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16. Januar 2016Jutta Glanzmann
TEC21

Licht in allen Facetten

Das neue Haus für die Hotelfachschule im Zürcher Belvoirpark klärt eine städtebauliche Situation. Das Raumkonzept im Inneren schafft ein spannendes Miteinander von repräsentativen und funktionalen Räumen – wobei sowohl der Einfall des natürlichen Lichts als auch die eigens für das Haus entwickelten Leuchten eine wichtige Rolle spielen.

Das neue Haus für die Hotelfachschule im Zürcher Belvoirpark klärt eine städtebauliche Situation. Das Raumkonzept im Inneren schafft ein spannendes Miteinander von repräsentativen und funktionalen Räumen – wobei sowohl der Einfall des natürlichen Lichts als auch die eigens für das Haus entwickelten Leuchten eine wichtige Rolle spielen.

Die von Peter Märkli entworfene neue Hotelfachschule steht an der Geländekante zwischen Seestrasse und Belvoirpark. Durch seine präzise Setzung und die Volumetrie, die subtil auf die umgebenden Bauten reagiert, wird das Gebäude zu einem Scharnier zwischen einer Reihe von punktuellen Villenbauten entlang der Seestrasse und der Villa Schneeligut im Park.

Der 22 m hohe Neubau wendet sich mit einer fünfgeschossigen Fassade und zwei Annexbauten zum Belvoirpark. Dabei orientiert sich der Grundriss zum einen an der Flucht der Seestrasse, zum anderen nimmt er die Geometrie eines kleineren angrenzenden Gebäudes auf. Dadurch wird die flächig wirkende Parkfassade mit den regelmässig angeordneten, hochformatigen Fenstern einmal geknickt. Über die mittigen, grossflächigen Verglasungen, die in Anlehnung an eine klassische Säulenordnung dreigeteilt sind, zeichnet sich die zentrale Halle im Innern des Hauses gegen aussen ab.

Diese entwickelt sich vertikal über alle Stockwerke und lebt von der Wirkung des natürlichen Lichteinfalls und des Kunstlichts im Zusammenspiel mit den eingebauten Materialien. Das Kunstlicht stammt in erster Linie von lüsterartigen, eigens für den Bau gefertigten Leuchten. Vom Strassenraum nimmt man den Bau als dreigeschossiges Volumen wahr, dessen Fassade stärker geschlossen ist als zum Park hin, wobei sich die Halle auch hier über die Ausgestaltung der Fenster gegen aussen zeigt. Nicht zuletzt dank dem Kunstlicht, das den festlichen Charakter der Halle auch tagsüber von aussen ablesbar macht.

Das Licht im Gebäude war sehr früh im Entwurfsprozess ein Thema: Die Art der Beleuchtung hat sich zusammen mit der räumlichen Konfiguration des Gebäudes entwickelt.Peter Märkli hat dafür mit Lichtplaner Thomas Mika von Reflexion zusammengearbeitet, mit dem ihn eine langjährige Kooperation im Bereich der Lichtplanung verbindet.

Das Quadrat als wiederkehrende Form

Der grob verputzte Sockel in einem dunklen, kalten Grauton fasst das Haus mit den Annexbauten zu einem Ganzen. Der Rest der Fassade ist mit einem mineralischen Verputz in einem helleren Grau gehalten. Die Fensteröffnungen der Halle sind mit Betonfertigelementen konstruiert, die jeweils mit Pfeilern in einem dunkleren Farbton eingefasst sind. Trotz ihrer schlichten Ausgestaltung entsteht damit eine Assoziation mit der klassischen Villenarchitektur.

Ergänzt wird diese Wahrnehmung durch dekorative Elemente in Form von kleinen Quadraten, die aus dem gleichen Putz wie der Sockel bestehen und sich dadurch leicht von der Fassadenfläche abheben. Sie zeichnen das Eingangs- und das oberste Geschoss aus und schaffen in ihrer Kleinteiligkeit einen gestalterischen Bezug zu den benachbarten Fachwerkbauten im Park. Gleichzeitig lassen sie innerhalb der regelmässigen Fassadenordnung mit den hochformatig versetzten Fenstern eine zweite gestalterische Ordnung entstehen. Das gleiche Quadrat taucht als formales Grundelement auch bei den Leuchten in der Halle und im Restaurant wieder auf.

Zusammenspiel von Material und Licht

Dass die Geschosse nicht der Regelmässigkeit folgen, die man von aussen abzulesen glaubt, zeigt sich erst im Innern des Hauses: So ist das oberste Geschoss im Bereich des Auditoriums 4.5 m hoch, und das Eingangsgeschoss misst anders als die übrigen Stockwerke 3.5 m. Alle übrigen Geschosse sind 4 m hoch. Diese räumliche Grosszügigkeit entspricht zum einen den funktionalen Anforderungen einer Schule mit Seminarräumen und Auditorium, zum anderen unterstreicht sie den repräsentativen Charakter des Hauses, in dem sich Studierende aus aller Welt für Führungsaufgaben in Hotellerie, Gastronomie und Tourismus ausbilden lassen.

Das Haus betritt man von der Seestrasse aus über einen dunklen, mit schwarzem Naturschiefer verkleideten Raum. Dieser wirkt wie eine Schleuse, bevor man in die festlich beleuchtete Halle tritt, die sich im Gebäudeinnern als räumliche Figur über eine repräsentative Treppe nach unten und oben entwickelt und sich partiell über grosse Glasöffnungen nach aussen wendet. Auch hier sind die Wände mit dunklem Schiefer belegt.

Während der rote Teppich zusammen mit den grossformatigen Deckenleuchten dem Raum einen repräsentativen, fast festlichen Ausdruck verleiht, sind die Betondecken lediglich weiss gestrichen und vermitteln zusammen mit den weissen Akustikelementen einen rohen Charakter. Die mit Olivenholzfurnier belegten, fast raumhohen Türen, die in die angrenzenden Schulungsräume führen, wirken in ihrer Gestaltung wiederum eher klassisch.

Die Halle als mehrfach nutzbarer Raum

Durch die riesigen Fenster, die den angrenzenden Belvoirpark und die Landschaft in der Ferne zu Bildern fassen, entsteht in der Halle eine schöne Raumstimmung. Die zweiseitig angedockten Treppenhäuser übernehmen die Brandschutzfunktion und entlasten – ebenso wie die vier Körper, in denen die gesamte Haustechnik zusammengefasst wurde – die Halle in funktionaler Hinsicht. Solchermassen vollständig freigespielt kann sie als Treffpunkt oder als Ort zum Lernen dienen. Sie ist Foyer, Bibliothek, aber auch Rückzugsort. Und es finden darin Lernsituationen Platz, sei es die eigens dafür eingerichtete Übungsbar oder die Rezeption.

Die Halle wird ebenso wie die angrenzenden Treppenhäuser oder die Schulungsräume werden durch die raumhohen Fenster natürlich belichtet. Zusätzlich sorgen neben dem Stimmungslicht der grossformatigen Leuchtkörper in die Decke eingelassene Downlights – beispielsweise im Bereich des Empfangs oder der Bar – für gutes Arbeitslicht. Um die Halle ordnen sich situativ, je nach Nutzung des Stockwerks unterschiedlich, die zudienenden Räume wie Büros oder Sanitärbereiche.

Stimmungs- und Arbeitslicht

Das Restaurant im Gartengeschoss dient als Mensa für die Schülerinnen und Schüler, kann aber gleichzeitig als Ort für besondere Anlässe genutzt werden. Dafür sorgen das Eichenparkett, die kupferfarbenen Elemente, die Lüftungs- und Akustikelemente aufnehmen, der rundumlaufende Fries, der im überhohen Raum den menschlichen Massstab vermittelt, sowie die Deckenleuchten, die auf demselben Entwurfsprinzip basieren wie diejenigen in der Halle: Ausgehend vom Leuchtmittel LED bilden Flachstahlprofile, die mit quadratischen Gläsern bestückt sind, die Tragkonstruktion.

Durch Lufteinschlüsse im Glas wird eine diffuse Transparenz erzeugt, durch die das Licht der LED fällt. Während die Gläser in der Halle flache, kronleuchterartige Einzelstücke bilden, die damit eine gewisse Nobilität ausstrahlen, sind die Leuchten im Restaurant als repetitive, nicht gerichtete Elemente eingesetzt. Das warme, schimmernde Licht, das so in Halle und Restaurant erzeugt wird, kann auch von aussen wahrgenommen werden und vermittelt damit auf einer informellen Ebene den repräsentativen Charakter des Schulgebäudes. Die Leuchtstärke spielt hier keine zentrale Rolle.

Anders in den Seminarräumen: Auch diese Leuchten wurden eigens für ihren Zweck entworfen. In die viereckigen Elemente sind nicht nur die dimmbaren Leuchtkörper eingelassen, sie können auch kühlen, entlüften und heizen. Im Gegensatz zu den warm schimmernden Leuchtgebilden in der Halle verströmen sie ein kühles Arbeitslicht und sind so aufgebaut, dass sie für die verschiedenen Arbeits- und Unterrichtssituationen die gewünschte Lichtsituation erzeugen.

Trotz dem hohen funktionalen Stellenwert, den die Leuchtkörper haben, überzeugen sie als gestalterische Objekte an sich: Sie vermitteln auch auf formaler Ebenen in ihrer schlichten, geometrischen Form ihre hauptsächliche Funktion als Arbeitsleuchten. Eine Wirkung, die verstärkt wird, indem die Leuchten an die sichtbare geführte Infrastruktur der Haustechnikversorgung angeschlossen sind. Wie in den repräsentativen Räumen zeichnet auch dieses Licht die Funktion der Räume nach aussen ab und macht damit den inneren Aufbau der Hotelfachschule transparent.

TEC21, Sa., 2016.01.16



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|03-04 Kunstlicht im Raum

05. April 2015Jutta Glanzmann
TEC21

Die neue Gründerzeit

Der Norden von Zürich wirkt wenig wohnlich und ist zwingend auf eine qualitative Weiterentwicklung angewiesen. Mittendrin setzt das Hunziker-Areal nun auf eine urbane räumliche Dichte, sowohl auf der
Ebene Quartier als auch in den Wohnungsgrundrissen.

Der Norden von Zürich wirkt wenig wohnlich und ist zwingend auf eine qualitative Weiterentwicklung angewiesen. Mittendrin setzt das Hunziker-Areal nun auf eine urbane räumliche Dichte, sowohl auf der
Ebene Quartier als auch in den Wohnungsgrundrissen.

Vor acht Jahren feierte der gemeinnützige Wohnungsbau in der Stadt Zürich sein 100-Jahr-Jubiläum und sam­melte Ideen zur Zukunft des genossenschaftlichen Wohnens. Dies trug zur Gründung der Baugenossenschaft «mehr als wohnen» bei und zur Absicht, eine in vielen Belangen neuartige Siedlung zu gestalten. Auf der rund 40?000 m² grossen Gewerbebrache «Hunziker-Areal» in Zürich Nord sollte qualitätsvoller, urbaner Raum zum Leben und Arbeiten entstehen, in Verbindung mit ökologischen und sozialen Zielen (vgl. «Verzicht ist auch eine Form der Reduktion», S. 33, und «Ausgewählte Bewohnerschaft», S. 35). Seit vergangenem November ziehen die Bewohner ein; am ersten Juliwochenende findet das Eröffnungsfest auf dem Hunziker-Platz statt. Genau dort lässt sich die Idee des städtebaulichen Entwurfs, statt einer Siedlung ein Stück Stadt zu schaffen, erstmals überprüfen. Der regelmässig zitierte Referenzort für den neuen Wohnkern war nämlich der Idaplatz im Zürcher Kreis 3. Dieser ist räumlich gefasst: Er zeichnet sich durch eine rundum laufende, dichte Bebauung von mehrgeschossigen Häusern aus, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit durch die Ausbildung und Nutzung des Erdgeschosses, die Art der Dachabschlüsse und die dazwischen liegenden Regelgeschosse zusammengehalten werden. Gleichzeitig lebt der Platz davon, dass er Teil eines gut funktionierenden Stadtquartiers ist. Auch das Hunziker-Areal verbindet sich durch Wege, Strassen sowie grös­sere und kleinere Plätze mit der bestehenden Umgebung, die aber anders als der innerstädtische Kreis 3 typische Eigenschaften eines Stadtteils an der Grenze zur Agglomeration aufweist: grosse Büro- und Wohnbauten mit gesichtslosen Erschlies­sungsflächen, Industrie- und Gewerbebauten, breite Strassenräume und erste Ansätze einer kleinteiligeren Struktur mit öffentlichen Erdgeschossnutzungen wie Restaurants, die aber nur werktags geöffnet sind. Kehrichtverbrennungsanlage, Bahnlinie und eine stark befahrene Strasse sind die weiteren Nachbarn in diesem beanspruchten Gebiet.

Trotzdem traut man dem Hunziker-Areal nun zu, dieses Konglomerat mit einem neuen räumlichen Schwerpunkt zu bereichern oder zumindest aufzubrechen. Die Wege von aussen ins Areal führen nicht einfach in eine Tiefgarage, sondern auf kleinere und grössere Plätze, die sich verengen und weiten, sowie auf Gassen und Gässchen. Der Aussenraum enthält spannungsreiche Sequenzen; die Häuser bieten daran angrenzend Platz im Erdgeschoss für publikumsorientierte ­Nutzungen. Der vielfältige Freiraum und die unterschiedlichen Häuser sollen die Wahrnehmung von gewachsenen Strukturen im wenig attraktiven Entwicklungsgebiet betonen. Das räumliche Potenzial des Quartiers wirkt im Vergleich zur Umgebung geradezu innerstädtisch.

Intensive Aushandlungsphase

Der Architekturwettbewerb betrat selbst Neuland: Es waren parallele Vorschläge für eine städtebauliche Konzeption und ein exemplarisches Einzelgebäude einzureichen. Ab Mai 2009 gingen die Gewinner Futura­frosch/Duplex Architekten (als Arbeitsgemeinschaft), Müller Sigrist Architekten, Architekturbüro Miroslav Šik und pool Architekten gemeinsam daran, räumliche Antworten für eine Durchmischung auf den zwei Massstabsebenen Stadtquartier respektive Wohnungsgrundrisse zu suchen (vgl. TEC21 7/2011). Die Wohnmodelle sollten die Vielfältigkeit und demografische Entwicklung der modernen Gesellschaft berücksichtigen (vgl. «Ausgewählte Bewohnerschaft», S. 35). Auch dieser ­Planungsprozess war zuvor selten gesehen (vgl. oben «Frei interpretierbare Rahmenbedingungen»): In einem intensiven halbjährigen Dialog handelten die Architekten zusammen mit den Verantwortlichen der Baugenossenschaft eine Lösung aus, die Hauskonzepte zu einem Ganzen zu verbinden. Diskussionspunkte waren unter anderem ein Regelwerk für die teils sehr unterschiedlichen Häuser[1], die Gestaltung der Erdgeschosse sowie die Nutzungsvarianten für den Aussenraum, basierend auf der Studie von Müller Illien Landschaftsarchitekten. Am Verhandlungsprozess war auch das Amt für Städtebau eingebunden. Abschliessend fand eine Besprechung mit der Wettbewerbsjury statt.

Die Abstimmung unter den Architekten scheint aber nicht immer gelungen. Der Wille zur formalen Gestaltung einzelner Fassaden wurde etwas stark ausgereizt (vgl. «Das Brockenhaus-Quartier», S. 30). Nicht abschliessend beurteilen lässt sich die Nutzung des Aussenraums. Dieser ist noch im Bau und durch temporäre Parkplätze belegt.

Individuell und gemeinschaftlich

Das dichte Stück Stadt sollte jedoch auch im Innern der Gebäude funktionieren. Unter anderem waren Wohnungen für ein gemeinschaftliches Miteinander zu entwerfen respektive mit individueller Rückzugsmöglichkeit auszustatten. Exemplarisch stehen dafür die Satellitenwohnungen: Mehrere autonome Kleinstwohnungen gruppieren sich um gemeinsam nutzbare Flächen (Küche, Nasszelle, Aufenthaltsraum). Der Wohnungsspiegel ist breit gemischt vom Einzelstudio bis zur WG mit zwölf Zimmern; die Angebotsvielfalt enthält weitere Spezialitäten wie Duplexwohnungen oder überhohe Räume.

