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15. August 2018Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Entsorgen Sie diese Möbel bitte nicht! In Chur regt sich Widerstand gegen eine Renovation

Die geplante Renovation des Konvikts in Chur wirft grundsätzliche denkmalpflegerische Fragen auf im Umgang mit architektonischen Zeitzeugen.

Die geplante Renovation des Konvikts in Chur wirft grundsätzliche denkmalpflegerische Fragen auf im Umgang mit architektonischen Zeitzeugen.

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08. Juli 2015Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Positive Wende bei der Siedlung Halen

In Bern zeichnet sich eine Lösung ab für die gefährdete Sanierung der zwischen 1955 und 1962 vom Atelier 5 realisierten Siedlung Halen.

In Bern zeichnet sich eine Lösung ab für die gefährdete Sanierung der zwischen 1955 und 1962 vom Atelier 5 realisierten Siedlung Halen.

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17. April 2014Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Eine Architekturikone in Gefahr

Die zwischen 1955 und 1962 vom Atelier 5 realisierte Siedlung Halen muss saniert werden. Ein Konzept liegt vor. Doch die Eigentümer haben andere Vorstellungen. Jetzt ist der Kanton Bern gefordert.

Die zwischen 1955 und 1962 vom Atelier 5 realisierte Siedlung Halen muss saniert werden. Ein Konzept liegt vor. Doch die Eigentümer haben andere Vorstellungen. Jetzt ist der Kanton Bern gefordert.

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26. April 2013Bernhard Furrer
TEC21

Sorgfältiges Abwägen

Die vorgesehene Stilllegung des historischen Albulatunnels, die massiven Eingriffe, die für seine Nutzung als Sicherheitsstollen erforderlich sind, und der Bau eines neuen Paralleltunnels widersprechen wichtigen denkmalpflegerischen Grundsätzen. Obwohl der Scheiteltunnel ein wesentlicher Bestandteil des Weltkulturerbes ist, setzte die Rhätische Bahn das Neubauprojekt durch. Immerhin sollen durch einen «Masterplan Gestaltung» historische Elemente auf den Vorgeländen der Portale geschützt und die Neubauteile adäquat gestaltet werden.

Die vorgesehene Stilllegung des historischen Albulatunnels, die massiven Eingriffe, die für seine Nutzung als Sicherheitsstollen erforderlich sind, und der Bau eines neuen Paralleltunnels widersprechen wichtigen denkmalpflegerischen Grundsätzen. Obwohl der Scheiteltunnel ein wesentlicher Bestandteil des Weltkulturerbes ist, setzte die Rhätische Bahn das Neubauprojekt durch. Immerhin sollen durch einen «Masterplan Gestaltung» historische Elemente auf den Vorgeländen der Portale geschützt und die Neubauteile adäquat gestaltet werden.

Die 1903 eröffnete Albulastrecke der Rhätischen Bahn (RhB) ist in vieler Hinsicht ein aussergewöhnliches Werk. Zunächst ist die technische Leistung hervorzuheben, eine Alpenbahn als reine Adhäsionsbahn zu bauen, um auf einer Strecke von 67 km mit 42 Tunnels und Galerien und 144 Viadukten und Brücken nahezu 1100 Höhenmeter zu überwinden. Ebenso bedeutend ist die Integration der Bahnstrecke in die Landschaft und die architektonische Qualität sowohl der Tief- (Tunnelportale und Brücken) als auch der Hochbauten (Stationsgebäude oder technische Bauten). Der Bahnbau erlaubte es den Alpentälern, ihre Isolation zu überwinden, und leistete damit einen entscheidenden sozioökonomischen Beitrag.

Der universelle Wert der Albulabahn kommt in der Aufnahme in die Welterbeliste der Unesco im Jahr 2008 zum Ausdruck.[1] Diese ist eine Anerkennung ihres Rangs und der für ihren Schutz vorgesehenen Massnahmen, bringt internationale Aufmerksamkeit und lässt sich touristisch verwerten. Sie bedeutet aber auch eine grosse Verantwortung. Diese ist in erster Linie durch die RhB wahrzunehmen, unterstützt und überwacht durch den Kanton Graubünden.[2] Die Schweizerische Eidgenossenschaft als Signatarstaat des «Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturgutes der Welt»[3] steht subsidiär in der Pflicht.

Der schleichenden Entwertung entgegenwirken

Ein technisches Bauwerk von diesem Umfang in seinem kulturellen Wert vollständig zu erhalten ist fast unmöglich. Täglich sind Bauequipen für Kontrolle und Unterhalt unterwegs; vieles wird verändert. An den Stationsgebäuden und Bahnanlagen ist erkennbar, wie sich kleine Eingriffe in ihrer Summe gravierend auswirken können. Der schleichenden Entwertung kann nur durch eine unternehmensinterne Kultur des Respekts vor dem Bestand entgegengewirkt werden, unterstützt durch entsprechende Leitlinien.[4]

Bei grösseren Vorhaben sind die Zuständigkeiten geregelt, und neben den technischen Aspekten werden die Schutzanforderungen einbezogen. Die technischen Fragen betreffen vorrangig die Sicherheitsaspekte und den reibungslosen Bahnbetrieb. Die heutige mitteleuropäische Gesellschaft erwartet eine Minimierung jeglicher möglichen Gefahr um fast jeden Preis, und entsprechend werden die behördlichen Anforderungen Jahr für Jahr erhöht. Diese Aufwärtsspirale der Regulierungen betrifft keineswegs bloss die Bahnen, es scheint aber so, als sei sie hier besonders ausgeprägt. Vorschriften werden häufig absolut genommen, ein Abwägen findet nicht statt (vgl. «Zu viel Sicherheit?», S. 22). Bei den Schutzanforderungen geht es um das Erhalten der baulichen Substanz und den Schutz der äusseren Erscheinung. Es ist wichtig zu betonen, dass es nicht genügt, die Veränderungen lediglich so zu begleiten («managing change»), dass nach einem Eingriff wieder ein annähernd gleiches Bild geschaffen wird.[5]

Der Entscheid für einen Neubau am Albula

Der Scheiteltunnel ist ein überaus bedeutender Bestandteil des Gesamtwerks der Albulalinie. Die Portale sind wichtige architektonische Einzelwerke, die gradlinige Zufahrt zu den Portalen, die landschaftliche Situation und die beidseits angeordneten Stationsanlagen mit den technischen Gebäuden haben einen hohen Situationswert. Allerdings ist die Tunnelröhre in einem schlechten Bauzustand (vgl. Kasten «Bestehende Bausubstanz», S. 17). Die RhB sieht deshalb einen neuen Paralleltunnel vor, der unabhängig vom Betrieb des alten Tunnels erstellt werden kann; der bestehende Tunnel wird danach zu einem Sicherheitsstollen ausgebaut (vgl. «Der alte Albulatunnel bleibt Teil des Systems», S. 14).

Ein ausführliches Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege vom 10. Dezember 2010 empfiehlt, die Variante «Neubau» weiterzuverfolgen und die Personensicherheit als wichtigen Faktor zu verbessern.[6] Es stellt sich in der Tat die Frage, ob in dem seit mehr als hundert Jahren unfallfrei betriebenen Tunnel ein separat geführter Flucht- und Rettungsstollen überhaupt sinnvoll ist. Technisch ist es möglich, den bestehenden Tunnel unter Betrieb instand zu setzen und danach für weitere Generationen zu betreiben. Gestützt auf das Gutachten wurde auch eine «Instandsetzung Plus» geprüft. Sie sah den Bau eines parallelen Sicherheitsstollens neben dem instand gesetzten Tunnel vor. Wegen der gegenüber der Basisvariante höheren Kosten und der längeren Bauzeit wurde sie verworfen.

Das Bundesamt für Verkehr und das Bundesamt für Kultur wogen die beiden grundlegenden Vorgehensweisen – Instandsetzen des Bestands oder Neubau – gegeneinander ab (Kasten S. 19). Sie liessen schliesslich die Neubauvariante weiter verfolgen. Der Verlust der originalen Linienführung und die Stilllegung des Tunnels sei zu verantworten, vor allem weil bei einer Instandsetzung Einschränkungen im Betrieb während der Bauzeit hätten in Kauf genommen werden müssen und weil das Sicherheitsdispositiv den heutigen Vorstellungen nicht mehr entsprochen hätte. Das Bundesamt für Kultur stimmte dieser aus denkmalpflegerischer Sicht falschen Lösung zu; dabei war wohl die Einsicht massgebend, dass bei einer Interessenabwägung seitens des Bundes die Frage der Personen- und Betriebssicherheit sowie die finanzielle Verhältnismässigkeit überwiegen würden. Allerdings wäre es verheerend, wenn die nun für den Scheiteltunnel angewendeten Neubaukriterien auf weitere Bauwerke oder Streckenabschnitte der Albulalinie übertragen würden.

Grundsätzliche Vorarbeiten und Abklärungen

Nach dem Entscheid für einen neuen Paralleltunnel wurde eine «Arbeitsgruppe Denkmalpflege» eingesetzt. Sie begleitete die Planung und sorgte dafür, dass zumindest bei Einzelentscheiden sorgsam mit den wertvollen Bestandteilen der Albulalinie umgegangen wird.[7] Als ersten Schritt veranlasste die Arbeitsgruppe, dass ein bauhistorisches Inventar der Portalzonen erstellt wurde.[8] Es umfasst die Hoch- und Tiefbauten, die Spuren der Baustelleninstallation von 1903 sowie die Bahnanlagen und militärische Einrichtungen. Das Inventar bildet die Grundlage, um den Umgang mit den historischen Elementen während der verschiedenen Projektphasen festzulegen.

Weiter wurde eine Zwischenlösung vorgeschlagen. Der Paralleltunnel würde unabhängig gebaut, das Verschwenken in die alte Bahnachse indessen nicht vor den Portalen, sondern im Berg vorgenommen. So würden die bestehenden Portale in Betrieb bleiben und Schwierigkeiten wie das Versetzen von Gebäuden oder der Neubau der Brücke über den Beverin entfallen. Um die Verschwenkung zu bauen, wäre indessen ein Betriebsunterbruch von gut einem Jahr notwendig, und die Baukosten wären wesentlich höher gewesen – die Variante wurde daher fallen gelassen.

Sorge für Bistand und für Neubauten tragen

Nicht bloss Schutz und Erhaltung des Altbestands sind für die Pflege eines Denkmals wichtig, sondern auch eine hohe gestalterische Qualität von ergänzenden Neubauten des Ensembles. Auf Verlangen des Bundesexperten wurde daher ein Verfahren für die Gestaltung der beiden Tunnelportale sowie für den Umgang mit den Vorgeländen durchgeführt.[9]

Der Gewinner Rolf Mühlethaler aus Bern erarbeitete mit der Arbeitsgruppe den «Masterplan Gestaltung»[10], der die zu treffenden Massnahmen im Hoch- und Tiefbau umschreibt. Auch hier ging es immer wieder um ein sorgfältiges Abwägen zwischen der betrieblichen Ideallösung, den im Bauvorgang des neuen Tunnels am leichtesten umzusetzenden Massnahmen, den Kosten und dem angemessenen Weiterbestand der Zeugnisse. Es war nicht einfach zu vermitteln, dass für die architektonische Gestaltung von Alt- und Neubauten selbst Einzelheiten wie Materialien, ihre Behandlung, Anschlüsse und Farben wichtig sind und klar festgelegt werden müssen.

