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07. Juli 2015Patric Fischli-Boson
TEC21

Vermeiden, vermindern, verwerten

Die Reduktion der Abfallströme beginnt beim Entwerfen und Konstruieren. Vielfältige und pragmatische Ansätze, wie Wegwerf-Architektur verhindert werden kann, zeigen die folgenden Beispiele.

Die Reduktion der Abfallströme beginnt beim Entwerfen und Konstruieren. Vielfältige und pragmatische Ansätze, wie Wegwerf-Architektur verhindert werden kann, zeigen die folgenden Beispiele.

PET-Flaschen, Getränkekartons, Altpapier, Pneus oder Stroh: Die moderne Konsumgesellschaft produziert hochwertiges Wegwerfmaterial, das vielfältig zum Bauen verwendet werden kann. Einige Zivilisationsabfälle könnten dauerhafte Funktionen als selbsttragende Elemente oder schützende Hüllen für kleine und grosse Bauten teilweise mit oder ohne zusätzliche Aufbereitung erfüllen. Dieser Input für eine nachhaltige Materialwirtschaft stammt aus der Forschungsarbeit am Future Cities Laboratory der ETH Zürich; eine Publikation[1] und eine Ausstellung regen kreativ an, wie Abfall als erneuerbarer Rohstoff für Baumaterialien in Architektur, Innenraumgestaltung und Produktdesign vermehrt Anwendung finden kann. Bauen im Stoffkreislauf ist aber nicht nur ein experimentelles Konzept, sondern auch im architektonischen Alltag angekommen. Implizit oder explizit finden Ressourceneffizienz, Gebäuderückbau und der Einsatz von Recyclingbaustoffen Eingang in die Palette der gängigen Entwurfskriterien. Das Vermeiden, Vermindern und Verwerten der künftigen Bauabfälle beginnt, sobald die Konstruktions- und Materialkonzepte neuer oder umgebauter Gebäude festzulegen sind.

Offener Holzbau: Gymnasiumstrakt Strandboden, Biel

Ökologisch mustergültiges Bauen ist: mit dem Baustoff Holz konstruieren, gehäckseltes Abfallmaterial aus dem Wald zum Heizen verbrennen und zugleich den Betrieb mit sparsamsten Energiemitteln organisieren. Die Sanierung und Erweiterung des Gymnasiums Strandboden Biel ist in Architekturkreisen zwar umstritten, die genannten Eigenschaften machen den neuen Naturwissenschaftstrakt jedoch zu einem nachhaltigen Leistungsträger. Der dreigeschossige Baukörper ist im vergangenen Semester eröffnet worden und trägt das offizielle Minergie-Gebäudezertifikat «BE-061-P-Eco». Der Kanton Bern hat zusätzlich einen vorbildlichen Umgang mit den Kriterien «Baustoffe» und «Systemtrennung» verlangt. Dazu gehören eine effiziente Massenbilanz, gesundheitsschonende Materialien sowie geordnete Gebäudestrukturen, sodass der Lebenszyklus mit möglichst geringem baulichem Aufwand zu bewältigen respektive verlängerbar ist. Die nachhaltigen Qualitäten im Siegerentwurf von Brügger Architekten hat die Wettbewerbsjury denn auch herausgestrichen (vgl. TEC21 27-28/2011): «Kompaktheit» und «Nutzungsflexibilität» gehören zu den herausragenden Eigenschaften des Lehrtrakts am Gymnasium Biel. Mit ähnlich hohen Vorgaben für den Umbau der benachbarten dreiteiligen Schulanlage wäre das Gesamtprojekt allerdings schonender als nun geplant saniert worden.

Der neue Erweiterungsbau steht auf dem ehemaligen Sportplatz und umfasst drei Obergeschosse sowie eine unterirdische Etage; seine Fläche misst 46?×?26 m. Das Konstruktionsprinzip entspricht einer hybriden, skelettartigen Holzbauweise: UG und Gebäudekern sind massive Betonkonstruktionen; Decken und oberirdische Aussenwände vorgefertigte Holzelemente. Die Hülle besteht aus einer vorergrauten Holzfassade mit Rippen im 2-m-Raster. Der neue Gymnasiumstrakt beherbergt Laborräume mit hohem Technisierungsgrad für den Physik-, Biologie- und Chemieunterricht.

Eine wichtige Anforderung für spätere Anpassungen und zum selektiven Rückbau ist das Auseinanderhalten der Gebäude- und Ausbaustrukturen. Hülle, tragende Elemente, Trennwände, haustechnische Installationen und festes Mobiliar sind auf eine unterschiedliche Lebensdauer ausgelegt und werden konstruktiv möglichst getrennt. Problematisch ist es, wenn sich Gebäudetechnik und Gebäudestruktur überschneiden. Im Erweiterungstrakt hält sich das technische Erschliessungskonzept weitgehend zurück: Die Raumdecken in den Obergeschossen sind frei von horizontalen Verteilungsleitungen. Einzig in der zentralen Korridorzone sind Sanitär- und Elektroinstallationen über die abgehängte Decke gelegt. Die vertikale Steigleitung führt im massiven Betonkern nach oben. In den Chemie- und Physiklabors ist die Systemtrennung nicht überall machbar: Mehrere Lüftungs- und Abzugskanäle durchstossen dezentral die Raumdeckenelemente. Klappen gewähren die Zugänglichkeit. Ergänzende Brandschutzmassnahmen sorgen für zusätzlichen Materialaufwand.

Das Tragwerk ist einfach strukturiert und weist einen Grundraster von 2×2 m auf. Darauf ausgerichtet ist ein innerer und äusserer Ring mit in den Wänden versteckten Pendelstützen. Die 8 m tiefen Unterrichtsräume selbst sind stützenfrei, was grundsätzlich ein internes Versetzen der Trennwände erlaubt. Für Schulbauten mit veränderlichen Raumbedürfnissen ist dies kein überflüssiges Flexibilitätskriterium. Die vollständige Neugliederung ist einzig dort begrenzt, wo der Stützenraster die beiden tragenden Ringschichten miteinander verbindet. Nutzungsänderungen und Erweiterungen sind vorsorglich dimensioniert: Die Nutzlast beträgt 5 kN/m2, was zur Aufstockung auf insgesamt sechs Geschosse genutzt werden kann.

Damit Systemtrennung und Flexibilität bereits frühzeitig mitbedacht werden, verlangte die Bauherrschaft einen separaten Planungsbericht. Dem Holzbau kommt diese Koordination insofern zugute, als die Detailschnittstellen bereits vor Vorfertigung der Bauelemente zu definieren sind.

Leichter Stahlbau: Wohn- und Gewerbehaus Lindenplatz, Baden

Dass ein nachhaltiges Baukonzept mehr verlangt, als den Einsatz der Materialien zu optimieren, veranschaulicht das achtstöckige Wohn- und Gewerbehaus am Lindenplatz in Baden. Das Gebäude hat eine kubische Form und steht über einer bereits vorhandenen zweigeschossigen Parkgarage und über einem Verkehrstunnel. Deswegen wurde eine Stahlbaukonstruktion gewählt, die etwa 60?% leichter ist als ein konventioneller Massivbau. Die einzelnen Stahlelemente sind industriell vorgefertigt.

Das innenliegende Fachwerk, das den Tunnelkorridor überspannt und die Lasten punktuell in den Baugrund abgibt, zeigt die Leistungsfähigkeit von Stahl. Im Gegenzug konnte auf zusätzliche Verstärkungen verzichtet werden, und die Fundationsmassnahmen liessen sich ebenfalls reduzieren. Von der schlanken und leichten Stahlstruktur profitiert zudem die Ökobilanz: Der Baustoff Stahl ermöglicht eine Gebäudestruktur mit grossen Spannweiten und schlanken Trägerprofilen, was im Vergleich zu alternativen Materialien einen geringeren Ressourcenverbrauch bedeuten kann.

Um die Umweltauswirkungen in einer Evaluation von Materialkonzepten und Bauteilen beurteilen zu können, werden häufig unterschiedliche Materialien und Konstruktionsweisen miteinander verglichen. Aber nur ein Vergleich bei gleicher Funktionalität liefert eine verlässliche und relevante Aussage: Am Beispiel von Hochbaustützen und Biegeträgern zeigt sich, dass die Variante aus Stahl gleich gut und bei grösseren Spannweiten und Lasten sogar besser abschneidet als eine alternative Brettschichtholzkonstruktion. Grund dafür sind die statischen Eigenschaften sowie der hohe Recyclinganteil von Stahl. Die im Juli 2014 aktualisierten Ökobilanzwerte der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) attestieren eine 100-prozentige Recyclingfähigkeit. Generell gilt zudem: Der in der Schweiz verwendete Baustahl ist Recyclingstahl. Für den Baustoff selbst hat sich ein Kreislaufsystem etabliert. Stahlschrott ist nicht nur für die Bauindustrie zum kostbaren Sekundärrohstoff geworden.