Trotz der grossen Dichte überraschen die insgesamt 370 Wohneinheiten immer wieder mit Aus- und Durchblicken ins Freie. Problematisch wird es, wenn die teils sehr tiefen Abmessungen der Baukörper und die gewählten Grundrissdispositionen dunkle Wohnräume entstehen lassen, wobei dies sehr stark von der gewählten Wohnungstypologie abhängt. Angesichts der moderaten Mieten verfügen die Wohnungen über einen guten Ausbaustandard, und generell ist die räumliche Qualität der Grundrisse sehr hoch. Die in den Wohnungen gewählten Materialien und Ausbauten sind in der Regel für alle Häuser gleich.

Eine zusätzliche Entdeckung sind die Treppenhäuser: In mehreren Bauten erschliessen grosszügige mehrgeschossige Räume die Wohnungen und bilden im Innern ein öffentliches Wegnetz. Sind die einen eher reduziert karg und entwickeln daraus ihre Anziehungskraft, erinnern andere an klassische Stadthäuser mit innerem Wandelgang.


Anmerkung:
[01] Häuser im Dialog. Ein Quartier entsteht. Projekt Hunziker-Areal, Baugenossenschaft «mehr als wohnen»; Arbeitsgemeinschaft Futurafrosch und Duplex Architekten, Zürich 2010.

TEC21, So., 2015.04.05



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2015|13-14 Hunziker-Areal Zürich – die bessere Vorstadt

15. November 2013Jutta Glanzmann
TEC21

Turm mit zwei Gesichtern

Sowohl im Auf- als auch im Grundriss schert die Villa in Albisrieden am Fuss des Uetlibergs aus dem strengen Bebauungsmuster des Einfamilienhausquartiers aus. Ihre Form leitet sich aus Anforderungen ab, die einander fast ausschliessen: In der Zone W2 gelegen, sollte sie vier Geschosse aufweisen. Michael Meier und Marius Hug Architekten haben das Problem mit einer Volumetrie gelöst, die sich von vorn als Turm präsentiert und von hinten einen breiten Rücken zeigt. Damit haben sie die Hanglage in dem Aussenquartier der Stadt Zürich explizit thematisiert.

Sowohl im Auf- als auch im Grundriss schert die Villa in Albisrieden am Fuss des Uetlibergs aus dem strengen Bebauungsmuster des Einfamilienhausquartiers aus. Ihre Form leitet sich aus Anforderungen ab, die einander fast ausschliessen: In der Zone W2 gelegen, sollte sie vier Geschosse aufweisen. Michael Meier und Marius Hug Architekten haben das Problem mit einer Volumetrie gelöst, die sich von vorn als Turm präsentiert und von hinten einen breiten Rücken zeigt. Damit haben sie die Hanglage in dem Aussenquartier der Stadt Zürich explizit thematisiert.

Oberhalb des Einfamilienhausquartiers, das sich entlang des Lyrenwegs parallel zum Hang entwickelt, steht seit Anfang dieses Jahres ein bemerkenswerter Neubau. Entworfen haben ihn die Zürcher Architekten Michael Meier und Marius Hug. Das Zweifamilienhaus steht auf einem Grundstück in der zweiten Reihe der regelmässig angeordneten Parzellen, das sich schmal und steil den Hang hinaufzieht und an seinem oberen Rand in Wald übergeht. Damit befindet sich das Gebäude an der Grenze zwischen Stadt und Land. Diese Tatsache haben die Architekten genutzt und zum Thema des Hauses gemacht. Durch die steile Lage am Hang tritt das Gebäude auf allen Seiten unterschiedlich in Erscheinung. Von der Stadt, d. h. von Norden, wirkt das Haus hoch und schmal wie ein Turm. Auf der Rückseite, von Süden, nimmt man es als zweigeschossiges Gebäude mit Attika wahr, das sich in die Breite entwickelt. Eine Herausforderung war es, das Volumen gesetzeskonform auf dem Restgrundstück zu platzieren. Was heute selbstverständlich aussieht, war ein schwieriges Unterfangen: Die Gebäudehöhe von insgesamt 8.50 m stand aufgrund der Zone W2 fest. Gleichzeitig durften maximal 50 % des untersten Geschosses über Terrain liegen,. Das Haus sollte zudem über vier Stockwerke verfügen, damit sich das Konzept von zwei Familienwohnungen realisieren liess. Diese sind paarweise über je zwei Geschosse organisiert. Bewerkstelligt haben das die Architekten, indem sie zunächst die vier äussersten Punkte der Fassadenabwicklung in der Höhe festlegten und den Baukörper danach entlang der Höhenkurven quasi ins Gelände einpassten.

Roh und geschliffen

Der annähernd symmetrische Zuschnitt der Grundrisse und die Fenster, die übers Eck laufen, sind laut Michael Meier eine Reminiszenz an die Wohnhäuser des Lyrenquartiers aus den 1930er-Jahren – diese sind ebenfalls symmetrisch organisiert und mit Eckfenstern ausgestattet. An der Längsseite verengt sich die achteckige Grundfigur jeweils, während die kürzeren Seiten sich mittig nach aussen stellen. Dadurch entstehen erkerartige Ausschnitte, die geschossweise mit leicht zurückversetzten Gläsern ausgefacht sind. Die ohnehin eindrückliche Weitsicht von den talseitig gelegenen Räumen über die Stadt im Osten und das Siedlungsgebiet des Limmattals im Norden wird dadurch noch spektakulärer. Indem die übrigen Aussenflächen des Baukörpers vollständig geschlossen gestaltet und sowohl Aussentreppen als auch auskragende Vordächer durchwegs in Beton gegossen sind, entsteht eine prägnante Form. Einzig die Abdeckungen der Brüstungen aus eloxiertem Aluminium sowie die Staketengeländer des Attikageschosses, der Dachterrasse und der Aussentreppen in gespritztem Metall bestehen aus einem anderen Material – mit ihrer dezenten Gestaltung treten sie jedoch in den Hintergrund. Damit bleiben trotz der Rohheit der Form die präzisen gestalterischen Entscheide der Architekten spürbar. Diese wiederum machen die roh geschnittene Form erst möglich – und das trotz der hohen technischen Anforderungen, die das Gebäude mit dem Minergie-Standard erfüllt.

Die zwei Gesichter von Hang- und Talseite

Im Innern gliedern zwei nicht rechtwinklige Erschliessungskerne die Grundfigur im Erd- und im Obergeschoss und lassen im Bereich der vier geschosshoch verglasten Ecken des Raums halboffene Nischen entstehen. Im Erdgeschoss gehen diese in einen zur Stadt orientierten, offenen Wohnraum über. Im Obergeschoss ergänzen raumbildende Leichtbauwände die abgeschlossenen Zimmer, die zur Fassade hin alle im Stil einer Enfilade miteinander verbunden sind. Im Dachgeschoss treten in den Gebäudeecken an Stelle der Erker vier Aussenräume, die unterschiedliche Ausblicke ermöglichen (Abb. 04).

Während das Kellergeschoss mit Garage und Technikräumen vollständig im Berg liegt – was eine aufwendige Fundation notwendig machte –, beherbergt das Sockelgeschoss die Schlafräume der Gartenwohnung sowie ein Badezimmer und einen Arbeitsraum. Da dieser zum Hang hin liegt, wird er durch eine in die Decke eingelassene, horizontale Glasfläche belichtet (Abb. 08).

Durch die allseitige Ausrichtung entstehen in beiden zweigeschossigen Wohnungen überraschende räumliche Abfolgen. So bleibt, auch wenn man sich in einem zum Hang orientierten Raum aufhält, die Stadtseite des Hauses spürbar – ebenso ist die Aussicht in den Grünraum präsent, während man den Blick über die Häuser der Stadt schweifen lässt. Diese Gleichwertigkeit der Ausrichtung des Hauses schafft zwei unterschiedliche Wahrnehmungen: eine urbane, auf die dicht bebaute Stadt bezogene und eine ländliche mit Blumenwiese und Wald. Die schlichte Materialität der Räume mit Leichtbauwänden und Möbeleinbauten in furnierter Braunkernesche, den schalungsglatten, lasierten Betonoberflächen, den Terrazzoböden und den eloxierten Fensterrahmen schafft eine dezente, beige-goldene Farbigkeit und sorgt für eine angenehme Raumatmosphäre. In der oberen Wohnung sind alle Leichtbauwände in einem warmen Grauton gestrichen, entlang der Erschliessungszonen sind diese mit Holz verkleidet. Konstruktiv notwendige Elemente wie Fensterprofile oder Absturzsicherungen sind zurückhaltend gestaltet

Vom Betonbau zum berankten grünen Körper

Die grosszügige Wirkung der Räume täuscht darüber hinweg, dass die begrenzte verfügbare Fläche von je ca. 103 m² pro Geschoss zu radikaler räumlicher Optimierung zwang. So haben die Treppen beispielsweise alle maximale Steigungsverhältnisse. Auch handwerklich war der Bau des Hauses anspruchsvoll. Laut Architekt Michael Meier war insbesondere die Schalung der teils schräg gestellten Betonwände eine Herausforderung, die jedoch dank der guten Zusammenarbeit mit dem Unternehmer habe gemeistert werden können. Statisch ist der Baukörper so konzipiert, dass die Fassade tragend ist. Die innen liegenden Betonwände der Erschliessungskerne werden praktisch nicht aktiviert, sondern sind nur aus gestalterischer Absicht in Beton ausgeführt. Die Betondecken liegen örtlich auf der einschaligen Betonfassade auf und sind mit 18 bis 22 cm Stärke vergleichsweise schlank.

Das Zweifamilienhaus erfüllt den Minergie-Standard und ist mit einer Bedarfslüftung ausgestattet. Die Wärmeversorgung erfolgt über eine Wärmepumpe mit Erdsonden. Während die im Hang liegenden Geschosse aussen gedämmt sind, ist der gegen aussen sichtbare Teil mit einer Innendämmung versehen. Das erste Jahr im Haus habe gezeigt, dass das Raumklima trotz der grossen Fensterflächen äusserst angenehm sei, so Michael Meier. Der Garten rund ums Haus soll sich über die Jahre entwickeln und der jetzt noch rohe Betonbau mit der Zeit zu einem berankten, grünen Körper werden, der sich im Herbst zu einem intensiven Rot wandeln wird. Auch die Blumenwiese mit Obstbäumen und Büschen braucht Zeit, bis sie sich voll entfalten wird.

TEC21, Fr., 2013.11.15



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TEC21 2013|47 Hoch gestapelt, tief gelegt

18. November 2011Jutta Glanzmann
TEC21

Vielfalt als Konzept

Drei im Dezember 2010 fertiggestellte Neubauten und ein denkmalgeschütztes Fachwerkhaus, das zeitgemäss erneuert wurde, schaffen an prominenter Lage in Thalwil ZH einen Ort zum Wohnen und Arbeiten mit hoher räumlicher Qualität. Für die Bauherrschaft und die Thalwiler Architekten der Archplan AG stand die Nachhaltigkeit im Vordergrund, nicht nur die Energieeffizienz der einzelnen Gebäude. Diese überzeugen als eigenständige Objekte ebenso wie als Teile des Ganzen.

Drei im Dezember 2010 fertiggestellte Neubauten und ein denkmalgeschütztes Fachwerkhaus, das zeitgemäss erneuert wurde, schaffen an prominenter Lage in Thalwil ZH einen Ort zum Wohnen und Arbeiten mit hoher räumlicher Qualität. Für die Bauherrschaft und die Thalwiler Architekten der Archplan AG stand die Nachhaltigkeit im Vordergrund, nicht nur die Energieeffizienz der einzelnen Gebäude. Diese überzeugen als eigenständige Objekte ebenso wie als Teile des Ganzen.

Dass mit dem Neubau von drei Mehrfamilienhäusern im Zentrum eines Ortes ein Ensemble mit ausserordentlicher städtebaulicher Qualität entsteht, ist keine Selbstverständlichkeit. Es gehört aber ebenso zu einer nachhaltigen Sichtweise wie eine energieeffiziente Gebäudestruktur (vgl. «Intelligentes Tragwerk», S. 20) oder der Einsatz ökologischer Baumaterialien. Das Areal Güggel in Thalwil liegt in Gehdistanz zum Bahnhof. Eigentümerin ist die Heer & Co AG, die bis in die 1970er-Jahre auf dem benachbarten Grundstück Seide und Rayonstoffe produzierte. Dort wurde bereits 1972 anstelle der Fabrikationsgebäude die Wohnsiedlung «Im Isisbüel» erstellt. Das Areal Güggel hat seinen Namen vom Lehenhaus «Güggel», einem Fachwerkhaus, das dort 1741 durch das Kloster Muri erstellt wurde. Das Grundstück liegt im Rank der Mühlebachstrasse, die unter den Bahngleisen hindurch zum See führt. Bereits seit 1996 bestanden Neubaupläne für das Areal, auf dem neben dem 270 Jahre alten Fachwerkhaus zwei baufällige Wohnhäuser standen. Aber erst ein auf einem Projekt der Archplan AG basierender Gestaltungsplan führte 2009 zur Baubewilligung. Das Konzept für die Bebauung der Parzelle sah vor, das Fachwerkgebäude zu erhalten und mit drei Neubauten zu ergänzen. Diese liegen entlang der Mühlebachstrasse und nehmen in Form und Höhe Bezug auf die angrenzende Bebauung. Dadurch wird der Strassenraum gefasst, und zwischen den Volumen entsteht ein städtischer Platz, den der Geometrieingenieur und Künstler Urs Beat Roth gestaltet hat.[1] Während das nördlich angrenzende Haus gegenüber dem Fachwerkhaus mit dem Giebeldach und der Lochfassade eine klassische Formensprache spricht, sind die östlich liegenden Baukörper beide als eher längliche Kuben mit Flachdach gestaltet (Abb. 1).

Der ganzheitliche Blick

Dieser formalen Unterscheidung entsprechen auch die verschiedenen Bauweisen und Energiestandards der einzelnen Häuser. Während der Neubau mit Giebeldach massiv gebaut ist und den Minergie-Standard erfüllt, sind die beiden anderen Gebäude in Mischbauweise erstellt und Minergie-P-zertifiziert. Die Unterscheidung führt bis zum Innenausbau: Der Massivbau besitzt im Gegensatz zu den Minergie-P-Bauten kleinere Wohnungen in einem einfacheren Standard, so konnten auch die Mieten tiefer gehalten werden. Das Fachwerkhaus dagegen wurde der alten Bausubstanz entsprechend sanft erneuert, ohne einen zertifizierten Energiestandard anzustreben. Während das Fachwerkhaus innen neu mit 14 cm Zelluloseflocken gedämmt wurde, verfügt der massive Neubau über eine 20 cm starke Aussendämmung. Die beiden Minergie-P-Gebäude sind in Elementbauweise errichtet, mit 40 cm integrierter Dämmung. Daraus resultiert für das Fachwerkhaus ein etwa vier Mal so grosser Verbrauch an Heizenergie (bezogen auf die gleiche Wohnfläche) wie für die beiden Minergie-P-Gebäude.

Für Architekt Felix Sponagel, der innerhalb des Architektenteams für die Erneuerung des alten Fachwerkhauses verantwortlich war, stellt sich dennoch die Frage, welches der vier Häuser einer ganzheitlichen Betrachtung von Nachhaltigkeit am nächsten kommt. Denn das Minergie-Label fokussiert auf die Energieeffizienz eines Gebäudes, Aussagen zur Höhe der grauen Energie aber fehlen. Dieser Einwand hat durchaus seine Berechtigung, zeigt sich doch, dass die typischen Werte für die graue Energie eines Gebäudes bei durchschnittlich 100 MJ–150 MJ/m2a liegen – und damit etwa auf dem Niveau der Betriebsenergie für Raumheizung und Warmwasser von energieeffizienten Neubauten.[2] Damit hat die Energie für die Herstellung der Baustoffe, die Erstellung und den späteren Rückbau eines Gebäudes sowie die Entsorgung eine ähnliche Bedeutung wie die Betriebsenergie. Mit konkreten Zahlen belegen lässt sich die Vermutung, dass das Fachwerkhaus über den gesamten Lebenszyklus betrachtet im Vergleich zu den drei Neubauten nicht schlechter abschneidet, allerdings nicht – dazu fehlen Daten zur aufgewendeten grauen Energie für die einzelnen Gebäude. Als Anhaltspunkte können aber die nebenstehenden Zahlen dienen (Abb. 3).