Zentral war die Frage, wie mit Hochbauten umzugehen sei, die im Bereich des neuen Trassees stehen. Zwei Beispiele: Während das Schalthaus auf der Seite Spinas nicht tangiert ist, wird sein Pendant auf der Seite Preda – ein hoch aufragender charakteristischer Turm aus massivem Mauerwerk – verschoben. Das hölzerne Wärterhaus in Preda muss für die Baustelleninstallation demontiert werden; es wird nach der Fertigstellung des Tunnels an leicht verschobenem Standort wieder aufgebaut.

Für die neuen Portale führten Abwägungsprozesse zu Lösungen, die zwar eine Verwandtschaft zu den bestehenden Anlagen haben, ihre um 110 Jahre spätere Entstehungszeit aber klar zeigen. So wird namentlich beim Doppelportal auf der Seite Spinas der Eindruck vermieden, es handle sich beim Albulatunnel um eine Anlage, die wie der Simplontunnel bereits ursprünglich mit zwei Röhren gebaut worden sei.

Auch die zusätzlichen Hochbauten für die technischen Einrichtungen und namentlich die neue Perronüberdachung mit Unterführung in Preda lösten kontroverse Diskussionen bezüglich Disposition und Gestaltung aus. Es ist erstaunlich, mit welchem Aufwand in der Schweiz eine völlig unbedeutende, kaum frequentierte Bahnstation ausgebaut wird – das separat geführte Gleis für die rege benutzten «Schlittlerzüge» ist davon unabhängig. In der eigentlichen Station werden für die wenigen Reisenden eine Unterführung mit Treppe, Rampe und eine grossflächige Perronüberdachung erstellt. Glücklich das Land, das über so grosse finanzielle Möglichkeiten verfügt?


Anmerkungen:
[01] http://whc.unesco.org/en/list/1276 (Abrufdatum 6. März 2013).
[02] Internationale Abkommen, die von der Eidgenossenschaft unterzeichnet werden, binden auch die Kantone. Aufgrund der schweizerischen Gesetzgebung, die den Bereich der Kultur und damit die Erhaltung des Kulturerbes in die Zuständigkeit der Kantone gibt, ist primär der Kanton Graubünden für die Umsetzung der Verpflichtungen aus der Welterbekonvention zuständig.
[03] Convention concernant la protection du patrimoine mondial, culturel et naturel, angenommen von der Generalkonferenz der Unesco am 16. November 1972.
[04] Beispiel solcher genereller Leitlinien: Erhaltung historischer Verkehrswege, technische Vollzugshilfe. Bundesamt für Strassen Astra, 2008.
[05] Bernhard Furrer: Das Denkmal zwischen materiellem Zeugnis und ideellem Wert. In: Kunst und Architektur in der Schweiz 1 – 2012. S. 6 ff.
[06] Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege: GR Preda – Spinas, Albulatunnel. Gutachten vom 23. Dezember 2010.
[07] Die Arbeitsgruppe tagte von Oktober 2011 bis Oktober 2012 mit kontroversen Standpunkten, aber stets in einem guten Gesprächsklima. Sie bestand aus den für die Planung des Tunnels zuständigen Personen der RhB sowie je einem Vertreter der kantonalen Denkmalpflege und des Bundesamts für Kultur.
[08] Leza Dosch: Bauhistorisches Arealinventar der Station Preda und Bauhistorisches Arealinventar der Station Spinas, verfasst im Auftrag der RhB unter Mitwirkung von Gion Caprez, Juni 2012.
[09] Für eine Ideenstudie im Rahmen der «Ausschreibung Mandat Spezialist Gestaltung» wurden fünf qualifizierte Büros eingeladen: ARGE Roost /Menzi Bürgler, Zürich; Conzett Bronzini Gartmann, Chur; Feddersen & Klostermann, Zürich; Rolf Mühlethaler, Bern; Studio We, Lugano.
[10] Rolf Mühlethaler: Neubau Albulatunnel II, Masterplan Gestaltung. 31. Oktober 2012.

TEC21, Fr., 2013.04.26



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2013|18 Albulatunnel

16. Januar 2013Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Selektives Gedächtnis

Die historische Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin wird gegenwärtig umfassend restauriert – die gute alte Kaiserzeit soll wieder voll zur Geltung kommen. Und auch die Gegenwart wird präsent sein, vor allem mit dem neuen gewaltigen Glaskubus des Lesesaals.

Die historische Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin wird gegenwärtig umfassend restauriert – die gute alte Kaiserzeit soll wieder voll zur Geltung kommen. Und auch die Gegenwart wird präsent sein, vor allem mit dem neuen gewaltigen Glaskubus des Lesesaals.

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verknüpfte Bauwerke
Lesesaal Berliner Staatsbibliothek

14. August 2012Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Gleich und doch anders

Die Sanierung wichtiger Bauten der Moderne ist eine komplexe Aufgabe. Dies zeigt sich beispielhaft an der in die Jahre gekommenen Siedlung Halen bei Bern, die für die Architekturentwicklung und den Siedlungsbau der Nachkriegszeit in der Schweiz bahnbrechend war.

Die Sanierung wichtiger Bauten der Moderne ist eine komplexe Aufgabe. Dies zeigt sich beispielhaft an der in die Jahre gekommenen Siedlung Halen bei Bern, die für die Architekturentwicklung und den Siedlungsbau der Nachkriegszeit in der Schweiz bahnbrechend war.

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03. Juni 2011Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Stadt im Abbruchwahn

Die Tessiner Wirtschaftsmetropole Lugano entledigt sich ihres architektonischen Erbes. Hinter dem bedenklichen Vorgang stehen ungebremste Interessen der florierenden Immobilienbranche.

Die Tessiner Wirtschaftsmetropole Lugano entledigt sich ihres architektonischen Erbes. Hinter dem bedenklichen Vorgang stehen ungebremste Interessen der florierenden Immobilienbranche.

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15. Mai 2009Bernhard Furrer
TEC21

Ein Ganzes aus alt und neu

Die erste umfassende Restaurierung des Parlamentsgebäudes, des wichtigsten Baus der Eidgenossenschaft , erregt in mancherlei Hinsicht Aufsehen. Neben der komplexen organisatorischen Aufgabe ist vor allem die Sorgfalt hervorzuheben, mit der die Architekten das historische Gebäude analysiert und danach restauriert und ergänzt haben. Die in den Jahrzehnten zuvor entstandenen Zufälligkeiten haben einer neuen Ordnung Platz gemacht, die die alten Strukturen reflektiert. Alt und Neu verbinden sich zu einer neuen Ganzheit.

Die erste umfassende Restaurierung des Parlamentsgebäudes, des wichtigsten Baus der Eidgenossenschaft , erregt in mancherlei Hinsicht Aufsehen. Neben der komplexen organisatorischen Aufgabe ist vor allem die Sorgfalt hervorzuheben, mit der die Architekten das historische Gebäude analysiert und danach restauriert und ergänzt haben. Die in den Jahrzehnten zuvor entstandenen Zufälligkeiten haben einer neuen Ordnung Platz gemacht, die die alten Strukturen reflektiert. Alt und Neu verbinden sich zu einer neuen Ganzheit.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Gebiet innerhalb der Aareschlaufe in Bern in seinem unteren Teil vollständig überbaut, im oberen Teil indessen beherrschten weite, kaum genutzte Parzellen das Bild, namentlich an den Rändern des Plateaus. Als an der ersten Sitzung der Vereinigten Bundesversammlung im Jahr 1848 Bern als Bundeshauptstadt bestimmt wurde, war damit die Bedingung verknüpft, dass die Stadt die notwendigen Räumlichkeiten für Parlament, Regierung und Verwaltung des neuen Staats zur Verfügung stellen musste. Als Bauplatz wurde der Standort des Stadtwerkhofs an der Südflanke bestimmt, und 1852–1857 entstand hier das Bundes-Rathaus, das heutige Bundeshaus West. Es respektierte die städtebaulichen Prinzipien der mittelalterlichen Stadtanlage, in diesem Fall das Platzieren öffentlicher Bauten nicht im Zentrum, sondern an der Hangkante, sowie das Freilassen des Hanges selber.

Mit der Neuordnung im Zug der Revision der Bundesverfassung 1874 wuchsen die Raumansprüche von Parlament und Verwaltung rasch an, neue Räume wurden nötig. Zunächst erstellte der Bund 1888–1892 an der Stelle des alten Inselspitals ein neues Verwaltungsgebäude, das Bundeshaus Ost. Der Neubau rechnete bereits mit einem Gesamtkomplex eines Bundespalasts mit einem zentralen Gebäude für das Parlament.

Dieser Mittelbau, das Parlamentsgebäude, wurde nach dem Abbruch des alten Casinos 1894–1902 errichtet. Architekt Hans Wilhelm Auer konzipierte es als Nationaldenkmal, von Schweizern für die Schweizer geschaffen aus einheimischen Materialien, mit einer reichen Symbolik und getragen von vielen Kunstwerken. Modernste Haustechnik wurde eingebaut. Das Raumkonzept ist ungewöhnlich: Die engen Verhältnisse des Bauplatzes verlangten eine Entflechtung in der Vertikalen. Der eigentliche Hauptraum ist ein Leerraum, die grosse Halle, welche die monumentale Treppe aufnimmt. Sie, nicht einer der Säle, manifestiert sich durch die Kuppel gegen aussen. Von einem dreiseitig umlaufenden Umgang erschlossen, liegen sich die Säle der beiden Parlamentskammern im ersten Obergeschoss gegenüber – der Ständeratssaal zur Stadt hin, ausgezeichnet durch den zentralen, vorspringenden Gebäudekörper, der Nationalratssaal gegen das Aaretal, markiert durch die Auswölbung der Fassade.

Die Zufälligkeiten von Einzelmassnahmen

In einem stark genutzten Gebäude, das immer wieder neuen Ansprüchen angepasst werden muss, wird im Verlauf von hundert Jahren nahezu jeder Raum einmal oder mehrere Male tangiert. Neue Nutzungen werden eingebracht, technische Verbesserungen zugefügt, die Räume dem Zeitgeist entsprechend umgestaltet. Dem Parlamentsgebäude haben besonders die Umbauten der 1960er-Jahre zugesetzt. In zahlreichen Sitzungszimmern, in Garderoben und Korridoren wurden Decken, Gewölbe, Wandgliederungen verdeckt oder abgebrochen, die farbigen Tapeten weiss überstrichen und so «moderne» Räume geschaffen. Der Stuck wich Gipskartonplatten. Die schrittweise Nutzung der Dachräume führte dazu, dass die grossen Lünettenfenster zur Kuppelhalle vermauert wurden; ohne natürliches Licht wirkte die Halle fortan düster. Der Einbau des Bundeshausstudios für Fernsehen und Radio in den Dachraum über dem Ständeratssaal hatte einschneidende Folgen für das Haus, sein Tragwerk und seine innere Disposition; es wurde eine massive, weit gespannte Betondecke eingebaut, auf der die umfangreichen baulichen und technischen Installationen Platz fanden; das Dachgeschoss wurde zum Labyrinth. Der Einzug der EDV brachte Kabelkanäle und Einrichtungen wie die Abstimmungsanzeigetafeln. Erst in den 1980er-Jahren wurde bei weiteren Instandstellungsarbeiten versucht, die bestehenden Werte zu achten und zu bewahren, sie mit neuen Elementen von gestalterischer Qualität zu ergänzen.[1] In dieser Phase sind namentlich die Restaurierung des Nationalratssaals und der «Salle des pas perdus» sowie einiger Sitzungszimmer zu erwähnen.

