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09. Mai 2014Andrea Wittel
Silvio Giroud
TEC21

Braucht es ein Label?

Neben dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz soll es bald auch ein entsprechendes Label geben. Ob das sinnvoll ist, ist umstritten. Wir lassen einen...

Neben dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz soll es bald auch ein entsprechendes Label geben. Ob das sinnvoll ist, ist umstritten. Wir lassen einen...

Neben dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz soll es bald auch ein entsprechendes Label geben. Ob das sinnvoll ist, ist umstritten. Wir lassen einen Befürworter und eine Gegnerin zu Wort kommen.

Pro

Der neue Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) bietet eine zeitgemässe Definition, was nachhaltiges Bauen in der Schweiz zukünftig sein soll. Sogar bisher vernachlässigte Themen wie die Artenvielfalt in den Aussenräumen werden darin berücksichtigt und mit Planungshinweisen verbunden. Diese umfassende Betrachtung von Nachhaltigkeit stellt eine gute Balance zwischen den Bereichen Umwelt – auf den sich Gebäudezertifizierungen bisher mehrheitlich konzentriert haben –, Wirtschaft und Gesellschaft sicher.

Nicht zuletzt ist der SNBS eine Erfolgsgeschichte, weil viele Akteure der Immobilien- und Baubranche, die öffentliche Hand, die Wissenschaft sowie die Wirtschaft (Investoren) an der Definition des Standards mitgearbeitet haben.

Das ist aber nur der halbe Weg. Eine umfangreiche Berücksichtigung der Nachhaltigkeit erfordert Investitionen. Diese zahlen sich wirtschaftlich durch einen langfristigen Mehrwert für das Projekt aus. Die Nachhaltigkeit eines Objekts wird aber deutlich stärker wahrgenommen, wenn sie mit einem Label zertifiziert ist. Deshalb muss der SNBS auch als Label zum Einsatz kommen. Der Standard SNBS legt die Kriterien fest, das Label hingegen das konkrete Anforderungslevel, sprich den «State of the Art». Dieses soll eine echte Antriebskraft darstellen, damit die Branche sich nicht nur mit Analysen zufrieden gibt, sondern mit der konkreten Umsetzung des nachhaltigen Bauens. Insbesondere soll die Schaffung eines Labels eine klare Kommunikation und Vergleichbarkeit der Projekte in diesem Bereich gewährleisten. Nur so kann die Vision des SNBS, diese fortschrittliche schweizerische Definition der Nachhaltigkeit, konkret zum Einsatz kommen!

Contra

Brauchen wir ein weiteres Element im ohnehin schon unübersichtlichen Labelwald, um Gebäude nachhaltiger planen, bauen und betreiben zu können? Der Standard unterstützt Bauherren, Investoren und Planer in ihrer täglichen Arbeit. Er leitet sie auf dem Weg zu einem nachhaltigen Gebäude, ohne einen unverhältnismässigen Aufwand für Dokumentation, Prüfung, Zertifizierung usw. zu generieren – in zeitlicher wie auch finanzieller Hinsicht.

Ein Label – egal wie schlank ausgelegt – impliziert hingegen einen nicht unerheblichen Aufwand für die Dokumentation, ohne die Gebäude nicht prüf- und somit bewertbar sind. Eine der Prämissen für die Entwicklung des SNBS war, dass er «kurz und einfach sein soll». Er kann daher, obwohl er alle Dimensionen des nachhaltigen Bauens umfasst und Zielwerte vorgibt, mit überschaubarem Aufwand angewandt werden und eine nutzbringende Bewertung liefern. Er zeigt auf, wo ein Gebäude – egal ob Neubau oder Bestand – Potenzial für eine nachhaltige Entwicklung hat und wo Zielkonflikte entstehen.

