinbar ist.

Die Vorstellung, dass nur grosse, komplexe Projekte genügend Kraft entwickeln können, um neue räumliche Ordnungen zu etablieren und Orte zu markieren, spielt in der Architektur heute eine wichtige Rolle. Alles zum Grossprojekt aufzublasen, ist aber fragwürdig, weil es kaum mit gewachsener Urbanität vereinbar ist.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

28. Juni 2014Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Die Unteilbarkeit der Baukunst

Die richtige konstruktive Lösung führt nicht unbedingt zu harmonischen Bauten. Gestaltung ist auch im Zweckbau wichtig, weshalb es keine Trennung zwischen Architekt und Ingenieur geben sollte.

Die richtige konstruktive Lösung führt nicht unbedingt zu harmonischen Bauten. Gestaltung ist auch im Zweckbau wichtig, weshalb es keine Trennung zwischen Architekt und Ingenieur geben sollte.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

Alle 29 Texte ansehen

Presseschau 12

23. Juni 2021Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Die Smart City ist auch ein Spiel mit dem Feuer

Das viele Reden von Vernetzung und Effizienz beinhaltet viel gesellschaftliche Ambivalenz – aber es gäbe ohne diese Ideen keinen Fortschritt.

Das viele Reden von Vernetzung und Effizienz beinhaltet viel gesellschaftliche Ambivalenz – aber es gäbe ohne diese Ideen keinen Fortschritt.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

17. Juli 2018Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Ist die Platte die richtige Antwort auf die Wohnungsnot?

Die serielle Bauproduktion ist ein Erbe des Bauhauses. Nun wird sie von der Politik wieder in Beschlag genommen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das könnte eine gute Idee sein.

Die serielle Bauproduktion ist ein Erbe des Bauhauses. Nun wird sie von der Politik wieder in Beschlag genommen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das könnte eine gute Idee sein.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

22. Mai 2017Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Häuser und Beziehungen

Für die Integration von Flüchtlingen und Migranten in unseren Städten gibt es keine einfachen Rezepte. Ethnisch homogene Nachbarschaften können sich genauso bewähren wie gemischte Wohnquartiere.

Für die Integration von Flüchtlingen und Migranten in unseren Städten gibt es keine einfachen Rezepte. Ethnisch homogene Nachbarschaften können sich genauso bewähren wie gemischte Wohnquartiere.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

29. Juli 2016Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Das Leben findet zwischen den Häusern statt

Wer nach praktikablen urbanen Zukunftsrezepten sucht, findet in den Arbeiten von Jan Gehl umfangreiches Anschauungsmaterial. Gehl glaubt zu wissen, wie die Stadt als Lebensraum zu fassen ist.

Wer nach praktikablen urbanen Zukunftsrezepten sucht, findet in den Arbeiten von Jan Gehl umfangreiches Anschauungsmaterial. Gehl glaubt zu wissen, wie die Stadt als Lebensraum zu fassen ist.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

17. Juni 2016Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Die faulen Architekten

Für den dänischen Architekten und Städteplaner Jan Gehl sind Wolkenkratzer ein Symbol für die ortlose Verallgemeinerung von Architektur. Mit den Erbauern geht er hart ins Gericht.

Für den dänischen Architekten und Städteplaner Jan Gehl sind Wolkenkratzer ein Symbol für die ortlose Verallgemeinerung von Architektur. Mit den Erbauern geht er hart ins Gericht.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

01. Dezember 2015Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Shop till you drop

Die Lebendigkeit von Europas Städten wird geschätzt. Dabei spielt das Einkaufen eine wichtige Rolle. Doch Shoppingmalls und Online-Handel könnten den öffentlichen Raum in den Zentren veröden lassen.

Die Lebendigkeit von Europas Städten wird geschätzt. Dabei spielt das Einkaufen eine wichtige Rolle. Doch Shoppingmalls und Online-Handel könnten den öffentlichen Raum in den Zentren veröden lassen.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

28. Februar 2015Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Baukunst im Riesenformat

Die Vorstellung, dass nur grosse, komplexe Projekte genügend Kraft entwickeln können, um neue räumliche Ordnungen zu etablieren und Orte zu markieren, spielt in der Architektur heute eine wichtige Rolle. Alles zum Grossprojekt aufzublasen, ist aber fragwürdig, weil es kaum mit gewachsener Urbanität vereinbar ist.

Die Vorstellung, dass nur grosse, komplexe Projekte genügend Kraft entwickeln können, um neue räumliche Ordnungen zu etablieren und Orte zu markieren, spielt in der Architektur heute eine wichtige Rolle. Alles zum Grossprojekt aufzublasen, ist aber fragwürdig, weil es kaum mit gewachsener Urbanität vereinbar ist.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

28. Juni 2014Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Die Unteilbarkeit der Baukunst

Die richtige konstruktive Lösung führt nicht unbedingt zu harmonischen Bauten. Gestaltung ist auch im Zweckbau wichtig, weshalb es keine Trennung zwischen Architekt und Ingenieur geben sollte.

Die richtige konstruktive Lösung führt nicht unbedingt zu harmonischen Bauten. Gestaltung ist auch im Zweckbau wichtig, weshalb es keine Trennung zwischen Architekt und Ingenieur geben sollte.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

25. April 2014Robert Kaltenbrunner
Olaf Schnur
Neue Zürcher Zeitung

Heimat bauen

Wohnen bedeutet, sich die Gewissheit des Geschütztseins real und symbolisch zu bewahren. Allerdings ist die Wohnungsfrage nach wie vor eine überindividuelle, weil sie in der Ökonomie wurzelt. Verschiedene Entwicklungen geben Anlass, neu über den Zusammenhang von Architektur und Gesellschaft nachzudenken.

Wohnen bedeutet, sich die Gewissheit des Geschütztseins real und symbolisch zu bewahren. Allerdings ist die Wohnungsfrage nach wie vor eine überindividuelle, weil sie in der Ökonomie wurzelt. Verschiedene Entwicklungen geben Anlass, neu über den Zusammenhang von Architektur und Gesellschaft nachzudenken.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

26. Februar 2014Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Umgang mit einem besonderen Raum

Um das Erscheinungsbild und die Aufenthaltsqualität unserer Städte zu verbessern, müssen die verkehrsbelasteten Radialstrassen wieder lebenswert gemacht werden. Mit diesem Plädoyer lässt sich ein neues Buch zum Thema «Radialer Städtebau» zusammenfassen.

Um das Erscheinungsbild und die Aufenthaltsqualität unserer Städte zu verbessern, müssen die verkehrsbelasteten Radialstrassen wieder lebenswert gemacht werden. Mit diesem Plädoyer lässt sich ein neues Buch zum Thema «Radialer Städtebau» zusammenfassen.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

03. Dezember 2012Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Wahrheit und Ehrlichkeit

Vor nicht allzu langer Zeit wurden Gebrauchswert und Nutzen eines Hauses höher eingestuft als seine äussere Form. Heute präsentieren sich abstrakte, wenig regelhafte Baukörper in unterschiedlichster Verhüllung. Dabei galt das Zusammenspiel von innen und aussen einst als eine zentrale Kategorie der Architektur.

Vor nicht allzu langer Zeit wurden Gebrauchswert und Nutzen eines Hauses höher eingestuft als seine äussere Form. Heute präsentieren sich abstrakte, wenig regelhafte Baukörper in unterschiedlichster Verhüllung. Dabei galt das Zusammenspiel von innen und aussen einst als eine zentrale Kategorie der Architektur.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen


verknüpfte Bauwerke
AachenMünchener Direktionsgebäude

27. Februar 2012Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Sehnsucht nach Historie

Wer das Bewahrenswerte erhalten will, so heisst es, der müsse verändern, was der Erneuerung bedarf. Das klingt überzeugend, schafft aber – bezogen auf unsere historischen Städte – einige Probleme.

Wer das Bewahrenswerte erhalten will, so heisst es, der müsse verändern, was der Erneuerung bedarf. Das klingt überzeugend, schafft aber – bezogen auf unsere historischen Städte – einige Probleme.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

22. April 2011Robert Kaltenbrunner
Bauwelt

Was einsparen: CO2 oder Kultur?

Für einen neuen Umgang mit dem Thema Energieverbrauch reicht es nicht, als Architekt allein auf technische Innovationen zu setzen: Es braucht sinnfällige Lösungen, die das Verhalten von Bewohnern und Benutzern berücksichtigen – letztlich eine neue Kultur der Planung.

Für einen neuen Umgang mit dem Thema Energieverbrauch reicht es nicht, als Architekt allein auf technische Innovationen zu setzen: Es braucht sinnfällige Lösungen, die das Verhalten von Bewohnern und Benutzern berücksichtigen – letztlich eine neue Kultur der Planung.

Vollständigen Artikel anssehen


verknüpfte Zeitschriften
Bauwelt 2011|15-16 Dämmen und Denkmal

12. April 2011Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Grün ist die Zukunft

Innovatives Bauen zielt heute vor allem auf Energieeinsparung. Das ist in Zeiten wachsender Kritik an der Atomkraft wichtig, aber unzureichend und aus kultureller Warte nicht ganz unproblematisch.

Innovatives Bauen zielt heute vor allem auf Energieeinsparung. Das ist in Zeiten wachsender Kritik an der Atomkraft wichtig, aber unzureichend und aus kultureller Warte nicht ganz unproblematisch.

Hinweis: Leider können Sie den vollständigen Artikel nicht in nextroom lesen. Sie haben jedoch die Möglichkeit, diesen im „Neue Zürcher Zeitung“ Archiv abzurufen. Vollständigen Artikel anssehen

23. Dezember 2003Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Das Bild des Booms

Kuala Lumpur bedeutet «schlammige Flussmündung». Was 1857, zu Beginn der Besiedelung, eine wenig ansehnliche Siedlung war, offenbart sich heute als eine Metropole, deren Gesicht sich durch private Bautätigkeit täglich ändert. Diese Stadt ist ein steinernes Abenteuer, in dem das Neue das Alte unerbittlich fortspült.

Kuala Lumpur bedeutet «schlammige Flussmündung». Was 1857, zu Beginn der Besiedelung, eine wenig ansehnliche Siedlung war, offenbart sich heute als eine Metropole, deren Gesicht sich durch private Bautätigkeit täglich ändert. Diese Stadt ist ein steinernes Abenteuer, in dem das Neue das Alte unerbittlich fortspült.

Dem Stadtbild von Kuala Lumpur ist mit den ästhetischen Begriffen europäischer Kapitalen nicht beizukommen. Denn die Hauptstadt von Malaysia ist keine mit abendländischer Ratio angelegte Stadt. Den einzigen nennenswerten Versuch, dem urbanistischen Wildwuchs ein Spalier zu liefern, unternahm Frank Swettenham: Nachdem 1871 die malaysischen Staaten zur Kronkolonie erklärt worden waren, erliess der britische Gouverneur die «five-foot ways» als zentrale Bauordnung.

Dieses Muster der zusammenhängenden, fünf Fuss breiten Arkaden vor allen Geschäftshäusern bildete fortan die wesentlichste städtebauliche Vorgabe. Sie basierte auf einer spezifischen «Shophouse»-Architektur, die durch ihre harmonischen Strassenfronten mit rhythmischen Ziegelfassaden beeindruckte, aber auch dem tropischen Klima angepasst war. Zudem bot sie alle Voraussetzungen für die Entstehung einer entwickelten Stadtkultur: gleiches Recht aller auf Nutzung und Begehung, mithin eine Reverenz an die Bedeutung des öffentlichen Raumes.

So entstand jener Typus, der konstitutiv für die Altstadtbereiche von Kuala Lumpur wurde, ob nun in der Petaling Street (Chinatown), der Pudu Road oder der Jalan Bukit Bintang, die mit ihren arkadengesäumten Shophouses von jeher das Zentrum der städtischen Handelsaktivitäten bildeten. Doch weichen sie mehr und mehr grossen Einkaufszentren und klimatisierten Malls. Der öffentliche Raum ist nur mehr ein vermeintlicher.


Dynamik des Umbaus

Kuala Lumpur gibt sich heute als eine brummende, hupende, rauchende, ölverschmierte Maschine. Eine Stadt in Vollgas. Und weitgehend ohne Vergangenheit. Unmittelbar hinter der Stelle, wo Klang und Gombak zusammenfliessen und vor 95 Jahren die älteste Moschee der Stadt, Masjid Jamek, errichtet wurde, herrscht beispielloses Baufieber. Gleich unbändigen Himmelsstürmern erheben sich immer mehr Appartementhäuser und Bürotürme, Luxushotels mit Atrien und hängenden Gärten sowie gigantische Shopping Malls aus dem Häusermeer der traditionellen Viertel - und das in einem bei uns kaum vorstellbaren Tempo. Alles scheint gleichzeitig zu passieren: Wolkenkratzer schiessen empor, Magistralen wie die Jalan Ampang werden auf sechs Spuren verbreitert und, quasi nebenher, eine Aufwertung ganzer Stadtviertel betrieben.