Untaugliche und taugliche Erweiterungspläne

Als Befreiungsschlag war das Erweiterungsprojekt gedacht, das Mario Botta 1991 im Anschluss an einen Ideenwettbewerb präsentierte. Es sah eine Überbauung des Hangs unter dem Parlamentsgebäude mit einem zitadellenartigen Gebäude vor. Das städtebauliche Prinzip des freien Aarehangs wurde damit allerdings grob missachtet und der Altbau konkurrenziert; der Vorschlag wurde fallen gelassen.

Die Zeit nach dem Zuger Attentat 2001 stand unter dem Zeichen schrittweise erhöhter Sicherheitsansprüche. Auch in diesem Bereich stand ein pragmatisches, von Zufälligkeiten geprägtes Vorgehen im Vordergrund. Der gemeinsame Zugang für Parlamentsangehörige und Besuchende vom Bundesplatz wurde als Risiko empfunden und war auch organisatorisch kaum zu bewältigen. Mehrere Vorschläge für einen neuen, unterirdischen Besucherzugang vom östlichen Hof aus wurden von der Denkmalpflege abgelehnt, da sie die Gesamtsituation wesentlich beeinträchtigt hätten.[2]

Die Ansprüche des Parlaments nahmen laufend zu. Neu eingerichtete, individuelle Arbeitsplätze im Dach des Bundeshauses Ost erwiesen sich als zu weit von den Parlamentssälen entfernt. Die Fraktionen klagten über fehlende Räume für Sitzungen und Sekretariate. Der nötige Platz konnte schliesslich geschaffen werden, indem die Räume für die Medienschaffenden ausgelagert wurden. 2003–2005 wurde im historischen Gebäude Bundesgasse 8–12 in unmittelbarer Nähe das «Medienzentrum Bundeshaus» eingebaut.[3] Die massiven Eingriffe im dortigen Altbau waren nur dadurch zu rechtfertigen, dass damit der notwendige Freiraum für einen funktionierenden Parlamentsbetrieb unter Schonung der historischen Substanz des Parlamentsgebäudes geschaffen werden konnte.

Voraussetzungen

Die ohnehin notwendige Gesamterneuerung der Haustechnik erlaubte es, diese in einer zusätzlichen Unterkellerung unterzubringen. Dadurch wurde im Tiefparterre Raum frei für einen neuen Besuchereingang von der Bundesterrasse her. Er liegt ideal in der Gebäudeachse hinter der bestehenden Arkade, die den Wartenden einen Witterungsschutz bietet. Die doppelgeschossige Eingangshalle liegt unter dem Nationalratssaal; klug wird damit der Eingang vom Bundesplatz her, der unter dem Ständeratssaal liegt, gespiegelt. Treppen führen von der neuen Halle[4] direkt in die Kuppelhalle. Die Auslagerung der Arbeitsräume der Medienschaffenden und der Studios in das neue Medienzentrum brachte freien Platz im dritten Obergeschoss. Es entstanden neue individuelle Arbeitsplätze für die Parlamentsmitglieder und Fraktionszimmer unterschiedlicher Grösse.

Das alte Gesamtkonzept herausarbeiten und neu interpretieren

Eine genaue Kenntnis des Objekts ist Voraussetzung für das Festlegen von Massnahmen an Baudenkmälern. Diese eigentlich selbstverständliche Forderung an jede Restaurierung wird häufig missachtet oder auf bloss oberflächliche Art erfüllt. Beim Parlamentsgebäude war sie schwierig umzusetzen, da vor Baubeginn bloss vereinzelte Sondierungen durchgeführt werden konnten. Erst im Verlauf der Arbeiten konnte die Suche nach der noch vorhandenen Substanz systematisch vertieft werden. So stand eine intensive Analyse der ursprünglichen architektonischen Qualitäten am Anfang. Sie machte das Konzept von Wilhelm Auer deutlich, das auf einem klaren räumlich-organisatorischen Aufbau und einer durchgehenden gestalterischen Grundhaltung beruht, die allerdings in den letzten hundert Jahren durch unzählige Einzelmassnahmen gestört worden waren.[5]

Eine solche vertiefte Analyse des Baudenkmals ist zunächst Sache des Architekten. Er muss sich aber in einem solchen Fall durch eine Vielzahl von Fachleuten inderdisziplinär unterstützen lassen. Neben den eher technischen Disziplinen wie Baustatik, Gebäudetechnik, Bauphysik sind vor allem die detaillierte Kenntnis der Baugeschichte und die Bauforschung vor Ort wichtig. Denkmalpflege und Fragen der Konservierung / Restaurierung stehen im Zentrum.[6]

Sorgfalt und Durchführung

Eine genaue Analyse ist nur dann sinnvoll, wenn die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die Umsetzung einfliessen. Eine bis ins Detail zuverlässige Planung ist Voraussetzung dazu; genügende Zeiträume in der Planung verbessern tendenziell die Qualität. Bei der Restaurierung des Parlamentsgebäudes waren aber die Voraussetzungen an sich schon schwierig: In dem komplexen Umbau waren in 21 Monaten effektiver Bauzeit über 100 Millionen Franken zu verbauen, acht Mal musste die Arbeit eingestellt und der Bau provisorisch für eine Parlamentssession hergerichtet werden. Trotz diesen erschwerenden Umständen war eine Umsicht zu beobachten, die ungewöhnlich ist. Noch vor der bewundernswerten organisatorischen Leistung der Architekten ist ihr nicht erlahmendes Engagement für die Architektur, für Strukturen, Räume, Lichtführung und Ausstattungen hervorzuheben. Die Antworten auf Fragen heutiger Architektur wurden im historischen Bau gesucht und gefunden. Nicht kontrastierendes, dialektisches oder mimetisches Verhalten war das Thema, sondern das empathische Eingehen auf den Bestand. Es zeigt sich exemplarisch, wie entscheidend wichtig die Wahl der Architekten für den richtigen Umgang mit einem Baudenkmal ist.

Ihre Sorgfalt betraf die Restaurierungsarbeiten ebenso wie die neuen Räume. In den ganz oder teilweise erhaltenen Räumen wurden historische Elemente mit grösster Vorsicht freigelegt, restauriert oder ergänzt, neue Elemente, beispielsweise die wieder eingeführte Farbigkeit, sorgfältig integriert. Bei den neuen Räumen wurde ein selbstbewusster, aber unaufgeregter Umgang mit Struktur, Raum und Ausstattung gepflegt, der die historischen Bereiche nicht zu übertrumpfen sucht, sich aber auch nicht leisetreterisch zurücknimmt. Die zu selten anzutreffende Verbindung alter und neuer Qualitäten zu einem stimmigen neuen Ganzen ist hier gelungen.

Einzelne Massnahmen im Innern

Die Eingangspartie auf Seite Bundesplatz[7] und die Kuppelhalle erheischten bloss eine grundlegende Änderung: Die hintermauerten Lünettenfenster mit den Glasmalereien von Szenen des Arbeitslebens vor charakteristischen schweizerischen Landschaften wurden geöffnet und rückwärtig wieder durch die grossen Oblichter erhellt. Zusammen mit der Glaskuppel, die ihr Licht vom Kuppelaufbau erhält, ist damit die Halle wieder zu einem hellen Tageslichtraum geworden. Die sorgfältige Reinigung der Innenwände von Schmutz, eine neue Beleuchtung und das Entfernen von jüngeren Möblierungen tragen zum frischen Eindruck bei. Für die Orientierung im Innern erwiesen sich die Wendeltreppen beidseits der Kuppelhalle als entscheidend wichtig. Sie wurden bis in das dritte Obergeschoss verlängert und ermöglichen so einen direkten Bezug zwischen den Geschossen. Die in den 1950er-Jahren eingebauten Personenaufzüge wurden durch weitgehend verglaste Anlagen ersetzt.[8] In den Sitzungszimmern im Hochparterre, die teilweise völlig umgestaltet, teilweise über den Wandtäfern durchgehend weiss gestrichen worden waren, wurden die vorhandenen historischen Teile, Täfer, Parkettböden und Stuckdecken sichtbar gemacht. Die Räume erhielten eine neue Farbigkeit.

Die beiden Ratssäle, die sogenannten Appartements der beiden Räte, waren bereits vor einigen Jahren einer Teilrestaurierung unterzogen worden und erforderten nur wenige Eingriffe. Die Behandlung der Sessel im Nationalratssaal mag beispielhaft für die beharrliche Suche der Architekten nach adäquaten Lösungen sein. Gemeinsam mit Spezialisten versuchten sie, die alten Sessel mit kleinen Eingriffen heutigen Komfortvorstellungen anzupassen, obwohl die Nutzer eine neue Bestuhlung gefordert hatten. Die zu geringe Beinfreiheit wurde durch ein geringfügiges Anheben der Pulte kompensiert, die fehlende Feuchtigkeitsabsorption des Sitzkissens durch den Ersatz des Kunstlederbezugs der 1960er-Jahre durch Naturleder erreicht, die unbequeme Sitzhaltung durch eine andere Sitzneigung und eine ausgeklügelte Flechttechnik des Jong-Geflechts korrigiert.

Zahlreiche Räume mit historischer Ausstattung wurden restauriert. Dabei wurde aufgrund unerwarteter Funde von Resten der ursprünglichen Ausstattung in vielen Fällen rekonstruierend der Erstzustand hergestellt. Markantes Beispiel dieses Verhaltens ist die Garderobe des Ständerats. Ihr reich bemaltes Gewölbe war in den 1960er-Jahren durch einen flachen Plafond verdeckt worden. Nach dessen Entfernung wurden die Anschlussgesimse wiederhergestellt, die Täfer restauriert und angepasst, die Holzmaserierung der Fenster rekonstruiert, der Parkettboden freigelegt und ein Hängeleuchter aus dem Korridor installiert.[9]

Das Wiedereinsetzen der hübschen, aber belanglosen Glasmalereien der Jahrhundertwende führte leider dazu, dass die qualitätvollen Arbeiten von Augusto Giacometti und Burkhard Mangold von 1930 entfernt wurden; der dekorative Gesamteindruck wurde einem bedeutenden Zeitzeugnis vorgezogen.[10]

Bedeutsam ist die Aktivierung der Halle unterhalb der Wandelhalle des Nationalrats. Die Galerie des Alpes wurde restauriert und mit dem dahinter liegenden, als Cafeteria eingerichteten Raum verbunden; es entstand ein attraktiver Begegnungsort. Die Fenster der historischen Räume wurden restauriert und mit neuen Verglasungen versehen. Zahlreiche hässliche Verglasungen der 1960er-Jahre wurden durch Nachbauten der historischen Fenster ersetzt.