Das ist es, was wir brauchen: ein Planungs- und Steuerungsinstrument, das als solches verstanden und genutzt wird. Eines, mit dem man über alle Phasen die Entwicklung des Projekts mess- und vergleichbar nachverfolgen und somit die Qualität sichern kann. Mit dem SNBS kann zudem auch ein bestehendes Gebäude überprüft und dessen Entwicklung entsprechend gesteuert werden. Wenn der Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz so verstanden und weiterentwickelt wird, hat die Schweiz mehr, als ein Label je erreichen kann.

TEC21, Fr., 2014.05.09



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2014|19 Ein neuer Standard für nachhaltiges Bauen

Felsenfest verankert

Dank einem Lift und einem neuen Steg ist das Naturschauspiel des Rheinfalls einfacher zu erreichen. Die Bauingenieure von Ernst Basler Partner fügten die Tragkonstruktionen geschickt in die anspruchsvolle Kulisse ein. Doch weil diese bröckelt, mussten sie in Zusammenarbeit mit dem Geologen der Dr. Heinrich Jäckli AG zuerst den Fels stabilisieren.

Dank einem Lift und einem neuen Steg ist das Naturschauspiel des Rheinfalls einfacher zu erreichen. Die Bauingenieure von Ernst Basler Partner fügten die Tragkonstruktionen geschickt in die anspruchsvolle Kulisse ein. Doch weil diese bröckelt, mussten sie in Zusammenarbeit mit dem Geologen der Dr. Heinrich Jäckli AG zuerst den Fels stabilisieren.

Die grössten Eingriffe am Felsen unter dem Schloss Laufen waren der Neubau des Belvederestegs und des Liftturms (vgl. S. 18 ff.). Der gestalterische Entwurf und das Tragwerkskonzept mussten sich stark mit den geologischen und topografischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Besonders deutlich wurde dies beim Grundriss und den Fundationen des Steges sowie bei der Platzierung des Turmes.

EIn Standort für den Liftturm

Als Standort für den Turm wurde eine Stelle direkt unterhalb eines Durchlasses in der denkmalgeschützten Schlossmauer gewählt, der bislang zu einem kleinen Aussichtsbalkon führte. Hier fällt der Fels am steilsten ab, sodass der Turm nahe an die natürliche Felswand gebaut werden konnte, sich so besser in die Gesamterscheinung des Berges einfügt und die Verbindungsplattform zwischen Schlosshof und Turm relativ kurz werden konnte. Ein weiterer Vorteil war, dass am Fuss dieser steilen Felswand die Felsobergrenze deutlich flacher wird und nur wenige Meter unter der Terrainoberfläche verläuft. So reduzieren sich die Probleme, die der hier vorhandene Rutschhang verursacht, auf die untere Plattform.

Der Turm ist als eingespannter Kragarm konzipiert. Der Schaft, der die beiden Liftkabinen trägt, ist als schiefwinkliges Trapez ausgebildet, was die vorteilhafte Ausrichtung der Kabinen ermöglicht und statisch einen idealen Querschnitt für den Abtrag der horizontalen Lasten (Wind, Erdbeben) und der asymmetrischen Belastungen aus den beiden Kabinen darstellt. Die Einspannung des Turmes wird über die parallel zum Hang angeordneten Wände der Liftunterfahrten erreicht. Über diese trägerartigen Wandscheiben wird das Einspannmoment in ein Kräftepaar aufgeteilt, das über Mikropfähle in den unverwitterten Fels eingeleitet wird. Die untere Plattform schliesst an der Liftunterfahrt an. Deren talseitig abschliessende Wand wird ebenfalls auf Mikropfählen im Fels gelagert, damit die im Rutschhang entstehenden Bewegungen nicht zu Schäden führen können (Abb. 1). Die obere Plattform, die die Verbindung zum Schlosshof bildet, ist als tragender U-Querschnitt ausgebildet und am Turm eingespannt. An der Schlossmauer ist sie auf einem natürlichen Felsvorsprung horizontal verschieblich aufgelagert, der mit ungespannten Ankern gesichert wurde.