Der Stahlskelettbau in Baden weist neben der schlanken Tragstruktur ein Verbunddeckensystem aus Beton und Stahl auf, das ebenfalls auf maximale Gewichteinsparung getrimmt ist. Zudem sind Haustechnik und Tragkonstruktion stringent getrennt. Die unterschiedliche Lebensdauer von Haustechnik und Tragkonstruktion legt diese Systemtrennung nah, weil dadurch Zugänglichkeit und Auswechselbarkeit der Haustechnikanlagen verbessert werden. Die Decken sind vorfabrizierte Stahlbetonverbunddecken; sämtliche Installationen sind integriert. Das Deckensystem ist statisch, schall- und brandschutztechnisch optimiert; die industrielle Vorfertigung ermöglicht zudem einen schnellen Baufortschritt. Der Rohbau des achtstöckigen Gebäudes am Lindenplatz in Baden wurde in nur acht Wochen aufgerichtet.

Hinter einer Gewächshausfassade: Halle 181 Winterthur

Das Sulzerareal in Winterthur ist im Umbau begriffen. An der südwestlichen Ecke ist noch ein ursprüngliches Konglomerat aus grossen Werkhallen und kleinen Betriebsgebäuden verblieben. Eine der Industriebauten am Lagerplatz ist die Halle 181 mit Baujahr 1894, die direkt neben dem SBB-Bahntrassee liegt und restaurierte Dampfmaschinen beherbergt. Der zweistöckige seitliche Anbau diente fast 60 Jahre als Blechwerkstatt; nun haben ihn KilgaPopp Architekten zum Atelier-, Büro- und Unterrichtsgebäude weitergebaut. Zentrales Anliegen dieser Umnutzung war es, räumliche und funktionale Werte aus der vorhandenen Substanz in den Entwurf zu integrieren und auch ergänzende Elemente daraus abzuleiten. Das 125 m lange Bauwerk ist nicht denkmalgeschützt; die ersten Planungsskizzen enthielten mehr Abbruch und Demontage, als schliesslich erforderlich war. Die bestehende Stahl- und Klinkerkonstruktion wurde einem subtilen baulichen Wandel unterzogen und gleichzeitig für eine Aufstockung genutzt. Dem Umbau ging es nicht um das Bewahren von industriellem Flair, sondern er will die Geschichte dieses Standorts architektonisch weitererzählen. Gebäuderecycling im eigentlichen Wortsinn meint «es wieder in den Kreislauf bringen». Dies trifft auf die Halle 181 insofern zu, als der Wandel nicht die Summe materialbezogener Eingriffe und der Wiederverwendung von Abfallprodukten ist, sondern das Ergebnis aus einem gedanklichen Gestaltungsprozess: Weder wird ein Schnitt zwischen Alt und Neu gesucht noch das Bestehende kopiert. Vielmehr sind die Ergänzungsdetails und Materialwechsel fliessend aus dem Bestand weiterentwickelt worden.

Die Industriehallen überdeckten in ihrem ursprünglichen Zweck die Kranbahnen für die industrielle Fertigung. Die Hülle wirkt aber bis heute eingehaust und licht. Mit einem hermetisch abgeriegelten Charakter hat die ursprüngliche Architektur nichts gemein. In dünnhäutiger Art exponiert sich nun auch die teilweise neu dazugestellte Gewächshausfassade: Ihre horizontal wirkende, feingliedrige Struktur passt bestens zur ursprünglichen verglasten Industriefassade – und auch zur benachbarten Bahntechnik. Die bestehende innere und die ergänzte äussere Schicht entlasten sich gegenseitig in ihrem Anforderungsprofil. Die neue Gewächshausfassade ist einfach verglast und hat einen kleinformatigen Raster, sodass Scheiben mit guter Durchsicht gewählt werden konnten. Die inwendige Schicht wurde mit einer Doppelverglasung und teilweise grösseren Fensterflügeln aufgerüstet. Einzig der Asbestkitt wurde entfernt; ansonsten kamen Bürste und Farbpinsel für das Auffrischen der Metallrahmen zum Einsatz. Der begrünte Zwischenraum funktioniert zudem als Puffer, der den aktuellen bauphysikalischen Anforderungen, etwa an Wärmeschutz und Schallschutz, gerecht werden kann. Auf das vollständige Einpacken der Gebäudehülle mit einer zusätzlichen Dämmschicht konnte daher verzichtet werden. Ein Materialrecycling fand im Innern der Werkhalle statt: Boden und Wände blieben inklusive Abnutzungsspur erhalten. Die Decke wurde brandschutztechnisch optimiert, und die über 40-jährigen Mineralfaserplatten wurden wieder montiert. Die massiven Erschliessungskerne vorn und hinten sind aus Recyclingbeton.

Brandschutz ist ein wichtiger Aspekt für die Weiterentwicklung älterer Bausubstanz: Bei der Aufstockung wurde das Industriegebäude als fünfstöckige Holzkonstruktion taxiert. Daher waren hohe Sicherheitsauflagen mit vielen Verkleidungs- und Verstärkungsmassnahmen respektive massiven Einbauten zu realisieren. Die vorhandene Sprinkleranlage war funktionstüchtig genug, um die neuen Elemente daran anzuhängen. Auch die Heizungsverteilung blieb bestehen. Von den sechs Wandröhren sind nur zwei neu dazu gekommen, um mehr Niedertemperaturwärme abgeben zu können. Der Bauherrschaft wollte aber keine hochtechnisierte Bürolandschaft; einzig die aufgestockten Büro- und Unterrichtsräume können nach Mieterwunsch dezentral belüftet werden. Die Gewächshausfassade ist allerdings elektronisch gesteuert: Je nach Lux-Wert werden einzelne Fensterflügel für Nachtauskühlung und Wärmeausgleich gekippt.

Weiterbauen auf Ebene Material und Struktur heisst, die bestehende Ordnung und den Raster möglichst weiterzuverwenden. Für die Halle 181 werden Beton und Stahl mit Holz kombiniert. Architektonisch wurde die Aufgabe mit einem räumlichen, konstruktiven Gleichgewicht in der Gesamtwirkung gelöst.

Recyclingbeton, fast überall: Rheinallee, Ludwigshafen (D)

Der ökologische Vergleich zwischen konventionellem Beton und dem Recyclingprodukt legt den Fokus auf den Energieverbrauch zur Gewinnung des Primärgesteins respektive zur Aufbereitung und Wäsche von Abbruchmaterial. Die Zementherstellung und die Transportwege sind in bisherigen Ökobilanzierungen als Hauptverursacher der Beton-Umweltbelastungen aufgefallen. Fallstudien und theoretische Forschungsarbeiten haben noch zu keinem eindeutigen Vergleichsergebnis geführt. Grundsätzlich gilt, dass die Umwelteffekte von Recyclingbeton, wenn überhaupt, nur geringfügig kleiner sind als bei der konventionellen Variante; die grössten Differenzen sind auf unterschiedliche Aufbereitungsverfahren und vom Recyclinganteil unabhängige Betonrezepturen zurückzuführen. Diese Befunde bestätigten sich auch im «Impulsprojekt RC- Beton», das Forschungsinstitutionen in Deutschland gemeinsam betrieben haben. Dabei wurde ein privates Wohnbauprojekt realisiert, um den Einsatz von Recyclingbeton konstruktiv möglichst unter Alltagsbedingungen auszutesten. Das Bauvorhaben in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) erhielt weder staatliche Fördermittel, noch durfte es durch den Einsatz von RC-Beton negativ beeinflusst werden. Nicht nur die Zeitpläne waren zwingend einzuhalten, auch die uneingeschränkte Eignung des Betons musste sowohl hinsichtlich der Frisch- als auch der Festbetoneigenschaften sichergestellt sein. Das viergeschossige Wohngebäude selbst wurde 2010 bezogen. Die Nutzung entspricht einem Boarding House, oben folgen Penthousewohnungen.

Gesamthaft wurden etwa 500 m³ RC-Beton eingesetzt. Tragende Wände, Stützen und Decken wurden in Ortbeton hergestellt, einzig Treppen und Balkondecken sind Fertigteile aus konventionellem Beton. Die geforderte Betondruckfestigkeit lag einheitlich bei C 30/37. Die Tiefgarage liegt im Grundwasser und war als weisse Wanne herzustellen. Weil die Eignungsprüfung für RC-Beton nicht rechtzeitig eingeholt werden konnte, wurde konventioneller Beton vorgezogen. Aus Gründen der Gewährleistungsübernahme sind auch die aufgehenden Wände im Erdgeschoss aus demselben Material gegossen worden. Die Forschungsanalysen zeigten im Nachhinein, dass die entwickelten RC-Betonrezepturen problemlos hätten eingesetzt werden können. Weil weitgehend Neuland betreten werden musste, wurden die zulässigen Anteile RC-Gesteinskörnung nicht maximal ausgeschöpft und die Zementgehalte nicht auf Mindestmengen optimiert.