Das dritte Obergeschoss wurde auf den Rohbau zurückgeführt und vollständig neu ausgebaut. Nach dem Abbruch der Studioeinrichtungen für Radio und Fernsehen und weiterer später eingebauter, meist verwinkelter Räume entstand eine übersichtliche Raumgruppe an einem um die Bogenfenster der Kuppelhalle laufenden Korridor – strukturell übernimmt er die Organisation der unteren Geschosse. Er wird durch grosse, die Lünettenfenster der Kuppelhalle belichtende Dachoblichter erhellt, die durch die Aussicht auf die Skulpturen des Daches die Orientierung erleichtern. Die daran anschliessenden Arbeitsräume für Mitglieder des Parlaments und die Parlamentsfraktionen übernehmen in Disposition und Gestaltung grundlegende Eigenschaften des bestehenden Baus, sprechen indessen eine heutige Sprache, einfach gestaltet, funktionell hochstehend, flexibel nutzbar. Sie haben eine gute Aussicht, lange zu bestehen.

Massnahmen am Äussern

An den Hauptfassaden waren keine wesentlichen Arbeiten nötig. Dagegen wurden die Sandsteinteile des Kuppelaufbaus renoviert. Entsprechend dem bei den Bundeshäusern üblichen Verfahren wurde dabei in der Manier längst vergangener Zeiten erneuernd renoviert, nicht konservierend restauriert. Zahlreiche Stücke wurden ersetzt, andere «auf den gesunden Grund» zurückgearbeitet und damit in Form und Substanz geschädigt.[11] Das Kupferblech der Kuppel selber konnte dafür entgegen den ersten Annahmen fast vollständig erhalten werden.[12] So blieben die Reste der ursprünglichen Vergoldung der Zierteile bestehen. Nach eingehender, kontroverser Diskussion wurden sie ergänzt oder neu aufgebracht.

Die Arbeiten an der Kuppel und eine neue Anleuchtung haben dem Parlamentsgebäude, dem wichtigsten baulichen Symbol der schweizerischen Eidgenossenschaft, wieder seine markante Stellung im Stadtganzen als Zentrum der städtebaulichen Neuordnung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesichert. Die erste umfassende Gesamtrestaurierung im Innern hat Ordnung geschaffen. In den Hauptgeschossen verbinden sich die historischen Räume auf selbstverständliche Art mit neu ausgestatteten Zimmern, im Dachgeschoss ist eine neue räumliche und gestalterische Ordnung entstanden. Dabei sind die historischen Qualitäten gewahrt und mit neuen architektonischen Qualitäten ergänzt worden.

Sicher, die Perfektionsansprüche waren enorm, der Erneuerungswille war umfassend, das Alter der historischen Substanz als eigener Wert ist kaum mehr spürbar. Angesichts der verheerenden Beschädigungen früherer Eingriffe und des berechtigten Repräsentationsanspruchs des Gebäudes ist diese grosse Eingriffstiefe indessen wohl vertretbar. Die Gesamtrestaurierung hinterlässt ein kostbares Gebäude, in dem sich das Alte und das Neue zu einem Ganzen verbinden. Es hat gute Chancen, für weitere hundert Jahre zu bestehen.


Anmerkungen/Literatur:
[01] Zu verdanken ist dieser Gesinnungswandel v. a. dem Projektleiter Hanspeter Seiler; er liess zahlreiche Räume restaurieren, unterstützt von Dr. Martin Fröhlich, zunächst als Sekretär der Eidg. Kommission für Denkmalpflege, 1978–2000 als Denkmalpfleger im Amt für Bundesbauten
[02] Das vom BBL forcierte Einglasen des Hofraums war denkmalpflegerisch so wenig zu vertreten wie ein gläsernes Eingangsbauwerk im Hof für einen unterirdischen Zugang. Bereits damals schlug die Denkmalpflege einen Zugang von Süden vor
[03] Architekten IAAG, Bern. Publiziert in Hochparterre 1/2003 sowie 1–2/2007
[04] Als einzige «künstlerische» Ausstattung beherbergt sie einen Druck der Dufourkarte ab den originalen Kupferplatten, auf der sich alle Besuchenden aus der Schweiz gewissermassen wiederfinden
[05] Das Pendant der Analyse des Vorbestands ist die noch zu erstellende Dokumentation der durchgeführten Arbeiten in einem Restaurierungsbericht
[06] Die Konstellation war insofern ungewöhnlich, als die Bauherrschaft in der Kunsthistorikerin
Monica Bilfi nger eine ausgezeichnete Kennerin des Parlamentsgebäudes zur Verfügung stellen konnte
[07] Die Sicherheitseinrichtungen und die mächtigen leuchtenden Korpusse am Empfang Seite Bundesplatz realisierten 2003 Clémençon + Ernst, Bern
[08] Deren statische Elemente wurden für die Sicherung der Treppenstufen mitgenutzt; da die Tragelemente abgehängt und auf Zug beansprucht sind, konnten sie sehr schlank ausgebildet werden
[09] Eine ähnliche Behandlung erfuhren auch andere Räume, so das Zeitungszimmer oder die Cafébar im 1. Obergeschoss
[10] Die Glasmalereien sind im Centre du vitrail in Romont deponiert
[11] Heutige Methoden gehen nicht von substraktivem Zurückarbeiten, sondern von additivem Ergänzen mit geeignetem Mörtel aus
[12] Erneuert wurden die Flach- und Steildächer sowie deren Spenglerarbeiten, die entsprechend der ursprünglichen Technik in verzinntem Blech mit Bleifugen ausgeführt wurden. Neue Oberlichtbänder entsprechend der Geometrie der historischen Stahlträger führen Tageslicht ein
[13] In der Diskussion war die Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege entscheidend

– Eidg. Departement des Innern: Das neue Schweizerische Bundeshaus. Festschrift , Bern 1902
– Monica Bilfi nger: Das Bundeshaus in Bern. Schweizerischer Kunstführer GSK, Bern 2002 (auch in Französisch, Italienisch, Englisch)
– Bundesamt für Bauten und Logistik: Bundeshaus, Umbau und Sanierung Parlamentsgebäude Bern, 2006–2008. Bern 2008 (Dt./Franz./Ital./Romanisch). Mit Verzeichnis der Planer und Unternehmer
– Adrian Scheidegger, Markus Jakob: Aebi & Vincent Parlamentsgebäude in Bern. Bern 2009 (Dt./Franz.)

TEC21, Fr., 2009.05.15



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Publikationen

Presseschau 12

15. August 2018Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Entsorgen Sie diese Möbel bitte nicht! In Chur regt sich Widerstand gegen eine Renovation

Die geplante Renovation des Konvikts in Chur wirft grundsätzliche denkmalpflegerische Fragen auf im Umgang mit architektonischen Zeitzeugen.

Die geplante Renovation des Konvikts in Chur wirft grundsätzliche denkmalpflegerische Fragen auf im Umgang mit architektonischen Zeitzeugen.

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08. Juli 2015Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Positive Wende bei der Siedlung Halen

In Bern zeichnet sich eine Lösung ab für die gefährdete Sanierung der zwischen 1955 und 1962 vom Atelier 5 realisierten Siedlung Halen.

In Bern zeichnet sich eine Lösung ab für die gefährdete Sanierung der zwischen 1955 und 1962 vom Atelier 5 realisierten Siedlung Halen.

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17. April 2014Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Eine Architekturikone in Gefahr

Die zwischen 1955 und 1962 vom Atelier 5 realisierte Siedlung Halen muss saniert werden. Ein Konzept liegt vor. Doch die Eigentümer haben andere Vorstellungen. Jetzt ist der Kanton Bern gefordert.

Die zwischen 1955 und 1962 vom Atelier 5 realisierte Siedlung Halen muss saniert werden. Ein Konzept liegt vor. Doch die Eigentümer haben andere Vorstellungen. Jetzt ist der Kanton Bern gefordert.

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26. April 2013Bernhard Furrer
TEC21

Sorgfältiges Abwägen

Die vorgesehene Stilllegung des historischen Albulatunnels, die massiven Eingriffe, die für seine Nutzung als Sicherheitsstollen erforderlich sind, und der Bau eines neuen Paralleltunnels widersprechen wichtigen denkmalpflegerischen Grundsätzen. Obwohl der Scheiteltunnel ein wesentlicher Bestandteil des Weltkulturerbes ist, setzte die Rhätische Bahn das Neubauprojekt durch. Immerhin sollen durch einen «Masterplan Gestaltung» historische Elemente auf den Vorgeländen der Portale geschützt und die Neubauteile adäquat gestaltet werden.

Die vorgesehene Stilllegung des historischen Albulatunnels, die massiven Eingriffe, die für seine Nutzung als Sicherheitsstollen erforderlich sind, und der Bau eines neuen Paralleltunnels widersprechen wichtigen denkmalpflegerischen Grundsätzen. Obwohl der Scheiteltunnel ein wesentlicher Bestandteil des Weltkulturerbes ist, setzte die Rhätische Bahn das Neubauprojekt durch. Immerhin sollen durch einen «Masterplan Gestaltung» historische Elemente auf den Vorgeländen der Portale geschützt und die Neubauteile adäquat gestaltet werden.

Die 1903 eröffnete Albulastrecke der Rhätischen Bahn (RhB) ist in vieler Hinsicht ein aussergewöhnliches Werk. Zunächst ist die technische Leistung hervorzuheben, eine Alpenbahn als reine Adhäsionsbahn zu bauen, um auf einer Strecke von 67 km mit 42 Tunnels und Galerien und 144 Viadukten und Brücken nahezu 1100 Höhenmeter zu überwinden. Ebenso bedeutend ist die Integration der Bahnstrecke in die Landschaft und die architektonische Qualität sowohl der Tief- (Tunnelportale und Brücken) als auch der Hochbauten (Stationsgebäude oder technische Bauten). Der Bahnbau erlaubte es den Alpentälern, ihre Isolation zu überwinden, und leistete damit einen entscheidenden sozioökonomischen Beitrag.

Der universelle Wert der Albulabahn kommt in der Aufnahme in die Welterbeliste der Unesco im Jahr 2008 zum Ausdruck.[1] Diese ist eine Anerkennung ihres Rangs und der für ihren Schutz vorgesehenen Massnahmen, bringt internationale Aufmerksamkeit und lässt sich touristisch verwerten. Sie bedeutet aber auch eine grosse Verantwortung. Diese ist in erster Linie durch die RhB wahrzunehmen, unterstützt und überwacht durch den Kanton Graubünden.[2] Die Schweizerische Eidgenossenschaft als Signatarstaat des «Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturgutes der Welt»[3] steht subsidiär in der Pflicht.