Die Stahlkonstruktion des Steges

Der sensiblen Umgebung und nicht zuletzt der schwierigen Randbedingungen für die Montage des Steges wegen wurde hier eine Stahlkonstruktion gewählt. Das Tragwerk ist grundsätzlich als sechsfeldriger Durchlaufträger konzipiert, der an beiden Enden schwimmend gelagert ist. Stabilisiert wird der Steg durch die Einspannungen an den Stützenköpfen und die geometrische Steifigkeit, die aus dem geknickten Grundriss resultiert. Der Stegquerschnitt besteht in der Regel aus zwei an den Rändern angeordneten Hohlkastenträgern, die durch «radial» angeordnete Träger in den Knicken miteinander verbunden werden. Zum Turm hin ergeben sich zwei relativ grosse Spannweiten, die in der Schwingungsanalyse Frequenzen zeigten, die durch Fussgänger angeregt werden könnten. Hier ist jeweils ein zusätzlicher Träger in der Mitte des Steges angeordnet, der die Steifigkeit der Brücke so beeinflusst, dass nun die Frequenzen ausserhalb des kritischen Bereiches liegen.

Die unterschiedlichen Breiten des Steges sowie die Knicke führen zu Torsionsbeanspruchungen im Stegquerschnitt. Um diese zu minimieren, wurden die Stützen – wo möglich – direkt in den Knicken positioniert. Die aus statischer Sicht zu bevorzugenden vertikalen Stützen können aufgrund des durch tektonische Störzonen und Verwitterungsprozesse stark aufgelockerten Felsverbandes nur an zwei Stellen ausgebildet werden. An den anderen drei Auflagerpunkten werden konsolartige Auflager ausgebildet (Abb. 3). Alle Fundamente sind mit vorgespannten Ankern und zum Teil zusätzlichen Nägeln in den Fels verankert. Diese Anker sichern gleichzeitig den Fels, indem sie durch Störzonen abgetrennte Bereiche mit dem gesunden Fels verbinden. Zum Rheinfall hin endet der Steg an einem weiteren Stützbauwerk, das zwischen bestehenden Wegen in den Hang einschneidet. Es wurde auf dem gut tragfähigen Fels fundiert. Aufgrund der steil abfallenden Felsoberfläche waren dazu talseits bis zu 2.5 m tiefe Betonriegel erforderlich.

Stabilität für die touristische Inszenierung prüfen

Der am Südrand des Rheinfalls exponiert emporragende Felskopf des Belvedere (Oberes Känzeli) wird durch mehrere Störungszonen in einzelne Felspakete durchtrennt. Im Winter 1963/64 ereignete sich an der Felswand unterhalb des Belvederes ein Felsabbruch. In der Folge wurde der Felskopf mit 7 rund 20 m langen Felsankern gesichert. Seit etwa 1986 wird der Felskopf des Belvederes durch periodische Kluftsiegel-Kontrollen und geodätische Messungen überwacht. Dabei wurden bisher keine Anzeichen auf Bewegungen festgestellt. Die zu erwartenden Versagensmechanismen können jedoch sehr spröde erfolgen und müssen sich daher nicht zwingend in Form von Verschiebungen ankündigen. Eine reine Beobachtungsmassnahme bringt deshalb nicht die gewünschte Sicherheit.

Im Rahmen der touristischen Inszenierung wurden die Stabilitätsverhältnisse neu überprüft. Dafür wurde am hängenden Seil eine Felskontrolle und Trennflächenanalyse durchgeführt.