Platz als verbindendes Element

Für Andreas Friedrich als Vertreter der Bauherrschaft war eine nachhaltige Bauweise an diesem zentralen Ort in Thalwil eine Selbstverständlichkeit, trotz den damit verbundenen Mehrkosten. Mit Blick auf nachfolgende Generationen zu bauen, bedeutet nicht nur energieeffiziente Gebäude, sondern auch Flexibilität der Struktur und ein sorgfältiger Umgang mit dem verfügbaren Boden. Diese Haltung manifestiert sich am Platz, der die vier neuen Volumen miteinander verbindet und sofort ins Auge fällt. Urs Beat Roth hat dafür ein Muster geschaffen, das durch die mit Gras bewachsenen Fugen der trapezförmigen Kunststeinplatten in drei verschiedenen Formaten entsteht. Sie verlängern die Gebäudelinien perspektivisch und schaffen einen Ort, der kraftvoll und eigenständig ist. Die Baukörper selbst stehen so zueinander, dass zwischen ihnen gassenähnliche Räume und gefasste Durchblicke entstehen. Eine Treppe führt von der Mühlebachstrasse auf den tiefer gelegenen Platz, der die einzelnen Häuser erschliesst und der wiederum mit der angrenzenden Mühlebachstrasse verbunden ist. Die beiden Minergie-P-Gebäude – eines viergeschossig (Haus Nr. 32), eines dreigeschossig (Haus Nr. 28) –, die in Mischbauweise mit Betondecken und Fassadenelementen aus Holz erstellt wurden, verbindet eine offene Treppenkonstruktion. Sie führt auf die gemeinsam genutzte Dachterrasse des dreigeschossigen Wohnhauses und erschliesst dieses gleichzeitig. Durch das gemeinsame Treppenhaus war es möglich, nur einen Lift für beide Häuser zu bauen. Gegen aussen sind die beiden Längskuben mit bandartigen Fenster elementen gestaltet, die durch vertikal strukturierte Holzverkleidungen unterbrochen werden. Zum einen verweisen sie damit auf die darunterliegende Konstruktion, zum anderen entsteht eine Verwandtschaft mit dem bestehenden Fachwerkhaus. Das in Massivbau erstellte vierte Haus entwickelt eher auf einer formalen Ebene eine Verbindung mit dem Altbau: Beides sind Giebelhäuser. Was wiederum alle Gebäude miteinander verbindet, ist die Gebäudetechnik: In einem einzigen Technikraum im viergeschossigen Minergie-P-Bau (Haus Nr. 32) steht die Holzpelletheizung, die Alt- und Neubauten mit Wärme und Warmwasser versorgt.

Breites räumliches Spektrum

Bei den Neubauten findet die äussere Gestaltung ihre Fortsetzung im Inneren. Während die beiden Minergie-P-Häuser aufgrund der Stützenbauweise im Grundriss frei einteilbar und die Wohnungen entsprechend offen organisiert sind, orientiert sich der verputzte Massivbau an einer klassischen Wohnungstypologie mit zentralem Entrée und darum gruppierten Räumen und abgeschlossener Küche. Bei der Erneuerung des Fachwerkhauses ging es darum, das Bestehende so gut wie möglich zu erhalten und mit einer zeitgemässen Küche und Bädern zu ergänzen. Durch eine zusätzliche Erschliessungstreppe vom Erdgeschoss ins 1.Obergeschoss gelang es überdies, zwei voneinander unabhängige Wohnungen zu schaffen. Bei der Wahl neuer Materialien achteten die Architekten darauf, dass sie im Haus bereits vorhanden waren – die Küche beispielsweise ist deshalb aus heimischer Lärche. Auf diese Weise ist es gelungen, trotz dem Umbau die ursprüngliche räumliche Atmosphäre des Gebäudes zu erhalten.

Ein ähnlich sorgfältiger Umgang ist auch in der Gestaltung des Aussenraums spürbar. So blieb eine grosse Tanne auf dem Grundstück stehen und bietet heute Sichtschutz für die Wohnungen, die hier auf die stark befahrene Strasse orientiert sind. Laut dem Architekten und Projektleiter Simon Langenegger, der innerhalb des Büros für die drei Neubauten zuständig war, sind der Minergie- und Minergie-P-Standard an dieser exponierten Lage auch in Bezug auf den Schallschutz vorteilhaft: Zum einen schützt die dichte Gebäudehülle auch vor Lärm, zum anderen müssen wegen der eingebauten Komfortlüftung die Fenster an der stark befahrenen Strasse nicht zum Lüften geöffnet werden. Die vier Häuser, die trotz ihrer Verschiedenheit in Thalwil einen neuen Ort mit hoher Qualität geschaffen haben, zeigen, dass dieser Entscheid richtig war.


Anmerkungen:
[01] Zu den Arbeiten von Urs B. Roth vgl. auch TEC21, 16/2008, 26/2009, 7/2010
[02] Heinrich Gugerli et al., Merkblatt SIA 2032: Graue Energie im Fokus; 15. Schweizerisches Status- Seminar «Energie- und Umweltforschung im Bauwesen», Zürich, 2008

TEC21, Fr., 2011.11.18



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TEC21 2011|47 Minergie und mehr

04. November 2011Jutta Glanzmann
TEC21

Flirrender Koloss

Nach rund 36 Monaten Bauzeit haben die ersten Mieter den Prime Tower auf dem Maag-Areal in Zürich bezogen. Die Lage des Gebäudes am Bahnhof Hardbrücke, seine vielgestaltige Fassade und seine Einbettung in die unmittelbare Umgebung überzeugen. Auch die Erdgeschossnutzungen des Hochhauses und seiner drei Nachbarbauten, alle von Gigon / Guyer Architekten entworfen, sind umsichtig gewählt.

Nach rund 36 Monaten Bauzeit haben die ersten Mieter den Prime Tower auf dem Maag-Areal in Zürich bezogen. Die Lage des Gebäudes am Bahnhof Hardbrücke, seine vielgestaltige Fassade und seine Einbettung in die unmittelbare Umgebung überzeugen. Auch die Erdgeschossnutzungen des Hochhauses und seiner drei Nachbarbauten, alle von Gigon / Guyer Architekten entworfen, sind umsichtig gewählt.

In der Ausstellung «Hochhaus – Wunsch und Wirklichkeit», die noch bis am 2. Januar 2012 im Museum für Gestaltung Zürich zu sehen ist (vgl. S. 18), zeigt eine Luftbildaufnahme des Zürcher Industriequartiers links und rechts der Hardbrücke, wie es 1998 ausgesehen hat: Am Escher-Wyss-Platz steht noch kein Bluewin-Hochhaus, der Turbinenplatz ist im Bau, und auf dem Steinfelsareal ist die erste Umbauetappe gerade erkennbar. Dreizehn Jahre später hat sich das Quartier stark verändert. Zahlreiche Neu- und Umbauprojekte wurden fertiggestellt oder sind noch im Bau. In kürzester Zeit ist das Gebiet als Ergänzung zur Innenstadt zu einem Zentrum Zürichs geworden, was sich nicht zuletzt an der veränderten Bevölkerungsstruktur offenbart (vgl. Kasten und Abb. S. 54).

Blieben die baulichen Veränderungen lange Zeit in der Fläche und waren entweder nur vor Ort oder aus der Höhe erkennbar, hat sich das mit dem Bau des Prime Tower und des benachbarten Mobimo Tower schlagartig geändert; das Quartier hat eine neue Dimension erhalten und beginnt, sich in die Höhe zu entwickeln. Vor allem der Prime Tower, mit 126 m das zurzeit höchste Gebäude der Schweiz, macht die Veränderung weithin sichtbar. Bereits die Baustelle konnte stadtweit beobachtet werden. Schicht um Schicht wuchs das Haus zunächst in die Höhe, um dann mit einer gläsernen Haut umgeben zu werden und die Stadtansicht Zürichs neu zu prägen. Die Architekten haben das Volumen des Turmes so gestaltet, dass er abhängig vom Standpunkt sehr unterschiedlich wahrgenommen wird: in der Verlängerung der Hardbrücke als schlanke Silhouette, die sich je nach Lichtsituation fast aufzulösen scheint, im Fluss des Gleisfeldes als breiter Rücken, der sich dem Strom des Limmattals entgegenstellt. Manchmal taucht das Gebäude ganz unerwartet im Blickfeld auf und wirkt so gar nicht wie ein hohes Haus – zum Beispiel, wenn man im Tram 4 oder 13 vom Hauptbahnhof Richtung Escher-Wyss-Platz sitzt.

Kaum fassbares Bild des gläsernen Körpers

Steht man am Fuss des Prime Tower, geschieht etwas Merkwürdiges: Das Hochhaus wirkt weniger gross als aus der Ferne. Man spürt zwar die Höhe, aber sie erdrückt einen nicht. Das mag mit dem unregelmässigen Achteck als Grundrissform zusammenhängen – und mit den Auskragungen, die das Volumen nach oben weiter werden lassen, in der Höhe gliedern und es zu den umgebenden Gebäuden sowie zur unmittelbar angrenzenden Hardbrücke in Beziehung setzen. Nur eine der acht Fassadenflächen liegt von ganz unten bis ganz oben in derselben Ebene. Ausgangslage für die Entwicklung der Grundform war im Rahmen des international ausgeschriebenen Wettbewerbs, den Gigon / Guyer Architekten 2004 gewonnen haben, die Suche nach einem Grundriss, der ein Maximum an optimal belichteten Arbeitsplätzen ergibt und gleichzeitig ein einprägsames Volumen erzeugt. Dies dokumentieren die Arbeitsmodelle, die gegenwärtig im Rahmen der eingangs erwähnten Ausstellung zu sehen sind. Das ebenfalls gezeigte Situationsmodell transportiert den zweiten Entwurfsschwerpunkt, der auch bereits im Wettbewerbsprojekt bestand: die Konzeption des Gebäudes als «gläsernen Stalaktiten» und vertikalen Gegenstücks zur bestehenden Bebauung, der es sich trotz aller räumlichen Integration damit auch entzieht.

Annette Gigon und Mike Guyer haben dieses Bild der gläsernen Haut kompromisslos und äusserst präzise umgesetzt. Vom Sockel bis zum Dachabschluss bilden die rechteckigen, geschosshohen Fensterelemente, die nach aussen rahmenlos erscheinen, eine glatte Aussenhülle. Je nach Witterung oder Lichtsituation changiert diese zwischen Dunkelgrün, manchmal fast Schwarz bis zu einem ganz hellen Blaugrün. Dabei erinnert die facettenreiche Aussenhülle, die einmal gestochen scharf und dann wieder flirrend in Erscheinung tritt, an die Spiegelung eines Gewässers. Die unterschiedlich ausgerichteten Fassadenflächen lösen das Gebäude in ein Mosaik von Spiegelungen auf und generieren eine verblüffende Vielfalt von Bildern. Je nach Reflexion hebt sich das Gebäude hart von seiner Umgebung ab oder verschwindet fast vollständig darin. Jedes zweite bis dritte Fenster kann zu Lüftungszwecken ausgestellt werden, was aus der Distanz zu einem pixelartig wechselnden Fassadenbild führt.

Diese Möglichkeit, Fenster zu öffnen, ist ein in Hochhäusern seltener Komfort, der indes auch die feuerpolizeilich vorgeschriebene Möglichkeit der Entrauchung nach einem Brandfall unterstützt (vgl. Kasten S. 34). Damit ist die Stadt im Prime Tower nicht nur visuell, sondern auch mit ihren Geräuschen präsent. Gleichzeitig bildet sich das Innenleben des Gebäudes nach aussen ab: Bürotrennwände, offene und geschlossene Fenster, der innen liegende Sonnenschutz und die Beleuchtung machen es jetzt, nachdem die ersten Bürogeschosse bezogen sind, weithin sichtbar.

Durchdachte Gestaltung und Nutzung der Erdgeschosse

Eine weitere Entwurfsabsicht wird spürbar, wenn man um den Prime Tower herumgeht: Das Hochhaus schafft einen neuen Mittelpunkt im Quartier. Zusammen mit den Neubauten Platform und Cubus sowie dem denkmalgeschützten Altbau Diagonal, die als Teile des Planungsperimeters ebenfalls von Gigon / Guyer Architekten entworfen beziehungsweise instand gestellt wurden, definiert der Prime Tower städtische Aussenräume (Abb. 2). Diese werden von den Menschen, die im Quartier arbeiten, aufgrund der öffentlichen Nutzungen bereits stark frequentiert. Während im Prime Tower und in seinen neu erstellten Annexbauten vorwiegend Büroflächen entstehen, werden im umgebauten Industriegebäude Diagonal zwei Kunstgalerien und ein Restaurant einziehen. Im Erdgeschoss des Prime Tower selbst gibt es auf der dem Bahnhof Hardbrücke zugewandten Seite eine Bankfiliale und auf der anderen Seite eine Café-Bar, die sich über zwei Geschosse erstrecken und Anfang Oktober eröffnet wurden. Damit sind alle Gebäude im Erdgeschoss öffentlich zugänglich. Auf dem kleinen Platz zwischen dem Haupteingang des Prime Tower und dem Bürogebäude Cubus mit einem kleinen Lebensmittelladen im Erdgeschoss herrscht tagsüber reges Kommen und Gehen. Auch auf der gegenüberliegenden, südwestlichen Seite des Hochhauses verbringen bereits einige Leute ihre Mittagspause auf dem Platz, der von Prime Tower, Diagonal- und Platform-Gebäude aufgespannt wird und auch Aussensitzflächen für die Restaurants bietet. Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten haben ihn mit drei baumbestandenen Grünflächen gestaltet, die sich formal auf die umliegenden Gebäude beziehen und aus dem Hartbelag des Platzes herauszuwachsen scheinen (Abb. 7 8; zur Ermittlung der Windkräfte auf Gebäude und Aussenräume vgl. TEC21 29-30/2008). Zwischen dem Prime Tower und dem denkmalgeschützten Industriegebäude Diagonal entsteht eine schmale Gasse, die räumliche Spannung erzeugt und den Blick lenkt. Ähnlich ergibt sich durch die Lage des Prime Tower bis hinüber zur Geroldstrasse eine perspektivische Verlängerung, welche die beiden Stadtteile trotz der trennenden Wirkung von Strasse und Hardbrücke verbindet. Der Einschnitt im parallel zum Gleisfeld verlaufenden Platform-Gebäude schafft eine Verbindung zum Gleisbogen, der Zürich West als begehbarer, parkähnlicher Weg grossräumig durchquert. Gleichzeitig befindet sich hier der quasi hauseigene Zugang zum SBB-Bahnhof Hardbrücke (Abb. 9). Dieser soll demnächst dem erhöhten Publikumsverkehr angepasst werden.

Im Sommer 2011 hat das Team Gigon / Guyer, Walt Galmarini, Ernst Basler+Partner, B+P Baurealisation und Weber Haberke Partners den Studienauftrag für den Ausbau gewonnen (vgl. TEC21 33-34/2011).