Der schleichenden Entwertung entgegenwirken

Ein technisches Bauwerk von diesem Umfang in seinem kulturellen Wert vollständig zu erhalten ist fast unmöglich. Täglich sind Bauequipen für Kontrolle und Unterhalt unterwegs; vieles wird verändert. An den Stationsgebäuden und Bahnanlagen ist erkennbar, wie sich kleine Eingriffe in ihrer Summe gravierend auswirken können. Der schleichenden Entwertung kann nur durch eine unternehmensinterne Kultur des Respekts vor dem Bestand entgegengewirkt werden, unterstützt durch entsprechende Leitlinien.[4]

Bei grösseren Vorhaben sind die Zuständigkeiten geregelt, und neben den technischen Aspekten werden die Schutzanforderungen einbezogen. Die technischen Fragen betreffen vorrangig die Sicherheitsaspekte und den reibungslosen Bahnbetrieb. Die heutige mitteleuropäische Gesellschaft erwartet eine Minimierung jeglicher möglichen Gefahr um fast jeden Preis, und entsprechend werden die behördlichen Anforderungen Jahr für Jahr erhöht. Diese Aufwärtsspirale der Regulierungen betrifft keineswegs bloss die Bahnen, es scheint aber so, als sei sie hier besonders ausgeprägt. Vorschriften werden häufig absolut genommen, ein Abwägen findet nicht statt (vgl. «Zu viel Sicherheit?», S. 22). Bei den Schutzanforderungen geht es um das Erhalten der baulichen Substanz und den Schutz der äusseren Erscheinung. Es ist wichtig zu betonen, dass es nicht genügt, die Veränderungen lediglich so zu begleiten («managing change»), dass nach einem Eingriff wieder ein annähernd gleiches Bild geschaffen wird.[5]

Der Entscheid für einen Neubau am Albula

Der Scheiteltunnel ist ein überaus bedeutender Bestandteil des Gesamtwerks der Albulalinie. Die Portale sind wichtige architektonische Einzelwerke, die gradlinige Zufahrt zu den Portalen, die landschaftliche Situation und die beidseits angeordneten Stationsanlagen mit den technischen Gebäuden haben einen hohen Situationswert. Allerdings ist die Tunnelröhre in einem schlechten Bauzustand (vgl. Kasten «Bestehende Bausubstanz», S. 17). Die RhB sieht deshalb einen neuen Paralleltunnel vor, der unabhängig vom Betrieb des alten Tunnels erstellt werden kann; der bestehende Tunnel wird danach zu einem Sicherheitsstollen ausgebaut (vgl. «Der alte Albulatunnel bleibt Teil des Systems», S. 14).

Ein ausführliches Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege vom 10. Dezember 2010 empfiehlt, die Variante «Neubau» weiterzuverfolgen und die Personensicherheit als wichtigen Faktor zu verbessern.[6] Es stellt sich in der Tat die Frage, ob in dem seit mehr als hundert Jahren unfallfrei betriebenen Tunnel ein separat geführter Flucht- und Rettungsstollen überhaupt sinnvoll ist. Technisch ist es möglich, den bestehenden Tunnel unter Betrieb instand zu setzen und danach für weitere Generationen zu betreiben. Gestützt auf das Gutachten wurde auch eine «Instandsetzung Plus» geprüft. Sie sah den Bau eines parallelen Sicherheitsstollens neben dem instand gesetzten Tunnel vor. Wegen der gegenüber der Basisvariante höheren Kosten und der längeren Bauzeit wurde sie verworfen.

Das Bundesamt für Verkehr und das Bundesamt für Kultur wogen die beiden grundlegenden Vorgehensweisen – Instandsetzen des Bestands oder Neubau – gegeneinander ab (Kasten S. 19). Sie liessen schliesslich die Neubauvariante weiter verfolgen. Der Verlust der originalen Linienführung und die Stilllegung des Tunnels sei zu verantworten, vor allem weil bei einer Instandsetzung Einschränkungen im Betrieb während der Bauzeit hätten in Kauf genommen werden müssen und weil das Sicherheitsdispositiv den heutigen Vorstellungen nicht mehr entsprochen hätte. Das Bundesamt für Kultur stimmte dieser aus denkmalpflegerischer Sicht falschen Lösung zu; dabei war wohl die Einsicht massgebend, dass bei einer Interessenabwägung seitens des Bundes die Frage der Personen- und Betriebssicherheit sowie die finanzielle Verhältnismässigkeit überwiegen würden. Allerdings wäre es verheerend, wenn die nun für den Scheiteltunnel angewendeten Neubaukriterien auf weitere Bauwerke oder Streckenabschnitte der Albulalinie übertragen würden.

Grundsätzliche Vorarbeiten und Abklärungen

Nach dem Entscheid für einen neuen Paralleltunnel wurde eine «Arbeitsgruppe Denkmalpflege» eingesetzt. Sie begleitete die Planung und sorgte dafür, dass zumindest bei Einzelentscheiden sorgsam mit den wertvollen Bestandteilen der Albulalinie umgegangen wird.[7] Als ersten Schritt veranlasste die Arbeitsgruppe, dass ein bauhistorisches Inventar der Portalzonen erstellt wurde.[8] Es umfasst die Hoch- und Tiefbauten, die Spuren der Baustelleninstallation von 1903 sowie die Bahnanlagen und militärische Einrichtungen. Das Inventar bildet die Grundlage, um den Umgang mit den historischen Elementen während der verschiedenen Projektphasen festzulegen.

Weiter wurde eine Zwischenlösung vorgeschlagen. Der Paralleltunnel würde unabhängig gebaut, das Verschwenken in die alte Bahnachse indessen nicht vor den Portalen, sondern im Berg vorgenommen. So würden die bestehenden Portale in Betrieb bleiben und Schwierigkeiten wie das Versetzen von Gebäuden oder der Neubau der Brücke über den Beverin entfallen. Um die Verschwenkung zu bauen, wäre indessen ein Betriebsunterbruch von gut einem Jahr notwendig, und die Baukosten wären wesentlich höher gewesen – die Variante wurde daher fallen gelassen.

Sorge für Bistand und für Neubauten tragen

Nicht bloss Schutz und Erhaltung des Altbestands sind für die Pflege eines Denkmals wichtig, sondern auch eine hohe gestalterische Qualität von ergänzenden Neubauten des Ensembles. Auf Verlangen des Bundesexperten wurde daher ein Verfahren für die Gestaltung der beiden Tunnelportale sowie für den Umgang mit den Vorgeländen durchgeführt.[9]

Der Gewinner Rolf Mühlethaler aus Bern erarbeitete mit der Arbeitsgruppe den «Masterplan Gestaltung»[10], der die zu treffenden Massnahmen im Hoch- und Tiefbau umschreibt. Auch hier ging es immer wieder um ein sorgfältiges Abwägen zwischen der betrieblichen Ideallösung, den im Bauvorgang des neuen Tunnels am leichtesten umzusetzenden Massnahmen, den Kosten und dem angemessenen Weiterbestand der Zeugnisse. Es war nicht einfach zu vermitteln, dass für die architektonische Gestaltung von Alt- und Neubauten selbst Einzelheiten wie Materialien, ihre Behandlung, Anschlüsse und Farben wichtig sind und klar festgelegt werden müssen.

Zentral war die Frage, wie mit Hochbauten umzugehen sei, die im Bereich des neuen Trassees stehen. Zwei Beispiele: Während das Schalthaus auf der Seite Spinas nicht tangiert ist, wird sein Pendant auf der Seite Preda – ein hoch aufragender charakteristischer Turm aus massivem Mauerwerk – verschoben. Das hölzerne Wärterhaus in Preda muss für die Baustelleninstallation demontiert werden; es wird nach der Fertigstellung des Tunnels an leicht verschobenem Standort wieder aufgebaut.

Für die neuen Portale führten Abwägungsprozesse zu Lösungen, die zwar eine Verwandtschaft zu den bestehenden Anlagen haben, ihre um 110 Jahre spätere Entstehungszeit aber klar zeigen. So wird namentlich beim Doppelportal auf der Seite Spinas der Eindruck vermieden, es handle sich beim Albulatunnel um eine Anlage, die wie der Simplontunnel bereits ursprünglich mit zwei Röhren gebaut worden sei.

Auch die zusätzlichen Hochbauten für die technischen Einrichtungen und namentlich die neue Perronüberdachung mit Unterführung in Preda lösten kontroverse Diskussionen bezüglich Disposition und Gestaltung aus. Es ist erstaunlich, mit welchem Aufwand in der Schweiz eine völlig unbedeutende, kaum frequentierte Bahnstation ausgebaut wird – das separat geführte Gleis für die rege benutzten «Schlittlerzüge» ist davon unabhängig. In der eigentlichen Station werden für die wenigen Reisenden eine Unterführung mit Treppe, Rampe und eine grossflächige Perronüberdachung erstellt. Glücklich das Land, das über so grosse finanzielle Möglichkeiten verfügt?


Anmerkungen:
[01] http://whc.unesco.org/en/list/1276 (Abrufdatum 6. März 2013).
[02] Internationale Abkommen, die von der Eidgenossenschaft unterzeichnet werden, binden auch die Kantone. Aufgrund der schweizerischen Gesetzgebung, die den Bereich der Kultur und damit die Erhaltung des Kulturerbes in die Zuständigkeit der Kantone gibt, ist primär der Kanton Graubünden für die Umsetzung der Verpflichtungen aus der Welterbekonvention zuständig.
[03] Convention concernant la protection du patrimoine mondial, culturel et naturel, angenommen von der Generalkonferenz der Unesco am 16. November 1972.
[04] Beispiel solcher genereller Leitlinien: Erhaltung historischer Verkehrswege, technische Vollzugshilfe. Bundesamt für Strassen Astra, 2008.
[05] Bernhard Furrer: Das Denkmal zwischen materiellem Zeugnis und ideellem Wert. In: Kunst und Architektur in der Schweiz 1 – 2012. S. 6 ff.
[06] Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege: GR Preda – Spinas, Albulatunnel. Gutachten vom 23. Dezember 2010.
[07] Die Arbeitsgruppe tagte von Oktober 2011 bis Oktober 2012 mit kontroversen Standpunkten, aber stets in einem guten Gesprächsklima. Sie bestand aus den für die Planung des Tunnels zuständigen Personen der RhB sowie je einem Vertreter der kantonalen Denkmalpflege und des Bundesamts für Kultur.
[08] Leza Dosch: Bauhistorisches Arealinventar der Station Preda und Bauhistorisches Arealinventar der Station Spinas, verfasst im Auftrag der RhB unter Mitwirkung von Gion Caprez, Juni 2012.
[09] Für eine Ideenstudie im Rahmen der «Ausschreibung Mandat Spezialist Gestaltung» wurden fünf qualifizierte Büros eingeladen: ARGE Roost /Menzi Bürgler, Zürich; Conzett Bronzini Gartmann, Chur; Feddersen & Klostermann, Zürich; Rolf Mühlethaler, Bern; Studio We, Lugano.
[10] Rolf Mühlethaler: Neubau Albulatunnel II, Masterplan Gestaltung. 31. Oktober 2012.