Spektakulärstes Zeichen für den metropolitanen Umbau ist das Kuala Lumpur City Centre. 1997 wurde, anstelle der alten Pferderennbahn, ein Komplex von Büro-, Einkaufs-, Freizeit- und Hotelbauten fertig gestellt, der in seiner Megalomanie kaum zu überbieten ist: Die beiden vom New Yorker Architekten Cesar Pelli konzipierten Petronas Towers (NZZ 7. 6. 97) waren - bis zur Fertigstellung eines noch höheren Turms vor wenigen Wochen in Taipeh - mit 98 Stockwerken und fast einem halben Kilometer Höhe die höchsten Bürohäuser des Globus, was die Bewohner von Kuala Lumpur wie einen persönlichen Triumph betrachteten. Das landschaftliche Environment, in das der Komplex geschickt eingebettet ist, schuf der brasilianische Gartenarchitekt Roberto Burle Marx.

Ähnlichen Ambitionen folgte der ein Jahr später eingeweihte Kuala Lumpur International Airport (KLIA), der auf einen Entwurf des Japaners Kisho Kurokawa zurückgeht. Eine hyperbolisch- paraboloide Schale, schräge Glaswände, ein innenliegender Tropenwald: Der grösste Flughafen Asiens verkörpert zwar, im Sinne seines Schöpfers, eine Symbiose von Natur und Hightech, wirkt aber steril und überdimensioniert. So erstaunt es nicht, wenn das Tradierte auch im modernisierungswütigen Kuala Lumpur Orientierung bietet. Wie etwa am Independence Square (Dataran Merdeka): An seiner Ostseite wird der Platz vom pittoresken Sultan Abdal Samad Building, 1894-96 nach Plänen von R. A. J. Bidwell gebaut, flankiert. Was hier im «Moorish Style» - einer Mischung aus europäischem Funktionalismus und islamischer Formensprache - errichtet wurde, wirkte beispielgebend für alle weiteren öffentlichen Bauten.

Eine eigene, moderne Identität auch baulich- räumlich auszubilden, ist nach wie vor ein Desiderat in Kuala Lumpur. In Fachkreisen stellt Ken Yeang, einer der wenigen malaysischen Architekten von Weltruf, diesbezüglich wohl das Mass der Dinge dar: Nicht umsonst hat sein Menara-Mesaniaga-Hochhaus im Stadtteil Petaling Jaya 1995 den Aga-Khan-Preis gewonnen. Junge Büros wie ZLG Architects eifern diesem Vorbild nach. Ausschlaggebender für Kuala Lumpur indes sind Developer wie Low Yow Chuan, der den 62-stöckigen Empire Tower und das benachbarte Crown Princess Hotel initiierte, und Hijjas Kasturi, der, am Auftragsvolumen gemessen, so etwas wie Malaysias «Staatsarchitekten» darstellt. Vor gut dreissig Jahren gehörte er zur ersten Handvoll einheimischer Baumeister mit besten politischen Kontakten, die selbständig praktizierten und versuchten, eine einheimisch geprägte Architektur zu entwickeln. Seine Bauten bestimmen das heutige Stadtbild: Das Luth Building, ein zylinderförmiges Gebäude mit schlanker Taille, die fünf Orgelpfeifen des Shahzan Tower oder das elegante Dato Zainal Building sind bis ins Detail dem Prinzip der Vertikalität verpflichtet. Sein kantig- asymmetrischer Maybank Tower hingegen wird in Kuala Lumpur als «the ugliest building this side of the Suez» bezeichnet.


Architektur des Mittelmasses

Kuala Lumpur wird weithin beherrscht von einer mediokren Architektur, die vorgibt, etwas eigenständig Malaysisches zu sein. Doch heute sind Proteste gegen zerstörerisches Development häufiger - und manchmal auch erfolgreich. Prominentestes Beispiel dafür ist der Central Market, ein Art-déco-Bau, dessen Abbruch von der «Save the City»-Bewegung verhindert werden konnte. Trotz solchen vereinzelten Versuchen gleicht Kuala Lumpur immer weniger sich selbst. Und da, wo es gelingt, die historischen Fassaden zu erhalten, werden diese zur blossen Touristenattraktion. Bis zur Ölkrise Anfang der siebziger Jahre hatte sich Kuala Lumpur fast ausschliesslich im Bestand entwickelt und verändert. Dann aber begann der radikale Umbau; ganze Strassenzüge verschwanden über Nacht, neue Quartiere traten an ihre Stelle. Diese können das Mosaik des vorherigen städtischen Lebens jedoch nicht ersetzen. Insofern ist Kuala Lumpur ein typisches Beispiel für die Metropolen der asiatischen «Tigerstaaten» - mit einer urbanen Morphologie, die weitgehend von der Ökonomie beherrscht wird und in der Marktmechanismen die Architektur bestimmen. Die Neubauten von heute sind die Ruinen von morgen. Kuala Lumpur ist eine Stadt moderner Trümmer, ein perfektes Baalbek, an einem Tag erbaut, am anderen schon verfallen, eine Stadt, von der man nie erwartet, dass sie fertig wird.

Neue Zürcher Zeitung, Di., 2003.12.23

04. Juli 2003Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Die Grenzen des Grünstreifens

Was bedeutet «Nachhaltigkeit» in der Architektur?

Was bedeutet «Nachhaltigkeit» in der Architektur?

Nachhaltig, also ressourcenschonend und umweltverträglich, zu bauen, ist heute wichtiger denn je. Bereits vor 20 Jahren glaubte man anhand des «ökologischen Bauens» einen Paradigmenwechsel feststellen zu können. Doch was lässt sich von solch hehren Zielen wirklich einlösen? Dass Ökologie und Ökonomie nicht unbedingt einen Gegensatz bilden, wird in jüngster Zeit gebetsmühlenartig wiederholt. Umweltbewusstsein hat mittlerweile einen festen Platz im gesellschaftlichen Wertekanon erobert; es ist auch zu einer zentralen Prämisse des Bauens geworden. Doch Öko-Gadgets machen noch keine Öko-Architektur; Solarzellen und passive Sonnennutzung, ins Haus integrierte Gewächshäuser, Fassadenbegrünung und Wärmedämmung sind nicht hinreichend für ein wirklich zukunftsfähiges Bauen. Denn das erhebt den Anspruch, dezentral, kleinteilig und selbstgenügsam zu sein.


Zwiespältige Werturteile

In der herrschenden Diskussion erscheint Nachhaltigkeit, besonders wenn sie auf Innovation und Hochtechnologie bezogen wird, wie eine Dame ohne Unterleib, abgeschnitten von den kulturellen Fermenten und den sozialen Katalysatoren, ohne die noch nicht einmal die aseptisch gedachten wissenschaftlichen Entdeckungen, geschweige denn ihr gesellschaftlicher Gebrauch zu haben sind. Ein Wegbereiter diesbezüglich war Buckminster Fuller, dessen Wirken unter dem Motto «How to make the world work?» stand. Die Information der Teile über ihr Funktionieren im Ganzen wird zur Ausgangsfrage für Fullers «Systems Approach»; die Lösungsstrategie setzt bei der Integration der Einzelfunktionen an. Nachhaltiges Bauen gibt es demnach nur als Synthese von technologisch-ingenieurmässigem Handeln und gesellschaftspolitischen, wertbasierten und wertorientierten «Ansprüchen». Im Kanon dieser Ansprüche spielt der Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft - weg vom einseitigen Wirtschaftswachstum, hin zu mehr Lebensqualität - eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Lebensqualität indes drückt sich auch darin aus, dass man heute anders wohnt als früher. Steigender Wohnflächenbedarf stellt ein reales und qualitatives Anliegen dar. Nachdem die Architektur der Moderne Fragen der Ökologie, der Isolation und der Heizkosten jahrelang als zu vernachlässigende Grössen behandelt hatte, sind heute die bessere Orientierung und die Dämmung von Gebäuden zentrale Themen. Photovoltaik, Passivhaus-Standard, Wärmerückgewinnung: Fraglos ist hier viel erreicht worden. Eine Architektur jedoch mit dem Anspruch, etwas Integriertes, Vernetztes, Umweltbewusstes zu schaffen, bleibe letztlich «gleichgültige Technologie, ob hart, ob sanft, wenn nicht subjektive semantische Energien das technische Konstruktionsgerippe zu einem Bild eines anderen Lebens ergänzen können» (Ullrich Schwarz). Mit Bepflanzung, Brennwertkesseln, Solarzellen, rezyklierbaren Baustoffen und Energiekosten-Vergleichen ist es demnach nicht getan. Vielmehr und ganz entschieden handelt es sich um eine Frage der Bereitschaft, der Bewusstwerdung, der mentalen Veränderung - und dieser Frage haben sich weder Architekten und Bauträger noch Bewohner und Betreiber in der notwendigen Tiefe gestellt.

Obgleich viele Einsichten und Erkenntnisse darüber, wie nachhaltiges Bauen strukturiert sein müsste, bereits vorliegen, bleibt ihr Transfer in die Praxis weitgehend aus. Ob das mit der mangelnden «Sinnlichkeit» zusammenhängt? Peter Eisenman jedenfalls hat, als er unlängst befragt wurde, wie er es denn mit «sustainability» halte, eine unmissverständliche Antwort gegeben: «Mit mir über Nachhaltigkeit zu reden, ähnelt einem Gespräch übers Gebären. Bin ich gegen das Kinderkriegen? Nein. Aber würde ich meine Zeit damit verbringen, es zu tun? Nicht wirklich.» Das Thema scheint für Intellektuelle oder Künstlernaturen arg spröde zu sein und «ökologische Architektur» ein Label, das viele abschreckt. Dies der Ignoranz und Unlust zuzuschreiben, ist sicherlich nicht ganz falsch. Doch auch von Seiten der Ökologen wird ein «klassisches Architekturverständnis» als Feindbild aufgebaut. Dabei gibt es keinen Öko- oder auch nur Energiespar-Stil. Ein solches Bauen verlangt keine einheitliche Ästhetik und keine allgemein verbindlichen Regeln, es sei denn diejenigen eines vernünftigen, die Umwelt nicht zerstörenden Verhaltens. Insofern ist auch der gerne angeführte Widerspruch zwischen «Gestaltung» und «Umweltanspruch» bloss virtuell.

Fruchtbare Ansätze, das nachhaltige Bauen in eine zeitgenössische «Architektursprache» zu übersetzen, gibt es zwar - hier sei nur auf die Idee der «natürlichen Konstruktionen» hingewiesen, wie sie von Frei Otto experimentell entwickelt wurde. Aber wirklich konstitutiv ist dies bislang nicht geworden. Woran wiederum die Medien keineswegs unschuldig sind: Sie kanalisieren die öffentliche Debatte, über die Qualität zugeteilt wird. Zur Architektur zählt, was einer Besprechung in den Medien wert ist.

Um das Thema stärker in der Öffentlichkeit und im «normalen» Bauen zu verankern, bedarf es nicht so sehr exzeptioneller Öko-Avantgarde- Projekte. Vielmehr wären praktische Beispiele vorzuführen, müsste der Gebrauch von kostengünstigen, quasi alltäglichen, d. h. bereits gängigen und bewährten Technologien im Lebensalltag bewiesen und anschaulich gemacht werden. Ein simples Beispiel: Weil das von Gewohnheiten, Sorglosigkeit und Unkenntnis geprägte Benutzerverhalten von entscheidendem Einfluss auf den Energieverbrauch ist, muss die Planung just da ansetzen, sonst nützen auch die schönsten Massnahmen wenig. Wer den Anspruch erhebt, der Umwelt und ihren Ressourcen angepasst zu bauen, darf eben nicht auf in sich geschlossenen, höchst komplizierten technischen Systemen bestehen, zu deren Regulierung es eines ingenieurtechnischen Hochschulabschlusses bedarf. E. F. Schumachers Axiom «Small is beautiful» bietet eine Art Richtschnur - weniger im ideologischen Sinne als vielmehr in seiner Tendenz, dass nicht Grosstechnologien, sondern für den Einzelnen handhabbare Systeme zu kultivieren wären.


Vernetzte Zusammenhänge

Wenn es ein Grundprinzip der Nachhaltigkeit ist, in vernetzten Zusammenhängen zu denken, dann reichen diese Zusammenhänge, bildlich gesprochen, über die Grenzen des Grünstreifens hinaus und umfassen nahezu alle Muster unserer sozialen, ökonomischen und politischen Wertbestimmung. So wird, über kurz oder lang, auch das nachhaltige Bauen nicht länger als unverbindliche Lebensstil-Option mit privatem Weltanschauungszusatz misszuverstehen sein. Es geht um die Vernunft und Sinnhaftigkeit des Gebäudes in sich und in seiner Einpassung in Raum und Zeit, aber auch um die Prozesse der Rückkopplung zwischen Technik und Bewohner, um die Gesetze des Haushaltens, um Verständlichkeit, Einsicht, Nachvollziehbarkeit, Urteilskraft, Verhalten und Gebrauch. Um nicht mehr, aber auch nicht um weniger.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2003.07.04

13. Februar 2003Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Imperial und monumental

Neu-Delhi als Werk des Architekten Edwin Lutyens

Neu-Delhi als Werk des Architekten Edwin Lutyens

Wenn ein Vordenker der architektonischen Moderne ein Spätwerk des Historismus lobt, so ist das aller Aufmerksamkeit wert: Kein Geringerer als Le Corbusier urteilte über Neu-Delhi, dass diese Stadt von Edwin Lutyens mit ausserordentlicher Sorgfalt, grossem Talent und wirklichem Erfolg geschaffen worden sei. Gleichwohl hat die Neugründung in den Lehrbüchern und Kompendien der jüngeren Architekturgeschichte höchstens am Rand Beachtung gefunden. Dieses Defizit versucht nun Andreas Volwahsen mit einer materialreichen Studie auszugleichen.