Für die Herstellung von RC-Beton ist die Qualität der Abbruchgesteine zentral. Wichtige Voraussetzungen sind möglichst reiner Altbeton als Ausgangsmaterial, eine Abtrennung von Fremdbestandteilen und eine kombinierte Zerkleinerung mit Backenbrecher und Prallmühle. Je näher RC-Gestein in seinen Eigenschaften dem Primärgestein kommt, umso geringere Anpassungen sind in der Betonrezeptur erforderlich. Ökonomisch und ökologisch ist relevant, dass keine Bindemittel ergänzt werden müssen.

Auszug aus: Recycling concrete in practice – a chance for sustainable resource management; in Structural Concrete 15 (2014), No. 4 (Übersetzung: pk)

Mit Ökozement gebaut: Niederösterreich-Haus Krems

Das Verwaltungszentrum für die Bezirkshauptstadt Krems (Niederösterreich) ist Brückenkopf und Lückenfüller mitten in der Altstadt: Drei Baukörper ergänzen jeweils unabhängig voneinander eine bestehende Gebäudezeile; über die Gassen hinweg verbinden sich die vier- bis sechsgeschossigen Gebäude über eine Brücke. Die massive Betonkonstruktion und die kleinteiligen Lochfassaden nehmen auch städtebaulich den Charakter der umgebenden älteren Wohnhäuser auf. Im Pflichtenheft der Bauherrschaft, des Lands Niederösterreich, wurde die Begrenzung der Fensterflächen auf 25?% verlangt, um den Wärmeschutz zu optimieren. Der Heizwärmebedarf liegt unter 10 kWh/m2. Das Büro- und Verwaltungsgebäude weist ein Gesamtvolumen von rund 36?000 m³ auf und erreicht die Zielwerte des Passivhausstandards. Die kompakte Geometrie sorgt dafür, dass eine 20 cm mächtige Dämmschicht genügt. Die Bauten sind massive Konstruktionen mit Wänden und Decken aus Ortbeton, wobei die hohe Ressourceneffizienz auch bei der Erstellung eine wichtige Rolle spielte. Zur Reduktion der grauen Energie beigetragen hat vor allem die neuartige Rezeptur des Bindemittels: Der übliche Portlandzement wurde weitgehend durch ein alternatives Produkt ersetzt, das 70?% Hüttensand enthält, ein Abfallprodukt (Schlacke) aus der Stahlproduktion. Dieser Hochofenzement (CEM III) besitzt in Deutschland bereits einen Marktanteil von über 20?%. Im Niederösterreich-Haus beträgt der objektspezifische Massenanteil sogar vier Fünftel.[2] Im Vergleich zur konventionellen Ortbetonvariante (CEM I) wird das Treibhauspotenzial dadurch halbiert. Zu beachten ist: Mehr als 5?% der globalen CO2-Emissionen entstehen bei der Zementherstellung. Ausserdem kann Hüttensand den primären Abbaubedarf von Kalkstein, Kreide oder Ton reduzieren. Als weitere Sekundärrohstoffe für die Zementherstellung sind Flugasche aus dem Filter von Rauchgasreinigungsanlagen sowie Sulfathüttensand im Gespräch.

Die Detailbilanzierung des CEM-III-Betons ergab, dass Deckenkonstruktionen deutlich weniger Primärenergie verbrauchen als zum Beispiel Holz-Beton-Verbunddecken. Im Vergleich tragender Fassadenkonstruktionen helfen die zugeschlagenen Hüttensande zumindest, den Rückstand von Betonwänden zum Mauerwerk aus Kalksand- oder Backstein aufzuholen. Die Eigenschaften des Hochofenzements unterscheiden sich allerdings leicht von jenen des normalen Ortbetons. Die Schalungszeiten und das Abbinden sind anzupassen, weil sich die Druckfestigkeit deutlich langsamer erhöht. Beim Verwaltungszentrum in Krems wurde insbesondere bei Aussentemperaturen unter 5 °C auf den Einsatz von CEM-III-Beton verzichtet.

Bezüglich Wasserundurchlässigkeit werden dagegen leichte Vorteile ausgemacht; und seine weissliche Färbung eignet sich gut für Sichtbetonfassaden.


Anmerkungen:
[01] Hebel/Wisniewska/Heisel: Building from Waste. Recovered Materials in Architecture and Construction; Nachhaltiges Bauen im Materialkreislauf, Birkhäuser 2014
[02] Ökoeffizienter Ressourceneinsatz in der österreichischen Zementindustrie; Österreichisches Institut für Baubiologie 2012

TEC21, Di., 2015.07.07



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TEC21 2015|26-27 Material II: Elementares Bauen

Stahlbau trotzt Brand

Seit Januar gilt die neue Brandschutzverordnung (BSV 2015). Das Stahlbau Zentrum Schweiz zeigt mögliche Strategien im Umgang mit dem Brandfall.

Seit Januar gilt die neue Brandschutzverordnung (BSV 2015). Das Stahlbau Zentrum Schweiz zeigt mögliche Strategien im Umgang mit dem Brandfall.

Mit der Revision der Brandschutzvorschriften der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) werden die Brandschutzauflagen in Bezug auf den Sachwertschutz minimiert. Die damit einhergehende Liberalisierung der Vorschriften widerspiegelt den Rückgang der Brandauswirkungen: In den vergangenen 15 Jahren gingen die Todesfälle infolge Brand um 38 % und die Schadenssummen um mehr als 20 % zurück.

Die neuen Brandschutzrichtlinien beeinflussen unter anderem die Stahlbauweise. Diverse Erleichterungen wirken sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit von Stahlbauten aus, verlangen aber auch mehr Eigenverantwortung von den Planern.

Neue objektbezogene Brandschutzkonzepte

Die neuen Brandschutzverordnungen bieten insbesondere zwei Vorgehensweisen zur Erfüllung der Vorschriften an: Ungefähr 90 % der Gebäude können durch ­normative Standardkonzepte bearbeitet werden. Andererseits sind schutzzielorientierte Konzepte möglich, bei denen die übergeordneten Schutzziele gleichwertig erreicht und nachgewiesen werden müssen. Gerade hier lässt die BSV 2015 neue Verfahren zu, die insbesondere bei Einkaufszentren, grossen Industrie- und Gewerbebauten sowie Spitälern zur Geltung kommen. Sie werden von zwei neuen Brandschutzricht­linien «Qualitätssicherung im Brandschutz» und «Nachweisverfahren im Brandschutz» geregelt.

Mit dem objektbezogenen Konzept kann das effektive Gefährdungspotenzial besser erfasst werden. Anhand der «ISO-Normbrandmodelle» oder dem «Naturbrandmodell» kann ein akzeptables Versagensrisiko für die gesamte Branddauer erreicht werden. Dies ist insbesondere für grosse Räume mit geringer Brandlast wie Aulen, Atrien oder grosse Versammlungsräume interessant. Die Brandlast wird mittels mathematischer Modelle (Zonen- oder Feldmodell) errechnet und die Phänomene wie Verbrennungsprozesse, Brandausbreitung, Wärmetransport, Rauchgasmenge und Rauchausbreitung berücksichtigt. Auf Grundlage dieser Modelle lassen sich lokale und globale Temperaturwerte er­mitteln, das Verhalten von Bauteilen und Baustoffen analysieren, die Rauchausbreitung beschreiben und nicht zuletzt die Gefährdung von Personen einschätzen. Eine weitere Optimierung des Konzepts ist möglich, indem die Membrantragwirkung von Stahlbetonverbund­decken aktiviert wird (vgl «Toni-Areal Zürich», TEC21 39/2014, S. 25).

Dank dieser Tragwirkung (Fliessgelenk­linienmethode) kann ein grosser Teil der Sekundär­träger ungeschützt belassen werden, was bis zu 40 % der Brandschutzkosten einspart.

Strategien im sichtbaren Stahlbau

Ein grosses Bedürfnis der Architekten ist und bleibt die Möglichkeit, den Stahl in seiner ursprünglichen Erscheinung zu zeigen. Dieser Wunsch kann bei günstigen Randbedingungen erfüllt werden.

Befreit von Brandschutzanforderungen sind nach wie vor Einfamilienhäuser, eingeschossige Hallen sowie die jeweils obersten Stockwerke. Bei mehrgeschossigen Bauten gibt es verschiedene Strategien, die von Löschkonzepten, Verbundbauweisen, duktilen und redundanten Tragsystemen bis hin zu dämmschichtbildenden Anstrichen (1K/2K) reichen.

Bei dicken Profilwandstärken und Bauteilen mit geringer Beanspruchung wird die Feuerwiderstandsdauer erhöht. Die Bemessung kann mit dem vereinfachten Verfahren der Euro-Nomogramme erfolgen. Wirtschaftlich ist dieses Verfahren für Elemente bis R30. Neu ist die Anrechnung von Löschkonzepten erlaubt: Die Brandschutzanforderung an das Tragwerk kann um 30 Minuten reduziert werden, wenn ein Löschkonzept in Form einer Sprinkleranlage vorhanden ist.