TEC21, Fr., 2013.04.26



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TEC21 2013|18 Albulatunnel

16. Januar 2013Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Selektives Gedächtnis

Die historische Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin wird gegenwärtig umfassend restauriert – die gute alte Kaiserzeit soll wieder voll zur Geltung kommen. Und auch die Gegenwart wird präsent sein, vor allem mit dem neuen gewaltigen Glaskubus des Lesesaals.

Die historische Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin wird gegenwärtig umfassend restauriert – die gute alte Kaiserzeit soll wieder voll zur Geltung kommen. Und auch die Gegenwart wird präsent sein, vor allem mit dem neuen gewaltigen Glaskubus des Lesesaals.

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Lesesaal Berliner Staatsbibliothek

14. August 2012Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Gleich und doch anders

Die Sanierung wichtiger Bauten der Moderne ist eine komplexe Aufgabe. Dies zeigt sich beispielhaft an der in die Jahre gekommenen Siedlung Halen bei Bern, die für die Architekturentwicklung und den Siedlungsbau der Nachkriegszeit in der Schweiz bahnbrechend war.

Die Sanierung wichtiger Bauten der Moderne ist eine komplexe Aufgabe. Dies zeigt sich beispielhaft an der in die Jahre gekommenen Siedlung Halen bei Bern, die für die Architekturentwicklung und den Siedlungsbau der Nachkriegszeit in der Schweiz bahnbrechend war.

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03. Juni 2011Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Stadt im Abbruchwahn

Die Tessiner Wirtschaftsmetropole Lugano entledigt sich ihres architektonischen Erbes. Hinter dem bedenklichen Vorgang stehen ungebremste Interessen der florierenden Immobilienbranche.

Die Tessiner Wirtschaftsmetropole Lugano entledigt sich ihres architektonischen Erbes. Hinter dem bedenklichen Vorgang stehen ungebremste Interessen der florierenden Immobilienbranche.

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15. Mai 2009Bernhard Furrer
TEC21

Ein Ganzes aus alt und neu

Die erste umfassende Restaurierung des Parlamentsgebäudes, des wichtigsten Baus der Eidgenossenschaft , erregt in mancherlei Hinsicht Aufsehen. Neben der komplexen organisatorischen Aufgabe ist vor allem die Sorgfalt hervorzuheben, mit der die Architekten das historische Gebäude analysiert und danach restauriert und ergänzt haben. Die in den Jahrzehnten zuvor entstandenen Zufälligkeiten haben einer neuen Ordnung Platz gemacht, die die alten Strukturen reflektiert. Alt und Neu verbinden sich zu einer neuen Ganzheit.

Die erste umfassende Restaurierung des Parlamentsgebäudes, des wichtigsten Baus der Eidgenossenschaft , erregt in mancherlei Hinsicht Aufsehen. Neben der komplexen organisatorischen Aufgabe ist vor allem die Sorgfalt hervorzuheben, mit der die Architekten das historische Gebäude analysiert und danach restauriert und ergänzt haben. Die in den Jahrzehnten zuvor entstandenen Zufälligkeiten haben einer neuen Ordnung Platz gemacht, die die alten Strukturen reflektiert. Alt und Neu verbinden sich zu einer neuen Ganzheit.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts war das Gebiet innerhalb der Aareschlaufe in Bern in seinem unteren Teil vollständig überbaut, im oberen Teil indessen beherrschten weite, kaum genutzte Parzellen das Bild, namentlich an den Rändern des Plateaus. Als an der ersten Sitzung der Vereinigten Bundesversammlung im Jahr 1848 Bern als Bundeshauptstadt bestimmt wurde, war damit die Bedingung verknüpft, dass die Stadt die notwendigen Räumlichkeiten für Parlament, Regierung und Verwaltung des neuen Staats zur Verfügung stellen musste. Als Bauplatz wurde der Standort des Stadtwerkhofs an der Südflanke bestimmt, und 1852–1857 entstand hier das Bundes-Rathaus, das heutige Bundeshaus West. Es respektierte die städtebaulichen Prinzipien der mittelalterlichen Stadtanlage, in diesem Fall das Platzieren öffentlicher Bauten nicht im Zentrum, sondern an der Hangkante, sowie das Freilassen des Hanges selber.

Mit der Neuordnung im Zug der Revision der Bundesverfassung 1874 wuchsen die Raumansprüche von Parlament und Verwaltung rasch an, neue Räume wurden nötig. Zunächst erstellte der Bund 1888–1892 an der Stelle des alten Inselspitals ein neues Verwaltungsgebäude, das Bundeshaus Ost. Der Neubau rechnete bereits mit einem Gesamtkomplex eines Bundespalasts mit einem zentralen Gebäude für das Parlament.

Dieser Mittelbau, das Parlamentsgebäude, wurde nach dem Abbruch des alten Casinos 1894–1902 errichtet. Architekt Hans Wilhelm Auer konzipierte es als Nationaldenkmal, von Schweizern für die Schweizer geschaffen aus einheimischen Materialien, mit einer reichen Symbolik und getragen von vielen Kunstwerken. Modernste Haustechnik wurde eingebaut. Das Raumkonzept ist ungewöhnlich: Die engen Verhältnisse des Bauplatzes verlangten eine Entflechtung in der Vertikalen. Der eigentliche Hauptraum ist ein Leerraum, die grosse Halle, welche die monumentale Treppe aufnimmt. Sie, nicht einer der Säle, manifestiert sich durch die Kuppel gegen aussen. Von einem dreiseitig umlaufenden Umgang erschlossen, liegen sich die Säle der beiden Parlamentskammern im ersten Obergeschoss gegenüber – der Ständeratssaal zur Stadt hin, ausgezeichnet durch den zentralen, vorspringenden Gebäudekörper, der Nationalratssaal gegen das Aaretal, markiert durch die Auswölbung der Fassade.

Die Zufälligkeiten von Einzelmassnahmen

In einem stark genutzten Gebäude, das immer wieder neuen Ansprüchen angepasst werden muss, wird im Verlauf von hundert Jahren nahezu jeder Raum einmal oder mehrere Male tangiert. Neue Nutzungen werden eingebracht, technische Verbesserungen zugefügt, die Räume dem Zeitgeist entsprechend umgestaltet. Dem Parlamentsgebäude haben besonders die Umbauten der 1960er-Jahre zugesetzt. In zahlreichen Sitzungszimmern, in Garderoben und Korridoren wurden Decken, Gewölbe, Wandgliederungen verdeckt oder abgebrochen, die farbigen Tapeten weiss überstrichen und so «moderne» Räume geschaffen. Der Stuck wich Gipskartonplatten. Die schrittweise Nutzung der Dachräume führte dazu, dass die grossen Lünettenfenster zur Kuppelhalle vermauert wurden; ohne natürliches Licht wirkte die Halle fortan düster. Der Einbau des Bundeshausstudios für Fernsehen und Radio in den Dachraum über dem Ständeratssaal hatte einschneidende Folgen für das Haus, sein Tragwerk und seine innere Disposition; es wurde eine massive, weit gespannte Betondecke eingebaut, auf der die umfangreichen baulichen und technischen Installationen Platz fanden; das Dachgeschoss wurde zum Labyrinth. Der Einzug der EDV brachte Kabelkanäle und Einrichtungen wie die Abstimmungsanzeigetafeln. Erst in den 1980er-Jahren wurde bei weiteren Instandstellungsarbeiten versucht, die bestehenden Werte zu achten und zu bewahren, sie mit neuen Elementen von gestalterischer Qualität zu ergänzen.[1] In dieser Phase sind namentlich die Restaurierung des Nationalratssaals und der «Salle des pas perdus» sowie einiger Sitzungszimmer zu erwähnen.

Untaugliche und taugliche Erweiterungspläne

Als Befreiungsschlag war das Erweiterungsprojekt gedacht, das Mario Botta 1991 im Anschluss an einen Ideenwettbewerb präsentierte. Es sah eine Überbauung des Hangs unter dem Parlamentsgebäude mit einem zitadellenartigen Gebäude vor. Das städtebauliche Prinzip des freien Aarehangs wurde damit allerdings grob missachtet und der Altbau konkurrenziert; der Vorschlag wurde fallen gelassen.

Die Zeit nach dem Zuger Attentat 2001 stand unter dem Zeichen schrittweise erhöhter Sicherheitsansprüche. Auch in diesem Bereich stand ein pragmatisches, von Zufälligkeiten geprägtes Vorgehen im Vordergrund. Der gemeinsame Zugang für Parlamentsangehörige und Besuchende vom Bundesplatz wurde als Risiko empfunden und war auch organisatorisch kaum zu bewältigen. Mehrere Vorschläge für einen neuen, unterirdischen Besucherzugang vom östlichen Hof aus wurden von der Denkmalpflege abgelehnt, da sie die Gesamtsituation wesentlich beeinträchtigt hätten.[2]

Die Ansprüche des Parlaments nahmen laufend zu. Neu eingerichtete, individuelle Arbeitsplätze im Dach des Bundeshauses Ost erwiesen sich als zu weit von den Parlamentssälen entfernt. Die Fraktionen klagten über fehlende Räume für Sitzungen und Sekretariate. Der nötige Platz konnte schliesslich geschaffen werden, indem die Räume für die Medienschaffenden ausgelagert wurden. 2003–2005 wurde im historischen Gebäude Bundesgasse 8–12 in unmittelbarer Nähe das «Medienzentrum Bundeshaus» eingebaut.[3] Die massiven Eingriffe im dortigen Altbau waren nur dadurch zu rechtfertigen, dass damit der notwendige Freiraum für einen funktionierenden Parlamentsbetrieb unter Schonung der historischen Substanz des Parlamentsgebäudes geschaffen werden konnte.

Voraussetzungen

Die ohnehin notwendige Gesamterneuerung der Haustechnik erlaubte es, diese in einer zusätzlichen Unterkellerung unterzubringen. Dadurch wurde im Tiefparterre Raum frei für einen neuen Besuchereingang von der Bundesterrasse her. Er liegt ideal in der Gebäudeachse hinter der bestehenden Arkade, die den Wartenden einen Witterungsschutz bietet. Die doppelgeschossige Eingangshalle liegt unter dem Nationalratssaal; klug wird damit der Eingang vom Bundesplatz her, der unter dem Ständeratssaal liegt, gespiegelt. Treppen führen von der neuen Halle[4] direkt in die Kuppelhalle. Die Auslagerung der Arbeitsräume der Medienschaffenden und der Studios in das neue Medienzentrum brachte freien Platz im dritten Obergeschoss. Es entstanden neue individuelle Arbeitsplätze für die Parlamentsmitglieder und Fraktionszimmer unterschiedlicher Grösse.