Diese zeigte, dass auch ausserhalb des durch die bestehenden Anker gesicherten Bereiches absturzgefährdete Felspartien vorhanden sind. Da zudem die Anker von 1963/64 nicht mehr den heutigen Anforderungen an permanente Anker genügen, bestand unabhängig vom Erschliessungsprojekt ein zwingender Handlungsbedarf. In einer ersten Phase wurden die möglichen Gefährdungsbilder mit geologischen Modellen ermittelt. Das Modell wurde anhand eines 3-D-Geländemodell entwickelt, die Kluftflächen wurden eingezeichnet, miteinander verschnitten und die gesuchten Bruchkörper so gefunden. Diese Modelle sind naturgemäss keine exakten Abbildungen der Wirklichkeit, die Unsicherheiten der Modellbildungen wurden mittels Sensitivitätsanalyse minimiert. Die Bruchkörperanalyse ist die Grundlage für die statischen Berechnungen, in denen an den einzelnen Bruchkörpern die Gleit- und Kippnachweise geführt und damit die massgebenden Ankerkräfte ermittelt wurden. Aus der Bruchkörperanalyse wurden die nötigen Massnahmen zur Sicherung der Aussichtsplattform abgeleitet. Das gewählte Sicherungskonzept resultiert schliesslich aus mehreren Varianten, die in einem interdisziplinären Projektteam diskutiert wurden.

Kostümierung der Ankerköpfe

Der Rheinfall ist im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgeführt. Daher wurde das Projekt eng von der Eidgenössischen Naturund Heimatschutzkommission (ENHK) begleitet und auf Übereinstimmung mit dem Umweltschutzrecht geprüft und bewilligt. Die Sanierungsmassnahmen beinhalten 31 vorgespannte Anker, die bis zu 20 m in den Fels gebohrt wurden, sowie 53 ungespannte Anker, lokale armierte Spritzbetonplomben und ein Steinschlagnetz. Da der hydrostatische Druck in wasserführenden Klüften eine für die Stabilität massgebende Grösse darstellt, wurden zur Verminderung respektive zur Limitierung des maximalen Wasserdruckes im unteren Bereich der Felswand Drainagebohrungen angeordnet. Damit der Eingriff in die Natur so unsichtbar wie möglich ausfällt, wurden die Ankerköpfe dem anstehenden Fels so gut wie möglich angepasst. Ihre Oberflächen wurden gar durch einen Steinmetz bearbeitet und der Beton mit Pigmenten versehen, damit er farblich dem Fels ähnelt.

TEC21, Fr., 2010.05.14



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2010|20 Naturtheater

Presseschau 12

09. Mai 2014Andrea Wittel
Silvio Giroud
TEC21

Braucht es ein Label?

Neben dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz soll es bald auch ein entsprechendes Label geben. Ob das sinnvoll ist, ist umstritten. Wir lassen einen...

Neben dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz soll es bald auch ein entsprechendes Label geben. Ob das sinnvoll ist, ist umstritten. Wir lassen einen...

Neben dem Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz soll es bald auch ein entsprechendes Label geben. Ob das sinnvoll ist, ist umstritten. Wir lassen einen Befürworter und eine Gegnerin zu Wort kommen.

Pro

Der neue Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) bietet eine zeitgemässe Definition, was nachhaltiges Bauen in der Schweiz zukünftig sein soll. Sogar bisher vernachlässigte Themen wie die Artenvielfalt in den Aussenräumen werden darin berücksichtigt und mit Planungshinweisen verbunden. Diese umfassende Betrachtung von Nachhaltigkeit stellt eine gute Balance zwischen den Bereichen Umwelt – auf den sich Gebäudezertifizierungen bisher mehrheitlich konzentriert haben –, Wirtschaft und Gesellschaft sicher.

Nicht zuletzt ist der SNBS eine Erfolgsgeschichte, weil viele Akteure der Immobilien- und Baubranche, die öffentliche Hand, die Wissenschaft sowie die Wirtschaft (Investoren) an der Definition des Standards mitgearbeitet haben.