Damit lässt sich die Dicke dämmschichtbildender Schutz­anstriche reduzieren, was eine geringere Trocknungsdauer und kürzere Bauzeiten zur Folge hat. Neue Zwei-Komponenten-Anstriche werden bereits im Werk aufgetragen, sodass keine Beschichtungsarbeiten vor Ort anfallen. Bei geeigneten Konstruktionen kann das Gesamttragverhalten den Ausfall oder die Schwächung ­eines Bauteils im Brandfall kompensieren. Eine zeit­gemässe Auseinandersetzung mit dem Material Stahl anhand dieser Strategien lohnt sich.

TEC21, Fr., 2015.03.13



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TEC21 2015|11 Stahlbau nackt

Felsenfest verankert

Dank einem Lift und einem neuen Steg ist das Naturschauspiel des Rheinfalls einfacher zu erreichen. Die Bauingenieure von Ernst Basler Partner fügten die Tragkonstruktionen geschickt in die anspruchsvolle Kulisse ein. Doch weil diese bröckelt, mussten sie in Zusammenarbeit mit dem Geologen der Dr. Heinrich Jäckli AG zuerst den Fels stabilisieren.

Dank einem Lift und einem neuen Steg ist das Naturschauspiel des Rheinfalls einfacher zu erreichen. Die Bauingenieure von Ernst Basler Partner fügten die Tragkonstruktionen geschickt in die anspruchsvolle Kulisse ein. Doch weil diese bröckelt, mussten sie in Zusammenarbeit mit dem Geologen der Dr. Heinrich Jäckli AG zuerst den Fels stabilisieren.

Die grössten Eingriffe am Felsen unter dem Schloss Laufen waren der Neubau des Belvederestegs und des Liftturms (vgl. S. 18 ff.). Der gestalterische Entwurf und das Tragwerkskonzept mussten sich stark mit den geologischen und topografischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Besonders deutlich wurde dies beim Grundriss und den Fundationen des Steges sowie bei der Platzierung des Turmes.

EIn Standort für den Liftturm

Als Standort für den Turm wurde eine Stelle direkt unterhalb eines Durchlasses in der denkmalgeschützten Schlossmauer gewählt, der bislang zu einem kleinen Aussichtsbalkon führte. Hier fällt der Fels am steilsten ab, sodass der Turm nahe an die natürliche Felswand gebaut werden konnte, sich so besser in die Gesamterscheinung des Berges einfügt und die Verbindungsplattform zwischen Schlosshof und Turm relativ kurz werden konnte. Ein weiterer Vorteil war, dass am Fuss dieser steilen Felswand die Felsobergrenze deutlich flacher wird und nur wenige Meter unter der Terrainoberfläche verläuft. So reduzieren sich die Probleme, die der hier vorhandene Rutschhang verursacht, auf die untere Plattform.

Der Turm ist als eingespannter Kragarm konzipiert. Der Schaft, der die beiden Liftkabinen trägt, ist als schiefwinkliges Trapez ausgebildet, was die vorteilhafte Ausrichtung der Kabinen ermöglicht und statisch einen idealen Querschnitt für den Abtrag der horizontalen Lasten (Wind, Erdbeben) und der asymmetrischen Belastungen aus den beiden Kabinen darstellt. Die Einspannung des Turmes wird über die parallel zum Hang angeordneten Wände der Liftunterfahrten erreicht. Über diese trägerartigen Wandscheiben wird das Einspannmoment in ein Kräftepaar aufgeteilt, das über Mikropfähle in den unverwitterten Fels eingeleitet wird. Die untere Plattform schliesst an der Liftunterfahrt an. Deren talseitig abschliessende Wand wird ebenfalls auf Mikropfählen im Fels gelagert, damit die im Rutschhang entstehenden Bewegungen nicht zu Schäden führen können (Abb. 1). Die obere Plattform, die die Verbindung zum Schlosshof bildet, ist als tragender U-Querschnitt ausgebildet und am Turm eingespannt. An der Schlossmauer ist sie auf einem natürlichen Felsvorsprung horizontal verschieblich aufgelagert, der mit ungespannten Ankern gesichert wurde.

Die Stahlkonstruktion des Steges

Der sensiblen Umgebung und nicht zuletzt der schwierigen Randbedingungen für die Montage des Steges wegen wurde hier eine Stahlkonstruktion gewählt. Das Tragwerk ist grundsätzlich als sechsfeldriger Durchlaufträger konzipiert, der an beiden Enden schwimmend gelagert ist. Stabilisiert wird der Steg durch die Einspannungen an den Stützenköpfen und die geometrische Steifigkeit, die aus dem geknickten Grundriss resultiert. Der Stegquerschnitt besteht in der Regel aus zwei an den Rändern angeordneten Hohlkastenträgern, die durch «radial» angeordnete Träger in den Knicken miteinander verbunden werden. Zum Turm hin ergeben sich zwei relativ grosse Spannweiten, die in der Schwingungsanalyse Frequenzen zeigten, die durch Fussgänger angeregt werden könnten. Hier ist jeweils ein zusätzlicher Träger in der Mitte des Steges angeordnet, der die Steifigkeit der Brücke so beeinflusst, dass nun die Frequenzen ausserhalb des kritischen Bereiches liegen.

Die unterschiedlichen Breiten des Steges sowie die Knicke führen zu Torsionsbeanspruchungen im Stegquerschnitt. Um diese zu minimieren, wurden die Stützen – wo möglich – direkt in den Knicken positioniert. Die aus statischer Sicht zu bevorzugenden vertikalen Stützen können aufgrund des durch tektonische Störzonen und Verwitterungsprozesse stark aufgelockerten Felsverbandes nur an zwei Stellen ausgebildet werden. An den anderen drei Auflagerpunkten werden konsolartige Auflager ausgebildet (Abb. 3). Alle Fundamente sind mit vorgespannten Ankern und zum Teil zusätzlichen Nägeln in den Fels verankert. Diese Anker sichern gleichzeitig den Fels, indem sie durch Störzonen abgetrennte Bereiche mit dem gesunden Fels verbinden. Zum Rheinfall hin endet der Steg an einem weiteren Stützbauwerk, das zwischen bestehenden Wegen in den Hang einschneidet. Es wurde auf dem gut tragfähigen Fels fundiert. Aufgrund der steil abfallenden Felsoberfläche waren dazu talseits bis zu 2.5 m tiefe Betonriegel erforderlich.

Stabilität für die touristische Inszenierung prüfen

Der am Südrand des Rheinfalls exponiert emporragende Felskopf des Belvedere (Oberes Känzeli) wird durch mehrere Störungszonen in einzelne Felspakete durchtrennt. Im Winter 1963/64 ereignete sich an der Felswand unterhalb des Belvederes ein Felsabbruch. In der Folge wurde der Felskopf mit 7 rund 20 m langen Felsankern gesichert. Seit etwa 1986 wird der Felskopf des Belvederes durch periodische Kluftsiegel-Kontrollen und geodätische Messungen überwacht. Dabei wurden bisher keine Anzeichen auf Bewegungen festgestellt. Die zu erwartenden Versagensmechanismen können jedoch sehr spröde erfolgen und müssen sich daher nicht zwingend in Form von Verschiebungen ankündigen. Eine reine Beobachtungsmassnahme bringt deshalb nicht die gewünschte Sicherheit.

Im Rahmen der touristischen Inszenierung wurden die Stabilitätsverhältnisse neu überprüft. Dafür wurde am hängenden Seil eine Felskontrolle und Trennflächenanalyse durchgeführt.

Diese zeigte, dass auch ausserhalb des durch die bestehenden Anker gesicherten Bereiches absturzgefährdete Felspartien vorhanden sind. Da zudem die Anker von 1963/64 nicht mehr den heutigen Anforderungen an permanente Anker genügen, bestand unabhängig vom Erschliessungsprojekt ein zwingender Handlungsbedarf. In einer ersten Phase wurden die möglichen Gefährdungsbilder mit geologischen Modellen ermittelt. Das Modell wurde anhand eines 3-D-Geländemodell entwickelt, die Kluftflächen wurden eingezeichnet, miteinander verschnitten und die gesuchten Bruchkörper so gefunden. Diese Modelle sind naturgemäss keine exakten Abbildungen der Wirklichkeit, die Unsicherheiten der Modellbildungen wurden mittels Sensitivitätsanalyse minimiert. Die Bruchkörperanalyse ist die Grundlage für die statischen Berechnungen, in denen an den einzelnen Bruchkörpern die Gleit- und Kippnachweise geführt und damit die massgebenden Ankerkräfte ermittelt wurden. Aus der Bruchkörperanalyse wurden die nötigen Massnahmen zur Sicherung der Aussichtsplattform abgeleitet. Das gewählte Sicherungskonzept resultiert schliesslich aus mehreren Varianten, die in einem interdisziplinären Projektteam diskutiert wurden.