Das alte Gesamtkonzept herausarbeiten und neu interpretieren

Eine genaue Kenntnis des Objekts ist Voraussetzung für das Festlegen von Massnahmen an Baudenkmälern. Diese eigentlich selbstverständliche Forderung an jede Restaurierung wird häufig missachtet oder auf bloss oberflächliche Art erfüllt. Beim Parlamentsgebäude war sie schwierig umzusetzen, da vor Baubeginn bloss vereinzelte Sondierungen durchgeführt werden konnten. Erst im Verlauf der Arbeiten konnte die Suche nach der noch vorhandenen Substanz systematisch vertieft werden. So stand eine intensive Analyse der ursprünglichen architektonischen Qualitäten am Anfang. Sie machte das Konzept von Wilhelm Auer deutlich, das auf einem klaren räumlich-organisatorischen Aufbau und einer durchgehenden gestalterischen Grundhaltung beruht, die allerdings in den letzten hundert Jahren durch unzählige Einzelmassnahmen gestört worden waren.[5]

Eine solche vertiefte Analyse des Baudenkmals ist zunächst Sache des Architekten. Er muss sich aber in einem solchen Fall durch eine Vielzahl von Fachleuten inderdisziplinär unterstützen lassen. Neben den eher technischen Disziplinen wie Baustatik, Gebäudetechnik, Bauphysik sind vor allem die detaillierte Kenntnis der Baugeschichte und die Bauforschung vor Ort wichtig. Denkmalpflege und Fragen der Konservierung / Restaurierung stehen im Zentrum.[6]

Sorgfalt und Durchführung

Eine genaue Analyse ist nur dann sinnvoll, wenn die daraus gewonnenen Erkenntnisse in die Umsetzung einfliessen. Eine bis ins Detail zuverlässige Planung ist Voraussetzung dazu; genügende Zeiträume in der Planung verbessern tendenziell die Qualität. Bei der Restaurierung des Parlamentsgebäudes waren aber die Voraussetzungen an sich schon schwierig: In dem komplexen Umbau waren in 21 Monaten effektiver Bauzeit über 100 Millionen Franken zu verbauen, acht Mal musste die Arbeit eingestellt und der Bau provisorisch für eine Parlamentssession hergerichtet werden. Trotz diesen erschwerenden Umständen war eine Umsicht zu beobachten, die ungewöhnlich ist. Noch vor der bewundernswerten organisatorischen Leistung der Architekten ist ihr nicht erlahmendes Engagement für die Architektur, für Strukturen, Räume, Lichtführung und Ausstattungen hervorzuheben. Die Antworten auf Fragen heutiger Architektur wurden im historischen Bau gesucht und gefunden. Nicht kontrastierendes, dialektisches oder mimetisches Verhalten war das Thema, sondern das empathische Eingehen auf den Bestand. Es zeigt sich exemplarisch, wie entscheidend wichtig die Wahl der Architekten für den richtigen Umgang mit einem Baudenkmal ist.

Ihre Sorgfalt betraf die Restaurierungsarbeiten ebenso wie die neuen Räume. In den ganz oder teilweise erhaltenen Räumen wurden historische Elemente mit grösster Vorsicht freigelegt, restauriert oder ergänzt, neue Elemente, beispielsweise die wieder eingeführte Farbigkeit, sorgfältig integriert. Bei den neuen Räumen wurde ein selbstbewusster, aber unaufgeregter Umgang mit Struktur, Raum und Ausstattung gepflegt, der die historischen Bereiche nicht zu übertrumpfen sucht, sich aber auch nicht leisetreterisch zurücknimmt. Die zu selten anzutreffende Verbindung alter und neuer Qualitäten zu einem stimmigen neuen Ganzen ist hier gelungen.

Einzelne Massnahmen im Innern

Die Eingangspartie auf Seite Bundesplatz[7] und die Kuppelhalle erheischten bloss eine grundlegende Änderung: Die hintermauerten Lünettenfenster mit den Glasmalereien von Szenen des Arbeitslebens vor charakteristischen schweizerischen Landschaften wurden geöffnet und rückwärtig wieder durch die grossen Oblichter erhellt. Zusammen mit der Glaskuppel, die ihr Licht vom Kuppelaufbau erhält, ist damit die Halle wieder zu einem hellen Tageslichtraum geworden. Die sorgfältige Reinigung der Innenwände von Schmutz, eine neue Beleuchtung und das Entfernen von jüngeren Möblierungen tragen zum frischen Eindruck bei. Für die Orientierung im Innern erwiesen sich die Wendeltreppen beidseits der Kuppelhalle als entscheidend wichtig. Sie wurden bis in das dritte Obergeschoss verlängert und ermöglichen so einen direkten Bezug zwischen den Geschossen. Die in den 1950er-Jahren eingebauten Personenaufzüge wurden durch weitgehend verglaste Anlagen ersetzt.[8] In den Sitzungszimmern im Hochparterre, die teilweise völlig umgestaltet, teilweise über den Wandtäfern durchgehend weiss gestrichen worden waren, wurden die vorhandenen historischen Teile, Täfer, Parkettböden und Stuckdecken sichtbar gemacht. Die Räume erhielten eine neue Farbigkeit.

Die beiden Ratssäle, die sogenannten Appartements der beiden Räte, waren bereits vor einigen Jahren einer Teilrestaurierung unterzogen worden und erforderten nur wenige Eingriffe. Die Behandlung der Sessel im Nationalratssaal mag beispielhaft für die beharrliche Suche der Architekten nach adäquaten Lösungen sein. Gemeinsam mit Spezialisten versuchten sie, die alten Sessel mit kleinen Eingriffen heutigen Komfortvorstellungen anzupassen, obwohl die Nutzer eine neue Bestuhlung gefordert hatten. Die zu geringe Beinfreiheit wurde durch ein geringfügiges Anheben der Pulte kompensiert, die fehlende Feuchtigkeitsabsorption des Sitzkissens durch den Ersatz des Kunstlederbezugs der 1960er-Jahre durch Naturleder erreicht, die unbequeme Sitzhaltung durch eine andere Sitzneigung und eine ausgeklügelte Flechttechnik des Jong-Geflechts korrigiert.

Zahlreiche Räume mit historischer Ausstattung wurden restauriert. Dabei wurde aufgrund unerwarteter Funde von Resten der ursprünglichen Ausstattung in vielen Fällen rekonstruierend der Erstzustand hergestellt. Markantes Beispiel dieses Verhaltens ist die Garderobe des Ständerats. Ihr reich bemaltes Gewölbe war in den 1960er-Jahren durch einen flachen Plafond verdeckt worden. Nach dessen Entfernung wurden die Anschlussgesimse wiederhergestellt, die Täfer restauriert und angepasst, die Holzmaserierung der Fenster rekonstruiert, der Parkettboden freigelegt und ein Hängeleuchter aus dem Korridor installiert.[9]

Das Wiedereinsetzen der hübschen, aber belanglosen Glasmalereien der Jahrhundertwende führte leider dazu, dass die qualitätvollen Arbeiten von Augusto Giacometti und Burkhard Mangold von 1930 entfernt wurden; der dekorative Gesamteindruck wurde einem bedeutenden Zeitzeugnis vorgezogen.[10]

Bedeutsam ist die Aktivierung der Halle unterhalb der Wandelhalle des Nationalrats. Die Galerie des Alpes wurde restauriert und mit dem dahinter liegenden, als Cafeteria eingerichteten Raum verbunden; es entstand ein attraktiver Begegnungsort. Die Fenster der historischen Räume wurden restauriert und mit neuen Verglasungen versehen. Zahlreiche hässliche Verglasungen der 1960er-Jahre wurden durch Nachbauten der historischen Fenster ersetzt.

Das dritte Obergeschoss wurde auf den Rohbau zurückgeführt und vollständig neu ausgebaut. Nach dem Abbruch der Studioeinrichtungen für Radio und Fernsehen und weiterer später eingebauter, meist verwinkelter Räume entstand eine übersichtliche Raumgruppe an einem um die Bogenfenster der Kuppelhalle laufenden Korridor – strukturell übernimmt er die Organisation der unteren Geschosse. Er wird durch grosse, die Lünettenfenster der Kuppelhalle belichtende Dachoblichter erhellt, die durch die Aussicht auf die Skulpturen des Daches die Orientierung erleichtern. Die daran anschliessenden Arbeitsräume für Mitglieder des Parlaments und die Parlamentsfraktionen übernehmen in Disposition und Gestaltung grundlegende Eigenschaften des bestehenden Baus, sprechen indessen eine heutige Sprache, einfach gestaltet, funktionell hochstehend, flexibel nutzbar. Sie haben eine gute Aussicht, lange zu bestehen.

Massnahmen am Äussern

An den Hauptfassaden waren keine wesentlichen Arbeiten nötig. Dagegen wurden die Sandsteinteile des Kuppelaufbaus renoviert. Entsprechend dem bei den Bundeshäusern üblichen Verfahren wurde dabei in der Manier längst vergangener Zeiten erneuernd renoviert, nicht konservierend restauriert. Zahlreiche Stücke wurden ersetzt, andere «auf den gesunden Grund» zurückgearbeitet und damit in Form und Substanz geschädigt.[11] Das Kupferblech der Kuppel selber konnte dafür entgegen den ersten Annahmen fast vollständig erhalten werden.[12] So blieben die Reste der ursprünglichen Vergoldung der Zierteile bestehen. Nach eingehender, kontroverser Diskussion wurden sie ergänzt oder neu aufgebracht.

Die Arbeiten an der Kuppel und eine neue Anleuchtung haben dem Parlamentsgebäude, dem wichtigsten baulichen Symbol der schweizerischen Eidgenossenschaft, wieder seine markante Stellung im Stadtganzen als Zentrum der städtebaulichen Neuordnung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gesichert. Die erste umfassende Gesamtrestaurierung im Innern hat Ordnung geschaffen. In den Hauptgeschossen verbinden sich die historischen Räume auf selbstverständliche Art mit neu ausgestatteten Zimmern, im Dachgeschoss ist eine neue räumliche und gestalterische Ordnung entstanden. Dabei sind die historischen Qualitäten gewahrt und mit neuen architektonischen Qualitäten ergänzt worden.

Sicher, die Perfektionsansprüche waren enorm, der Erneuerungswille war umfassend, das Alter der historischen Substanz als eigener Wert ist kaum mehr spürbar. Angesichts der verheerenden Beschädigungen früherer Eingriffe und des berechtigten Repräsentationsanspruchs des Gebäudes ist diese grosse Eingriffstiefe indessen wohl vertretbar. Die Gesamtrestaurierung hinterlässt ein kostbares Gebäude, in dem sich das Alte und das Neue zu einem Ganzen verbinden. Es hat gute Chancen, für weitere hundert Jahre zu bestehen.