Das ist aber nur der halbe Weg. Eine umfangreiche Berücksichtigung der Nachhaltigkeit erfordert Investitionen. Diese zahlen sich wirtschaftlich durch einen langfristigen Mehrwert für das Projekt aus. Die Nachhaltigkeit eines Objekts wird aber deutlich stärker wahrgenommen, wenn sie mit einem Label zertifiziert ist. Deshalb muss der SNBS auch als Label zum Einsatz kommen. Der Standard SNBS legt die Kriterien fest, das Label hingegen das konkrete Anforderungslevel, sprich den «State of the Art». Dieses soll eine echte Antriebskraft darstellen, damit die Branche sich nicht nur mit Analysen zufrieden gibt, sondern mit der konkreten Umsetzung des nachhaltigen Bauens. Insbesondere soll die Schaffung eines Labels eine klare Kommunikation und Vergleichbarkeit der Projekte in diesem Bereich gewährleisten. Nur so kann die Vision des SNBS, diese fortschrittliche schweizerische Definition der Nachhaltigkeit, konkret zum Einsatz kommen!

Contra

Brauchen wir ein weiteres Element im ohnehin schon unübersichtlichen Labelwald, um Gebäude nachhaltiger planen, bauen und betreiben zu können? Der Standard unterstützt Bauherren, Investoren und Planer in ihrer täglichen Arbeit. Er leitet sie auf dem Weg zu einem nachhaltigen Gebäude, ohne einen unverhältnismässigen Aufwand für Dokumentation, Prüfung, Zertifizierung usw. zu generieren – in zeitlicher wie auch finanzieller Hinsicht.

Ein Label – egal wie schlank ausgelegt – impliziert hingegen einen nicht unerheblichen Aufwand für die Dokumentation, ohne die Gebäude nicht prüf- und somit bewertbar sind. Eine der Prämissen für die Entwicklung des SNBS war, dass er «kurz und einfach sein soll». Er kann daher, obwohl er alle Dimensionen des nachhaltigen Bauens umfasst und Zielwerte vorgibt, mit überschaubarem Aufwand angewandt werden und eine nutzbringende Bewertung liefern. Er zeigt auf, wo ein Gebäude – egal ob Neubau oder Bestand – Potenzial für eine nachhaltige Entwicklung hat und wo Zielkonflikte entstehen.

Das ist es, was wir brauchen: ein Planungs- und Steuerungsinstrument, das als solches verstanden und genutzt wird. Eines, mit dem man über alle Phasen die Entwicklung des Projekts mess- und vergleichbar nachverfolgen und somit die Qualität sichern kann. Mit dem SNBS kann zudem auch ein bestehendes Gebäude überprüft und dessen Entwicklung entsprechend gesteuert werden. Wenn der Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz so verstanden und weiterentwickelt wird, hat die Schweiz mehr, als ein Label je erreichen kann.

TEC21, Fr., 2014.05.09



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2014|19 Ein neuer Standard für nachhaltiges Bauen

Felsenfest verankert

Dank einem Lift und einem neuen Steg ist das Naturschauspiel des Rheinfalls einfacher zu erreichen. Die Bauingenieure von Ernst Basler Partner fügten die Tragkonstruktionen geschickt in die anspruchsvolle Kulisse ein. Doch weil diese bröckelt, mussten sie in Zusammenarbeit mit dem Geologen der Dr. Heinrich Jäckli AG zuerst den Fels stabilisieren.

Dank einem Lift und einem neuen Steg ist das Naturschauspiel des Rheinfalls einfacher zu erreichen. Die Bauingenieure von Ernst Basler Partner fügten die Tragkonstruktionen geschickt in die anspruchsvolle Kulisse ein. Doch weil diese bröckelt, mussten sie in Zusammenarbeit mit dem Geologen der Dr. Heinrich Jäckli AG zuerst den Fels stabilisieren.

Die grössten Eingriffe am Felsen unter dem Schloss Laufen waren der Neubau des Belvederestegs und des Liftturms (vgl. S. 18 ff.). Der gestalterische Entwurf und das Tragwerkskonzept mussten sich stark mit den geologischen und topografischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Besonders deutlich wurde dies beim Grundriss und den Fundationen des Steges sowie bei der Platzierung des Turmes.