Kostümierung der Ankerköpfe

Der Rheinfall ist im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgeführt. Daher wurde das Projekt eng von der Eidgenössischen Naturund Heimatschutzkommission (ENHK) begleitet und auf Übereinstimmung mit dem Umweltschutzrecht geprüft und bewilligt. Die Sanierungsmassnahmen beinhalten 31 vorgespannte Anker, die bis zu 20 m in den Fels gebohrt wurden, sowie 53 ungespannte Anker, lokale armierte Spritzbetonplomben und ein Steinschlagnetz. Da der hydrostatische Druck in wasserführenden Klüften eine für die Stabilität massgebende Grösse darstellt, wurden zur Verminderung respektive zur Limitierung des maximalen Wasserdruckes im unteren Bereich der Felswand Drainagebohrungen angeordnet. Damit der Eingriff in die Natur so unsichtbar wie möglich ausfällt, wurden die Ankerköpfe dem anstehenden Fels so gut wie möglich angepasst. Ihre Oberflächen wurden gar durch einen Steinmetz bearbeitet und der Beton mit Pigmenten versehen, damit er farblich dem Fels ähnelt.

TEC21, Fr., 2010.05.14



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TEC21 2010|20 Naturtheater

Presseschau 12

07. Juli 2015Patric Fischli-Boson
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Vermeiden, vermindern, verwerten

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Die Reduktion der Abfallströme beginnt beim Entwerfen und Konstruieren. Vielfältige und pragmatische Ansätze, wie Wegwerf-Architektur verhindert werden kann, zeigen die folgenden Beispiele.

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Offener Holzbau: Gymnasiumstrakt Strandboden, Biel

Ökologisch mustergültiges Bauen ist: mit dem Baustoff Holz konstruieren, gehäckseltes Abfallmaterial aus dem Wald zum Heizen verbrennen und zugleich den Betrieb mit sparsamsten Energiemitteln organisieren. Die Sanierung und Erweiterung des Gymnasiums Strandboden Biel ist in Architekturkreisen zwar umstritten, die genannten Eigenschaften machen den neuen Naturwissenschaftstrakt jedoch zu einem nachhaltigen Leistungsträger. Der dreigeschossige Baukörper ist im vergangenen Semester eröffnet worden und trägt das offizielle Minergie-Gebäudezertifikat «BE-061-P-Eco». Der Kanton Bern hat zusätzlich einen vorbildlichen Umgang mit den Kriterien «Baustoffe» und «Systemtrennung» verlangt. Dazu gehören eine effiziente Massenbilanz, gesundheitsschonende Materialien sowie geordnete Gebäudestrukturen, sodass der Lebenszyklus mit möglichst geringem baulichem Aufwand zu bewältigen respektive verlängerbar ist. Die nachhaltigen Qualitäten im Siegerentwurf von Brügger Architekten hat die Wettbewerbsjury denn auch herausgestrichen (vgl. TEC21 27-28/2011): «Kompaktheit» und «Nutzungsflexibilität» gehören zu den herausragenden Eigenschaften des Lehrtrakts am Gymnasium Biel. Mit ähnlich hohen Vorgaben für den Umbau der benachbarten dreiteiligen Schulanlage wäre das Gesamtprojekt allerdings schonender als nun geplant saniert worden.

Der neue Erweiterungsbau steht auf dem ehemaligen Sportplatz und umfasst drei Obergeschosse sowie eine unterirdische Etage; seine Fläche misst 46?×?26 m. Das Konstruktionsprinzip entspricht einer hybriden, skelettartigen Holzbauweise: UG und Gebäudekern sind massive Betonkonstruktionen; Decken und oberirdische Aussenwände vorgefertigte Holzelemente. Die Hülle besteht aus einer vorergrauten Holzfassade mit Rippen im 2-m-Raster. Der neue Gymnasiumstrakt beherbergt Laborräume mit hohem Technisierungsgrad für den Physik-, Biologie- und Chemieunterricht.

Eine wichtige Anforderung für spätere Anpassungen und zum selektiven Rückbau ist das Auseinanderhalten der Gebäude- und Ausbaustrukturen. Hülle, tragende Elemente, Trennwände, haustechnische Installationen und festes Mobiliar sind auf eine unterschiedliche Lebensdauer ausgelegt und werden konstruktiv möglichst getrennt. Problematisch ist es, wenn sich Gebäudetechnik und Gebäudestruktur überschneiden. Im Erweiterungstrakt hält sich das technische Erschliessungskonzept weitgehend zurück: Die Raumdecken in den Obergeschossen sind frei von horizontalen Verteilungsleitungen. Einzig in der zentralen Korridorzone sind Sanitär- und Elektroinstallationen über die abgehängte Decke gelegt. Die vertikale Steigleitung führt im massiven Betonkern nach oben. In den Chemie- und Physiklabors ist die Systemtrennung nicht überall machbar: Mehrere Lüftungs- und Abzugskanäle durchstossen dezentral die Raumdeckenelemente. Klappen gewähren die Zugänglichkeit. Ergänzende Brandschutzmassnahmen sorgen für zusätzlichen Materialaufwand.

Das Tragwerk ist einfach strukturiert und weist einen Grundraster von 2×2 m auf. Darauf ausgerichtet ist ein innerer und äusserer Ring mit in den Wänden versteckten Pendelstützen. Die 8 m tiefen Unterrichtsräume selbst sind stützenfrei, was grundsätzlich ein internes Versetzen der Trennwände erlaubt. Für Schulbauten mit veränderlichen Raumbedürfnissen ist dies kein überflüssiges Flexibilitätskriterium. Die vollständige Neugliederung ist einzig dort begrenzt, wo der Stützenraster die beiden tragenden Ringschichten miteinander verbindet. Nutzungsänderungen und Erweiterungen sind vorsorglich dimensioniert: Die Nutzlast beträgt 5 kN/m2, was zur Aufstockung auf insgesamt sechs Geschosse genutzt werden kann.

Damit Systemtrennung und Flexibilität bereits frühzeitig mitbedacht werden, verlangte die Bauherrschaft einen separaten Planungsbericht. Dem Holzbau kommt diese Koordination insofern zugute, als die Detailschnittstellen bereits vor Vorfertigung der Bauelemente zu definieren sind.

Leichter Stahlbau: Wohn- und Gewerbehaus Lindenplatz, Baden

Dass ein nachhaltiges Baukonzept mehr verlangt, als den Einsatz der Materialien zu optimieren, veranschaulicht das achtstöckige Wohn- und Gewerbehaus am Lindenplatz in Baden. Das Gebäude hat eine kubische Form und steht über einer bereits vorhandenen zweigeschossigen Parkgarage und über einem Verkehrstunnel. Deswegen wurde eine Stahlbaukonstruktion gewählt, die etwa 60?% leichter ist als ein konventioneller Massivbau. Die einzelnen Stahlelemente sind industriell vorgefertigt.

Das innenliegende Fachwerk, das den Tunnelkorridor überspannt und die Lasten punktuell in den Baugrund abgibt, zeigt die Leistungsfähigkeit von Stahl. Im Gegenzug konnte auf zusätzliche Verstärkungen verzichtet werden, und die Fundationsmassnahmen liessen sich ebenfalls reduzieren. Von der schlanken und leichten Stahlstruktur profitiert zudem die Ökobilanz: Der Baustoff Stahl ermöglicht eine Gebäudestruktur mit grossen Spannweiten und schlanken Trägerprofilen, was im Vergleich zu alternativen Materialien einen geringeren Ressourcenverbrauch bedeuten kann.

Um die Umweltauswirkungen in einer Evaluation von Materialkonzepten und Bauteilen beurteilen zu können, werden häufig unterschiedliche Materialien und Konstruktionsweisen miteinander verglichen. Aber nur ein Vergleich bei gleicher Funktionalität liefert eine verlässliche und relevante Aussage: Am Beispiel von Hochbaustützen und Biegeträgern zeigt sich, dass die Variante aus Stahl gleich gut und bei grösseren Spannweiten und Lasten sogar besser abschneidet als eine alternative Brettschichtholzkonstruktion. Grund dafür sind die statischen Eigenschaften sowie der hohe Recyclinganteil von Stahl. Die im Juli 2014 aktualisierten Ökobilanzwerte der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) attestieren eine 100-prozentige Recyclingfähigkeit. Generell gilt zudem: Der in der Schweiz verwendete Baustahl ist Recyclingstahl. Für den Baustoff selbst hat sich ein Kreislaufsystem etabliert. Stahlschrott ist nicht nur für die Bauindustrie zum kostbaren Sekundärrohstoff geworden.

Der Stahlskelettbau in Baden weist neben der schlanken Tragstruktur ein Verbunddeckensystem aus Beton und Stahl auf, das ebenfalls auf maximale Gewichteinsparung getrimmt ist. Zudem sind Haustechnik und Tragkonstruktion stringent getrennt. Die unterschiedliche Lebensdauer von Haustechnik und Tragkonstruktion legt diese Systemtrennung nah, weil dadurch Zugänglichkeit und Auswechselbarkeit der Haustechnikanlagen verbessert werden. Die Decken sind vorfabrizierte Stahlbetonverbunddecken; sämtliche Installationen sind integriert. Das Deckensystem ist statisch, schall- und brandschutztechnisch optimiert; die industrielle Vorfertigung ermöglicht zudem einen schnellen Baufortschritt. Der Rohbau des achtstöckigen Gebäudes am Lindenplatz in Baden wurde in nur acht Wochen aufgerichtet.