Von König George V. dazu auserkoren, Kalkutta als Hauptstadt Britisch-Indiens zu ersetzen, wurde Neu-Delhi zwischen 1912 und 1931 konzipiert und gebaut. Die Leitvorstellungen für die Kapitale des Raj waren insbesondere von drei Vorbildern geprägt: Baron Haussmanns Umbau von Paris, Christopher Wrens Plan für London 1666 und Pierre Charles L'Enfants Entwurf für Washington. Die Stadtanlage von Neu-Delhi besteht aus einem orthogonalen und einem hexagonalen System von breiten Boulevards, mit den wichtigsten Gebäuden an den Schnittpunkten. Ihr Zentrum ist durch das Haus des Vizekönigs markiert. Mit diesem Bauwerk wandte sich Lutyens vom neogeorgianischen und palladianischen Stil ab und einer wahrhaft römischen Dimension zu, bezog zugleich aber Reminiszenzen aus der architektonischen Vergangenheit Indiens behutsam mit ein. Vom Haus des Vizekönigs - flankiert von den sogenannten Sekretariaten, die Herbert Baker, Lutyens grosser Gegenspieler, mit gewaltigen Säulenportiken ausstattete - führt die zentrale Achse über die Jaipur-Column bis hin zum All India War Memorial Arch, der heute Gate of India genannt wird. Etwas exzentrisch dazu wurde das gewaltige Rund des Legislative Building placiert. Dieses Kreismotiv schliesslich findet am Connaught Place, der als neues Geschäftszentrum neben der historischen Altstadt und dem repräsentativen Regierungsbezirk einen dritten Pol bildet, im Entwurf von Robert Tor Russell eine plausible Wiederholung.

Axialität, Symmetrie und schiere Grösse sind kennzeichnend für diesen Plan, gelten indes nur für die Regierungsbauten und die kolossale Achse des Empire. Alle anderen städtischen Funktionen wurden zweckmässig und unprätentiös um diese Symbole arrangiert, wobei gerade der dem Pragmatismus geschuldete Massstabsprung die stadträumliche Wirkung noch erhöht. Dispersion und Weitläufigkeit, die Bedeutung von Parks, Grün- und Freiflächen: Sie verweisen auf eine weitere Tradition, und zwar eine mit reformatorischem Inhalt. Denn Lutyens war als Architekt mit Raymond Unwin in der Hampstead Garden City tätig gewesen und mit den Idealen Ebenezer Howards vertraut. Hier, in fremder Umgebung und bisher ungeahnter Grössenordnung, schuf er - einerseits dem klassischen Kanon der europäischen Baugeschichte verpflichtet, andererseits die Mogul- Stadt Fatehpur Sikri wenn nicht als einzige, so doch als zentrale indigene Architektur Indiens anerkennend - etwas Neues: ein Gesamtkunstwerk, amalgamiert aus unterschiedlichen Vorbildern, eklektisch und monumental, aber doch eine Eigenständigkeit und Alltagstauglichkeit erreichend, die nachgerade erstaunt.

Von Volwahsen werden ausführlich vorgestellt: die Protagonisten; der Entscheidungsprozess; die Tragweite der städtebaulichen Aufgabe; die wichtigsten Einzelbauten von Lutyens, Baker und Russell in Skizzen, Grundrissen, Aquarellen, Fotos; der diesen Bauwerken zugrunde liegende Symbolismus; und schliesslich die Einordnung des Unternehmens in einen breiteren kulturgeschichtlichen Kontext. Herausgekommen ist ein Buch, dessen opulente Ausstattung, stimmiger Aufbau, profunde Quellenlage und flüssiger Stil es zu einem Gewinn in der Historiographie des Städtebaus machen.


[ Andreas Volwahsen: Imperial Delhi. The British Capital of the Indian Empire. Englisch. Prestel-Verlag, München 2002. 304 S., 310 Abb., Fr. 125.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2003.02.13

11. April 2002Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Wirkungsmächtige Bilder

Die „europäische Stadt“ - ein Auslaufmodell?

Die „europäische Stadt“ - ein Auslaufmodell?

Beim Stichwort «europäische Stadt» stellen wir uns in der Regel historisch gewachsene, klar voneinander abgegrenzte Zentren vor, für die der öffentliche Raum - Strasse, Platz und Park - prägend ist. Mit der Wirklichkeit hat das mittlerweile nur mehr wenig zu tun. Das heutige Siedlungsmuster in Europa könne man am besten nachts von einem Flugzeug aus erkennen, befand unlängst Peter Wilson. Was man sähe, sei «ein beinahe flächendeckendes Netz von Transportrouten, von verstreuten Industrie-, Wohn- und Freizeitfeldern. Die historische Stadt ist hier nur noch einer von vielen Knotenpunkten. Innen und Aussen gibt es nicht länger, nur örtliche Schnittflächen zwischen unterschiedlich beschaffenen Texturen. Die einstmals alles umfliessende Natur ist nun selbst umschlossen. Nunmehr sind es Landwirtschaft und Parks, welche die Mauern benötigen, die früher die Städte umgeben haben.»

Was hat angesichts dieser Tatsachen unsere Stadt(bau)kultur noch zu bieten? Mit dieser Frage setzt sich eine ebenso konzise wie streitbare Aufsatzsammlung auseinander, die auf eine prominent besetzte Expertentagung zurückgeht. Obgleich das Thema nicht ganz neu ist, wartet das Buch mit erhellenden Einsichten auf. Beispielsweise zeigt Wolfgang Christ, dass die Stadt europäischen Typs und die analoge Uhr gemeinsame Strukturmerkmale besitzen. Beide «vermitteln Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf einen Blick. Die traditionelle Uhr entwickelt die Zeit aus dem Verhältnis von Zwischenräumen, die die Zeiger hervorrufen. Die digitale Uhr symbolisiert eine andere Welt. Es ist eine Zeit ohne Zwischenräume und ohne lebensweltliche Referenz.»

Karl Schlögel verteidigt erwartungsgemäss die spezifische Identität der europäischen Stadt als eine «einzigartige zivilisatorische Entwicklung», deren Ergebnis durch alle Metamorphosen und Brüche hindurch heute noch sichtbar ist; selbst nach den Zerstörungen des 20. Jahrhunderts sei sie «irgendwie und wunderbarerweise wieder auf die Beine gekommen». Andere Autoren erteilen indes jedweder Idealisierung eine Absage: So präpariert der Ethnologe Wolfgang Kaschuba einen ambivalenten Doppelcharakter heraus: Gehörten doch die Ungleichheit sozialer Status- und Rechtspositionen, die Ausgrenzung von beruflichen, ethnischen oder religiösen Gruppen, die Bevormundung der «unterbürgerlichen» Gruppen oder die strikte ökonomische Verregelung vom Marktrecht bis zur Gewerbeordnung zur städtischen Tradition. Insofern lasse sich die europäische Stadt als eine Form der Zivilgesellschaft lesen, die immer noch eine gewisse Exklusivität für sich beanspruche. Wie weit es damit noch her ist, fragt Walter Siebel und erlaubt sich den Hinweis, dass «der Prozess der Einhausung und damit der Privatisierung heute über den engen Bezirk der Wohnung und des Betriebes hinausgreift und immer weitere noch im öffentlichen Raum verbliebene Funktionen erfasst». Womit nicht nur die Differenz von Öffentlichkeit und Privatheit erodiere, sondern das Idealbild der Stadt schlechthin.

Um die Dimension der Veränderung zu illustrieren, bemüht Marco Venturi (Venedig) die Metapher vom Ei: «Bis zum Ende des Ancien Régime glich die Stadt einem gekochten Ei, wobei die Stadtmauern wie eine Eierschale eine äusserst dichte Mischung öffentlicher Gebäude, Handels- und Wohnhäuser umschlossen; bis zum Zweiten Weltkrieg war sie eher ein Spiegelei, wobei das Eigelb der alten Stadt vom Eiweiss der neuen, für das Industriezeitalter typischen Bezirke umgeben war, und über die letzten fünfzig Jahre hinweg haben wir uns hin zum Rührei bewegt - und die Stadtforschung bewegt sich mit Versuchen zur Anwendung der Theorie des Fraktalen, um Lage und Form der einzelnen Klumpen zu errechnen.» Dass man diesen Prozess aufhalten sollte, scheint Konsens zu sein in der Fachgemeinde. Unklar aber ist bis heute, wie man dies leisten kann - und ob dieser Versuch nicht womöglich in die falsche Richtung führt. Die Halbwertszeit der siedlungsstrukturellen Entwicklung offenbart den Funktions- und Bedeutungswandel Stadt im 21. Jahrhundert insgesamt: Sie folgt weder dynamischen noch normativen Gesetzen. Eine Stadtplanung, die darauf wirklich einzugehen gewillt ist, hat indes einen schwierigen Part, fordert sie doch von Bürgern, Architekten und Politikern ein neues Bewusstsein für den Bestand, nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen, mehr Denkmalschutz, weniger Prosperität - und wahrscheinlich auch: mehr Chaos. Wenn man die europäische Stadt, wie der Soziologe Bernd Hamm, als lokale Utopie in globaler Solidarität betrachtet, dann hat sie in der Tat eine Zukunftsperspektive. Die sie allerdings auch braucht.


[Auslaufmodell europäische Stadt? Neue Herausforderungen und Fragestellungen am Beginn des 21. Jahrhunderts. Hrsg. Werner Rietdorf, Verlag für Wissenschaft und Forschung. Berlin 2001. 230 S., Euro 14.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Do., 2002.04.11

07. Dezember 2001Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Weg vom Volksschullehrer-Modernismus

In den Niederlanden boomt die Architektur

In den Niederlanden boomt die Architektur

Rechenschaft darüber abzulegen, was ein Architekt heute noch bewirken kann, in einer Welt, die von Desintegration, Unordnung, Massstabsvergrösserung, Flüchtigkeit und neuen Kommunikationsmitteln bestimmt wird, das ist eineTugend, über die nicht allzu viele Baumeister verfügen. In den Niederlanden indes hat dergleichen Konjunktur, wenn man Bart Lootsma Glauben schenken darf. Unter der Überschrift «Super Dutch» stellt der renommierte Kritiker ein Dutzend impulsgebender Büros vor, die seiner Meinung nach repräsentativ für ein neues Verständnis sind.

Seit zehn Jahren blüht in den Niederlanden eine Architektur, deren offenes Raumkonzept nach wie vor der Moderne verpflichtet ist, die jedoch eine reiche Bandbreite an Formen, Farben, Texturen und Materialien vor Augen führt. Der grafischen Abstraktion der Architektur von Wiel Arets stehen die komplexen, an den Tastsinn appellierenden Werke Ben van Berkels gegenüber. Adriaan Geuze vom Büro West 8 laboriertmit einer «funktionalistischen» Landschaftsarchitektur (Schouwburgplein in Rotterdam), währendMecanoo (etwa bei der Fakultät für Volkswirtschaft und Management in Utrecht) mit raffinierten Typologien arbeitet und eine starke Betonung auf die Gestaltung des öffentlichen Raums setzt. Das Atelier van Lieshout schliesslich lancierte Pläne, eine autarke Kommune namens AVL-Ville zu gründen inklusive Werkstätten für die Produktion von Waffen und Alkoholika - ein Vorschlagstark polemischen Charakters, eher darauf bedacht, eine Diskussion zu provozieren, als eine reale Umsetzung zu erfahren.

Das Vorgehen des Atelier van Lieshout ist bezeichnend für ein gesellschaftliches Klima, in dem neue Konzepte gedeihen können. Allerorts ist eine unbeschwerte «Just do it»-Mentalität spürbar, die sich - weitgehend frei von Moralismusund Ideologie - in den Dienst der Modernisierung stellt und mit Phantasie und Tatkraft aufeine Aufgabe stürzt. Mehrheitlich abgelehnt werden Bauformen, die sich allein auf die Ästhetik und das sinnliche Detail richten. Für die jungen Architekten heute beginnt jeder Auftrag deshalb mit einem buchstäblichen Kartieren aller denkbaren internen und externen Kräfte, die eventuelleinen wichtigen Einfluss auf das Zustandekommen eines Projektes haben könnten. Das macht selbst vermeintlich abgehobene Planungsansätze realitätstauglich. Kein Wunder also, wenn die niederländische Baukunst der neunziger Jahre in der Regel konzeptueller, minimalistischer, reduzierter oder auch «trockener» ausfällt als die des internationalen Mainstreams. - Dass sich die jüngere niederländische Architektur insgesamt einer durchschlagenden Wirkung erfreut, lässt sich indes auch auf das flankierende publizistischeLeuchtfeuer zurückführen, mit dem selbst die jungen Holländer sich und ihre Ideen höchst professionell vermarkten. Das Beispiel Rem Koolhaashat Schule gemacht: Mit provozierenden Vorträgen, fulminanten Buchprojekten, Gastprofessuren an internationalen Eliteschmieden und durch die Entwicklung von Theorien tritt man bewusst und medienwirksam in Erscheinung, will man sich selbst zum Markenartikel machen. In gewisser Weise knüpft das vorliegende Buch daran an: mit klarem theoretischen Impetus, attraktiver Gestaltung und alles andere als langatmig. Und es setzt Massstäbe für die weitere Rezeption.