EIn Standort für den Liftturm

Als Standort für den Turm wurde eine Stelle direkt unterhalb eines Durchlasses in der denkmalgeschützten Schlossmauer gewählt, der bislang zu einem kleinen Aussichtsbalkon führte. Hier fällt der Fels am steilsten ab, sodass der Turm nahe an die natürliche Felswand gebaut werden konnte, sich so besser in die Gesamterscheinung des Berges einfügt und die Verbindungsplattform zwischen Schlosshof und Turm relativ kurz werden konnte. Ein weiterer Vorteil war, dass am Fuss dieser steilen Felswand die Felsobergrenze deutlich flacher wird und nur wenige Meter unter der Terrainoberfläche verläuft. So reduzieren sich die Probleme, die der hier vorhandene Rutschhang verursacht, auf die untere Plattform.

Der Turm ist als eingespannter Kragarm konzipiert. Der Schaft, der die beiden Liftkabinen trägt, ist als schiefwinkliges Trapez ausgebildet, was die vorteilhafte Ausrichtung der Kabinen ermöglicht und statisch einen idealen Querschnitt für den Abtrag der horizontalen Lasten (Wind, Erdbeben) und der asymmetrischen Belastungen aus den beiden Kabinen darstellt. Die Einspannung des Turmes wird über die parallel zum Hang angeordneten Wände der Liftunterfahrten erreicht. Über diese trägerartigen Wandscheiben wird das Einspannmoment in ein Kräftepaar aufgeteilt, das über Mikropfähle in den unverwitterten Fels eingeleitet wird. Die untere Plattform schliesst an der Liftunterfahrt an. Deren talseitig abschliessende Wand wird ebenfalls auf Mikropfählen im Fels gelagert, damit die im Rutschhang entstehenden Bewegungen nicht zu Schäden führen können (Abb. 1). Die obere Plattform, die die Verbindung zum Schlosshof bildet, ist als tragender U-Querschnitt ausgebildet und am Turm eingespannt. An der Schlossmauer ist sie auf einem natürlichen Felsvorsprung horizontal verschieblich aufgelagert, der mit ungespannten Ankern gesichert wurde.

Die Stahlkonstruktion des Steges

Der sensiblen Umgebung und nicht zuletzt der schwierigen Randbedingungen für die Montage des Steges wegen wurde hier eine Stahlkonstruktion gewählt. Das Tragwerk ist grundsätzlich als sechsfeldriger Durchlaufträger konzipiert, der an beiden Enden schwimmend gelagert ist. Stabilisiert wird der Steg durch die Einspannungen an den Stützenköpfen und die geometrische Steifigkeit, die aus dem geknickten Grundriss resultiert. Der Stegquerschnitt besteht in der Regel aus zwei an den Rändern angeordneten Hohlkastenträgern, die durch «radial» angeordnete Träger in den Knicken miteinander verbunden werden. Zum Turm hin ergeben sich zwei relativ grosse Spannweiten, die in der Schwingungsanalyse Frequenzen zeigten, die durch Fussgänger angeregt werden könnten. Hier ist jeweils ein zusätzlicher Träger in der Mitte des Steges angeordnet, der die Steifigkeit der Brücke so beeinflusst, dass nun die Frequenzen ausserhalb des kritischen Bereiches liegen.

Die unterschiedlichen Breiten des Steges sowie die Knicke führen zu Torsionsbeanspruchungen im Stegquerschnitt. Um diese zu minimieren, wurden die Stützen – wo möglich – direkt in den Knicken positioniert. Die aus statischer Sicht zu bevorzugenden vertikalen Stützen können aufgrund des durch tektonische Störzonen und Verwitterungsprozesse stark aufgelockerten Felsverbandes nur an zwei Stellen ausgebildet werden. An den anderen drei Auflagerpunkten werden konsolartige Auflager ausgebildet (Abb. 3). Alle Fundamente sind mit vorgespannten Ankern und zum Teil zusätzlichen Nägeln in den Fels verankert. Diese Anker sichern gleichzeitig den Fels, indem sie durch Störzonen abgetrennte Bereiche mit dem gesunden Fels verbinden. Zum Rheinfall hin endet der Steg an einem weiteren Stützbauwerk, das zwischen bestehenden Wegen in den Hang einschneidet. Es wurde auf dem gut tragfähigen Fels fundiert. Aufgrund der steil abfallenden Felsoberfläche waren dazu talseits bis zu 2.5 m tiefe Betonriegel erforderlich.