Elegantes Innenleben

Der Haupteingang des Prime Tower befindet sich gegenüber der Hardbrücke; über den Drehtüren kragt die Fassade aus und bildet eine repräsentative Eingangssituation. Von der Parkgarage, deren Einfahrt sich am westlichen Rand des Areals befindet, gelangt man über Korridore und Treppen in die Empfangshalle. Begleitet wird man dabei von den Lochblech elementen «First Cuts» des Künstlers Harald F. Müller, die verschiedene gestanzte Bilder wie die Sicht vom Mond auf die Erde oder eine Szene aus dem Film «Jurassic Park» zeigen. Die gut 9.5 m hohe Lobby (Abb. 10) evoziert mit ihrer Wandverkleidung aus grünem Naturstein (Verde Aver aus dem Aosta-Tal) Eingangshallen, wie man sie von New Yorker Hochhäusern kennt. Als erste Adresse im Prime Tower überzeugt sie sowohl räumlich als auch in Bezug auf die verwendeten Baustoffe: Im Zusammenspiel von edlen, hochwertig verarbeiteten Materialien und spannungsvoll proportionierten Räumen entsteht eine in ihrer Selbstverständlichkeit umso wirkungsvollere Eleganz. Die wesentlichen Funktionen stehen im Vordergrund. Links vom Eingang befindet sich ein schlichtes weisses Sofa für Wartende; darüber hängen zwei übergrosse Pendelleuchten, die dahinterliegende Wand soll künftig mit Wasser bespielt werden. Die parallel zum längsgerichteten Raum angeordnete Rezeption wird von einem grossen Lichtobjekt markiert, das die Architekten zusammen mit Hannes Wettstein entworfen haben. Ein hoch in die Wand eingelassenes, grossformatiges Werk des Künstlers Adrian Schiess – eine Fläche aus rotem, hochglänzenden Lack – tritt mit dem vorhandenen Natur- und Kunstlicht in einen raffinierten Dialog: Je nach Lichteinfall wirkt die irisierend rote Fläche fast grün.

Gleich neben der Rezeption öffnet sich der Raum zur Zugangskontrolle. Wer diese passieren will, braucht einen Badge. Dahinter liegen die acht Personenlifte: Vier bedienen das 1. bis 21. Obergeschoss, die anderen vier führen vom Erdgeschoss direkt ins 21. Geschoss und bedienen dann die darüberliegenden Etagen. Damit konnte in den oberen Stockwerken mehr Fläche für Büros gewonnen werden. Die Kerne und Fluchttreppen im zentralen Bereich sind so angeordnet, dass sich die Bürogeschosse auf zwei, drei oder vier verschiedene Mieter aufteilen lassen. Es ist aber auch möglich, Büros über mehrere Geschosse mit internen Treppen zusammenzufassen.

Bis auf wenige Flächen ist der Prime Tower vermietet. Neben den Ausbauten der Bürogeschosse, unter anderem für eine Anwaltskanzlei, eine Handelsfirma und eine Bank, sind Gigon / Guyer Architekten für die Gestaltung der Café-Bar im Erdgeschoss, des Restaurants im 35. Geschoss (Abb. 13+14) und des darunterliegenden Konferenzbereichs verantwortlich.

TEC21, Fr., 2011.11.04



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Prime Tower



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TEC21 2011|45 Prime Tower

24. September 2010Jutta Glanzmann
TEC21

Verborgene Qualitäten

Mit Sorgfalt und Gespür haben Gäumann Lüdi von der Ropp Architekten in Zürich das städtische Altersheim Wildbach umgebaut. Der Bau von 1972 ist ein seltsamer Gebäudehybrid: Das Altersheim ist um und auf ein mehrstöckiges Parkhaus gebaut. Betriebswirtschaftliche Überlegungen führten zur Erweiterung, zudem wies der Bau neben betrieblichen auch bauliche Mängel auf. Ein wichtiger Teil des Eingriffs besteht in den mit unterschiedlichen Materialien erzeugten Raumwirkungen, die sich trotz Eigenständigkeit zu einem Ganzen fügen.

Mit Sorgfalt und Gespür haben Gäumann Lüdi von der Ropp Architekten in Zürich das städtische Altersheim Wildbach umgebaut. Der Bau von 1972 ist ein seltsamer Gebäudehybrid: Das Altersheim ist um und auf ein mehrstöckiges Parkhaus gebaut. Betriebswirtschaftliche Überlegungen führten zur Erweiterung, zudem wies der Bau neben betrieblichen auch bauliche Mängel auf. Ein wichtiger Teil des Eingriffs besteht in den mit unterschiedlichen Materialien erzeugten Raumwirkungen, die sich trotz Eigenständigkeit zu einem Ganzen fügen.

Das städtische Altersheim Wildbach im Zürcher Seefeld ist ein Kuriosum, sowohl was seine Lage im Quartier betrifft als auch in Bezug auf sein Innenleben. Der sechsgeschossige rechteckige Bau, der nicht nur Altersheim, sondern auch Parkhaus ist, wirkt unter den mehrheitlich dreigeschossigen Wohnhäusern aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert irgendwie fremd. Im Gebäude, dessen Äusseres stark durch die vorgelagerte Balkonschicht strukturiert wird, legen sich in den ersten vier Geschossen die Räume L-fömig um die drei oberirdischen Parkgeschosse, die sich gegen die Inselhofstrasse mit einer geschlossenen Betonfassade zeigen. Das Haus als Wohnmaschine ist ein Kind seiner Zeit: Anfang der 1970er-Jahre von Architekt André E. Bosshard entworfen, verfolgt der Bau einen funktionalistischen Ansatz. In der konstruktiven Detailausbildung aber ist er alles andere als funktional. Für die Verschränkung der drei sehr ungleichen Teile Parkhaus, Alterswohnungen und Dachgeschosse mit Innenhof und Saal waren aufwendige Statik- und Techniklösungen notwendig. Eine Tatsache, mit der sich das Zürcher Architekturbüro Gäumann Lüdi von der Ropp konfrontiert sah, nachdem es den Wettbewerb für den Umbau des Hauses 2005 gewonnen hatte.

Mit dem Einbezug der in den drei unteren Stockwerken liegenden Seniorenwohnungen ins Altersheim, das seit den 1980er-Jahren in den beiden obersten Geschossen bestand, sollte die Einrichtung aufgrund der grossen Nachfrage erweitert und mit 56 Ein- und 15 Zweizimmerappartements gleichzeitig eine betriebswirtschaftliche Grösse erreichen, um wieder rentabel betrieben werden zu können. Gefragt war eine Lösung, die trotz begrenzten Mitteln das Haus zu einer Einheit werden lässt. Mit unterschiedlich tiefen Eingriffen in den Bestand an verschiedenen Orten im Gebäude ist das Gäumann Lüdi von der Ropp trotz schwieriger Ausgangslage gut gelungen. Während der neue Eingangsbereich und die Anbindung ans Quartier mit der öffentlich zugänglichen Cafeteria und dem zugehörigen Aussenbereich sofort ins Auge fällt, ist das neu gebaute Kernstück der beiden obersten Geschosse von aussen nicht sichtbar. Für die notwendigen Anpassungen in den drei dazwischen liegenden Geschossen und dem neu gestalteten vertikalen Erschliessungsbereich mit einem zweiten Aufzug suchten die Architekten nach kostengünstigen Lösungen, die räumlich trotzdem eine grosse Wirkung entfalten.

Der Bestand als Ausgangspunkt für Neues

Die neue Adresse des Hauses ist ein Pavillon, der dem eigentlichen Volumen vorgelagert ist. Die Betonstützen erinnern in ihrer Form an Äste und bringen ein neues Element in das streng geometrische, durch die Balkone regelmässig rhythmisierte Äussere des Gebäudes. Da sie ebenfalls in Sichtbeton realisiert sind, entsteht aber auch eine Verwandtschaft zwischen alt und neu. Gleichzeitig schafft der Baukörper Klarheit zwischen der Garageneinfahrt und dem Besuchereingang und gliedert den davor liegenden kleinen Park. An die Lobby, die sich im neuen Pavillon befindet, schliesst die neu geschaffene Cafeteria an – ein Begegnungsort, der sich bewusst auch nach aussen und zum Quartier orientiert. Die Öffnung derkleinteiligen Räume, die sich vorher hier befanden, machten Unterzüge und Stützen notwendig, welche den Raum heute in Nischen gliedern. Die Architekten haben diese mit rubinroten Tapeten ausgekleidet, auf denen sich durch die mittig platzierten Wandleuchten ein schönes Lichtspiel ergibt. Entstanden ist ein Raum mit hoher Aufenthaltsqualität. Bereits heute sind die Plätze in der Cafeteria sehr beliebt, um am Kommen und Gehen im Haus teilzuhaben.

Für Lobby und Cafeteria wählten die Architekten Materialien und eine Formensprache, die an ein Hotel erinnert. Damit wird den Räumen eine gewisse, durchaus beabsichtigte Weltoffenheit und Eleganz verliehen. So ist der Handlauf, der vom Erdgeschoss ins erste Stockwerk führt, aus dunkler, kerngeräucherter Eiche gefertigt, die angenehm in der Hand liegt. Als Bodenbelag wählten die Architekten einen fein gezeichneten, hellen Kalkstein, der im überhohen Raum der Lobby gut zur Geltung kommt und die Cafeteria weit und offen macht. Als verbindendes Element wurde er überall da eingesetzt, wo in die bestehende Struktur des Hauses eingegriffen wurde: im Erdgeschoss, den neu gestalteten Begegnungszonen vor dem Lift und in den beiden obersten Stockwerken.

Prunkstück auf dem Dach

In den Korridoren der Stockwerke eins bis drei, die an die Sichtbetonwand des Parkhauses grenzen und wo früher die Seniorenwohnungen lagen, ging dies aus Kostengründen nicht. Hier ersetzt das kräftige helle Blau eines gegossenen Kunststoffbodens den dunklen Teppich von damals. Die grossflächigen Wandbilder auf der Parkhauswand – von Künstler Harry Buser zwischen 1976 und 1980 geschaffen – wurden auf Wunsch der Stadt Zürich erhalten. An der Decke brechen tellerartige Elemente mit bündig eingelassenen Leuchten die stark lineare Wirkung der Korridore. Die Wohnungen selbst wurden wie die Fassade lediglich neu gestrichen. Eine Verbindung zu den beiden obersten Geschossen schaffen die Zonen vor dem Lift. Die bis zur Fassade offen gestalteten Bereiche ermöglichen den Bezug zu aussen, erleichtern damit die Orientierung und bieten gleichzeitig auch Sitzgelegenheiten. Dabeischliesst an den eigentlichen Liftvorplatz jeweils ein gemeinschaftlich nutzbarer Raum an, der von den Architekten ebenfalls neu eingerichtet wurde. Wie bereits im Erdgeschoss entsteht auch hier durch die verwendeten Materialien und die Möblierung eine den Räumen

Adäquate Atmosphäre.

Mit dem radikalen Umbau der beiden obersten Geschosse schliesslich ist es den Architekten gelungen, im Altersheim Wildbach eine ganz neue Raumwahrnehmung zu schaffen. Anstelle trostloser Räume, die nur durch Kuppellichter Bezug zum Aussenraum hatten, ist eine Welt entstanden, die von spannungsvollen Durch- und Ausblicken lebt. Der mit Zedernholz und Glas eingefasste, auf zwei Ebenen liegende Innenhof mit freiem Blick zum Himmel findet seine Fortsetzung im mehrfach nutzbaren Saal, der in der Mitte zweigeschossig wird und sich mit einem eingeschossigen Flügel zur Aussenfassade öffnet. Dunkelgrüne Tapeten, eine zeitgemässe Version eines Kronleuchters und ein mit CNC gefertigtes dekoratives Wandelement als Sichtschutz zum Korridor lassen zusammen mit der Verkleidung aus Zedernholz eine warme, fast festliche Raumstimmung entstehen. Auf Zeder fiel die Wahl aufgrund der positiven Eigenschaften des Materials: Es ist aussen und innen einsetzbar, harzt nicht und schafft ein gutes Raumklima. Im Wellnessbereich erzeugen die Architekten mit den kleinteiligen Glaskeramiksteinen in Blau-, Grün- und Brauntönen nochmals eine andere Raumstimmung. Und selbst die Grossküche überrascht mit einem eigenwilligen Farbkonzept: Die üblicherweise weissen Keramikplatten sind hier pinkfarben. Mit der Vielfalt an Raumeindrücken, die sich im Haus zu einem stimmigen Ganzen fügen, unterstützen Gäumann Lüdi von der Ropp selbstbestimmtes Wohnen im Alter, das im Rahmen einer Institution vielfältige Aktivitäten und den Rückzug in die eigenen vier Wände bietet. Sie haben für Menschen, die in der Regel über einen nur mehr begrenzten Bewegungsradius verfügen, eine Vielfalt an spannungsvollen Räumen in erreichbarer Distanz geschaffen.

TEC21, Fr., 2010.09.24



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TEC21 2010|39 Tapetenwechsel

14. April 2008Jutta Glanzmann
TEC21

Bahnhof Visp

Der im Dezember eröffnete Lötschberg-Basistunnel hat Visp vom Industriestandort zum Verkehrsknotenpunkt gemacht. Die Zahl der Reisenden hat sprunghaft zugenommen, im Bahnhofquartier sind grössere Planungen im Gang. Mit dem Neubau von Bahnhof und Busterminal haben die Basler Architekten Steinmann & Schmid eine solide Basis für weitere Entwicklungen des Ortes gelegt.

Der im Dezember eröffnete Lötschberg-Basistunnel hat Visp vom Industriestandort zum Verkehrsknotenpunkt gemacht. Die Zahl der Reisenden hat sprunghaft zugenommen, im Bahnhofquartier sind grössere Planungen im Gang. Mit dem Neubau von Bahnhof und Busterminal haben die Basler Architekten Steinmann & Schmid eine solide Basis für weitere Entwicklungen des Ortes gelegt.

Seit dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2007 ist Visp das neue Tor ins Oberwallis ge - worden. Sind hier bisher circa 400 000 Personen pro Jahr um- oder ausgestiegen, werden es künftig fast zehn Mal mehr sein. Der 2002 gefällte Entscheid der SBB, Visp und nicht das bekanntere Brig zum neuen Hauptverkehrsknotenpunkt zu machen, veränderte das Bahnhofsquartier grundlegend. Vom ursprünglichen Projekt, mit dem die Basler Architekten Steinmann & Schmid 1999 einen nationalen Studienauftrag für die Neugestaltung des Bahnhofs gewonnen hatten, blieb nur die Idee, die Gleise der Matterhorn Gotthard Bahn (MGB) und der SBB auf der Ebene des Bahndamms zusammenzufassen und den Bahnhof ebenerdig auf Stadtebene zu erschliessen. Für die zusätzlichen Gleise wurde das Gleisfeld Richtung Süden um rund 20 m verbreitert; zwölf Gebäude südlich des alten Bahndamms mussten für die Infrastrukturanlagen und die Hochbauten des Bahnhofs Platz machen, darunter Wohnund Geschäftsbauten, Lagerhallen, Werkstätten und das Hotel «Touring». Eine Erweiterung Richtung Norden kam aufgrund der bestehenden Gleisgeometrie nicht in Frage. Steigt man heute in Visp aus dem Zug, ist der radikale Neuanfang selbst dann spürbar, wenn man das erste Mal hier ist – weniger im Gleisbereich des Bahnhofs als auf dem neuen Bahnhofplatz, wo sich jetzt auch der Busterminal für die vierzehn von Visp abgehenden Postautolinien befi ndet. An verschiedenen Stellen wird noch gebaut, einzelne Gebäude stehen aufgrund der neuen städtebaulichen Situation an exponierter Lage. Die Bauzeit für das 120-Millionen-Projekt war kurz: Nach einer intensiven Planungsphase blieben für die Realisierung der Perron- und Gleisanlagen sowie den Hochbau knapp drei Jahre. Gleichzeitig wirkt der momentane Zustand wie eine Metapher für den Aufbruch, den man sich in Visp aufgrund der neuen Ausgangslage verspricht. Mit dem Zug ist Bern in einer Stunde, Zürich und Basel in zwei Stunden erreichbar.