[Bart Lootsma: Super Dutch. Neue niederländische Architektur. DVA, Stuttgart 2001. 264 S., 300 Abb., Fr. 98.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.12.07



verknüpfte Beiträge
europa1 Niederlande

07. September 2001Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Beispielhafte urbane Qualitäten

Die Renaissance des niederländischen Reihenhauses

Die Renaissance des niederländischen Reihenhauses

Das Reihenhaus schreibt in Holland Erfolgsgeschichte. Gerade die rigide technische Standardisierung scheint formale Experimente und ästhetische Vielfalt zu ermöglichen. Dabei geht es sowohl um die Typologie des Hauses, die veränderten Rahmenbedingungen des Wohnens als auch um die Beziehung zwischen Gebäude und Stadt.

Der Kulturkritiker Wend Fischer hat einmal mit Blick auf die Wohnarchitektur empfohlen, «dass die Brauchbarkeit das Kriterium der Qualität ist. Diese Wahrheit konzentriert die Dinge und Bauten auf den Menschen, der sie braucht; der Mensch ist der Sinn ihrer Zweckbestimmung, hierin beruht ihre selbstverständliche Humanität.» Ganz in diesem Sinne hat die niederländische Nachkriegsarchitektur eine reichhaltige Tradition an Bauten hervorgebracht, die weniger fertige Lösungen anbieten als vielmehr den Rahmen vorgeben, der von den Nutzern erst noch auszufüllen ist - davon ausgehend, dass eine prägnante Formgebung nicht notwendigerweise einengen muss, sondern im Gegenteil wichtige Impulse für das Geschehen im Raum geben kann.


Mode und Geschmack

Wenn das Reihenhaus für die Architektur ein eher profanes und sprödes Thema darstellt, so ist es schon überraschend, mit welcher Inbrunst es in den Niederlanden kultiviert wird. Hier hat die Individualisierung unter dem Stichwort der Erlebnisgesellschaft längst auch einen so sehr von Standardisierung und Serienfertigung bestimmten Bereich wie die Reihenhausproduktion erfasst. Sie begründet eine Suche nach spielerischen, eleganten und vor allem sinnlichen Lösungen, die gleichzeitig realistisch umsetzbar und unverkrampft «schön» sind. «Ich will, dass die Architektur modisch ist. Einige Architekten sind so naiv, zu behaupten, dass Architektur nichts mit Mode zu tun habe. Das ist Unsinn.» Erick van Egeraats offensives Bekenntnis zur Mode geht einher mit der Akzeptanz des Geschmacks des Konsumenten, so dass für ihn der Vergleich des Bauens mit anderen Dienstleistungen - etwa dem Kochen - nichts Unrühmliches ist. Es scheint, als stünde er damit nicht allein.

In Holland lässt man sich auf die reale Vielfalt, Ungewissheit und Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung bereitwilliger ein als andernorts. Als Reaktion auf die tiefe Krise der modernen Wohlfahrtsgesellschaft haben sich die Niederlande seit Ende der achtziger Jahre einer tiefgreifenden Liberalisierung und Modernisierung unterzogen: Zu verzeichnen ist der Umschwung vom staatsnahen Wohnungsbau zum freien Markt; vom moralisierenden Sozialdesign zur Freude am formalen Spiel, von einer sich als gebaute Moral verstehenden Architektur zu einer, die eher «die Corporate Identity einer aufgeklärten sozialen Demokratie» zur Verfügung stellen will. Der Markt, so die Vorstellung, die hinter der neuen Wohnungsbaupolitik steht, orientiert sich zwangsläufig an den Bedürfnissen und am Geschmack der Endverbraucher, in diesem Fall der Wohnungskäufer.

Dieser Geschmack ist gar nicht so schlecht. Offensichtlich wollen die Kunden, anders als es uns Zyniker weismachen, nicht in Walmdachidyllen mit Erkerexzessen wohnen, jedenfalls in den Niederlanden nicht. Das Reihenhaus nimmt in diesem Kontext eine zentrale Rolle ein: Es steht für stadtnahes Wohnen ohne Nachbarschaftszwang und ist alltagstauglich für eine Gesellschaft im Aufbruch. Relativ niedrige Baulandpreise - meist zwischen 80 und 130 Franken pro Quadratmeter - werden durch zentrale Steuerung sichergestellt. Rationelle Planung und Standardisierung, eine Bauorganisation und der Bauteam-Gedanke sind die Hintergründe für die verhältnismässig preiswerten Ergebnisse. Gleichwohl ist es frappant, wie sich Frische und Unverkrampftheit mit völliger Erinnerungslosigkeit mischen, die Widersprüchlichkeit von kommerziellem Produkt und heimatstiftender Aneignung im Konsum.

Lange durchlaufende Linien, weit auskragende horizontale Platten und Dachgesimse, kubisch betonte, regelmässig wiederholte Vor- und Rücksprünge, der Einsatz unterschiedlicher Fassadenebenen, die zusammen eine streng orthogonale, kubische Komposition formen - so etwa könnte eine formale Charakterisierung der Reihenhaussiedlungen der letzten Jahre lauten. Dabei werden die gewohnten Additionsregeln häufig in Frage gestellt - bis hin zu Überlegungen, wie man aus dem engem Korsett der trennenden Schotten ausbrechen könnte, ohne die Abgeschlossenheit der einzelnen Einheiten aufzugeben. - So einfach wie wirkungsvoll scheinen diesbezüglich etwa die Vorschläge von Neutelings & Riedijk für IJsselstein: Durch die Drehung der Häuser um 90 Grad - mithin bei extrem breiten, aber nicht sehr tiefen Grundrissen - werden die Innenräume ungleich heller und offener. Die grosse Breite wird durch die Back-to-Back-Anordnung kompensiert, wobei für die fehlende Rückfassade eine mehr als zehn Meter breite Vorderfront entschädigt. Ein weiteres Beispiel ist das Kasbah-artige Labyrinth von MVRDV in ihrem Siedlungsentwurf für den Hoornse Kwadrant: Die einzelnen Einheiten verschränken sich räumlich komplex in- und übereinander, ohne dass der Bezug zur Strasse oder die Abgeschlossenheit des einzelnen Hauses aufgehoben würde. Die innere Organisation aufs Äusserste flexibilisiert hat Teun Koolhaas bei seinen Reihenhäusern in Almere: Durch die Verlagerung der Treppe an die Fassade sowie eine kompakte innere Servicezone in jedem Geschoss können die gewohnten Nutzungen fast überall im Haus untergebracht werden; selbst eine Teilung in zwei Einheiten ist möglich.

Insgesamt lässt sich konstatieren, dass das Klein-in-Klein der achtziger Jahre als gebaute Intimität einer Ästhetik weicht, die durch äusserste Neutralität geprägt ist. Unklare Übergänge, halbprivate Bereiche werden häufig zugunsten neutraler, wenn nicht gar unpersönlicher Räume vermieden. Und mitunter wird der Bruch von abgeschirmter intimer Privatheit und kompromissloser Öffentlichkeit direkt in gebaute Form umgesetzt, etwa von de Architecten Cie. in Almere.


Architektur als Ereignis

Das Reihenhaus als Schnittpunkt von serieller Produktion und individueller Erscheinungsform ist gleichermassen professionell entwickeltes Produkt wie Heimat für einen Lebensabschnitt; seine Bewohner sind im heutigen Holland nicht mehr «Häuslebauer», die ein Leben lang an ihrem Traum arbeiten, sondern erlebnishungrige Konsumenten, die bei biographischen Veränderungen den Wechsel in eine neue Umgebung nicht scheuen. Dass durch eine missverstandene Individualität die geistlosesten Gebäudehaufen entstehen, ist in nahezu jedem Wohngebiet zu studieren. Identität wird dadurch kaum gestiftet. Anders bei den angeblich monoton wirkenden Wohnkomplexen in den Niederlanden. Jenseits moderner Utopien vom beglückenden Effekt einer «einzig richtigen» Architektur entstanden dort in den letzten zehn Jahren erfrischende Ensembles, in denen «Architektur als Ereignis» erlebbar ist.

Doch auch in der städtebaulichen Perspektive wird die innere Logik der niederländischen Entwicklung deutlich: das Denken in einfachen und prägnanten Bildern, ein In-Szene-Setzen von eindeutigen Stimmungen - allerdings ohne Berücksichtigung der ganzen Komplexität und Tiefe der Wirklichkeit. Das funktional Aufgegebene eines grösseren Ganzen, vordem in Begriffe wie Nachbarschaft, Siedlung oder Gemeinschaft gefasst, wird lediglich noch ästhetisch vermittelt. Die Architekten schöpfen Formen und Motive aus dem Reservoir der Moderne, ohne deren sozial-revolutionäre Hintergründe mit aufzuwirbeln. Gleichwohl, und seinen inhärenten städtebaulichen und siedlungsräumlichen Defiziten zum Trotz, hat der jüngste holländische Reihenhausbau beispielhafte urbane Qualitäten geschaffen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2001.09.07



verknüpfte Beiträge
europa1 Niederlande

07. Juli 2000Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Urban Reality

Urbanisten und Architekten haben die Metropolen der Schwellen- und Entwicklungsländer entdeckt. Nachdem Rem Koolhaas das Lob der rasant wachsenden Megastädte auf der letzten Documenta gesungen hat, beschäftigt sich nun die Architekturbiennale von Venedig mit deren Glanz und Elend; und auch auf der vom 4. bis zum 6. Juli in Berlin durchgeführten Weltkonferenz «Urban 21» spielte dieses brisante Thema eine wichtige Rolle.

Urbanisten und Architekten haben die Metropolen der Schwellen- und Entwicklungsländer entdeckt. Nachdem Rem Koolhaas das Lob der rasant wachsenden Megastädte auf der letzten Documenta gesungen hat, beschäftigt sich nun die Architekturbiennale von Venedig mit deren Glanz und Elend; und auch auf der vom 4. bis zum 6. Juli in Berlin durchgeführten Weltkonferenz «Urban 21» spielte dieses brisante Thema eine wichtige Rolle.

Die Riesenstädte der Dritten Welt - von internationalen Experten und einheimischen Eliten lange als «entwicklungshemmend» oder gar als «parasitär» abqualifiziert - scheinen allen Kassandrarufen zum Trotz zu überleben, denn: «in der Stadt hungert es sich besser». Ein gigantischer, weitgehend unkontrollierter Wachstumsprozess vollzieht sich seit Jahrzehnten in Bombay und Lagos, in Jakarta und Kairo, in Mexiko, Kalkutta oder Lima. Der Hintergrund scheint so banal wie unabänderlich: Einseitige Industrieförderung führt zur Vernachlässigung der Landwirtschaft. Die schlechten Erwerbschancen im Agrarsektor treiben die verarmte Bevölkerung in die Ballungszentren. Andererseits wirken die Metropolen wegen ihres grösseren öffentlichen Dienstleistungsangebots anziehend. Hier konzentrieren sich die Schulen und Universitäten, hier ist die medizinische Versorgung besser. Hinzu kommt die Hoffnung vieler Schulabgänger, einen «White collar»-Job zu finden, der ihrem Qualifikationsstand angemessen scheint.


Sogwirkungen

Metropolen werden heute weniger als Orte denn vielmehr als verdinglichte Erwartungshaltungen verstanden. Es sind wahre Massen, die in diese Riesenstädte strömen, um ihre Zukunft zu sichern: Arbeitssuchende, vom Land «vertriebene» Migranten, die sich im Zuge der - eher wirtschaftlichen denn gesellschaftlichen - Modernisierung in der Stadt eine neue, bessere Lebensgrundlage erhoffen. Zusammen mit hohen Geburtenraten kann dies zu einer explosiven Situation führen. Kein Platz, kein Job, kein Geld - was tun? Als Konsequenz versorgen sich die ärmsten Bevölkerungsgruppen zum Teil auf informelle, ja illegale Weise mit Obdach.

Wo immer sich ein kleines Fleckchen findet, schlagen die Zuwanderer ihr Quartier auf: zwischen den Sandhaufen vor einer Grossbaustelle, wo schon wieder ein neuer Wolkenkratzer entsteht, auf der Müllkippe am Stadtrand, in den wackeligen Treppenhäusern einer überbelegten Mietskaserne, an den Bahngleisen oder gleich auf dem Gehsteig.

Im grössten Elendsviertel Manilas, dem Tondo Foreshoreland, lebten schon vor 25 Jahren über 200 000 Menschen auf einer Fläche von 147 Hektaren unter unglaublichen Bedingungen. In Bombay sind die Quartiere aus Wellblech und Pappe zu riesigen Kolonien zusammengewachsen. Sechs, acht Menschen hausen in einem winzigen Raum, der meist von einem «Slumlord» zu Wuchermieten verpachtet wird, fast immer ohne Wasser und ohne Latrinen. Wenn es regnet, verwandeln sich die schmalen Gänge zwischen den Hütten in Morast, der den Menschen bis zu den Knien steht.