Hinter einer Gewächshausfassade: Halle 181 Winterthur

Das Sulzerareal in Winterthur ist im Umbau begriffen. An der südwestlichen Ecke ist noch ein ursprüngliches Konglomerat aus grossen Werkhallen und kleinen Betriebsgebäuden verblieben. Eine der Industriebauten am Lagerplatz ist die Halle 181 mit Baujahr 1894, die direkt neben dem SBB-Bahntrassee liegt und restaurierte Dampfmaschinen beherbergt. Der zweistöckige seitliche Anbau diente fast 60 Jahre als Blechwerkstatt; nun haben ihn KilgaPopp Architekten zum Atelier-, Büro- und Unterrichtsgebäude weitergebaut. Zentrales Anliegen dieser Umnutzung war es, räumliche und funktionale Werte aus der vorhandenen Substanz in den Entwurf zu integrieren und auch ergänzende Elemente daraus abzuleiten. Das 125 m lange Bauwerk ist nicht denkmalgeschützt; die ersten Planungsskizzen enthielten mehr Abbruch und Demontage, als schliesslich erforderlich war. Die bestehende Stahl- und Klinkerkonstruktion wurde einem subtilen baulichen Wandel unterzogen und gleichzeitig für eine Aufstockung genutzt. Dem Umbau ging es nicht um das Bewahren von industriellem Flair, sondern er will die Geschichte dieses Standorts architektonisch weitererzählen. Gebäuderecycling im eigentlichen Wortsinn meint «es wieder in den Kreislauf bringen». Dies trifft auf die Halle 181 insofern zu, als der Wandel nicht die Summe materialbezogener Eingriffe und der Wiederverwendung von Abfallprodukten ist, sondern das Ergebnis aus einem gedanklichen Gestaltungsprozess: Weder wird ein Schnitt zwischen Alt und Neu gesucht noch das Bestehende kopiert. Vielmehr sind die Ergänzungsdetails und Materialwechsel fliessend aus dem Bestand weiterentwickelt worden.

Die Industriehallen überdeckten in ihrem ursprünglichen Zweck die Kranbahnen für die industrielle Fertigung. Die Hülle wirkt aber bis heute eingehaust und licht. Mit einem hermetisch abgeriegelten Charakter hat die ursprüngliche Architektur nichts gemein. In dünnhäutiger Art exponiert sich nun auch die teilweise neu dazugestellte Gewächshausfassade: Ihre horizontal wirkende, feingliedrige Struktur passt bestens zur ursprünglichen verglasten Industriefassade – und auch zur benachbarten Bahntechnik. Die bestehende innere und die ergänzte äussere Schicht entlasten sich gegenseitig in ihrem Anforderungsprofil. Die neue Gewächshausfassade ist einfach verglast und hat einen kleinformatigen Raster, sodass Scheiben mit guter Durchsicht gewählt werden konnten. Die inwendige Schicht wurde mit einer Doppelverglasung und teilweise grösseren Fensterflügeln aufgerüstet. Einzig der Asbestkitt wurde entfernt; ansonsten kamen Bürste und Farbpinsel für das Auffrischen der Metallrahmen zum Einsatz. Der begrünte Zwischenraum funktioniert zudem als Puffer, der den aktuellen bauphysikalischen Anforderungen, etwa an Wärmeschutz und Schallschutz, gerecht werden kann. Auf das vollständige Einpacken der Gebäudehülle mit einer zusätzlichen Dämmschicht konnte daher verzichtet werden. Ein Materialrecycling fand im Innern der Werkhalle statt: Boden und Wände blieben inklusive Abnutzungsspur erhalten. Die Decke wurde brandschutztechnisch optimiert, und die über 40-jährigen Mineralfaserplatten wurden wieder montiert. Die massiven Erschliessungskerne vorn und hinten sind aus Recyclingbeton.

Brandschutz ist ein wichtiger Aspekt für die Weiterentwicklung älterer Bausubstanz: Bei der Aufstockung wurde das Industriegebäude als fünfstöckige Holzkonstruktion taxiert. Daher waren hohe Sicherheitsauflagen mit vielen Verkleidungs- und Verstärkungsmassnahmen respektive massiven Einbauten zu realisieren. Die vorhandene Sprinkleranlage war funktionstüchtig genug, um die neuen Elemente daran anzuhängen. Auch die Heizungsverteilung blieb bestehen. Von den sechs Wandröhren sind nur zwei neu dazu gekommen, um mehr Niedertemperaturwärme abgeben zu können. Der Bauherrschaft wollte aber keine hochtechnisierte Bürolandschaft; einzig die aufgestockten Büro- und Unterrichtsräume können nach Mieterwunsch dezentral belüftet werden. Die Gewächshausfassade ist allerdings elektronisch gesteuert: Je nach Lux-Wert werden einzelne Fensterflügel für Nachtauskühlung und Wärmeausgleich gekippt.

Weiterbauen auf Ebene Material und Struktur heisst, die bestehende Ordnung und den Raster möglichst weiterzuverwenden. Für die Halle 181 werden Beton und Stahl mit Holz kombiniert. Architektonisch wurde die Aufgabe mit einem räumlichen, konstruktiven Gleichgewicht in der Gesamtwirkung gelöst.

Recyclingbeton, fast überall: Rheinallee, Ludwigshafen (D)

Der ökologische Vergleich zwischen konventionellem Beton und dem Recyclingprodukt legt den Fokus auf den Energieverbrauch zur Gewinnung des Primärgesteins respektive zur Aufbereitung und Wäsche von Abbruchmaterial. Die Zementherstellung und die Transportwege sind in bisherigen Ökobilanzierungen als Hauptverursacher der Beton-Umweltbelastungen aufgefallen. Fallstudien und theoretische Forschungsarbeiten haben noch zu keinem eindeutigen Vergleichsergebnis geführt. Grundsätzlich gilt, dass die Umwelteffekte von Recyclingbeton, wenn überhaupt, nur geringfügig kleiner sind als bei der konventionellen Variante; die grössten Differenzen sind auf unterschiedliche Aufbereitungsverfahren und vom Recyclinganteil unabhängige Betonrezepturen zurückzuführen. Diese Befunde bestätigten sich auch im «Impulsprojekt RC- Beton», das Forschungsinstitutionen in Deutschland gemeinsam betrieben haben. Dabei wurde ein privates Wohnbauprojekt realisiert, um den Einsatz von Recyclingbeton konstruktiv möglichst unter Alltagsbedingungen auszutesten. Das Bauvorhaben in Ludwigshafen (Rheinland-Pfalz) erhielt weder staatliche Fördermittel, noch durfte es durch den Einsatz von RC-Beton negativ beeinflusst werden. Nicht nur die Zeitpläne waren zwingend einzuhalten, auch die uneingeschränkte Eignung des Betons musste sowohl hinsichtlich der Frisch- als auch der Festbetoneigenschaften sichergestellt sein. Das viergeschossige Wohngebäude selbst wurde 2010 bezogen. Die Nutzung entspricht einem Boarding House, oben folgen Penthousewohnungen.

Gesamthaft wurden etwa 500 m³ RC-Beton eingesetzt. Tragende Wände, Stützen und Decken wurden in Ortbeton hergestellt, einzig Treppen und Balkondecken sind Fertigteile aus konventionellem Beton. Die geforderte Betondruckfestigkeit lag einheitlich bei C 30/37. Die Tiefgarage liegt im Grundwasser und war als weisse Wanne herzustellen. Weil die Eignungsprüfung für RC-Beton nicht rechtzeitig eingeholt werden konnte, wurde konventioneller Beton vorgezogen. Aus Gründen der Gewährleistungsübernahme sind auch die aufgehenden Wände im Erdgeschoss aus demselben Material gegossen worden. Die Forschungsanalysen zeigten im Nachhinein, dass die entwickelten RC-Betonrezepturen problemlos hätten eingesetzt werden können. Weil weitgehend Neuland betreten werden musste, wurden die zulässigen Anteile RC-Gesteinskörnung nicht maximal ausgeschöpft und die Zementgehalte nicht auf Mindestmengen optimiert.

Für die Herstellung von RC-Beton ist die Qualität der Abbruchgesteine zentral. Wichtige Voraussetzungen sind möglichst reiner Altbeton als Ausgangsmaterial, eine Abtrennung von Fremdbestandteilen und eine kombinierte Zerkleinerung mit Backenbrecher und Prallmühle. Je näher RC-Gestein in seinen Eigenschaften dem Primärgestein kommt, umso geringere Anpassungen sind in der Betonrezeptur erforderlich. Ökonomisch und ökologisch ist relevant, dass keine Bindemittel ergänzt werden müssen.