Städtebaulicher Akzent für die Zukunft

Kernstück des neuen Bahnhofs ist das fünfgeschossige Aufnahme- und Dienstleistungsgebäude. Der schmale, über 100 m lange Baukörper liegt parallel zum Bahndamm, der Visp in einen nördlichen, vorwiegend durch die Industrieanlagen der Lonza-Werke geprägten Teil und einen südlichen Siedlungsbereich trennt. Das Volumen ist dem Bahndamm quasi übergestülpt und wird so zur räumlichen Verbindung zwischen höher liegendem Bahntrassee und Stadtebene. Im entstehenden Bahnhofquartier setzt es – zusammen mit der über 400 m langen Stützmauer entlang des Bahndamms – einen ersten starken Akzent. Der ganz in Glas gehüllte Bau beherbergt in den unteren beiden Geschossen kommerzielle Nutzungen wie Café, Läden, Kiosk und die Kundenplattform von SBB und MGB. In den oberen drei Etagen befinden sich je rund 1300 m² Büroflächen. Sowohl bahn- als auch platzseitig ist das unterste Geschoss durch die zurückspringende Fassade klar als Sockel ausgebildet. In den oberen Stockwerken überspielt die äussere Verglasung der doppelschaligen Fassade die unterschiedliche Nutzung und verleiht dem Volumen einen homogenen, an trüben Tagen fast finsteren Ausdruck; ein Eindruck, der sich ändern mag, sobald die jetzt noch leeren Räume belebt sein werden. Bei guten Lichtverhältnissen spiegeln sich die umliegenden Berge in den Glaselementen, die geschossweise zueinander gekippt sind, und lassen ein sich stetig wechselndes Fassadenbild entstehen. Aufgrund seiner Lage betontdas Volumen von aussen die räumliche Trennung des Ortes durch den Bahndamm. Ganz anders im Innern: Von den oberen drei Geschossen geht der Blick durch die raumhohe Verglasung rundum in alle vier Himmelsrichtungen und ermöglicht eine Sicht auf Visp, die es so bisher nicht gegeben hat.

Schlichte Formen und klare Farben im Infrastrukturbereich

Für die Perrondächer entwickelten Steinmann & Schmid eine eigene Lösung, die von den üblichen Standarddächern der SBB abweicht. Dunkle, rechteckige Stahlstützen tragen die schlichte Konstruktion aus Holzelementen und Stahlträgern. In die helle Untersicht eingelassene Lichtbänder bringen beim Eindunkeln ein verspieltes Element in die formal strenge Komposition – ein Thema, das in der Personenunterführung und im leicht zurückversetzten Eingangsgeschoss wiederkehrt. Von den Perrons führen Treppen und Rampen, deren Einschnitte mit rostroten Stahlplatten ausgekleidet sind, in die Personenunterführung, die stadtseitig in den Bahnhofplatz übergeht. Dabei wirkt die Brandmauer des Gebäudes direkt gegenüber – ein Relikt aus einem Quartierplan der frühen 1990er-Jahre – leider nicht besonders einladend auf Reisende. Am nördlichen Ausgang der Fussgängerverbindung befi nden sich das neue Stellwerk und der zweite, neu gestaltete Zugang mit Veloabstellplätzen. Ein bemerkenswertes Detail: Runde Lichtstelen mit Birkenmuster begleiten die Fussgänger zum Eingang der Unterführung. Parallel zur Personen- liegt die Strassenunterführung, die um rund 20 m verlängert wurde und südseitig in einen neu geschaffenen Kreisel mündet. Von hier wird das um 150 Plätze ergänzte Bahnhofparking erschlossen. Dieses ist mit dem Untergeschoss des Bahnhofs über einen grosszügig gestalteten Zwischenbereich verbunden, wo sich Kurzzeitparkplätze befinden. Die 14 in unmittelbarer Nachbarschaft des neuen Dienstleistungsgebäudes fächerartig aufgereihten Haltekanten des neuen Busterminals von Postauto Wallis werden durch ein 100 m langes, diagonal verzogenes und an den Enden abgerundetes Betondach geschützt. Zusammen mit den Pilzstützen und den rot eingefärbten Haltekanten bildet der Terminal ein monolithisches Element, das verspielter und leichter wirkt als sein formal strengeres Gegenüber. Durch unterschiedlich grosse Oberlichtkuppeln fällt Tageslicht, abends taucht ein raffi niertes Beleuchtungskonzept den Busbahnhof in ein leicht schimmerndes, glänzendes Licht. Die an den Terminal anschliessende Grünanlage wird gegenwärtig realisiert, ebenso wie weitere Umgebungsarbeiten, die bis Mai 2008 abgeschlossen sein sollen. Seitens der Gemeinde, die sich bereits im Rahmen des Bahnhofneubaus mit rund 24 Millionen Frankendafür eingesetzt hat, dass dieser nicht zu einer reinen Umsteigeplattform wird, sind weitere Massnahmen geplant, um Visp für Einheimische und Besucher attraktiver zu machen. Dazu gehören laut Gemeindevizepräsident Niklaus Furger ein übergeordnetes Beleuchtungskonzept und kurzfristige Eingriffe im Zusammenhang mit der Möblierung des öffentlichen Raums, die man in nächster Zeit in Angriff nehmen will.

Ortschaft im Aufbruch

Die Aufwertung des Quartiers rund um den Bahnhof steht erst am Anfang. Durch die optimale Anbindung an den regionalen und den nationalen öffentlichen Verkehr ist Visp zu einem attraktiven Standort geworden – nicht nur als Arbeitsort, was die Gemeinde mit 6700 Einwohnern und 8400 Arbeitsplätzen ja bisher schon war, sondern auch als Wohnort für neue Einwohnerschichten. Laut Niklaus Furger hat die Wohnbautätigkeit im Ort in den letzten Jahren deutlich zugenommen: «Aktuell sind Projekte für Investitionen von rund 50 bis 60 Millionen Franken in der Pipeline.» Die rund 3600 m² Büroflächen im neuen Bahnhofgebäude waren bereits vor dem Bezug praktisch alle verkauft. Für zwei Areale in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs, die aufgrund der Konzentration der Umsteigebeziehungen frei geworden sind, haben Steinmann & Schmid Testplanungen durchgeführt. Auf dem Postareal, dem bisherigen Standort der Postautos, sollen 3000 m² Verkaufsflächen und 55 Wohnungen entstehen. Für das ehemalige Gleisfeld der MGB sind eine Überbauung mit Parkplätzen im Untergeschoss, Verkaufsflächen und öffentliche Nutzungen im Erdgeschoss sowie rund 70 Wohnungen geplant. Beide Projekte, für die im April beziehungsweise Ende 2008 die Baueingaben vorliegen sollen, führen zu einer städtebaulichen Verdichtung des Quartiers rund um den Bahnhof. Visp ist gewillt, die Chance zu packen. Die Ausgangslage jedenfalls könnte nicht besser sein, schrieb doch «Tages- Anzeiger Online» am 6. März: «Deutschschweizer strömen ins Wallis». An Wochenenden stosse der neu gebaute Bahnhof bereits an seine Kapazitätsgrenzen, der Walliser Tourismusdirektor Urs Zenhäusern fordere deshalb den Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels auf durchgehend zwei Röhren.

TEC21, Mo., 2008.04.14



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tec21 2008|15 Tunneldörfer

Publikationen

Presseschau 12

16. Januar 2016Jutta Glanzmann
TEC21

Licht in allen Facetten

Das neue Haus für die Hotelfachschule im Zürcher Belvoirpark klärt eine städtebauliche Situation. Das Raumkonzept im Inneren schafft ein spannendes Miteinander von repräsentativen und funktionalen Räumen – wobei sowohl der Einfall des natürlichen Lichts als auch die eigens für das Haus entwickelten Leuchten eine wichtige Rolle spielen.

Das neue Haus für die Hotelfachschule im Zürcher Belvoirpark klärt eine städtebauliche Situation. Das Raumkonzept im Inneren schafft ein spannendes Miteinander von repräsentativen und funktionalen Räumen – wobei sowohl der Einfall des natürlichen Lichts als auch die eigens für das Haus entwickelten Leuchten eine wichtige Rolle spielen.

Die von Peter Märkli entworfene neue Hotelfachschule steht an der Geländekante zwischen Seestrasse und Belvoirpark. Durch seine präzise Setzung und die Volumetrie, die subtil auf die umgebenden Bauten reagiert, wird das Gebäude zu einem Scharnier zwischen einer Reihe von punktuellen Villenbauten entlang der Seestrasse und der Villa Schneeligut im Park.

Der 22 m hohe Neubau wendet sich mit einer fünfgeschossigen Fassade und zwei Annexbauten zum Belvoirpark. Dabei orientiert sich der Grundriss zum einen an der Flucht der Seestrasse, zum anderen nimmt er die Geometrie eines kleineren angrenzenden Gebäudes auf. Dadurch wird die flächig wirkende Parkfassade mit den regelmässig angeordneten, hochformatigen Fenstern einmal geknickt. Über die mittigen, grossflächigen Verglasungen, die in Anlehnung an eine klassische Säulenordnung dreigeteilt sind, zeichnet sich die zentrale Halle im Innern des Hauses gegen aussen ab.

Diese entwickelt sich vertikal über alle Stockwerke und lebt von der Wirkung des natürlichen Lichteinfalls und des Kunstlichts im Zusammenspiel mit den eingebauten Materialien. Das Kunstlicht stammt in erster Linie von lüsterartigen, eigens für den Bau gefertigten Leuchten. Vom Strassenraum nimmt man den Bau als dreigeschossiges Volumen wahr, dessen Fassade stärker geschlossen ist als zum Park hin, wobei sich die Halle auch hier über die Ausgestaltung der Fenster gegen aussen zeigt. Nicht zuletzt dank dem Kunstlicht, das den festlichen Charakter der Halle auch tagsüber von aussen ablesbar macht.

Das Licht im Gebäude war sehr früh im Entwurfsprozess ein Thema: Die Art der Beleuchtung hat sich zusammen mit der räumlichen Konfiguration des Gebäudes entwickelt.Peter Märkli hat dafür mit Lichtplaner Thomas Mika von Reflexion zusammengearbeitet, mit dem ihn eine langjährige Kooperation im Bereich der Lichtplanung verbindet.

Das Quadrat als wiederkehrende Form

Der grob verputzte Sockel in einem dunklen, kalten Grauton fasst das Haus mit den Annexbauten zu einem Ganzen. Der Rest der Fassade ist mit einem mineralischen Verputz in einem helleren Grau gehalten. Die Fensteröffnungen der Halle sind mit Betonfertigelementen konstruiert, die jeweils mit Pfeilern in einem dunkleren Farbton eingefasst sind. Trotz ihrer schlichten Ausgestaltung entsteht damit eine Assoziation mit der klassischen Villenarchitektur.

Ergänzt wird diese Wahrnehmung durch dekorative Elemente in Form von kleinen Quadraten, die aus dem gleichen Putz wie der Sockel bestehen und sich dadurch leicht von der Fassadenfläche abheben. Sie zeichnen das Eingangs- und das oberste Geschoss aus und schaffen in ihrer Kleinteiligkeit einen gestalterischen Bezug zu den benachbarten Fachwerkbauten im Park. Gleichzeitig lassen sie innerhalb der regelmässigen Fassadenordnung mit den hochformatig versetzten Fenstern eine zweite gestalterische Ordnung entstehen. Das gleiche Quadrat taucht als formales Grundelement auch bei den Leuchten in der Halle und im Restaurant wieder auf.

Zusammenspiel von Material und Licht

Dass die Geschosse nicht der Regelmässigkeit folgen, die man von aussen abzulesen glaubt, zeigt sich erst im Innern des Hauses: So ist das oberste Geschoss im Bereich des Auditoriums 4.5 m hoch, und das Eingangsgeschoss misst anders als die übrigen Stockwerke 3.5 m. Alle übrigen Geschosse sind 4 m hoch. Diese räumliche Grosszügigkeit entspricht zum einen den funktionalen Anforderungen einer Schule mit Seminarräumen und Auditorium, zum anderen unterstreicht sie den repräsentativen Charakter des Hauses, in dem sich Studierende aus aller Welt für Führungsaufgaben in Hotellerie, Gastronomie und Tourismus ausbilden lassen.

Das Haus betritt man von der Seestrasse aus über einen dunklen, mit schwarzem Naturschiefer verkleideten Raum. Dieser wirkt wie eine Schleuse, bevor man in die festlich beleuchtete Halle tritt, die sich im Gebäudeinnern als räumliche Figur über eine repräsentative Treppe nach unten und oben entwickelt und sich partiell über grosse Glasöffnungen nach aussen wendet. Auch hier sind die Wände mit dunklem Schiefer belegt.

Während der rote Teppich zusammen mit den grossformatigen Deckenleuchten dem Raum einen repräsentativen, fast festlichen Ausdruck verleiht, sind die Betondecken lediglich weiss gestrichen und vermitteln zusammen mit den weissen Akustikelementen einen rohen Charakter. Die mit Olivenholzfurnier belegten, fast raumhohen Türen, die in die angrenzenden Schulungsräume führen, wirken in ihrer Gestaltung wiederum eher klassisch.

Die Halle als mehrfach nutzbarer Raum

Durch die riesigen Fenster, die den angrenzenden Belvoirpark und die Landschaft in der Ferne zu Bildern fassen, entsteht in der Halle eine schöne Raumstimmung. Die zweiseitig angedockten Treppenhäuser übernehmen die Brandschutzfunktion und entlasten – ebenso wie die vier Körper, in denen die gesamte Haustechnik zusammengefasst wurde – die Halle in funktionaler Hinsicht. Solchermassen vollständig freigespielt kann sie als Treffpunkt oder als Ort zum Lernen dienen. Sie ist Foyer, Bibliothek, aber auch Rückzugsort. Und es finden darin Lernsituationen Platz, sei es die eigens dafür eingerichtete Übungsbar oder die Rezeption.

Die Halle wird ebenso wie die angrenzenden Treppenhäuser oder die Schulungsräume werden durch die raumhohen Fenster natürlich belichtet. Zusätzlich sorgen neben dem Stimmungslicht der grossformatigen Leuchtkörper in die Decke eingelassene Downlights – beispielsweise im Bereich des Empfangs oder der Bar – für gutes Arbeitslicht. Um die Halle ordnen sich situativ, je nach Nutzung des Stockwerks unterschiedlich, die zudienenden Räume wie Büros oder Sanitärbereiche.

Stimmungs- und Arbeitslicht

Das Restaurant im Gartengeschoss dient als Mensa für die Schülerinnen und Schüler, kann aber gleichzeitig als Ort für besondere Anlässe genutzt werden. Dafür sorgen das Eichenparkett, die kupferfarbenen Elemente, die Lüftungs- und Akustikelemente aufnehmen, der rundumlaufende Fries, der im überhohen Raum den menschlichen Massstab vermittelt, sowie die Deckenleuchten, die auf demselben Entwurfsprinzip basieren wie diejenigen in der Halle: Ausgehend vom Leuchtmittel LED bilden Flachstahlprofile, die mit quadratischen Gläsern bestückt sind, die Tragkonstruktion.

Durch Lufteinschlüsse im Glas wird eine diffuse Transparenz erzeugt, durch die das Licht der LED fällt. Während die Gläser in der Halle flache, kronleuchterartige Einzelstücke bilden, die damit eine gewisse Nobilität ausstrahlen, sind die Leuchten im Restaurant als repetitive, nicht gerichtete Elemente eingesetzt. Das warme, schimmernde Licht, das so in Halle und Restaurant erzeugt wird, kann auch von aussen wahrgenommen werden und vermittelt damit auf einer informellen Ebene den repräsentativen Charakter des Schulgebäudes. Die Leuchtstärke spielt hier keine zentrale Rolle.

Anders in den Seminarräumen: Auch diese Leuchten wurden eigens für ihren Zweck entworfen. In die viereckigen Elemente sind nicht nur die dimmbaren Leuchtkörper eingelassen, sie können auch kühlen, entlüften und heizen. Im Gegensatz zu den warm schimmernden Leuchtgebilden in der Halle verströmen sie ein kühles Arbeitslicht und sind so aufgebaut, dass sie für die verschiedenen Arbeits- und Unterrichtssituationen die gewünschte Lichtsituation erzeugen.