Zeichen für den Neubeginn

Gecekondu oder Favela, Barriada oder Bidonville werden solche Siedlungen genannt. Gross sind die Unterschiede zwischen ihnen nicht. Für den Zuwanderer sind sie einerseits Endpunkt der Landflucht, andererseits Symbol der Hoffnung auf ein besseres Einkommen, ein leichteres Leben und mehr Zukunft. Der Platz dieser ersten Bleibe, mit dem der Anspruch auf die Teilhabe am Reichtum der Stadt markiert wird, ist oft so provisorisch wie die Hütte selbst: Irgendein bisher ungenutztes Stück Land wird besetzt, das natürlich möglichst nah am städtischen Treiben liegen soll - und damit sowohl an Arbeitsgelegenheiten wie an der städtischen Infrastruktur von Wasser, Strom und Kanalisation. Den Arrivierten sind sie als Zeichen der noch nicht vollzogenen «Entwicklung» ein Dorn im Auge. Nur wenn Wahlen anstehen, verspricht man illegalen Siedlern schon mal einen Rechtstitel und die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Kommt es hart auf hart, dann wird kurzerhand geräumt. Ein Teufelskreis!

Es dauerte geraume Zeit, bis die Vereinten Nationen sich dieses seit langem schwelenden Problems annahmen und 1976 in Vancouver zur ersten Weltsiedlungskonferenz «Habitat» einluden. Doch greifbare Verbesserungen waren kaum zu vermelden. Nur zu gern beschränkte man sich in den betroffenen Ländern darauf, mit den Slums gleich auch mögliche Unruheherde zu beseitigen, oder man bevorzugte eine sichtbare, d. h. repräsentative Modernisierung der Stadt. Immerhin bewirkte die Konferenz mittelbar einen Bewusstseinswandel: Bestand zuvor die gängige Einstellung darin, «Slum clearence» zu betreiben (was auf gewaltsame Beseitigung von Slums oder Squattersiedlungen und die rücksichtslose Vertreibung ihrer Bewohner hinauslief), so reichte das Spektrum der Entscheidungen nun vom Tolerieren illegaler Siedlungen bis hin zu Programmen, die sich an der realen Kaufkraft der Zielgruppe orientieren, etwa «Sites-and-Services-Projekten» oder «Upgrading-Projekten». Ohne grossen Erfolg allerdings - was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass die Standards von Planern stammten, die bestimmte Vorstellungen von «menschenwürdigem» Wohnen mitbrachten.

Ohnehin ist den Bewohnern durch Wohnbaumassnahmen allein nicht geholfen. Damit werden nur Symptome, nicht die Ursachen des Problems angegangen. Die Hoffnung, dass ein Mehr an Wohnungen das Elend überwinden hilft, ist trügerisch. Notwendig sind gleichzeitig beschäftigungswirksame Massnahmen. Spätestens hier hapert es. Einzig die «Schattenwirtschaft» - Ausbeutungsmaschinerie und Hoffnungsschimmer in einem - wirkt als transitorische Grauzone zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit und ist weiterhin (allen Vorbehalten zum Trotz) die Überlebensnische schlechthin. - Es hat sich seit «Habitat» wenig, zu wenig geändert. Zu vielfältig und ineinander verstrickt sind Ursachen, Wirkungen und Abhängigkeiten. Zu hoffen aber ist, dass die nach «mehr Ethik» verlangende Architekturbiennale von Venedig und die Weltkonferenz «Urban 21», die vom 4. bis zum 6. Juli in Berlin stattgefunden hat, sich nicht in wohlfeilen Plädoyers erschöpfen werden, sondern die Teilnehmer zum Agieren zwingen. In kleinen Schritten, aber auf allen Ebenen. Denn Wohnen ist ein Grundbedürfnis des Menschen und verlangt nach seinem Recht. Nicht nur im Villenquartier.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2000.07.07

14. Juni 2000Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Die Weltidee des Ungebauten

Ein beispielhaftes Unterfangen: Man nehme einen Schriftsteller mit Affinität zur Baukunst und bitte ihn, aus einem Konvolut nicht realisierter Entwürfe...

Ein beispielhaftes Unterfangen: Man nehme einen Schriftsteller mit Affinität zur Baukunst und bitte ihn, aus einem Konvolut nicht realisierter Entwürfe...

Ein beispielhaftes Unterfangen: Man nehme einen Schriftsteller mit Affinität zur Baukunst und bitte ihn, aus einem Konvolut nicht realisierter Entwürfe eine Art architektonischer Weltidee zu formen. So geschehen nun durch Cees Nooteboom, der die niederländische Architekturgeschichte der letzten 150 Jahre auf eigenwillig- suggestive Weise Revue passieren lässt. Nootebooms «Nie gebaute Niederlande» will zeigen, dass diese Region ganz anders hätte aussehen können. So banal diese Botschaft klingen mag, so faszinierend ist sie bei näherem Hinsehen. Denn das Buch manifestiert zugleich auch, wie dieses Land einst ausgesehen hat. Selten sei, wie Nooteboom zur Begründung dieses Paradoxes anführt, «Wünschen, Sehnsüchten, Ideen und Träumen so klar und übergenau Ausdruck verliehen worden wie in der nicht gebauten Architektur».

Offeriert wird von Nooteboom eine Art apokrypher Historie: So blieb beispielsweise das Neue Museum in Amsterdam von L. H. Eberson deshalb ungebaut, weil es nicht einem «niederländischen» Stil, sondern der Formensprache von Louis XVI verpflichtet war. Nootebooms Beispiele reichen von W. C. Bauers Wettbewerbsentwürfen, in denen byzantinische und islamische Architekturelemente aufscheinen, über das Allgemeine Bibliotheksgebäude von K. P. C. de Bazel (1895) bis hin zu Berlages Projekt eines Beethovenhauses in Bloemendaal (1908). Dass auch unrealisierte Bauten den Beschauer manipulieren können, offenbaren zu Beginn der zwanziger Jahre die expressiven Wolkenkratzergebilde eines J. C. van Epen sowie die an die Revolutionsarchitektur eines Ledoux und Boullée angenäherte Vision einer Lichtstadt von H. P. J. London.

Spätestens hier erreicht der Spannungsbogen den Nährboden der klassischen Moderne: J. J. P. van Oud konzipierte 1919 in Purmerend eine Fabrik mit Büros und Magazinen, die das, was Mondrian im Zweidimensionalen realisiert hat, in den Raum zu übersetzen trachtete. Rietvelds «Kernwohnungen» (1940) gehorchten der Not und Van den Broeks und Bakemas Pampusplan für Amsterdam (1964/65) dem Geist der Zeit. Die Parlamentserweiterung von OMA (Rem Koolhaas mit Zaha Hadid, 1977) und das Einkaufszentrum Z-Mall in Leidschenveen (1997) von MVRDV mit der einer Ziehharmonika ähnelnden Baustruktur runden die subjektive Palette an Papier gebliebener Architektur ab. Eine beredte und bildmächtige Geschichte im Konjunktiv - wenn all dies nicht ungebaut geblieben wäre, dann, so Nooteboom, würde es auf uns einwirken wie alles andere um uns herum. Umso verführerischer, all dies durch die Brille des Literaten zu erblicken. Denn «im nicht Gebauten sehen wir uns, wie wir nicht geworden sind».


[ Cees Nooteboom: Nie gebaute Niederlande. Deutsche Verlags-Anstalt, München 1999. 120 S., Fr. 46.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 2000.06.14



verknüpfte Beiträge
europa1 Niederlande

01. Oktober 1999Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Punktuelle Ästhetik im allgemeinen Chaos

Zwei Welten scheinen in Japan nebeneinander zu bestehen: eine technologiebesessene auf der einen und eine traditionsbewusste auf der anderen Seite. Gerade für die Architektur ist von Bedeutung, dass selbst die radikalsten Künstler nicht ohne Wurzeln im kulturellen Humus auskommen. Das gilt auch für Riken Yamamoto, einen der Stars der Szene.

Zwei Welten scheinen in Japan nebeneinander zu bestehen: eine technologiebesessene auf der einen und eine traditionsbewusste auf der anderen Seite. Gerade für die Architektur ist von Bedeutung, dass selbst die radikalsten Künstler nicht ohne Wurzeln im kulturellen Humus auskommen. Das gilt auch für Riken Yamamoto, einen der Stars der Szene.

Im Tohuwabohu von Tokio scheinen zwölf Millionen Menschen um jeden Quadratzentimeter zu kämpfen. Nirgends sonst ist die Wirklichkeit so weit entfernt von den Visionen ambitionierter Städtebauer wie in dieser wüsten Collage aus Hütten und Wolkenkratzern, Hochstrassen und Freileitungen, in diesem Durcheinander von Farben und Formen, Lichtern und Reklamen, erschüttert von Verkehrsstössen und durchdrungen von dauerndem Lärm. Trotz - oder gerade wegen - einem solchen Befund stellt das Bauen in Nippon einen Kosmos dar, der den Besucher interessiert und provoziert, womöglich überwältigt.


Umkehrung des Städtebaus

Nikolaus Pevsner hat einmal gesagt, die japanische Architektur hätte ihre entscheidenden Anstösse Ende der fünfziger Jahre durch Le Corbusier erhalten. Diese Zeiten sind längst vorbei. Westliche Idole haben heute zumeist keinen grossen Stellenwert mehr. Umgekehrt feiert die internationale Fachwelt die Vertreter der japanischen Avantgarde als vehemente Reformer. Ihr Bahnbrecher, der zum vielbeschäftigten Star des internationalen Jetsets avancierte Arata Isozaki, wird als «Guerilla-Architekt» geführt. Er selbst bezeichnet seine Bauten gern als «perfekte Verbrechen» - wenngleich die US-Amerikaner sein Museum of Contemporary Art in Los Angeles als das genaue Gegenteil loben, als ein ideales, geradezu superbes Gehäuse für die Kunst.

In der - für unsere Augen - amorphen und inkonsistenten Struktur der japanischen Metropole haben die Architekten seit Ende der siebziger Jahre zunehmend erkannt, dass eine vermittelnde Beziehung zwischen Gebäude und Stadt schlichtweg nicht mehr existiert. Die Stadt habe kein plausibles Gefüge mehr, sei statt dessen Flickwerk geworden oder, um einen Ausdruck von Hajime Yatsuka zu gebrauchen, «organloser Körper». Eine introvertierte, defensive Baukultur ist die naheliegende Konsequenz. So zeugen die meisten Entwürfe von einer merkwürdigen Umkehrung des Städtebaus: Innerhalb selbständiger Gebäude werden paradoxe Stadtmodelle geschaffen. Der eine baut «bedeutungslose Maschinen, die dann neue Bedeutung in der Architektur annehmen» (Kazuo Shinohara), den zweiten verleitet «ideologische Unsicherheit» zu einer Formensprache, die kein Zentrum anerkennt (Kisho Kurokawa), der dritte beschwört den verfänglichen Symbolismus von Fragmenten, um «wie ein Gegenschock oder Sabotageakt in der Stadt zu wirken» (Shin Takamatsu), andere schliesslich bevorzugen die grossartige und theatralische Geste, teils von «bühnenhafter Leichtigkeit» (Fumihiko Maki, einst Gründungsmitglied der Metabolisten), teils als «Architektur ohne Ironie» (Isozaki). Und all das sind lediglich Facetten dessen, was zeitgenössische japanische Architekten erschaffen.

Obgleich noch nicht in der allerersten Reihe stehend, stellt Riken Yamamoto (über den im Birkhäuser-Verlag soeben eine Monographie erschienen ist) eine aussergewöhnliche Erscheinung dar. Mit seinem Werk, vor allem Wohn-, Schul- und Universitätsbauten, hat er sich eine eigenständige, fast zeitlose Position erarbeitet in der Heterogenität der japanischen Architektur. Das Bauen ist ihm künstlerisches Mittel, den gesellschaftlichen Veränderungen - wie der Auflösung der Basiseinheit Familie oder neuen Bildungsprogrammen - Rechnung zu tragen. Yamamoto glaubt erklärtermassen, dass die Schöpfung von Architektur gleichbedeutend sei mit dem Aufstellen von Hypothesen. Aber zugleich mahnt er Skepsis an, «wenn eine Hypothese sich anschickt, wie das Ziel auszusehen». Was auf den ersten Blick wirkt wie eine unscheinbare, betongraue Architektur, die scheinbar wahllos einer Gegend implantiert wird, die jedem Gedanken von der konsistenten Stadt spottet, erweist sich bei näherem Hinsehen als eine so unprätentiöse wie sinnfällige Intervention. So reagieren seine Wohnhäuser Gazebo und Rotunda jeweils auf einen Strassenraum, welcher eine «vier Meter breite Intimität» abgeben musste an die verkehrliche Effizienz einer 25 Meter breiten Schnellstrasse, indem im 3. und 4. Obergeschoss eine Lebensform angeboten wird, die sowohl Rückzug in die Privatheit erlaubt als auch eine visuelle Nachbarschaftsbeziehung befördert.