Stabilität für die touristische Inszenierung prüfen

Der am Südrand des Rheinfalls exponiert emporragende Felskopf des Belvedere (Oberes Känzeli) wird durch mehrere Störungszonen in einzelne Felspakete durchtrennt. Im Winter 1963/64 ereignete sich an der Felswand unterhalb des Belvederes ein Felsabbruch. In der Folge wurde der Felskopf mit 7 rund 20 m langen Felsankern gesichert. Seit etwa 1986 wird der Felskopf des Belvederes durch periodische Kluftsiegel-Kontrollen und geodätische Messungen überwacht. Dabei wurden bisher keine Anzeichen auf Bewegungen festgestellt. Die zu erwartenden Versagensmechanismen können jedoch sehr spröde erfolgen und müssen sich daher nicht zwingend in Form von Verschiebungen ankündigen. Eine reine Beobachtungsmassnahme bringt deshalb nicht die gewünschte Sicherheit.

Im Rahmen der touristischen Inszenierung wurden die Stabilitätsverhältnisse neu überprüft. Dafür wurde am hängenden Seil eine Felskontrolle und Trennflächenanalyse durchgeführt.

Diese zeigte, dass auch ausserhalb des durch die bestehenden Anker gesicherten Bereiches absturzgefährdete Felspartien vorhanden sind. Da zudem die Anker von 1963/64 nicht mehr den heutigen Anforderungen an permanente Anker genügen, bestand unabhängig vom Erschliessungsprojekt ein zwingender Handlungsbedarf. In einer ersten Phase wurden die möglichen Gefährdungsbilder mit geologischen Modellen ermittelt. Das Modell wurde anhand eines 3-D-Geländemodell entwickelt, die Kluftflächen wurden eingezeichnet, miteinander verschnitten und die gesuchten Bruchkörper so gefunden. Diese Modelle sind naturgemäss keine exakten Abbildungen der Wirklichkeit, die Unsicherheiten der Modellbildungen wurden mittels Sensitivitätsanalyse minimiert. Die Bruchkörperanalyse ist die Grundlage für die statischen Berechnungen, in denen an den einzelnen Bruchkörpern die Gleit- und Kippnachweise geführt und damit die massgebenden Ankerkräfte ermittelt wurden. Aus der Bruchkörperanalyse wurden die nötigen Massnahmen zur Sicherung der Aussichtsplattform abgeleitet. Das gewählte Sicherungskonzept resultiert schliesslich aus mehreren Varianten, die in einem interdisziplinären Projektteam diskutiert wurden.

Kostümierung der Ankerköpfe

Der Rheinfall ist im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) aufgeführt. Daher wurde das Projekt eng von der Eidgenössischen Naturund Heimatschutzkommission (ENHK) begleitet und auf Übereinstimmung mit dem Umweltschutzrecht geprüft und bewilligt. Die Sanierungsmassnahmen beinhalten 31 vorgespannte Anker, die bis zu 20 m in den Fels gebohrt wurden, sowie 53 ungespannte Anker, lokale armierte Spritzbetonplomben und ein Steinschlagnetz. Da der hydrostatische Druck in wasserführenden Klüften eine für die Stabilität massgebende Grösse darstellt, wurden zur Verminderung respektive zur Limitierung des maximalen Wasserdruckes im unteren Bereich der Felswand Drainagebohrungen angeordnet. Damit der Eingriff in die Natur so unsichtbar wie möglich ausfällt, wurden die Ankerköpfe dem anstehenden Fels so gut wie möglich angepasst. Ihre Oberflächen wurden gar durch einen Steinmetz bearbeitet und der Beton mit Pigmenten versehen, damit er farblich dem Fels ähnelt.

TEC21, Fr., 2010.05.14



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