Trotz dem hohen funktionalen Stellenwert, den die Leuchtkörper haben, überzeugen sie als gestalterische Objekte an sich: Sie vermitteln auch auf formaler Ebenen in ihrer schlichten, geometrischen Form ihre hauptsächliche Funktion als Arbeitsleuchten. Eine Wirkung, die verstärkt wird, indem die Leuchten an die sichtbare geführte Infrastruktur der Haustechnikversorgung angeschlossen sind. Wie in den repräsentativen Räumen zeichnet auch dieses Licht die Funktion der Räume nach aussen ab und macht damit den inneren Aufbau der Hotelfachschule transparent.

TEC21, Sa., 2016.01.16



verknüpfte Zeitschriften
TEC21 2016|03-04 Kunstlicht im Raum

05. April 2015Jutta Glanzmann
TEC21

Die neue Gründerzeit

Der Norden von Zürich wirkt wenig wohnlich und ist zwingend auf eine qualitative Weiterentwicklung angewiesen. Mittendrin setzt das Hunziker-Areal nun auf eine urbane räumliche Dichte, sowohl auf der
Ebene Quartier als auch in den Wohnungsgrundrissen.

Der Norden von Zürich wirkt wenig wohnlich und ist zwingend auf eine qualitative Weiterentwicklung angewiesen. Mittendrin setzt das Hunziker-Areal nun auf eine urbane räumliche Dichte, sowohl auf der
Ebene Quartier als auch in den Wohnungsgrundrissen.

Vor acht Jahren feierte der gemeinnützige Wohnungsbau in der Stadt Zürich sein 100-Jahr-Jubiläum und sam­melte Ideen zur Zukunft des genossenschaftlichen Wohnens. Dies trug zur Gründung der Baugenossenschaft «mehr als wohnen» bei und zur Absicht, eine in vielen Belangen neuartige Siedlung zu gestalten. Auf der rund 40?000 m² grossen Gewerbebrache «Hunziker-Areal» in Zürich Nord sollte qualitätsvoller, urbaner Raum zum Leben und Arbeiten entstehen, in Verbindung mit ökologischen und sozialen Zielen (vgl. «Verzicht ist auch eine Form der Reduktion», S. 33, und «Ausgewählte Bewohnerschaft», S. 35). Seit vergangenem November ziehen die Bewohner ein; am ersten Juliwochenende findet das Eröffnungsfest auf dem Hunziker-Platz statt. Genau dort lässt sich die Idee des städtebaulichen Entwurfs, statt einer Siedlung ein Stück Stadt zu schaffen, erstmals überprüfen. Der regelmässig zitierte Referenzort für den neuen Wohnkern war nämlich der Idaplatz im Zürcher Kreis 3. Dieser ist räumlich gefasst: Er zeichnet sich durch eine rundum laufende, dichte Bebauung von mehrgeschossigen Häusern aus, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit durch die Ausbildung und Nutzung des Erdgeschosses, die Art der Dachabschlüsse und die dazwischen liegenden Regelgeschosse zusammengehalten werden. Gleichzeitig lebt der Platz davon, dass er Teil eines gut funktionierenden Stadtquartiers ist. Auch das Hunziker-Areal verbindet sich durch Wege, Strassen sowie grös­sere und kleinere Plätze mit der bestehenden Umgebung, die aber anders als der innerstädtische Kreis 3 typische Eigenschaften eines Stadtteils an der Grenze zur Agglomeration aufweist: grosse Büro- und Wohnbauten mit gesichtslosen Erschlies­sungsflächen, Industrie- und Gewerbebauten, breite Strassenräume und erste Ansätze einer kleinteiligeren Struktur mit öffentlichen Erdgeschossnutzungen wie Restaurants, die aber nur werktags geöffnet sind. Kehrichtverbrennungsanlage, Bahnlinie und eine stark befahrene Strasse sind die weiteren Nachbarn in diesem beanspruchten Gebiet.

Trotzdem traut man dem Hunziker-Areal nun zu, dieses Konglomerat mit einem neuen räumlichen Schwerpunkt zu bereichern oder zumindest aufzubrechen. Die Wege von aussen ins Areal führen nicht einfach in eine Tiefgarage, sondern auf kleinere und grössere Plätze, die sich verengen und weiten, sowie auf Gassen und Gässchen. Der Aussenraum enthält spannungsreiche Sequenzen; die Häuser bieten daran angrenzend Platz im Erdgeschoss für publikumsorientierte ­Nutzungen. Der vielfältige Freiraum und die unterschiedlichen Häuser sollen die Wahrnehmung von gewachsenen Strukturen im wenig attraktiven Entwicklungsgebiet betonen. Das räumliche Potenzial des Quartiers wirkt im Vergleich zur Umgebung geradezu innerstädtisch.

Intensive Aushandlungsphase

Der Architekturwettbewerb betrat selbst Neuland: Es waren parallele Vorschläge für eine städtebauliche Konzeption und ein exemplarisches Einzelgebäude einzureichen. Ab Mai 2009 gingen die Gewinner Futura­frosch/Duplex Architekten (als Arbeitsgemeinschaft), Müller Sigrist Architekten, Architekturbüro Miroslav Šik und pool Architekten gemeinsam daran, räumliche Antworten für eine Durchmischung auf den zwei Massstabsebenen Stadtquartier respektive Wohnungsgrundrisse zu suchen (vgl. TEC21 7/2011). Die Wohnmodelle sollten die Vielfältigkeit und demografische Entwicklung der modernen Gesellschaft berücksichtigen (vgl. «Ausgewählte Bewohnerschaft», S. 35). Auch dieser ­Planungsprozess war zuvor selten gesehen (vgl. oben «Frei interpretierbare Rahmenbedingungen»): In einem intensiven halbjährigen Dialog handelten die Architekten zusammen mit den Verantwortlichen der Baugenossenschaft eine Lösung aus, die Hauskonzepte zu einem Ganzen zu verbinden. Diskussionspunkte waren unter anderem ein Regelwerk für die teils sehr unterschiedlichen Häuser[1], die Gestaltung der Erdgeschosse sowie die Nutzungsvarianten für den Aussenraum, basierend auf der Studie von Müller Illien Landschaftsarchitekten. Am Verhandlungsprozess war auch das Amt für Städtebau eingebunden. Abschliessend fand eine Besprechung mit der Wettbewerbsjury statt.

Die Abstimmung unter den Architekten scheint aber nicht immer gelungen. Der Wille zur formalen Gestaltung einzelner Fassaden wurde etwas stark ausgereizt (vgl. «Das Brockenhaus-Quartier», S. 30). Nicht abschliessend beurteilen lässt sich die Nutzung des Aussenraums. Dieser ist noch im Bau und durch temporäre Parkplätze belegt.

Individuell und gemeinschaftlich

Das dichte Stück Stadt sollte jedoch auch im Innern der Gebäude funktionieren. Unter anderem waren Wohnungen für ein gemeinschaftliches Miteinander zu entwerfen respektive mit individueller Rückzugsmöglichkeit auszustatten. Exemplarisch stehen dafür die Satellitenwohnungen: Mehrere autonome Kleinstwohnungen gruppieren sich um gemeinsam nutzbare Flächen (Küche, Nasszelle, Aufenthaltsraum). Der Wohnungsspiegel ist breit gemischt vom Einzelstudio bis zur WG mit zwölf Zimmern; die Angebotsvielfalt enthält weitere Spezialitäten wie Duplexwohnungen oder überhohe Räume.

Trotz der grossen Dichte überraschen die insgesamt 370 Wohneinheiten immer wieder mit Aus- und Durchblicken ins Freie. Problematisch wird es, wenn die teils sehr tiefen Abmessungen der Baukörper und die gewählten Grundrissdispositionen dunkle Wohnräume entstehen lassen, wobei dies sehr stark von der gewählten Wohnungstypologie abhängt. Angesichts der moderaten Mieten verfügen die Wohnungen über einen guten Ausbaustandard, und generell ist die räumliche Qualität der Grundrisse sehr hoch. Die in den Wohnungen gewählten Materialien und Ausbauten sind in der Regel für alle Häuser gleich.

Eine zusätzliche Entdeckung sind die Treppenhäuser: In mehreren Bauten erschliessen grosszügige mehrgeschossige Räume die Wohnungen und bilden im Innern ein öffentliches Wegnetz. Sind die einen eher reduziert karg und entwickeln daraus ihre Anziehungskraft, erinnern andere an klassische Stadthäuser mit innerem Wandelgang.


Anmerkung:
[01] Häuser im Dialog. Ein Quartier entsteht. Projekt Hunziker-Areal, Baugenossenschaft «mehr als wohnen»; Arbeitsgemeinschaft Futurafrosch und Duplex Architekten, Zürich 2010.

TEC21, So., 2015.04.05



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TEC21 2015|13-14 Hunziker-Areal Zürich – die bessere Vorstadt

15. November 2013Jutta Glanzmann
TEC21

Turm mit zwei Gesichtern

Sowohl im Auf- als auch im Grundriss schert die Villa in Albisrieden am Fuss des Uetlibergs aus dem strengen Bebauungsmuster des Einfamilienhausquartiers aus. Ihre Form leitet sich aus Anforderungen ab, die einander fast ausschliessen: In der Zone W2 gelegen, sollte sie vier Geschosse aufweisen. Michael Meier und Marius Hug Architekten haben das Problem mit einer Volumetrie gelöst, die sich von vorn als Turm präsentiert und von hinten einen breiten Rücken zeigt. Damit haben sie die Hanglage in dem Aussenquartier der Stadt Zürich explizit thematisiert.

Sowohl im Auf- als auch im Grundriss schert die Villa in Albisrieden am Fuss des Uetlibergs aus dem strengen Bebauungsmuster des Einfamilienhausquartiers aus. Ihre Form leitet sich aus Anforderungen ab, die einander fast ausschliessen: In der Zone W2 gelegen, sollte sie vier Geschosse aufweisen. Michael Meier und Marius Hug Architekten haben das Problem mit einer Volumetrie gelöst, die sich von vorn als Turm präsentiert und von hinten einen breiten Rücken zeigt. Damit haben sie die Hanglage in dem Aussenquartier der Stadt Zürich explizit thematisiert.

Oberhalb des Einfamilienhausquartiers, das sich entlang des Lyrenwegs parallel zum Hang entwickelt, steht seit Anfang dieses Jahres ein bemerkenswerter Neubau. Entworfen haben ihn die Zürcher Architekten Michael Meier und Marius Hug. Das Zweifamilienhaus steht auf einem Grundstück in der zweiten Reihe der regelmässig angeordneten Parzellen, das sich schmal und steil den Hang hinaufzieht und an seinem oberen Rand in Wald übergeht. Damit befindet sich das Gebäude an der Grenze zwischen Stadt und Land. Diese Tatsache haben die Architekten genutzt und zum Thema des Hauses gemacht. Durch die steile Lage am Hang tritt das Gebäude auf allen Seiten unterschiedlich in Erscheinung. Von der Stadt, d. h. von Norden, wirkt das Haus hoch und schmal wie ein Turm. Auf der Rückseite, von Süden, nimmt man es als zweigeschossiges Gebäude mit Attika wahr, das sich in die Breite entwickelt. Eine Herausforderung war es, das Volumen gesetzeskonform auf dem Restgrundstück zu platzieren. Was heute selbstverständlich aussieht, war ein schwieriges Unterfangen: Die Gebäudehöhe von insgesamt 8.50 m stand aufgrund der Zone W2 fest. Gleichzeitig durften maximal 50 % des untersten Geschosses über Terrain liegen,. Das Haus sollte zudem über vier Stockwerke verfügen, damit sich das Konzept von zwei Familienwohnungen realisieren liess. Diese sind paarweise über je zwei Geschosse organisiert. Bewerkstelligt haben das die Architekten, indem sie zunächst die vier äussersten Punkte der Fassadenabwicklung in der Höhe festlegten und den Baukörper danach entlang der Höhenkurven quasi ins Gelände einpassten.

Roh und geschliffen

Der annähernd symmetrische Zuschnitt der Grundrisse und die Fenster, die übers Eck laufen, sind laut Michael Meier eine Reminiszenz an die Wohnhäuser des Lyrenquartiers aus den 1930er-Jahren – diese sind ebenfalls symmetrisch organisiert und mit Eckfenstern ausgestattet. An der Längsseite verengt sich die achteckige Grundfigur jeweils, während die kürzeren Seiten sich mittig nach aussen stellen. Dadurch entstehen erkerartige Ausschnitte, die geschossweise mit leicht zurückversetzten Gläsern ausgefacht sind. Die ohnehin eindrückliche Weitsicht von den talseitig gelegenen Räumen über die Stadt im Osten und das Siedlungsgebiet des Limmattals im Norden wird dadurch noch spektakulärer. Indem die übrigen Aussenflächen des Baukörpers vollständig geschlossen gestaltet und sowohl Aussentreppen als auch auskragende Vordächer durchwegs in Beton gegossen sind, entsteht eine prägnante Form. Einzig die Abdeckungen der Brüstungen aus eloxiertem Aluminium sowie die Staketengeländer des Attikageschosses, der Dachterrasse und der Aussentreppen in gespritztem Metall bestehen aus einem anderen Material – mit ihrer dezenten Gestaltung treten sie jedoch in den Hintergrund. Damit bleiben trotz der Rohheit der Form die präzisen gestalterischen Entscheide der Architekten spürbar. Diese wiederum machen die roh geschnittene Form erst möglich – und das trotz der hohen technischen Anforderungen, die das Gebäude mit dem Minergie-Standard erfüllt.

Die zwei Gesichter von Hang- und Talseite

Im Innern gliedern zwei nicht rechtwinklige Erschliessungskerne die Grundfigur im Erd- und im Obergeschoss und lassen im Bereich der vier geschosshoch verglasten Ecken des Raums halboffene Nischen entstehen. Im Erdgeschoss gehen diese in einen zur Stadt orientierten, offenen Wohnraum über. Im Obergeschoss ergänzen raumbildende Leichtbauwände die abgeschlossenen Zimmer, die zur Fassade hin alle im Stil einer Enfilade miteinander verbunden sind. Im Dachgeschoss treten in den Gebäudeecken an Stelle der Erker vier Aussenräume, die unterschiedliche Ausblicke ermöglichen (Abb. 04).

Während das Kellergeschoss mit Garage und Technikräumen vollständig im Berg liegt – was eine aufwendige Fundation notwendig machte –, beherbergt das Sockelgeschoss die Schlafräume der Gartenwohnung sowie ein Badezimmer und einen Arbeitsraum. Da dieser zum Hang hin liegt, wird er durch eine in die Decke eingelassene, horizontale Glasfläche belichtet (Abb. 08).

Durch die allseitige Ausrichtung entstehen in beiden zweigeschossigen Wohnungen überraschende räumliche Abfolgen. So bleibt, auch wenn man sich in einem zum Hang orientierten Raum aufhält, die Stadtseite des Hauses spürbar – ebenso ist die Aussicht in den Grünraum präsent, während man den Blick über die Häuser der Stadt schweifen lässt. Diese Gleichwertigkeit der Ausrichtung des Hauses schafft zwei unterschiedliche Wahrnehmungen: eine urbane, auf die dicht bebaute Stadt bezogene und eine ländliche mit Blumenwiese und Wald. Die schlichte Materialität der Räume mit Leichtbauwänden und Möbeleinbauten in furnierter Braunkernesche, den schalungsglatten, lasierten Betonoberflächen, den Terrazzoböden und den eloxierten Fensterrahmen schafft eine dezente, beige-goldene Farbigkeit und sorgt für eine angenehme Raumatmosphäre. In der oberen Wohnung sind alle Leichtbauwände in einem warmen Grauton gestrichen, entlang der Erschliessungszonen sind diese mit Holz verkleidet. Konstruktiv notwendige Elemente wie Fensterprofile oder Absturzsicherungen sind zurückhaltend gestaltet

Vom Betonbau zum berankten grünen Körper

Die grosszügige Wirkung der Räume täuscht darüber hinweg, dass die begrenzte verfügbare Fläche von je ca. 103 m² pro Geschoss zu radikaler räumlicher Optimierung zwang. So haben die Treppen beispielsweise alle maximale Steigungsverhältnisse. Auch handwerklich war der Bau des Hauses anspruchsvoll. Laut Architekt Michael Meier war insbesondere die Schalung der teils schräg gestellten Betonwände eine Herausforderung, die jedoch dank der guten Zusammenarbeit mit dem Unternehmer habe gemeistert werden können. Statisch ist der Baukörper so konzipiert, dass die Fassade tragend ist. Die innen liegenden Betonwände der Erschliessungskerne werden praktisch nicht aktiviert, sondern sind nur aus gestalterischer Absicht in Beton ausgeführt. Die Betondecken liegen örtlich auf der einschaligen Betonfassade auf und sind mit 18 bis 22 cm Stärke vergleichsweise schlank.