Die Hotakubo-Siedlung versteht Yamamoto als Vorschlag für eine erweiterte Form des Zusammenlebens. Hier blitzt ein kollektivistisches Ideal auf, das die traditionelle Vorstellung von der Familie als (einzigem) Kern der Gesellschaft zu überwinden sucht. Ähnliches thematisiert auch die Universität des Bezirkes Saitama mit der introvertierten, hofhausartigen Patchwork-Struktur. Yamamotos Bauten sind, insgesamt, von einer seltsamen Ambiguität geprägt: Auf der einen Seite passen sie sich der Stadt an, auf der anderen stellen sie sich ihr entgegen. Dementsprechend verwischen sich auch die Grenzlinien zwischen rein kreativen und kritischen Prozessen. Wollten Baumeister wie Yamamoto zuvor die Regeln des architektonischen Schachspiels neu formulieren, so versuchen sie nun, sie zu brechen und das ganze Spiel in Frage zu stellen. Sie streben zumeist nicht nach einer Kontextbestimmung. Immer aber ist, zumindest implizit, die urbane Landschaft ein Thema. Jedoch nicht in dem Sinne wie bei den Nachfolgern der Metabolisten, die ihre Aufgabe in der Flucht vor dem städtebaulichen Chaos suchten, sondern im Aufspüren von Zwischenräumen, sprich: Nischen. Die Wiederentdeckung und Neuinterpretation der engen Beziehungen zwischen Umwelt und Architektur ist eine dieser Lücken, durch die die Architekten den heutigen urbanen und kulturellen Zwängen zu entkommen trachten.


Nischen und punktuelle Interventionen

Während die konventionelle Stadtplanung von einem wie auch immer gearteten Gesamtkonzept ausgeht, das die Rahmenbedingungen für die jeweilige Architektur definiert, basiert Yamamotos Projekt «Inter-Junction-City» auf einer gegenteiligen Annahme: Die individuellen Gebäude werden erstellt, bevor die Stadt entsteht. Insofern muss jedes Gebäude in sich die Essenz der Stadt beinhalten. Dies wiederum ist eine einzige einfache Regel: die Integration einer Fussgängerverbindung. Was hier bausteinartig entsteht, ist ein intellektuelles Vexierspiel, das auf lebensweltlichem Pragmatismus basiert: eine Art «Stadt», die durch einen labyrinthischen, Stück um Stück erweiterten Durchgang strukturiert wird, wobei niemand weiss, wie die ultimative Gestalt dieser Stadt später einmal aussehen wird.

Bei aller Eigenständigkeit reiht sich Yamamoto doch ein in das, was man als gemeinsame Grundlinie der Avantgarde bezeichnen könnte: Ihre Protagonisten protestieren, mit und anhand ihrer Bauten, gegen alles, was laut und hektisch ist im neuen Japan, was zu schäbig ist, zu oberflächlich und konsumorientiert, also gemein und menschenunwürdig aus ihrer Sicht. Gegen das Chaos, die Anarchie des Bodenmarktes, das zerstörerische Durcheinander in Japans Grossstädten setzen sie Zeichen der Besinnung, schaffen Räume von klösterlicher Abgeschiedenheit. Gegen die Aggressionen einer rücksichtslosen Umwelt kapseln sie sich mit den Häusern von ausgeprägt selbstbezogenem Charakter ab. Dabei beherrscht kein Dogma das Werk der jungen Avantgarde, nicht die rigide internationale Moderne, aber auch kein entleerter Traditionalismus. Vielmehr gilt ein unausgesprochener Pluralismus, und jeder folgt seiner eigenen Philosophie. Kein Stil, kein Kodex, nicht einmal ein Konsens - es sei denn derjenige, dass die Welt ziellos und die Stadt amorph und unerträglich geworden sei, worauf es qua Architektur zu reagieren gälte. Der Aufruf lautet implizit: Man möge nicht nach ewigen Antworten, nach einem (oder dem) Stil suchen, sondern die - von Fall zu Fall - richtige Lösung für eine spezifische Aufgabe. Auch die jüngsten Projekte Yamamotos, wie die Universität der Zukunft in Hakodate oder die Hiroshima-Nishi-Feuerwache, legen davon Zeugnis ab. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass von ihm noch einiges zu erwarten ist.


[ Literatur zum Thema: Wilhelm Klauser: Riken Yamamoto. Birkhäuser-Verlag, Basel 1999. 128 S., Fr. 68.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.10.01

14. August 1999Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Architektur als «einfache Idee»

Die Reputation von Louis I. Kahn begründet sich darin, dass er eine Art architekturpraktischer Vorreiter war, indem er einen entleerten Funktionalismus...

Die Reputation von Louis I. Kahn begründet sich darin, dass er eine Art architekturpraktischer Vorreiter war, indem er einen entleerten Funktionalismus...

Die Reputation von Louis I. Kahn begründet sich darin, dass er eine Art architekturpraktischer Vorreiter war, indem er einen entleerten Funktionalismus überwand und «Form» wieder ins Bewusstsein rückte - nicht als Formalismus, sondern als Resultat des Wesens einer Bauaufgabe. Dem Amerikaner ist nun eine so knappe wie konzise Werkschau gewidmet. Klaus-Peter Gast konzipierte sie als eine Chronologie in drei Zeitabschnitten: dem Frühwerk (von der Ahavath Israel Synagoge, 1935, bis zur Adath Jeshurun Synagoge, 1954); dem Hauptwerk (vom Trenton Bathhouse, 1955, bis zum Kloster St. Andrew, 1966); und dem Spätwerk (von der Phillips Exeter Bibliothek, 1966, bis zum Yale Center for British Arts). Trotz - oder gerade wegen - einer zurückgenommenen Kommentierung und eher sparsamen Illustrierung gelingt es, einen Spannungsbogen an Bauten und Projekten aufzubauen und zugleich suggestiv in das Schaffen eines faszinierenden Architekten einzuführen. Der Begriff des «Monumentalen» ist bei Kahn positiv besetzt, im Sinne von Würde und Erhabenheit. Bauwerke wie der Parlamentskomplex in Dhaka (1962-83) oder das Kimbell Art Museum (Fort Worth, Texas, 1966-72) legen davon Zeugnis ab. Auf der Bühne seiner Figuration spielt das Ideal des Geschlossenen, das Besinnen auf das Wesentliche (einer Urform) eine Hauptrolle. Ein Beispiel hierfür stellt das Salk Institute (San Diego, 1959-67) dar. Wie Kahn in seinem Metier, so gelingt auch dem Autor hier die Interpretation eines kleinen Universums.

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1999.08.14

14. August 1999Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Leerstelle Stadt?

Was hat man nicht alles versucht und sich ausgedacht, um die Entwicklung der Stadt massgerecht steuern zu können. Der Erfolg war mässig. Aber die Probleme...

Was hat man nicht alles versucht und sich ausgedacht, um die Entwicklung der Stadt massgerecht steuern zu können. Der Erfolg war mässig. Aber die Probleme...

Was hat man nicht alles versucht und sich ausgedacht, um die Entwicklung der Stadt massgerecht steuern zu können. Der Erfolg war mässig. Aber die Probleme haben, zumindest bei uns, noch nicht überhandgenommen. Unverdrossen scheint man daran festzuhalten, mit Architektur und Städtebau das «Sinnversprechen der Ganzheit» bildmächtig zu erneuern. Doch im Ergebnis wird mitunter das städtische Leben nur stillgestellt zum Marionettentanz der Konsumenten. Auf solche und andere Zusammenhänge hat der Publizist Christian Marquart sein Augenmerk gelegt und in einem schmalen Büchlein so inspirierend wie bissig zusammengefasst. Die Leitfiguren, die in den letzten Jahrzehnten die Stadtentwicklung (nicht nur) hierzulande geprägt haben, nimmt er sich in einem kurzweiligen Rundumschlag vor: Von der Partizipation zum Urban Entertainment, von den Zwängen der «Platte» zu den Wonnen der Ökologie, von den neuen Medien zur neuen Bahn mit ihrer Shopping-Kultur. Und die Botschaft? Dass Urbanität weder kunstvolle Geometrien noch «gewachsene» Stadtstrukturen benötige, das unprätentiöse Raster hingegen eine ausreichende Basis dafür biete, wird man mit dem Verweis auf New York gerne glauben. Dass Vorschläge und hybride Theorien von Architekten wie den Brüdern Krier, Archigram, Rem Koolhaas, Robert Venturi oder Aldo Rossi sich zumeist grösserer Popularität - und manchmal auch Durchschlagskraft - erfreuen als die skrupulös und komplex argumentierende urbanistische Fachdisziplin: das hat, man wenn nicht gewusst, so doch geahnt. Deren Reiz liegt «eben auch in der Methode der schrecklich schönen Vereinfachung, in der Konzentration auf Bilder und Graphiken, die schnell Symbolkraft erhalten können». Und Hand aufs Herz: Wer vermag es schon, sich dem zu entziehen?

[ Christian Marquart: Stadt-Konzepte. Planungstheorien zwischen Utopie und Sachzwang. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1999. 80 S., Fr. 27.50. ]

Neue Zürcher Zeitung, Sa., 1999.08.14

26. Juli 1999Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Die Architektur als Weltgebäude

Kaum je dürfte ein Jahrhundert mit einer derartigen Aufbruchstimmung begonnen haben wie das zwanzigste. Die Revolution in Kunst und Alltagskultur, die...

Kaum je dürfte ein Jahrhundert mit einer derartigen Aufbruchstimmung begonnen haben wie das zwanzigste. Die Revolution in Kunst und Alltagskultur, die...

Kaum je dürfte ein Jahrhundert mit einer derartigen Aufbruchstimmung begonnen haben wie das zwanzigste. Die Revolution in Kunst und Alltagskultur, die Atmosphäre und Bildmacht der boomenden Grossstädte beschäftigten die Geister. Und man versuchte, die theoretischen Fundamente für die sich abzeichnenden Phänomene in Architektur und Städtebau neu zu legen - gerade «weil die moderne Grossstadt schnell und künstlich, also bewusst gebaut werden muss. Es ist nicht möglich, zu hoffen und zu erwarten, die Grossstadt werde sich aus innerer Notwendigkeit selbst rein und klar aufbauen, sie werde wachsen wie ein natürlicher Organismus; der Städtebauer hat in diesem Fall vielmehr tendenzvoll zu wollen und weit vorausschauend zu disponieren. Und er hat in wesentlichen Punkten das Gegenteil zu dem zu wollen, was in früheren Jahrhunderten erstrebt wurde.»


Die Grossstadt im Visier

Einer der wichtigsten Protagonisten auf diesem Feld war Karl Scheffler. Von ihm stammt das Verdikt, Berlin «sei dazu verdammt, immerfort zu werden und niemals zu sein». Obgleich ihn dieser Satz zum vielbeschworenen Zeugen der heutigen Umbauprozesse der deutschen Hauptstadt gemacht hat, wäre es leichtfertig, sein Werk darauf zu verkürzen. Von 1907 bis zur ihrer Einstellung im Jahre 1933 war Scheffler alleinverantwortlicher Redaktor der bei Bruno Cassirer verlegten Zeitschrift «Kunst und Künstler», einer der damals führenden Kunstpublikationen Europas. Seine «Architektur der Grossstadt», 1913 erstmals veröffentlicht und nun als Reprint neu aufgelegt, fasst viele seiner Gedanken zusammen. Der Dreh- und Angelpunkt der Schefflerschen Kritik ist vom Baulichen ins Gesellschaftliche verlagert. Darin besteht ihr eigentlicher Wert. Architektur ist ihm eine öffentliche Kunst; und im Zeitalter der Moderne ist sie nur vor dem Hintergrund des städtischen Lebens erklärbar.

Scheffler definiert den Begriff Stil als «etwas Ungeheures», als eine «nach aussen projizierte innere Einheitlichkeit des Lebensgefühls umfangreicher Menschengruppen». Wenngleich er sich nicht ganz hat lösen können vom Kulturempfinden seiner Zeit, sondern eher von (gross)bürgerlichen Idealvorstellungen geprägt war, so ist ihm doch eine konservative Klarsicht zu eigen. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg umriss er die weitere Entwicklung: «An Kunstgewalt wird sich dieser grosszügige, aber ziemlich indifferente moderne Weltbaustil mit der tief klingenden Macht der alten Baustile nicht messen können; aber er wird dafür von Kapstadt bis London, von Chicago bis Berlin, von Sydney bis Paris, von Rio de Janeiro bis St. Petersburg reichen, ein Stil der Weltwirtschaft.» Daraus spricht ein Optimismus, der an seiner Vision nicht froh wird. Denn hier wird die globale Uniformierung der Städte durch die Internationalisierung der Ökonomie prophezeit.

Es ist die Vision der künftigen Grossstadt, die Scheffler vorschwebt. Er ist angetreten, um die Ziellinie einer «bewussten Grossstadtidee» zu markieren und die Zwischenergebnisse daran zu messen. «Der Stilwille der Zeit wird nur in dem Masse erkennbar, wie sich die einzelnen Bauwerke auf jenes Grossstadtideal beziehen.» Dabei scheint ein fundamentaler Zwiespalt auf. Einerseits begrüsst Scheffler die Aufbruchbereitschaft und das sich abzeichnende Neue (wie «die Blockfront als Raumelement»), andererseits sieht er die Gefahr eines «Kolonialstils» heraufziehen, der mitnichten eine «innere Einheitlichkeit», sondern lediglich die mehr oder minder kunstvolle äussere Anwendung einer Schablone spiegelt. Wo zuvor eine Korrespondenz zwischen gesellschaftlichem Charakter und baulichem Ausdruck, zwischen bürgerlichem Lebensgefühl und architektonischer Gestalt existierte, erwartete er die strikte Rationalität kühl reproduzierter Formen.