Auszug aus: Recycling concrete in practice – a chance for sustainable resource management; in Structural Concrete 15 (2014), No. 4 (Übersetzung: pk)

Mit Ökozement gebaut: Niederösterreich-Haus Krems

Das Verwaltungszentrum für die Bezirkshauptstadt Krems (Niederösterreich) ist Brückenkopf und Lückenfüller mitten in der Altstadt: Drei Baukörper ergänzen jeweils unabhängig voneinander eine bestehende Gebäudezeile; über die Gassen hinweg verbinden sich die vier- bis sechsgeschossigen Gebäude über eine Brücke. Die massive Betonkonstruktion und die kleinteiligen Lochfassaden nehmen auch städtebaulich den Charakter der umgebenden älteren Wohnhäuser auf. Im Pflichtenheft der Bauherrschaft, des Lands Niederösterreich, wurde die Begrenzung der Fensterflächen auf 25?% verlangt, um den Wärmeschutz zu optimieren. Der Heizwärmebedarf liegt unter 10 kWh/m2. Das Büro- und Verwaltungsgebäude weist ein Gesamtvolumen von rund 36?000 m³ auf und erreicht die Zielwerte des Passivhausstandards. Die kompakte Geometrie sorgt dafür, dass eine 20 cm mächtige Dämmschicht genügt. Die Bauten sind massive Konstruktionen mit Wänden und Decken aus Ortbeton, wobei die hohe Ressourceneffizienz auch bei der Erstellung eine wichtige Rolle spielte. Zur Reduktion der grauen Energie beigetragen hat vor allem die neuartige Rezeptur des Bindemittels: Der übliche Portlandzement wurde weitgehend durch ein alternatives Produkt ersetzt, das 70?% Hüttensand enthält, ein Abfallprodukt (Schlacke) aus der Stahlproduktion. Dieser Hochofenzement (CEM III) besitzt in Deutschland bereits einen Marktanteil von über 20?%. Im Niederösterreich-Haus beträgt der objektspezifische Massenanteil sogar vier Fünftel.[2] Im Vergleich zur konventionellen Ortbetonvariante (CEM I) wird das Treibhauspotenzial dadurch halbiert. Zu beachten ist: Mehr als 5?% der globalen CO2-Emissionen entstehen bei der Zementherstellung. Ausserdem kann Hüttensand den primären Abbaubedarf von Kalkstein, Kreide oder Ton reduzieren. Als weitere Sekundärrohstoffe für die Zementherstellung sind Flugasche aus dem Filter von Rauchgasreinigungsanlagen sowie Sulfathüttensand im Gespräch.

Die Detailbilanzierung des CEM-III-Betons ergab, dass Deckenkonstruktionen deutlich weniger Primärenergie verbrauchen als zum Beispiel Holz-Beton-Verbunddecken. Im Vergleich tragender Fassadenkonstruktionen helfen die zugeschlagenen Hüttensande zumindest, den Rückstand von Betonwänden zum Mauerwerk aus Kalksand- oder Backstein aufzuholen. Die Eigenschaften des Hochofenzements unterscheiden sich allerdings leicht von jenen des normalen Ortbetons. Die Schalungszeiten und das Abbinden sind anzupassen, weil sich die Druckfestigkeit deutlich langsamer erhöht. Beim Verwaltungszentrum in Krems wurde insbesondere bei Aussentemperaturen unter 5 °C auf den Einsatz von CEM-III-Beton verzichtet.

Bezüglich Wasserundurchlässigkeit werden dagegen leichte Vorteile ausgemacht; und seine weissliche Färbung eignet sich gut für Sichtbetonfassaden.


Anmerkungen:
[01] Hebel/Wisniewska/Heisel: Building from Waste. Recovered Materials in Architecture and Construction; Nachhaltiges Bauen im Materialkreislauf, Birkhäuser 2014
[02] Ökoeffizienter Ressourceneinsatz in der österreichischen Zementindustrie; Österreichisches Institut für Baubiologie 2012

TEC21, Di., 2015.07.07



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TEC21 2015|26-27 Material II: Elementares Bauen

Stahlbau trotzt Brand

Seit Januar gilt die neue Brandschutzverordnung (BSV 2015). Das Stahlbau Zentrum Schweiz zeigt mögliche Strategien im Umgang mit dem Brandfall.

Seit Januar gilt die neue Brandschutzverordnung (BSV 2015). Das Stahlbau Zentrum Schweiz zeigt mögliche Strategien im Umgang mit dem Brandfall.

Mit der Revision der Brandschutzvorschriften der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) werden die Brandschutzauflagen in Bezug auf den Sachwertschutz minimiert. Die damit einhergehende Liberalisierung der Vorschriften widerspiegelt den Rückgang der Brandauswirkungen: In den vergangenen 15 Jahren gingen die Todesfälle infolge Brand um 38 % und die Schadenssummen um mehr als 20 % zurück.

Die neuen Brandschutzrichtlinien beeinflussen unter anderem die Stahlbauweise. Diverse Erleichterungen wirken sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit von Stahlbauten aus, verlangen aber auch mehr Eigenverantwortung von den Planern.

Neue objektbezogene Brandschutzkonzepte

Die neuen Brandschutzverordnungen bieten insbesondere zwei Vorgehensweisen zur Erfüllung der Vorschriften an: Ungefähr 90 % der Gebäude können durch ­normative Standardkonzepte bearbeitet werden. Andererseits sind schutzzielorientierte Konzepte möglich, bei denen die übergeordneten Schutzziele gleichwertig erreicht und nachgewiesen werden müssen. Gerade hier lässt die BSV 2015 neue Verfahren zu, die insbesondere bei Einkaufszentren, grossen Industrie- und Gewerbebauten sowie Spitälern zur Geltung kommen. Sie werden von zwei neuen Brandschutzricht­linien «Qualitätssicherung im Brandschutz» und «Nachweisverfahren im Brandschutz» geregelt.

Mit dem objektbezogenen Konzept kann das effektive Gefährdungspotenzial besser erfasst werden. Anhand der «ISO-Normbrandmodelle» oder dem «Naturbrandmodell» kann ein akzeptables Versagensrisiko für die gesamte Branddauer erreicht werden. Dies ist insbesondere für grosse Räume mit geringer Brandlast wie Aulen, Atrien oder grosse Versammlungsräume interessant. Die Brandlast wird mittels mathematischer Modelle (Zonen- oder Feldmodell) errechnet und die Phänomene wie Verbrennungsprozesse, Brandausbreitung, Wärmetransport, Rauchgasmenge und Rauchausbreitung berücksichtigt. Auf Grundlage dieser Modelle lassen sich lokale und globale Temperaturwerte er­mitteln, das Verhalten von Bauteilen und Baustoffen analysieren, die Rauchausbreitung beschreiben und nicht zuletzt die Gefährdung von Personen einschätzen. Eine weitere Optimierung des Konzepts ist möglich, indem die Membrantragwirkung von Stahlbetonverbund­decken aktiviert wird (vgl «Toni-Areal Zürich», TEC21 39/2014, S. 25).

Dank dieser Tragwirkung (Fliessgelenk­linienmethode) kann ein grosser Teil der Sekundär­träger ungeschützt belassen werden, was bis zu 40 % der Brandschutzkosten einspart.

Strategien im sichtbaren Stahlbau

Ein grosses Bedürfnis der Architekten ist und bleibt die Möglichkeit, den Stahl in seiner ursprünglichen Erscheinung zu zeigen. Dieser Wunsch kann bei günstigen Randbedingungen erfüllt werden.

Befreit von Brandschutzanforderungen sind nach wie vor Einfamilienhäuser, eingeschossige Hallen sowie die jeweils obersten Stockwerke. Bei mehrgeschossigen Bauten gibt es verschiedene Strategien, die von Löschkonzepten, Verbundbauweisen, duktilen und redundanten Tragsystemen bis hin zu dämmschichtbildenden Anstrichen (1K/2K) reichen.

Bei dicken Profilwandstärken und Bauteilen mit geringer Beanspruchung wird die Feuerwiderstandsdauer erhöht. Die Bemessung kann mit dem vereinfachten Verfahren der Euro-Nomogramme erfolgen. Wirtschaftlich ist dieses Verfahren für Elemente bis R30. Neu ist die Anrechnung von Löschkonzepten erlaubt: Die Brandschutzanforderung an das Tragwerk kann um 30 Minuten reduziert werden, wenn ein Löschkonzept in Form einer Sprinkleranlage vorhanden ist.

Damit lässt sich die Dicke dämmschichtbildender Schutz­anstriche reduzieren, was eine geringere Trocknungsdauer und kürzere Bauzeiten zur Folge hat. Neue Zwei-Komponenten-Anstriche werden bereits im Werk aufgetragen, sodass keine Beschichtungsarbeiten vor Ort anfallen. Bei geeigneten Konstruktionen kann das Gesamttragverhalten den Ausfall oder die Schwächung ­eines Bauteils im Brandfall kompensieren. Eine zeit­gemässe Auseinandersetzung mit dem Material Stahl anhand dieser Strategien lohnt sich.

TEC21, Fr., 2015.03.13



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TEC21 2015|11 Stahlbau nackt

Felsenfest verankert

Dank einem Lift und einem neuen Steg ist das Naturschauspiel des Rheinfalls einfacher zu erreichen. Die Bauingenieure von Ernst Basler Partner fügten die Tragkonstruktionen geschickt in die anspruchsvolle Kulisse ein. Doch weil diese bröckelt, mussten sie in Zusammenarbeit mit dem Geologen der Dr. Heinrich Jäckli AG zuerst den Fels stabilisieren.