Das Zweifamilienhaus erfüllt den Minergie-Standard und ist mit einer Bedarfslüftung ausgestattet. Die Wärmeversorgung erfolgt über eine Wärmepumpe mit Erdsonden. Während die im Hang liegenden Geschosse aussen gedämmt sind, ist der gegen aussen sichtbare Teil mit einer Innendämmung versehen. Das erste Jahr im Haus habe gezeigt, dass das Raumklima trotz der grossen Fensterflächen äusserst angenehm sei, so Michael Meier. Der Garten rund ums Haus soll sich über die Jahre entwickeln und der jetzt noch rohe Betonbau mit der Zeit zu einem berankten, grünen Körper werden, der sich im Herbst zu einem intensiven Rot wandeln wird. Auch die Blumenwiese mit Obstbäumen und Büschen braucht Zeit, bis sie sich voll entfalten wird.

TEC21, Fr., 2013.11.15



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18. November 2011Jutta Glanzmann
TEC21

Vielfalt als Konzept

Drei im Dezember 2010 fertiggestellte Neubauten und ein denkmalgeschütztes Fachwerkhaus, das zeitgemäss erneuert wurde, schaffen an prominenter Lage in Thalwil ZH einen Ort zum Wohnen und Arbeiten mit hoher räumlicher Qualität. Für die Bauherrschaft und die Thalwiler Architekten der Archplan AG stand die Nachhaltigkeit im Vordergrund, nicht nur die Energieeffizienz der einzelnen Gebäude. Diese überzeugen als eigenständige Objekte ebenso wie als Teile des Ganzen.

Drei im Dezember 2010 fertiggestellte Neubauten und ein denkmalgeschütztes Fachwerkhaus, das zeitgemäss erneuert wurde, schaffen an prominenter Lage in Thalwil ZH einen Ort zum Wohnen und Arbeiten mit hoher räumlicher Qualität. Für die Bauherrschaft und die Thalwiler Architekten der Archplan AG stand die Nachhaltigkeit im Vordergrund, nicht nur die Energieeffizienz der einzelnen Gebäude. Diese überzeugen als eigenständige Objekte ebenso wie als Teile des Ganzen.

Dass mit dem Neubau von drei Mehrfamilienhäusern im Zentrum eines Ortes ein Ensemble mit ausserordentlicher städtebaulicher Qualität entsteht, ist keine Selbstverständlichkeit. Es gehört aber ebenso zu einer nachhaltigen Sichtweise wie eine energieeffiziente Gebäudestruktur (vgl. «Intelligentes Tragwerk», S. 20) oder der Einsatz ökologischer Baumaterialien. Das Areal Güggel in Thalwil liegt in Gehdistanz zum Bahnhof. Eigentümerin ist die Heer & Co AG, die bis in die 1970er-Jahre auf dem benachbarten Grundstück Seide und Rayonstoffe produzierte. Dort wurde bereits 1972 anstelle der Fabrikationsgebäude die Wohnsiedlung «Im Isisbüel» erstellt. Das Areal Güggel hat seinen Namen vom Lehenhaus «Güggel», einem Fachwerkhaus, das dort 1741 durch das Kloster Muri erstellt wurde. Das Grundstück liegt im Rank der Mühlebachstrasse, die unter den Bahngleisen hindurch zum See führt. Bereits seit 1996 bestanden Neubaupläne für das Areal, auf dem neben dem 270 Jahre alten Fachwerkhaus zwei baufällige Wohnhäuser standen. Aber erst ein auf einem Projekt der Archplan AG basierender Gestaltungsplan führte 2009 zur Baubewilligung. Das Konzept für die Bebauung der Parzelle sah vor, das Fachwerkgebäude zu erhalten und mit drei Neubauten zu ergänzen. Diese liegen entlang der Mühlebachstrasse und nehmen in Form und Höhe Bezug auf die angrenzende Bebauung. Dadurch wird der Strassenraum gefasst, und zwischen den Volumen entsteht ein städtischer Platz, den der Geometrieingenieur und Künstler Urs Beat Roth gestaltet hat.[1] Während das nördlich angrenzende Haus gegenüber dem Fachwerkhaus mit dem Giebeldach und der Lochfassade eine klassische Formensprache spricht, sind die östlich liegenden Baukörper beide als eher längliche Kuben mit Flachdach gestaltet (Abb. 1).

Der ganzheitliche Blick

Dieser formalen Unterscheidung entsprechen auch die verschiedenen Bauweisen und Energiestandards der einzelnen Häuser. Während der Neubau mit Giebeldach massiv gebaut ist und den Minergie-Standard erfüllt, sind die beiden anderen Gebäude in Mischbauweise erstellt und Minergie-P-zertifiziert. Die Unterscheidung führt bis zum Innenausbau: Der Massivbau besitzt im Gegensatz zu den Minergie-P-Bauten kleinere Wohnungen in einem einfacheren Standard, so konnten auch die Mieten tiefer gehalten werden. Das Fachwerkhaus dagegen wurde der alten Bausubstanz entsprechend sanft erneuert, ohne einen zertifizierten Energiestandard anzustreben. Während das Fachwerkhaus innen neu mit 14 cm Zelluloseflocken gedämmt wurde, verfügt der massive Neubau über eine 20 cm starke Aussendämmung. Die beiden Minergie-P-Gebäude sind in Elementbauweise errichtet, mit 40 cm integrierter Dämmung. Daraus resultiert für das Fachwerkhaus ein etwa vier Mal so grosser Verbrauch an Heizenergie (bezogen auf die gleiche Wohnfläche) wie für die beiden Minergie-P-Gebäude.

Für Architekt Felix Sponagel, der innerhalb des Architektenteams für die Erneuerung des alten Fachwerkhauses verantwortlich war, stellt sich dennoch die Frage, welches der vier Häuser einer ganzheitlichen Betrachtung von Nachhaltigkeit am nächsten kommt. Denn das Minergie-Label fokussiert auf die Energieeffizienz eines Gebäudes, Aussagen zur Höhe der grauen Energie aber fehlen. Dieser Einwand hat durchaus seine Berechtigung, zeigt sich doch, dass die typischen Werte für die graue Energie eines Gebäudes bei durchschnittlich 100 MJ–150 MJ/m2a liegen – und damit etwa auf dem Niveau der Betriebsenergie für Raumheizung und Warmwasser von energieeffizienten Neubauten.[2] Damit hat die Energie für die Herstellung der Baustoffe, die Erstellung und den späteren Rückbau eines Gebäudes sowie die Entsorgung eine ähnliche Bedeutung wie die Betriebsenergie. Mit konkreten Zahlen belegen lässt sich die Vermutung, dass das Fachwerkhaus über den gesamten Lebenszyklus betrachtet im Vergleich zu den drei Neubauten nicht schlechter abschneidet, allerdings nicht – dazu fehlen Daten zur aufgewendeten grauen Energie für die einzelnen Gebäude. Als Anhaltspunkte können aber die nebenstehenden Zahlen dienen (Abb. 3).

Platz als verbindendes Element

Für Andreas Friedrich als Vertreter der Bauherrschaft war eine nachhaltige Bauweise an diesem zentralen Ort in Thalwil eine Selbstverständlichkeit, trotz den damit verbundenen Mehrkosten. Mit Blick auf nachfolgende Generationen zu bauen, bedeutet nicht nur energieeffiziente Gebäude, sondern auch Flexibilität der Struktur und ein sorgfältiger Umgang mit dem verfügbaren Boden. Diese Haltung manifestiert sich am Platz, der die vier neuen Volumen miteinander verbindet und sofort ins Auge fällt. Urs Beat Roth hat dafür ein Muster geschaffen, das durch die mit Gras bewachsenen Fugen der trapezförmigen Kunststeinplatten in drei verschiedenen Formaten entsteht. Sie verlängern die Gebäudelinien perspektivisch und schaffen einen Ort, der kraftvoll und eigenständig ist. Die Baukörper selbst stehen so zueinander, dass zwischen ihnen gassenähnliche Räume und gefasste Durchblicke entstehen. Eine Treppe führt von der Mühlebachstrasse auf den tiefer gelegenen Platz, der die einzelnen Häuser erschliesst und der wiederum mit der angrenzenden Mühlebachstrasse verbunden ist. Die beiden Minergie-P-Gebäude – eines viergeschossig (Haus Nr. 32), eines dreigeschossig (Haus Nr. 28) –, die in Mischbauweise mit Betondecken und Fassadenelementen aus Holz erstellt wurden, verbindet eine offene Treppenkonstruktion. Sie führt auf die gemeinsam genutzte Dachterrasse des dreigeschossigen Wohnhauses und erschliesst dieses gleichzeitig. Durch das gemeinsame Treppenhaus war es möglich, nur einen Lift für beide Häuser zu bauen. Gegen aussen sind die beiden Längskuben mit bandartigen Fenster elementen gestaltet, die durch vertikal strukturierte Holzverkleidungen unterbrochen werden. Zum einen verweisen sie damit auf die darunterliegende Konstruktion, zum anderen entsteht eine Verwandtschaft mit dem bestehenden Fachwerkhaus. Das in Massivbau erstellte vierte Haus entwickelt eher auf einer formalen Ebene eine Verbindung mit dem Altbau: Beides sind Giebelhäuser. Was wiederum alle Gebäude miteinander verbindet, ist die Gebäudetechnik: In einem einzigen Technikraum im viergeschossigen Minergie-P-Bau (Haus Nr. 32) steht die Holzpelletheizung, die Alt- und Neubauten mit Wärme und Warmwasser versorgt.

Breites räumliches Spektrum

Bei den Neubauten findet die äussere Gestaltung ihre Fortsetzung im Inneren. Während die beiden Minergie-P-Häuser aufgrund der Stützenbauweise im Grundriss frei einteilbar und die Wohnungen entsprechend offen organisiert sind, orientiert sich der verputzte Massivbau an einer klassischen Wohnungstypologie mit zentralem Entrée und darum gruppierten Räumen und abgeschlossener Küche. Bei der Erneuerung des Fachwerkhauses ging es darum, das Bestehende so gut wie möglich zu erhalten und mit einer zeitgemässen Küche und Bädern zu ergänzen. Durch eine zusätzliche Erschliessungstreppe vom Erdgeschoss ins 1.Obergeschoss gelang es überdies, zwei voneinander unabhängige Wohnungen zu schaffen. Bei der Wahl neuer Materialien achteten die Architekten darauf, dass sie im Haus bereits vorhanden waren – die Küche beispielsweise ist deshalb aus heimischer Lärche. Auf diese Weise ist es gelungen, trotz dem Umbau die ursprüngliche räumliche Atmosphäre des Gebäudes zu erhalten.

Ein ähnlich sorgfältiger Umgang ist auch in der Gestaltung des Aussenraums spürbar. So blieb eine grosse Tanne auf dem Grundstück stehen und bietet heute Sichtschutz für die Wohnungen, die hier auf die stark befahrene Strasse orientiert sind. Laut dem Architekten und Projektleiter Simon Langenegger, der innerhalb des Büros für die drei Neubauten zuständig war, sind der Minergie- und Minergie-P-Standard an dieser exponierten Lage auch in Bezug auf den Schallschutz vorteilhaft: Zum einen schützt die dichte Gebäudehülle auch vor Lärm, zum anderen müssen wegen der eingebauten Komfortlüftung die Fenster an der stark befahrenen Strasse nicht zum Lüften geöffnet werden. Die vier Häuser, die trotz ihrer Verschiedenheit in Thalwil einen neuen Ort mit hoher Qualität geschaffen haben, zeigen, dass dieser Entscheid richtig war.


Anmerkungen:
[01] Zu den Arbeiten von Urs B. Roth vgl. auch TEC21, 16/2008, 26/2009, 7/2010
[02] Heinrich Gugerli et al., Merkblatt SIA 2032: Graue Energie im Fokus; 15. Schweizerisches Status- Seminar «Energie- und Umweltforschung im Bauwesen», Zürich, 2008

TEC21, Fr., 2011.11.18



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04. November 2011Jutta Glanzmann
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Flirrender Koloss

Nach rund 36 Monaten Bauzeit haben die ersten Mieter den Prime Tower auf dem Maag-Areal in Zürich bezogen. Die Lage des Gebäudes am Bahnhof Hardbrücke, seine vielgestaltige Fassade und seine Einbettung in die unmittelbare Umgebung überzeugen. Auch die Erdgeschossnutzungen des Hochhauses und seiner drei Nachbarbauten, alle von Gigon / Guyer Architekten entworfen, sind umsichtig gewählt.

Nach rund 36 Monaten Bauzeit haben die ersten Mieter den Prime Tower auf dem Maag-Areal in Zürich bezogen. Die Lage des Gebäudes am Bahnhof Hardbrücke, seine vielgestaltige Fassade und seine Einbettung in die unmittelbare Umgebung überzeugen. Auch die Erdgeschossnutzungen des Hochhauses und seiner drei Nachbarbauten, alle von Gigon / Guyer Architekten entworfen, sind umsichtig gewählt.

In der Ausstellung «Hochhaus – Wunsch und Wirklichkeit», die noch bis am 2. Januar 2012 im Museum für Gestaltung Zürich zu sehen ist (vgl. S. 18), zeigt eine Luftbildaufnahme des Zürcher Industriequartiers links und rechts der Hardbrücke, wie es 1998 ausgesehen hat: Am Escher-Wyss-Platz steht noch kein Bluewin-Hochhaus, der Turbinenplatz ist im Bau, und auf dem Steinfelsareal ist die erste Umbauetappe gerade erkennbar. Dreizehn Jahre später hat sich das Quartier stark verändert. Zahlreiche Neu- und Umbauprojekte wurden fertiggestellt oder sind noch im Bau. In kürzester Zeit ist das Gebiet als Ergänzung zur Innenstadt zu einem Zentrum Zürichs geworden, was sich nicht zuletzt an der veränderten Bevölkerungsstruktur offenbart (vgl. Kasten und Abb. S. 54).

Blieben die baulichen Veränderungen lange Zeit in der Fläche und waren entweder nur vor Ort oder aus der Höhe erkennbar, hat sich das mit dem Bau des Prime Tower und des benachbarten Mobimo Tower schlagartig geändert; das Quartier hat eine neue Dimension erhalten und beginnt, sich in die Höhe zu entwickeln. Vor allem der Prime Tower, mit 126 m das zurzeit höchste Gebäude der Schweiz, macht die Veränderung weithin sichtbar. Bereits die Baustelle konnte stadtweit beobachtet werden. Schicht um Schicht wuchs das Haus zunächst in die Höhe, um dann mit einer gläsernen Haut umgeben zu werden und die Stadtansicht Zürichs neu zu prägen. Die Architekten haben das Volumen des Turmes so gestaltet, dass er abhängig vom Standpunkt sehr unterschiedlich wahrgenommen wird: in der Verlängerung der Hardbrücke als schlanke Silhouette, die sich je nach Lichtsituation fast aufzulösen scheint, im Fluss des Gleisfeldes als breiter Rücken, der sich dem Strom des Limmattals entgegenstellt. Manchmal taucht das Gebäude ganz unerwartet im Blickfeld auf und wirkt so gar nicht wie ein hohes Haus – zum Beispiel, wenn man im Tram 4 oder 13 vom Hauptbahnhof Richtung Escher-Wyss-Platz sitzt.