Anmerkungen/Literatur:
[01] Zu verdanken ist dieser Gesinnungswandel v. a. dem Projektleiter Hanspeter Seiler; er liess zahlreiche Räume restaurieren, unterstützt von Dr. Martin Fröhlich, zunächst als Sekretär der Eidg. Kommission für Denkmalpflege, 1978–2000 als Denkmalpfleger im Amt für Bundesbauten
[02] Das vom BBL forcierte Einglasen des Hofraums war denkmalpflegerisch so wenig zu vertreten wie ein gläsernes Eingangsbauwerk im Hof für einen unterirdischen Zugang. Bereits damals schlug die Denkmalpflege einen Zugang von Süden vor
[03] Architekten IAAG, Bern. Publiziert in Hochparterre 1/2003 sowie 1–2/2007
[04] Als einzige «künstlerische» Ausstattung beherbergt sie einen Druck der Dufourkarte ab den originalen Kupferplatten, auf der sich alle Besuchenden aus der Schweiz gewissermassen wiederfinden
[05] Das Pendant der Analyse des Vorbestands ist die noch zu erstellende Dokumentation der durchgeführten Arbeiten in einem Restaurierungsbericht
[06] Die Konstellation war insofern ungewöhnlich, als die Bauherrschaft in der Kunsthistorikerin
Monica Bilfi nger eine ausgezeichnete Kennerin des Parlamentsgebäudes zur Verfügung stellen konnte
[07] Die Sicherheitseinrichtungen und die mächtigen leuchtenden Korpusse am Empfang Seite Bundesplatz realisierten 2003 Clémençon + Ernst, Bern
[08] Deren statische Elemente wurden für die Sicherung der Treppenstufen mitgenutzt; da die Tragelemente abgehängt und auf Zug beansprucht sind, konnten sie sehr schlank ausgebildet werden
[09] Eine ähnliche Behandlung erfuhren auch andere Räume, so das Zeitungszimmer oder die Cafébar im 1. Obergeschoss
[10] Die Glasmalereien sind im Centre du vitrail in Romont deponiert
[11] Heutige Methoden gehen nicht von substraktivem Zurückarbeiten, sondern von additivem Ergänzen mit geeignetem Mörtel aus
[12] Erneuert wurden die Flach- und Steildächer sowie deren Spenglerarbeiten, die entsprechend der ursprünglichen Technik in verzinntem Blech mit Bleifugen ausgeführt wurden. Neue Oberlichtbänder entsprechend der Geometrie der historischen Stahlträger führen Tageslicht ein
[13] In der Diskussion war die Stellungnahme der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege entscheidend

– Eidg. Departement des Innern: Das neue Schweizerische Bundeshaus. Festschrift , Bern 1902
– Monica Bilfi nger: Das Bundeshaus in Bern. Schweizerischer Kunstführer GSK, Bern 2002 (auch in Französisch, Italienisch, Englisch)
– Bundesamt für Bauten und Logistik: Bundeshaus, Umbau und Sanierung Parlamentsgebäude Bern, 2006–2008. Bern 2008 (Dt./Franz./Ital./Romanisch). Mit Verzeichnis der Planer und Unternehmer
– Adrian Scheidegger, Markus Jakob: Aebi & Vincent Parlamentsgebäude in Bern. Bern 2009 (Dt./Franz.)

TEC21, Fr., 2009.05.15



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11. April 2008Bernhard Furrer
Neue Zürcher Zeitung

Das grosse Villensterben

Während die Tessiner mit der Sakralarchitektur einigermassen sorgfältig umgehen, haben sie nur ein geringes Bewusstsein für die Bedeutung profaner Gebäude. Namentlich beim Bautypus der Villa sind die Verluste erschreckend.

Während die Tessiner mit der Sakralarchitektur einigermassen sorgfältig umgehen, haben sie nur ein geringes Bewusstsein für die Bedeutung profaner Gebäude. Namentlich beim Bautypus der Villa sind die Verluste erschreckend.

Das aufstrebende Bürgertum des 19. und frühen 20. Jahrhunderts manifestierte sich im Kanton Tessin baulich mit zahlreichen Villen grosszügigen Zuschnitts. Die meist einfachen, klar proportionierten zweigeschossigen Kuben unter Walm- oder Zeltdächern sind durch Terrassenvorbauten und Loggien sowie Treppenhausrisalite gegliedert und mit den Dekorationsmalereien verziert. Der Bautypus belegt eindrücklich den Aufschwung der Region, der nicht zuletzt von zurückkehrenden Auswanderern, die im Ausland zu Reichtum gelangt waren, vorangetrieben wurde. Im Innern häufig mit einem reichen Ausbau und eigentlichen Bildprogrammen ausgestattet, stehen diese Gebäude in der Regel in enger Beziehung zu einem Garten oder Park.

Ungebremste Abbruchwelle

Dieses bauliche Erbe, das weit über die Kantonsgrenzen hinaus von Bedeutung ist, geriet mit dem Bauboom, der den Kanton seit dem Zweiten Weltkrieg allmählich erfasste und der mit wechselnder Intensität bis heute anhält, unter Druck. Die Bodenspekulation und die Erwartung des raschen Geldes führten namentlich in städtischen Gebieten zu zahlreichen Abbrüchen von Bauten von hoher kulturhistorischer Bedeutung und – über Einzelbauten hinaus – zur Verstümmelung ganzer Wohnquartiere.

Dieser Prozess ist nicht zum Stillstand gekommen. Es ist festzustellen, dass im Gegensatz zur sakralen die profane Architektur im öffentlichen Bewusstsein und in den politischen Gremien des Tessins einen sehr geringen Stellenwert hat und dass die Sensibilisierung durch die Fachinstanzen ungenügend ist. Dadurch entstehen in den planerischen Konzepten wie in den Schutzbestrebungen bedeutende Lücken. Die Aufteilung der Kompetenzen zwischen dem Kanton und den Gemeinden führt nicht selten zu einem eigentlichen Schwarzpeterspiel, da diejenige öffentliche Körperschaft, die ein Gebäude unter Schutz stellt, auch für allfällige Forderungen der Eigentümerschaft geradezustehen hat. So fallen die Objekte mitunter zwischen Stuhl und Bank, stehen zum Abbruch frei.

Dies ist derzeit gleich bei zwei bedeutenden Bauten in Melide zu beobachten. Die Villa Soldini, auch «La Romantica» genannt, soll abgebrochen werden, um für ein Hotel oder Apartmenthaus der Luxusklasse Platz zu machen. Erbaut wurde sie im 18. Jahrhundert auf der in den Luganersee hinausreichenden Landzunge, von Stellung und Zuschnitt her ist sie vergleichbar mit der Villa Ciani in Lugano und der Favorita in Castagnola. Nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem eingeschossigen Vorbau zum mondänen Treffpunkt des Sottoceneri erweitert, wurde sie vom Kanton ohne ausreichende Archiv- und Bauuntersuchungen als wenig interessant eingestuft und nun von der Gemeinde trotz offenbar klarer Schutzklausel im Zonenplan zum Abbruch freigegeben. Die Haupttreppe ist bereits demoliert. Der Vorschlag zur Errichtung eines Hochhauses an dieser landschaftlich empfindlichen Stelle zeigt deutlich, wie die Massstabslosigkeit an den Ufern des Luganersees Schule zu machen scheint.

Auch die Villa Branca am Südrand des Ortskerns von Melide soll abgebrochen werden. Der 1912 fertiggestellte Hauptbau war gut zehn Jahre später vom Architekten Americo Marazzi gegen Osten erweitert worden. Heute prägen der markante Baukörper und die reich gegliederte Fassade noch die seeseitige Dorfansicht. Die imposanten Kellereiräume und die prachtvoll ausgestatteten und ausgemalten Wohnräume in den Obergeschossen, die trotz Leerstand der Villa seit 1981 auch heute noch gerettet werden könnten, werden einem Renditeobjekt geopfert – obwohl unlängst die Umnutzung des Gebäudes zum Weinbaumuseum vorgeschlagen wurde.

Noch grösser als in Melide ist der Druck in Lugano. Die einst von Villen geprägten Vorstädte des 19. Jahrhunderts sind bloss noch als Rudimente erkennbar. Das noch Erhaltene macht in seiner hohen Qualität schmerzlich erfahrbar, welche Verluste dieser Stadt in den letzten Jahrzehnten zugefügt worden sind, Verluste, die nur ganz selten mit guter neuer Architektur aufgewogen wurden. In anderen Regionen der Schweiz wäre beispielsweise ein Abbruch wie derjenige der Villa Ramona (Studer) in Castagnola, die der Architekt Bruno Tomamichel 1931 errichtet hatte, kaum möglich gewesen. Der Bau war eindrücklicher Beleg für die Könnerschaft des Architekten sowohl hinsichtlich der Eingliederung des grossen Bauvolumens in die Steilhanglage als auch bezüglich der innenräumlichen Disposition. Ein weiteres Beispiel unter vielen ist der Abbruch von gleich drei Villen unterhalb des Bahnhofs von Lugano Ende des letzten Jahres. Sie waren Bestandteil einer grösseren Baugruppe, die im «Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz» in der höchsten Kategorie eingestuft war – ein Nachbargebäude war kurz zuvor restauriert worden. Die Abbruchwelle betrifft indessen neben Lugano auch andere Städte.

Natürlich sind auch positive Beispiele zu vermelden. Sie sind in aller Regel nicht der Fürsorge der lokalen oder kantonalen Behörden, sondern vielmehr dem Bewusstsein und Engagement Privater zu verdanken. Als Beispiel im städtischen Bereich sei hier die Villa Staufer-Frizzi im Quartier Montarina von Lugano genannt, erbaut um 1910 vom bereits erwähnten Architekten Americo Marazzi. In diesem Quartier, das als Gartenstadt konzipiert und mit zweigeschossigen Villen überbaut worden war, ist die Errichtung von fünfgeschossigen Blöcken ermöglicht worden; die dadurch entstandenen Einbrüche sind brutal. Die Villa selbst wurde nach langer öffentlicher Auseinandersetzung und Vorliegen einer rechtsgültigen Abbruchbewilligung von einer Firma gekauft und bleibt erhalten. Allerdings offenbart die Art, wie der Bau nun durch den überhohen benachbarten Neubau bedrängt wird und wie mit der originalen Substanz im Innern umgesprungen worden ist, das Desinteresse der öffentlichen Hand an solchen Aktionen deutlich. Für den ländlichen Raum ist die Casa Lucomagno in Olivone als positives Beispiel zu nennen. Sie wurde von den Fratelli Bruni, erfolgreichen Auswanderern, als Sommerhaus erbaut und mit einer qualitätvollen Ausstattung versehen, die von späteren Eigentümern ergänzt und bereichert wurde. Vor kurzem von privater Seite sorgfältig restauriert, wird sie heute als kleines Hotel betrieben.

Neue Wege finden

Die Verluste der letzten Jahre und Jahrzehnte an Villen im Tessin – und darüber hinaus an Profanbauten ganz generell – sind erschreckend. Bauten von hoher architektonischer und geschichtlicher Qualität sind verloren gegangen; und auch das quantitative Ausmass der Zerstörung ist bedeutend. Da ist es erfreulich zu erfahren, dass beispielsweise Lugano unter der Führung von Stadträtin Giovanna Masoni ein kommunales Inventar der schützenswerten Bauten beschliessen will; nachdenklich stimmt allerdings, dass bloss etwa hundert Bauten erfasst werden sollen. Will der Kanton den Restbestand an bedeutenden Villen erhalten, muss er dringend neue Wege zu ihrem verlässlichen Schutz suchen.

Neue Zürcher Zeitung, Fr., 2008.04.11

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