Dank einem Lift und einem neuen Steg ist das Naturschauspiel des Rheinfalls einfacher zu erreichen. Die Bauingenieure von Ernst Basler Partner fügten die Tragkonstruktionen geschickt in die anspruchsvolle Kulisse ein. Doch weil diese bröckelt, mussten sie in Zusammenarbeit mit dem Geologen der Dr. Heinrich Jäckli AG zuerst den Fels stabilisieren.

Die grössten Eingriffe am Felsen unter dem Schloss Laufen waren der Neubau des Belvederestegs und des Liftturms (vgl. S. 18 ff.). Der gestalterische Entwurf und das Tragwerkskonzept mussten sich stark mit den geologischen und topografischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Besonders deutlich wurde dies beim Grundriss und den Fundationen des Steges sowie bei der Platzierung des Turmes.

EIn Standort für den Liftturm

Als Standort für den Turm wurde eine Stelle direkt unterhalb eines Durchlasses in der denkmalgeschützten Schlossmauer gewählt, der bislang zu einem kleinen Aussichtsbalkon führte. Hier fällt der Fels am steilsten ab, sodass der Turm nahe an die natürliche Felswand gebaut werden konnte, sich so besser in die Gesamterscheinung des Berges einfügt und die Verbindungsplattform zwischen Schlosshof und Turm relativ kurz werden konnte. Ein weiterer Vorteil war, dass am Fuss dieser steilen Felswand die Felsobergrenze deutlich flacher wird und nur wenige Meter unter der Terrainoberfläche verläuft. So reduzieren sich die Probleme, die der hier vorhandene Rutschhang verursacht, auf die untere Plattform.

Der Turm ist als eingespannter Kragarm konzipiert. Der Schaft, der die beiden Liftkabinen trägt, ist als schiefwinkliges Trapez ausgebildet, was die vorteilhafte Ausrichtung der Kabinen ermöglicht und statisch einen idealen Querschnitt für den Abtrag der horizontalen Lasten (Wind, Erdbeben) und der asymmetrischen Belastungen aus den beiden Kabinen darstellt. Die Einspannung des Turmes wird über die parallel zum Hang angeordneten Wände der Liftunterfahrten erreicht. Über diese trägerartigen Wandscheiben wird das Einspannmoment in ein Kräftepaar aufgeteilt, das über Mikropfähle in den unverwitterten Fels eingeleitet wird. Die untere Plattform schliesst an der Liftunterfahrt an. Deren talseitig abschliessende Wand wird ebenfalls auf Mikropfählen im Fels gelagert, damit die im Rutschhang entstehenden Bewegungen nicht zu Schäden führen können (Abb. 1). Die obere Plattform, die die Verbindung zum Schlosshof bildet, ist als tragender U-Querschnitt ausgebildet und am Turm eingespannt. An der Schlossmauer ist sie auf einem natürlichen Felsvorsprung horizontal verschieblich aufgelagert, der mit ungespannten Ankern gesichert wurde.

Die Stahlkonstruktion des Steges

Der sensiblen Umgebung und nicht zuletzt der schwierigen Randbedingungen für die Montage des Steges wegen wurde hier eine Stahlkonstruktion gewählt. Das Tragwerk ist grundsätzlich als sechsfeldriger Durchlaufträger konzipiert, der an beiden Enden schwimmend gelagert ist. Stabilisiert wird der Steg durch die Einspannungen an den Stützenköpfen und die geometrische Steifigkeit, die aus dem geknickten Grundriss resultiert. Der Stegquerschnitt besteht in der Regel aus zwei an den Rändern angeordneten Hohlkastenträgern, die durch «radial» angeordnete Träger in den Knicken miteinander verbunden werden. Zum Turm hin ergeben sich zwei relativ grosse Spannweiten, die in der Schwingungsanalyse Frequenzen zeigten, die durch Fussgänger angeregt werden könnten. Hier ist jeweils ein zusätzlicher Träger in der Mitte des Steges angeordnet, der die Steifigkeit der Brücke so beeinflusst, dass nun die Frequenzen ausserhalb des kritischen Bereiches liegen.

Die unterschiedlichen Breiten des Steges sowie die Knicke führen zu Torsionsbeanspruchungen im Stegquerschnitt. Um diese zu minimieren, wurden die Stützen – wo möglich – direkt in den Knicken positioniert. Die aus statischer Sicht zu bevorzugenden vertikalen Stützen können aufgrund des durch tektonische Störzonen und Verwitterungsprozesse stark aufgelockerten Felsverbandes nur an zwei Stellen ausgebildet werden. An den anderen drei Auflagerpunkten werden konsolartige Auflager ausgebildet (Abb. 3). Alle Fundamente sind mit vorgespannten Ankern und zum Teil zusätzlichen Nägeln in den Fels verankert. Diese Anker sichern gleichzeitig den Fels, indem sie durch Störzonen abgetrennte Bereiche mit dem gesunden Fels verbinden. Zum Rheinfall hin endet der Steg an einem weiteren Stützbauwerk, das zwischen bestehenden Wegen in den Hang einschneidet. Es wurde auf dem gut tragfähigen Fels fundiert. Aufgrund der steil abfallenden Felsoberfläche waren dazu talseits bis zu 2.5 m tiefe Betonriegel erforderlich.

Stabilität für die touristische Inszenierung prüfen

Der am Südrand des Rheinfalls exponiert emporragende Felskopf des Belvedere (Oberes Känzeli) wird durch mehrere Störungszonen in einzelne Felspakete durchtrennt. Im Winter 1963/64 ereignete sich an der Felswand unterhalb des Belvederes ein Felsabbruch. In der Folge wurde der Felskopf mit 7 rund 20 m langen Felsankern gesichert. Seit etwa 1986 wird der Felskopf des Belvederes durch periodische Kluftsiegel-Kontrollen und geodätische Messungen überwacht. Dabei wurden bisher keine Anzeichen auf Bewegungen festgestellt. Die zu erwartenden Versagensmechanismen können jedoch sehr spröde erfolgen und müssen sich daher nicht zwingend in Form von Verschiebungen ankündigen. Eine reine Beobachtungsmassnahme bringt deshalb nicht die gewünschte Sicherheit.

Im Rahmen der touristischen Inszenierung wurden die Stabilitätsverhältnisse neu überprüft. Dafür wurde am hängenden Seil eine Felskontrolle und Trennflächenanalyse durchgeführt.

Diese zeigte, dass auch ausserhalb des durch die bestehenden Anker gesicherten Bereiches absturzgefährdete Felspartien vorhanden sind. Da zudem die Anker von 1963/64 nicht mehr den heutigen Anforderungen an permanente Anker genügen, bestand unabhängig vom Erschliessungsprojekt ein zwingender Handlungsbedarf. In einer ersten Phase wurden die möglichen Gefährdungsbilder mit geologischen Modellen ermittelt. Das Modell wurde anhand eines 3-D-Geländemodell entwickelt, die Kluftflächen wurden eingezeichnet, miteinander verschnitten und die gesuchten Bruchkörper so gefunden. Diese Modelle sind naturgemäss keine exakten Abbildungen der Wirklichkeit, die Unsicherheiten der Modellbildungen wurden mittels Sensitivitätsanalyse minimiert. Die Bruchkörperanalyse ist die Grundlage für die statischen Berechnungen, in denen an den einzelnen Bruchkörpern die Gleit- und Kippnachweise geführt und damit die massgebenden Ankerkräfte ermittelt wurden. Aus der Bruchkörperanalyse wurden die nötigen Massnahmen zur Sicherung der Aussichtsplattform abgeleitet. Das gewählte Sicherungskonzept resultiert schliesslich aus mehreren Varianten, die in einem interdisziplinären Projektteam diskutiert wurden.

Kostümierung der Ankerköpfe

Der Rheinfall ist im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgeführt. Daher wurde das Projekt eng von der Eidgenössischen Naturund Heimatschutzkommission (ENHK) begleitet und auf Übereinstimmung mit dem Umweltschutzrecht geprüft und bewilligt. Die Sanierungsmassnahmen beinhalten 31 vorgespannte Anker, die bis zu 20 m in den Fels gebohrt wurden, sowie 53 ungespannte Anker, lokale armierte Spritzbetonplomben und ein Steinschlagnetz. Da der hydrostatische Druck in wasserführenden Klüften eine für die Stabilität massgebende Grösse darstellt, wurden zur Verminderung respektive zur Limitierung des maximalen Wasserdruckes im unteren Bereich der Felswand Drainagebohrungen angeordnet. Damit der Eingriff in die Natur so unsichtbar wie möglich ausfällt, wurden die Ankerköpfe dem anstehenden Fels so gut wie möglich angepasst. Ihre Oberflächen wurden gar durch einen Steinmetz bearbeitet und der Beton mit Pigmenten versehen, damit er farblich dem Fels ähnelt.

TEC21, Fr., 2010.05.14



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TEC21 2010|20 Naturtheater

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