Was jene Architekten anbelangt, denen Scheffler ein Denkmal setzt, so haben sie zwar grosse Bauwerke geschaffen. Dennoch waren Alfred Messel, Ludwig Hoffmann, Peter Behrens, Heinrich Tessenow, Herman Muthesius, Herman Obrist und August Endell ihrer Zeit verhaftet. Gerade darin scheint die Wertschätzung Schefflers zu gründen - als gleichsam personifizierter Beleg für seine Forderung nach einem geordneten Übergang: «Denn es lehrt die Erfahrung jedes Tages, dass die erweiterte Form nur entstehen kann, wenn sie die alte in sich aufnimmt, wenn im grösseren Organismus die Zwischenzustände gewissermassen symbolisch erhalten bleiben.»


Megalomanie am Mittelmeer

Geordneten Übergängen, oder genauer: einer systematischen Ordnung, fühlt sich auch Herman Sörgel verpflichtet. Mit seiner 1921 veröffentlichten «Architektur-Ästhetik», die ebenfalls jüngst als Reprint neu herausgegeben wurde, bereitet er die allgemeinen Gestaltungsprinzipien und Wesensmerkmale der Architektur auf und untersetzt sie mit erkenntnistheoretischen Begründungen. «Die Unterscheidung zwischen ‹künstlerischer Wahrheit› und ‹Stil› zeigt, dass jede Architektur wohl wahr gegenüber ihrem Zeitgeist sein kann, jedoch nicht jede Zeit geeignet und stark genug ist, einen eigenen Stil auszubilden.» Indem es das «Seelische im Wahrnehmungsgehalt der Architektur» herauspräparieren will, darf Sörgels Buch als «verstandesmässiges Gegengift» zum vorherrschenden technisch-ingenieurwissenschaftlichen und damit zu einem letztlich unkünstlerischen Architekturverständnis gelesen werden. Und da sich heutzutage die Profession in einer Art Sinnkrise befindet, kann diese Lektüre nur befruchten.

Denn die künstlerische Gestaltung beruht nach Sörgel nicht in der mechanischen Erfüllung eines Zweckes, sondern in der Entwicklung einer dem Gebäude entsprechenden «Zweckidee». Er pocht auf ein so undogmatisches wie ganzheitliches Verständnis der Architektur und grenzte sie als Gestaltungskunst bewusst ab von den Darstellungskünsten. «Die architektonische Schönheit hat ein breiteres Fundament als die übrigen bildenden Künste. Wie jeder Bau in seinem Programm und seiner Entstehung von unzähligen Faktoren sozialer Art abhängt, so muss sich auch die künstlerische Seite jedes Bauwerks im widerspruchslosen Einvernehmen mit allen kulturellen Bedingtheiten eigenartig entwickeln.»

So abstrakt diese Gedanken klingen, sowenig hatte ihr Autor die Absicht, es dabei zu belassen. Sörgel war Architekt und Theoretiker, ist aber dann zum besessenen Megalomanen geworden, indem er sich von 1927 bis zu seinem Tod vornehmlich dem von ihm initiierten «Atlantropa»- Projekt widmete: Mittels eines gigantischen Staudamms vor Gibraltar wollte er Teile des Mittelmeers trockenlegen, dadurch 600 000 Quadratkilometer Land- und sagenhafte Energiegewinne erzielen und - in Gestalt einer Brücke zwischen Sizilien und Tunesien - eine durchgehende Auto- und Eisenbahnverbindung zwischen Europa und Afrika erschaffen. Diese Pläne blieben Makulatur. Seine «Theorie der Baukunst» aber hat seinerzeit zu Recht viel Aufmerksamkeit erfahren, bot sie doch eine kohärente Zusammenschau der kunstphilosophischen und -psychologischen Diskussionen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und zugleich einen der letzten systematischen Versuche, das Wesen der Architektur zu erklären.

Zwischen Kitsch, Kunst und Konvention in der Architektur zu unterscheiden dürfte ein elementares Anliegen gerade unserer zunehmend globalisierten und medialisierten Umwelt sein. Eine diesbezügliche Unkenntnis lässt sich jedenfalls durch Kapital und Tatkraft (allein) nicht ersetzen; vielmehr bedarf es gezielter gesellschaftlicher Interpretation und kultureller Distinktion. Darum geht es Scheffler und Sörgel, so unvergleichlich beider Ansätze, Aussagen und Argumentationen letztlich sein mögen. Darin besteht auch ihre Aktualität. Herausgekommen waren damals zwei Bücher, die das Zeug zum Klassiker hatten, es jedoch nie wurden. Aber nachdem sie nun als Reprints vorliegen, könnte sich das ja noch ändern.


[ Herman Sörgel: Architektur-Ästhetik. Neuausgabe mit einem Nachwort von Jochen Meyer. Verlag Gebr. Mann, Berlin 1999. 364 S., Fr 131.-. - Karl Scheffler: Die Architektur der Grossstadt. Neuausgabe mit einem Nachwort von Helmut Geisert. Verlag Gebr. Mann, Berlin 1999. 294 S., Fr. 154.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mo., 1999.07.26

30. Juni 1999Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Landschaft als soziale Konstruktion

Landschaft ist nicht nur physische Realität. Sie ist auch eine Art Stimmungsbild der Innenwelt ihres Betrachters. Das, was ist, und das, was wir sehen, entspricht sich nicht unbedingt. Im Begriff der «Landschaft» verfängt sich jener Widerstand gegen die fortschreitende Industrialisierung und Urbanisierung, die als Verlust einer vermeintlichen Natur erfahren wird, obwohl es sich doch «lediglich» um einen Formwandel agrarischer, das heisst bereits kultivierter Flächen handelte.

Landschaft ist nicht nur physische Realität. Sie ist auch eine Art Stimmungsbild der Innenwelt ihres Betrachters. Das, was ist, und das, was wir sehen, entspricht sich nicht unbedingt. Im Begriff der «Landschaft» verfängt sich jener Widerstand gegen die fortschreitende Industrialisierung und Urbanisierung, die als Verlust einer vermeintlichen Natur erfahren wird, obwohl es sich doch «lediglich» um einen Formwandel agrarischer, das heisst bereits kultivierter Flächen handelte.

«Dritte Landschaft»

Am Beispiel der mitteldeutschen Industrieregion hat Gerhard Lenz unser «alter ego» Landschaft analysiert. In seinem Buch stellt er die Landschaft als Prozess absichtsvoller und absichtsloser räumlicher Inszenierungen dar, in denen vergangene und zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten menschlicher Umweltaneignung eingeschrieben sind. Der Raum zwischen Bitterfeld, Dessau und Wittenberg befindet sich im Übergang zu einer «Dritten Landschaft» - nach der vorindustriellen und der industriellen. Um den exemplarischen Charakter dieser Transformation zu unterstreichen, ernannte man das Gebiet zu einem Komplementärstandort der Expo 2000 in Hannover. Nun wird indes kein Mensch von einer Traumlandschaft sprechen, wenn er etwa bei Wolfen durch die Gegend fährt. Die verödeten Stadtzentren, brachliegenden Tagebaue und rückgebauten «Kathedralen der Arbeit» markierten, so Lenz, «einen neuen Einschnitt in die landschaftliche Physiognomie, ehe man sie zum Einkaufs- und Dienstleistungspark degradierte oder, wie in der Baggerstadt Ferropolis, als Bühne neuer Erlebniswelten kulturalisierte».

Dabei blickt die ökonomische Ausdifferenzierung der Landschaft im Schachbrettmuster, die Durchdringung des Raumes und die Nutzung seiner naturräumlichen und humanen Ressourcen auf eine lange Tradition zurück; schon im ausgehenden 19. Jahrhundert war dies ein «handelsüblicher» Vorgang. Doch als die Ödlandflächen der Tagebaue in nie gekannte Grössen auswucherten, die Luft sich trübte und die Fabriken und Schlote den Horizont der Dörfer verstellten, bediente man sich des Erklärungsmusters vom gleichsam Natürlichen einer «erdgewachsenen Industrie». Nur so liess sich offenbar die veränderte Umwelterfahrung ertragen. Und heute? «Die Wiederentdeckung der unschönen Territorien, der Industriekomplexe und Brachen als Landschaft vollzieht sich vor dem Hintergrund des Verschwindens einer Epoche, die sie hervorgebracht hat und deren widersprüchliches Entstehen immer wieder erklärende Syntheseversuche oder verbrämende Ideologisierungen zeitigte.»

Die teilweise brachialen Metamorphosen, denen insbesondere die Raumstruktur der Industrieregionen unterworfen war und ist, machen evident, dass Landschaft heute nicht mehr als planbares Fertigprodukt begriffen werden kann, sondern dass ihr Wesen gerade im Wandel begründet liegt - ein Prozess indessen, den wir seit der Industrialisierung gemeinhin als Verlust wahrnehmen. Es sei, so Lenz, eine Fiktion zu glauben, dass Kulturlandschaft ewig oder aber das soeben Vergangene ist; sie sei vielmehr bloss eine historische Momentaufnahme. So gesehen stellt Landschaft eine Folge von Ereignissen dar - und zugleich einen Spiegel menschlicher Produktivität. Sie bedarf der steten, immer wieder neuen Aneignung. Bei der «Natur aus zweiter Hand» unserer postindustriellen Szenerien ist das ein Problem. Merkzeichen, sagt Lenz, könnten als Ankerplätze zwischen Rückbau und Denkmalschutz den Weg zu einer emanzipatorischen und reflexiven Nutzung der Landschaft eröffnen. Sie könnten ein Weg sein, um aus Ruinen und Industriebrachen keine Erlebnisparks, sondern in allmählicher Transformation befindliche Landmarken zu gestalten. Sie stehen für den Versuch, historische Anknüpfungspunkte für eine neue Identität zu finden, den fraglosen Umbau und die neue Überformung kritisch zu reflektieren sowie Alternativen jenseits von blosser Musealisierung oder rigidem Abriss zu entwickeln. Allerdings muss man die industrielle Hinterlassenschaft erst einmal als «kulturelles Erbe» begreifen lernen.


Sorgenfreies Idyll

Lenz' Botschaft lautet, dass die Landschaft nur in unserem Kopf als zeitlose Konstante oder als überzeitliches «sorgenfreies» Idyll existiert. Aber wie, fragt der Autor, kann die Kontinuität ihres Wandels erfahrbar, bemerkbar und produktiv denkbar gemacht werden? Lenz beklagt die grossflächige Ausweisung von Gewerbegebieten auf der grünen Wiese und den komplexen Rückbau betrieblicher und sozialpolitischer Einrichtungen, was einer Demontage von Lebens- und Arbeitswelten gleichkam. Sein Ton ist nicht frei von Larmoyanz, wenngleich sein Anliegen so integer wie nachvollziehbar ist: «Für die Bewohner des Bitterfelder Raumes war der Prozess des Rückbaus nicht irgendeine Sanierung eines Häuserblocks oder Betriebes. Nachdem sie die Kosten von Kaiserreich, Nationalsozialismus und Sozialismus mit der Zerstörung der sie umgebenden Naturräume getragen hatten, folgte nun die Beräumung ihres Arbeitslebens, und es erwartete sie eine höchst unklare Gestaltung von Gewinner-Welten. Dabei hatten sich die mehr als hundertjährigen Artefakte der Industriekultur in den Köpfen ihrer Anwohner zu einer biographisch bedingten Landschaftsstruktur verschmolzen. Für sie versank keineswegs ein gesichtsloses Nebeneinander, sondern eine trotz allen Belastungen und Entbehrungen merkwürdig vertraute Landschaft.» So wird man heute anerkennen müssen, dass mit der industriellen Revolution das, was einst als Feind und Gegenteil der Landschaft galt, selbst zur Landschaft geworden ist.


[ Gerhard Lenz: Verlusterfahrung Landschaft. Über die Herstellung von Raum und Umwelt im mitteldeutschen Industriegebiet seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Edition Bauhaus, Bd. 4. Campus-Verlag, Frankfurt a. M. 1999. 234 S., Fr. 48.-. ]

Neue Zürcher Zeitung, Mi., 1999.06.30

05. März 1999Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Vom Zentrum an die Peripherie

Was die einen für eine neue Wildnis halten, birgt für die anderen die Zukunft des Städtischen: Mehr und mehr sind statt der traditionellen kompakten und...

Was die einen für eine neue Wildnis halten, birgt für die anderen die Zukunft des Städtischen: Mehr und mehr sind statt der traditionellen kompakten und...

Was die einen für eine neue Wildnis halten, birgt für die anderen die Zukunft des Städtischen: Mehr und mehr sind statt der traditionellen kompakten und durchmischten Stadt disperse und entmischte Siedlungsstrukturen entstanden, die sich einer sinnlich nachvollziehbaren Gliederung weitgehend entziehen. Zunehmend wird von einer «Amerikanisierung» unserer Städte gesprochen. Was da in Randlagen und Zwischenzonen heute gedeiht, ist weder städtisch noch ländlich, noch vorstädtisch; es besitzt all diese Elemente gleichzeitig und passt somit nicht in die konventionelle (tradierte) Terminologie der Stadtplaner wie der Historiker.

«Peripherie ist überall», an vielen topographischen Orten, immer häufiger aber auch in der Diskussion. Das Bauhaus in Dessau hat dazu unlängst eine Tagung mit namhaften Vertretern unterschiedlicher Disziplinen veranstaltet, dessen Ergebnisse nun in einem eigenwilligen Buch verewigt wurden. Herausgeber Walter Prigge will damit ein Denken befördern, das «die Gegensätze von Wachstum und Schrumpfung, Ökologie und Ästhetik an ihrer räumlichen Achse Stadtrand dezentriert und zu einer neuen Stadtentwicklungspolitik aufbricht». Herausgekommen ist zumindest ein buntes Kaleidoskop anregender Essays. Die Autoren werben dafür, den Städteraum als unterschiedenes Ganzes zu begreifen, in dem es nicht überall alles geben muss.

Das setzt jedoch einen Mentalitätswandel voraus. Es heisst, sich der Einsicht vom Wert des «Da-Zwischen» zu beugen - und die Peripherie als das anzuerkennen, was sie de facto ist. Man wird also lernen müssen, mit den Gegebenheiten unserer postindustriellen Stadtrand-Verhältnisse umzugehen - diesen Überlagerungen von Raumschichten unterschiedlichster Prägung mit ihren so charakteristischen Einsprengseln nahezu jedweder Nutzungsart und baulichen Form. Und es braucht ein unvoreingenommenes Auge, um die sozialräumliche Komplexität der scheinbar banalen Stadtrandareale und Brachflächen zu entziffern. Dass sich an der Peripherie, und nicht im Zentrum, die entscheidenden Fragen von Stadtkultur und Planung entzünden, dürfte nach der Lektüre keine Frage mehr sein.

[Peripherie ist überall. Hrsg. Walter Prigge. Campus-Verlag, Frankfurt a. M. 1998. 384 S., Fr. 73.-.]

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.03.05

05. Februar 1999Robert Kaltenbrunner
Neue Zürcher Zeitung

Stadt und Wohnung als «Maschine»

Nachfragegerechte Wohnungen und Häuser zu erschwinglichen Preisen sind offenbar Mangelware. Um so grösser allenorts die Anstrengungen, die Baukosten zu...

Nachfragegerechte Wohnungen und Häuser zu erschwinglichen Preisen sind offenbar Mangelware. Um so grösser allenorts die Anstrengungen, die Baukosten zu...

Nachfragegerechte Wohnungen und Häuser zu erschwinglichen Preisen sind offenbar Mangelware. Um so grösser allenorts die Anstrengungen, die Baukosten zu senken. Weniger gern veröffentlicht wird das Mittel zum Zweck: Rationalisierung. Und doch ist diese Grundtendenz - zumal in Deutschland - unverkennbar, auch wenn hier nicht die Grosstafelbauweise, sondern scheinindividualisierte Hauseinheiten zur Debatte stehen. Die Industrialisierung des Bauens, lange Zeit - und mit dem Fingerzeig auf realsozialistische Metastasen - als Krebsgeschwür der modernen Architektur verteufelt, beflügelt erneut die Geister.

Fordismus und Avantgarde

So drängend mancherorts die derzeitigen Probleme auch sein mögen, neu und einzigartig sind sie nicht. Der Druck der jeweiligen Verhältnisse zwang bereits mehrfach zu forcierten Schritten. Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg artikulierte sich die Wohnungsfrage mit Vehemenz. Angesichts der Notlage wurden nun die Kommunen in grossem Masse Träger des Wohnungsbaus. Zugleich machte sich die Einsicht breit, dass mit handwerkbetonten Standards und Methoden keinesfalls die anstehenden quantitativen Probleme zu lösen sein würden. Rationalisierung tat not. Walter Gropius offenbarte sich als programmatischer Vorreiter, indem er in Dessau-Törten mit dem Thema Vorfertigung laborierte: «Die menschliche Behausung ist eine Angelegenheit des Massenbedarfs. Genauso wie es heute 90 Prozent der Bevölkerung nicht mehr einfällt, sich ihre Beschuhung nach Mass fertigen zu lassen, sondern Vorratsprodukte bezieht, die infolge verfeinerter Fabrikationsmethoden die meisten individuellen Bedürfnisse befriedigen, so wird sich in Zukunft der Einzelne auch die ihm gemässe Behausung vom Lager bestellen können.»

Und die Avantgarde zettelte, nicht ohne Grund, schon zu Beginn dieses Jahrhunderts jene Rebellion gegen das Althergebrachte an, die noch heute so nachhaltig weiterwirkt. Gerade für die fortschrittlichen Architekten war Rationalisierung das Mittel zum Zweck. Sie haben das Aufziehen einer industriellen Massenkultur begrüsst - und deren Signaturen munter verarbeitet. Namentlich das Auto wurde zum Inbegriff und Katalysator eines übergreifenden Zukunftsmodells. Zu jener Zeit hatte Henry Ford mit seiner Unternehmensphilosophie einen weltweiten Prozess angeschoben, der auch und gerade auf der Ebene des (Städte-)Bauens seinen Niederschlag fand. Der Fordismus wurde, zumindest in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht, enthusiastisch aufgenommen. Als Fords Buch «Mein Leben und Werk» 1923 auf deutsch erschien, galt es vielen als eine Heilslehre. Das ging so weit, dass in der Weimarer Zeit fast prinzipiell sozialer und technischer Fortschritt, wie Kurt Tucholsky es formulierte, mit weichem «d» geschrieben wurde.

Die unterschiedlichsten Bezugsfelder des Fordismus entfalteten in vielen gesellschaftlichen Bereichen enorme Wirkung. Die Analogie der Stadt oder der Wohnung «als Maschine» ging dabei auf den Ford-Verehrer Le Corbusier zurück. Wobei in diesem Assoziationsbereich insbesondere zwei Aspekte eine ganz wesentliche Rolle spielten: die schleichende Randwanderung der Stadt, die sich auch in den Stichworten Funktionstrennung und Siedlungsbau ausdrückt, und das Durchsetzen der sozialen Massenwohnung. Die Vorstellung, Häuser wie Autos zu produzieren - der übrigens viele führende Köpfe anhingen -, war ebenso ein fordistischer Analogismus wie die Idee eines «fordistischen Sozialstaates». Eine ihrer Manifestationen - die Siedlung Dammerstock in Karlsruhe, die 1929 als Ausstellungs- und Mustersiedlung in rigider Zeilenbauweise angelegt wurde - hat Adolf Behne schon damals sarkastisch aufs Korn genommen: «Die ganze Siedlung scheint auf Schienen zu stehen. Sie kann auf ihrem Meridian rund um die ganze Erde fahren, und immer gehen die Bewohner gegen Osten zu Bett und wohnen gegen Westen. (. . .) Hier in Dammerstock wird der Mensch zum abstrakten Wohnwesen.» Trotz mannigfaltiger Kritik war die Avantgarde strikt darauf bedacht, dass ihre Häuser und Siedlungen so aussahen, als seien sie rationell erstellt. Sie sollten Emblem sein für den Fortschritt. Die symbolträchtige Sprache der «Sachlichkeit» vermittelte den Glauben an die Zukunft, den Sieg der Rationalität, Mindestwohlstand für alle und kulturelle Emanzipation durch die Technik. Zugleich aber suggerierte sie die Mach- und Beherrschbarkeit gesellschaftlicher Entwicklung.

Ideal unterschiedlichster Regime

Ganz davon gelöst hat sich auch der nationalsozialistische Wohnungsbau nicht, obgleich man sich einen anderen Anschein zu geben trachtete. Schleichend zwar, aber stringent vollzog sich der Wandel vom Siedlungsideal zu den Konzepten eines normierten Wohnungsbaus für die grosse Serie. So formulierte beispielsweise der Finanzexperte Mössner 1943 in einer Denkschrift: «Eine Rekordproduktion zu sinkenden Kosten bei niedrigen Reinerträgen ist praktisch nur auf dem Wege rücksichtsloser Rationalisierung und Einspannung aller Eigenenergien der in der Wohnungswirtschaft lebendigen Kräfte erreichbar.» Und im gleichen Masse, wie Modernisierungsbestrebungen die Oberhand bekamen, erfolgte eine Demontage der Kleinsiedlung und der völkischen Angeridylle. Nach und nach setzten sich Positionen durch, die auf die Förderung des Massenwohnungsbaus und rationalisierter Formen der Bauproduktion drängten.

Deren Apotheose auf deutschem Boden aber blieb der DDR vorbehalten. Die «Platte» ist gleichsam zum Inbegriff für eine Rationalisierungsmanie geworden. Obgleich auch in der jungen BRD und den anderen mitteleuropäischen Ländern ein enormes Wohnungsbauprogramm nur auf der Basis von Zentralisierung und einer gewissen Rationalisierung erfolgreich war, so ist die «Platte» doch weit mehr, nämlich gleichermassen materielles wie ideelles Symptom. Und sie steht für die Erhebung des industriellen Bauens zur Staatsdoktrin. Dabei ist eine inhaltliche - oder gar kontroverse - Debatte um eine sozialistische Wohnform (wie sie beispielsweise in den «Kollektivhäusern» der jungen Sowjetunion einen paradigmatischen, wenngleich kaum verwirklichten Niederschlag fand) in der DDR nicht nachweisbar. Im Gegenteil fussten die verwendeten Grundrisstypen quasi ausschliesslich auf dem Konzept der Kleinfamilie in der Kleinstwohnung. Und das hiess in der Konsequenz: Hierarchisierung und funktionale Einengung von Räumen, Festschreibung von «betriebstechnischen Abläufen» (Gropius) usw. Sozialwissenschaftlich verbrämt im Gedanken vom «sozialistischen Wohngebiet», wurde eine rein wirtschaftlich (oder wie häufig postuliert wurde: von der Auslagerlänge eines Krans) bestimmte Bauweise legitimiert. Die Stadtentwicklung vollzog sich weitgehend ausserhalb der Innenstädte: es boomten die Plattensiedlungen, und die Grosstafelbauweise feierte, was das Bauvolumen anbelangt, wahre Triumphe. So planbar wie das Bauen sollte auch das Leben selbst sein.

Letztlich aber scherte das weder Bewohner noch politisch Verantwortliche. Jener hatte - WBS 70 hin, Wohnkomplex her - endlich eine adäquate «Vollversorgung» (inkl. Heizung und Bad) und ohnehin keine Alternative. Und für diese war die «Platte» entweder die Inkarnation der wissenschaftlich-technischen Revolution (in der Ära Ulbricht) oder das ideale Transportmittel für die Verwirklichung der «Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik» (zu Zeiten Honeckers). Obgleich man im Ergebnis konstatieren muss, dass das Wohnungsproblem (als rein quantitatives) in der DDR dank der Platte weitgehend entschärft werden konnte, trug die Rigidität dieser Bauform und «Städteproduktion» anderseits das Seine bei zum Scheitern des Systems. Dass durch die (scheinbar endlose) Addition gleicher Bauelemente - egal ob «Platte» oder Haus - der Schwellenwert einer überschaubaren und begreifbaren Ordnung häufig überschritten wurde, ist hierbei nur ein Aspekt. Die Unbedingtheit und einseitige Überbetonung des industriellen Bauens hatte seine «Rationalität» letztlich selbst dreidimensional in Frage gestellt.

Was bleibt?

Um nicht missverstanden zu werden: Dies ist kein Plädoyer gegen Rationalisierung. Mit diesem Rekurs sollte lediglich der Grenzbereich bewusst gemacht werden, welchen zu überschreiten einer Preisgabe von Gestaltungsansprüchen gleichkommt. Obschon Rationalisierung heute eine unabdingbare Voraussetzung für künftiges Bauen darstellt, kann es kein Ziel an sich sein, sondern nur Mittel zum Zweck. Dass «das Haus für alle» wie kaum ein anderes Planungsthema das Bewusstsein der Öffentlichkeit bestimmt, ist hierfür ein Indikator. Da mit handwerksbetonten Produktionsformen weder die quantitativen noch die preislichen Ziele zu erreichen sind, wird es darauf ankommen, einen vorurteilslosen Zugang zu den Kategorien von Effizienz zu finden und sie als Grundlage (städte)baulicher Entwicklungen anzunehmen - und zwar ohne dass tayloristische Methoden und Reduzierung von Vielfalt auf wenige standardisierte Typen dem Wohnungsbau den Stempel des Banalen und Monotonen aufdrücken. Und darauf zu achten, dass dessen Potentiale auf kreative Weise genutzt werden, geht uns alle an. Insofern sollte man sich von diesen Herausforderungen und den zum Teil ernüchternden historischen Erfahrungen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Wie heisst es doch so schön? «Not macht erfinderisch.»

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 1999.02.05

Profil

7 | 6 | 5 | 4 | 3 | 2 | 1