Kaum fassbares Bild des gläsernen Körpers

Steht man am Fuss des Prime Tower, geschieht etwas Merkwürdiges: Das Hochhaus wirkt weniger gross als aus der Ferne. Man spürt zwar die Höhe, aber sie erdrückt einen nicht. Das mag mit dem unregelmässigen Achteck als Grundrissform zusammenhängen – und mit den Auskragungen, die das Volumen nach oben weiter werden lassen, in der Höhe gliedern und es zu den umgebenden Gebäuden sowie zur unmittelbar angrenzenden Hardbrücke in Beziehung setzen. Nur eine der acht Fassadenflächen liegt von ganz unten bis ganz oben in derselben Ebene. Ausgangslage für die Entwicklung der Grundform war im Rahmen des international ausgeschriebenen Wettbewerbs, den Gigon / Guyer Architekten 2004 gewonnen haben, die Suche nach einem Grundriss, der ein Maximum an optimal belichteten Arbeitsplätzen ergibt und gleichzeitig ein einprägsames Volumen erzeugt. Dies dokumentieren die Arbeitsmodelle, die gegenwärtig im Rahmen der eingangs erwähnten Ausstellung zu sehen sind. Das ebenfalls gezeigte Situationsmodell transportiert den zweiten Entwurfsschwerpunkt, der auch bereits im Wettbewerbsprojekt bestand: die Konzeption des Gebäudes als «gläsernen Stalaktiten» und vertikalen Gegenstücks zur bestehenden Bebauung, der es sich trotz aller räumlichen Integration damit auch entzieht.

Annette Gigon und Mike Guyer haben dieses Bild der gläsernen Haut kompromisslos und äusserst präzise umgesetzt. Vom Sockel bis zum Dachabschluss bilden die rechteckigen, geschosshohen Fensterelemente, die nach aussen rahmenlos erscheinen, eine glatte Aussenhülle. Je nach Witterung oder Lichtsituation changiert diese zwischen Dunkelgrün, manchmal fast Schwarz bis zu einem ganz hellen Blaugrün. Dabei erinnert die facettenreiche Aussenhülle, die einmal gestochen scharf und dann wieder flirrend in Erscheinung tritt, an die Spiegelung eines Gewässers. Die unterschiedlich ausgerichteten Fassadenflächen lösen das Gebäude in ein Mosaik von Spiegelungen auf und generieren eine verblüffende Vielfalt von Bildern. Je nach Reflexion hebt sich das Gebäude hart von seiner Umgebung ab oder verschwindet fast vollständig darin. Jedes zweite bis dritte Fenster kann zu Lüftungszwecken ausgestellt werden, was aus der Distanz zu einem pixelartig wechselnden Fassadenbild führt.

Diese Möglichkeit, Fenster zu öffnen, ist ein in Hochhäusern seltener Komfort, der indes auch die feuerpolizeilich vorgeschriebene Möglichkeit der Entrauchung nach einem Brandfall unterstützt (vgl. Kasten S. 34). Damit ist die Stadt im Prime Tower nicht nur visuell, sondern auch mit ihren Geräuschen präsent. Gleichzeitig bildet sich das Innenleben des Gebäudes nach aussen ab: Bürotrennwände, offene und geschlossene Fenster, der innen liegende Sonnenschutz und die Beleuchtung machen es jetzt, nachdem die ersten Bürogeschosse bezogen sind, weithin sichtbar.

Durchdachte Gestaltung und Nutzung der Erdgeschosse

Eine weitere Entwurfsabsicht wird spürbar, wenn man um den Prime Tower herumgeht: Das Hochhaus schafft einen neuen Mittelpunkt im Quartier. Zusammen mit den Neubauten Platform und Cubus sowie dem denkmalgeschützten Altbau Diagonal, die als Teile des Planungsperimeters ebenfalls von Gigon / Guyer Architekten entworfen beziehungsweise instand gestellt wurden, definiert der Prime Tower städtische Aussenräume (Abb. 2). Diese werden von den Menschen, die im Quartier arbeiten, aufgrund der öffentlichen Nutzungen bereits stark frequentiert. Während im Prime Tower und in seinen neu erstellten Annexbauten vorwiegend Büroflächen entstehen, werden im umgebauten Industriegebäude Diagonal zwei Kunstgalerien und ein Restaurant einziehen. Im Erdgeschoss des Prime Tower selbst gibt es auf der dem Bahnhof Hardbrücke zugewandten Seite eine Bankfiliale und auf der anderen Seite eine Café-Bar, die sich über zwei Geschosse erstrecken und Anfang Oktober eröffnet wurden. Damit sind alle Gebäude im Erdgeschoss öffentlich zugänglich. Auf dem kleinen Platz zwischen dem Haupteingang des Prime Tower und dem Bürogebäude Cubus mit einem kleinen Lebensmittelladen im Erdgeschoss herrscht tagsüber reges Kommen und Gehen. Auch auf der gegenüberliegenden, südwestlichen Seite des Hochhauses verbringen bereits einige Leute ihre Mittagspause auf dem Platz, der von Prime Tower, Diagonal- und Platform-Gebäude aufgespannt wird und auch Aussensitzflächen für die Restaurants bietet. Schweingruber Zulauf Landschaftsarchitekten haben ihn mit drei baumbestandenen Grünflächen gestaltet, die sich formal auf die umliegenden Gebäude beziehen und aus dem Hartbelag des Platzes herauszuwachsen scheinen (Abb. 7 8; zur Ermittlung der Windkräfte auf Gebäude und Aussenräume vgl. TEC21 29-30/2008). Zwischen dem Prime Tower und dem denkmalgeschützten Industriegebäude Diagonal entsteht eine schmale Gasse, die räumliche Spannung erzeugt und den Blick lenkt. Ähnlich ergibt sich durch die Lage des Prime Tower bis hinüber zur Geroldstrasse eine perspektivische Verlängerung, welche die beiden Stadtteile trotz der trennenden Wirkung von Strasse und Hardbrücke verbindet. Der Einschnitt im parallel zum Gleisfeld verlaufenden Platform-Gebäude schafft eine Verbindung zum Gleisbogen, der Zürich West als begehbarer, parkähnlicher Weg grossräumig durchquert. Gleichzeitig befindet sich hier der quasi hauseigene Zugang zum SBB-Bahnhof Hardbrücke (Abb. 9). Dieser soll demnächst dem erhöhten Publikumsverkehr angepasst werden.

Im Sommer 2011 hat das Team Gigon / Guyer, Walt Galmarini, Ernst Basler+Partner, B+P Baurealisation und Weber Haberke Partners den Studienauftrag für den Ausbau gewonnen (vgl. TEC21 33-34/2011).

Elegantes Innenleben

Der Haupteingang des Prime Tower befindet sich gegenüber der Hardbrücke; über den Drehtüren kragt die Fassade aus und bildet eine repräsentative Eingangssituation. Von der Parkgarage, deren Einfahrt sich am westlichen Rand des Areals befindet, gelangt man über Korridore und Treppen in die Empfangshalle. Begleitet wird man dabei von den Lochblech elementen «First Cuts» des Künstlers Harald F. Müller, die verschiedene gestanzte Bilder wie die Sicht vom Mond auf die Erde oder eine Szene aus dem Film «Jurassic Park» zeigen. Die gut 9.5 m hohe Lobby (Abb. 10) evoziert mit ihrer Wandverkleidung aus grünem Naturstein (Verde Aver aus dem Aosta-Tal) Eingangshallen, wie man sie von New Yorker Hochhäusern kennt. Als erste Adresse im Prime Tower überzeugt sie sowohl räumlich als auch in Bezug auf die verwendeten Baustoffe: Im Zusammenspiel von edlen, hochwertig verarbeiteten Materialien und spannungsvoll proportionierten Räumen entsteht eine in ihrer Selbstverständlichkeit umso wirkungsvollere Eleganz. Die wesentlichen Funktionen stehen im Vordergrund. Links vom Eingang befindet sich ein schlichtes weisses Sofa für Wartende; darüber hängen zwei übergrosse Pendelleuchten, die dahinterliegende Wand soll künftig mit Wasser bespielt werden. Die parallel zum längsgerichteten Raum angeordnete Rezeption wird von einem grossen Lichtobjekt markiert, das die Architekten zusammen mit Hannes Wettstein entworfen haben. Ein hoch in die Wand eingelassenes, grossformatiges Werk des Künstlers Adrian Schiess – eine Fläche aus rotem, hochglänzenden Lack – tritt mit dem vorhandenen Natur- und Kunstlicht in einen raffinierten Dialog: Je nach Lichteinfall wirkt die irisierend rote Fläche fast grün.

Gleich neben der Rezeption öffnet sich der Raum zur Zugangskontrolle. Wer diese passieren will, braucht einen Badge. Dahinter liegen die acht Personenlifte: Vier bedienen das 1. bis 21. Obergeschoss, die anderen vier führen vom Erdgeschoss direkt ins 21. Geschoss und bedienen dann die darüberliegenden Etagen. Damit konnte in den oberen Stockwerken mehr Fläche für Büros gewonnen werden. Die Kerne und Fluchttreppen im zentralen Bereich sind so angeordnet, dass sich die Bürogeschosse auf zwei, drei oder vier verschiedene Mieter aufteilen lassen. Es ist aber auch möglich, Büros über mehrere Geschosse mit internen Treppen zusammenzufassen.

Bis auf wenige Flächen ist der Prime Tower vermietet. Neben den Ausbauten der Bürogeschosse, unter anderem für eine Anwaltskanzlei, eine Handelsfirma und eine Bank, sind Gigon / Guyer Architekten für die Gestaltung der Café-Bar im Erdgeschoss, des Restaurants im 35. Geschoss (Abb. 13+14) und des darunterliegenden Konferenzbereichs verantwortlich.

TEC21, Fr., 2011.11.04



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Prime Tower



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24. September 2010Jutta Glanzmann
TEC21

Verborgene Qualitäten

Mit Sorgfalt und Gespür haben Gäumann Lüdi von der Ropp Architekten in Zürich das städtische Altersheim Wildbach umgebaut. Der Bau von 1972 ist ein seltsamer Gebäudehybrid: Das Altersheim ist um und auf ein mehrstöckiges Parkhaus gebaut. Betriebswirtschaftliche Überlegungen führten zur Erweiterung, zudem wies der Bau neben betrieblichen auch bauliche Mängel auf. Ein wichtiger Teil des Eingriffs besteht in den mit unterschiedlichen Materialien erzeugten Raumwirkungen, die sich trotz Eigenständigkeit zu einem Ganzen fügen.

Mit Sorgfalt und Gespür haben Gäumann Lüdi von der Ropp Architekten in Zürich das städtische Altersheim Wildbach umgebaut. Der Bau von 1972 ist ein seltsamer Gebäudehybrid: Das Altersheim ist um und auf ein mehrstöckiges Parkhaus gebaut. Betriebswirtschaftliche Überlegungen führten zur Erweiterung, zudem wies der Bau neben betrieblichen auch bauliche Mängel auf. Ein wichtiger Teil des Eingriffs besteht in den mit unterschiedlichen Materialien erzeugten Raumwirkungen, die sich trotz Eigenständigkeit zu einem Ganzen fügen.

Das städtische Altersheim Wildbach im Zürcher Seefeld ist ein Kuriosum, sowohl was seine Lage im Quartier betrifft als auch in Bezug auf sein Innenleben. Der sechsgeschossige rechteckige Bau, der nicht nur Altersheim, sondern auch Parkhaus ist, wirkt unter den mehrheitlich dreigeschossigen Wohnhäusern aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert irgendwie fremd. Im Gebäude, dessen Äusseres stark durch die vorgelagerte Balkonschicht strukturiert wird, legen sich in den ersten vier Geschossen die Räume L-fömig um die drei oberirdischen Parkgeschosse, die sich gegen die Inselhofstrasse mit einer geschlossenen Betonfassade zeigen. Das Haus als Wohnmaschine ist ein Kind seiner Zeit: Anfang der 1970er-Jahre von Architekt André E. Bosshard entworfen, verfolgt der Bau einen funktionalistischen Ansatz. In der konstruktiven Detailausbildung aber ist er alles andere als funktional. Für die Verschränkung der drei sehr ungleichen Teile Parkhaus, Alterswohnungen und Dachgeschosse mit Innenhof und Saal waren aufwendige Statik- und Techniklösungen notwendig. Eine Tatsache, mit der sich das Zürcher Architekturbüro Gäumann Lüdi von der Ropp konfrontiert sah, nachdem es den Wettbewerb für den Umbau des Hauses 2005 gewonnen hatte.

Mit dem Einbezug der in den drei unteren Stockwerken liegenden Seniorenwohnungen ins Altersheim, das seit den 1980er-Jahren in den beiden obersten Geschossen bestand, sollte die Einrichtung aufgrund der grossen Nachfrage erweitert und mit 56 Ein- und 15 Zweizimmerappartements gleichzeitig eine betriebswirtschaftliche Grösse erreichen, um wieder rentabel betrieben werden zu können. Gefragt war eine Lösung, die trotz begrenzten Mitteln das Haus zu einer Einheit werden lässt. Mit unterschiedlich tiefen Eingriffen in den Bestand an verschiedenen Orten im Gebäude ist das Gäumann Lüdi von der Ropp trotz schwieriger Ausgangslage gut gelungen. Während der neue Eingangsbereich und die Anbindung ans Quartier mit der öffentlich zugänglichen Cafeteria und dem zugehörigen Aussenbereich sofort ins Auge fällt, ist das neu gebaute Kernstück der beiden obersten Geschosse von aussen nicht sichtbar. Für die notwendigen Anpassungen in den drei dazwischen liegenden Geschossen und dem neu gestalteten vertikalen Erschliessungsbereich mit einem zweiten Aufzug suchten die Architekten nach kostengünstigen Lösungen, die räumlich trotzdem eine grosse Wirkung entfalten.

Der Bestand als Ausgangspunkt für Neues

Die neue Adresse des Hauses ist ein Pavillon, der dem eigentlichen Volumen vorgelagert ist. Die Betonstützen erinnern in ihrer Form an Äste und bringen ein neues Element in das streng geometrische, durch die Balkone regelmässig rhythmisierte Äussere des Gebäudes. Da sie ebenfalls in Sichtbeton realisiert sind, entsteht aber auch eine Verwandtschaft zwischen alt und neu. Gleichzeitig schafft der Baukörper Klarheit zwischen der Garageneinfahrt und dem Besuchereingang und gliedert den davor liegenden kleinen Park. An die Lobby, die sich im neuen Pavillon befindet, schliesst die neu geschaffene Cafeteria an – ein Begegnungsort, der sich bewusst auch nach aussen und zum Quartier orientiert. Die Öffnung derkleinteiligen Räume, die sich vorher hier befanden, machten Unterzüge und Stützen notwendig, welche den Raum heute in Nischen gliedern. Die Architekten haben diese mit rubinroten Tapeten ausgekleidet, auf denen sich durch die mittig platzierten Wandleuchten ein schönes Lichtspiel ergibt. Entstanden ist ein Raum mit hoher Aufenthaltsqualität. Bereits heute sind die Plätze in der Cafeteria sehr beliebt, um am Kommen und Gehen im Haus teilzuhaben.

Für Lobby und Cafeteria wählten die Architekten Materialien und eine Formensprache, die an ein Hotel erinnert. Damit wird den Räumen eine gewisse, durchaus beabsichtigte Weltoffenheit und Eleganz verliehen. So ist der Handlauf, der vom Erdgeschoss ins erste Stockwerk führt, aus dunkler, kerngeräucherter Eiche gefertigt, die angenehm in der Hand liegt. Als Bodenbelag wählten die Architekten einen fein gezeichneten, hellen Kalkstein, der im überhohen Raum der Lobby gut zur Geltung kommt und die Cafeteria weit und offen macht. Als verbindendes Element wurde er überall da eingesetzt, wo in die bestehende Struktur des Hauses eingegriffen wurde: im Erdgeschoss, den neu gestalteten Begegnungszonen vor dem Lift und in den beiden obersten Stockwerken.

Prunkstück auf dem Dach

In den Korridoren der Stockwerke eins bis drei, die an die Sichtbetonwand des Parkhauses grenzen und wo früher die Seniorenwohnungen lagen, ging dies aus Kostengründen nicht. Hier ersetzt das kräftige helle Blau eines gegossenen Kunststoffbodens den dunklen Teppich von damals. Die grossflächigen Wandbilder auf der Parkhauswand – von Künstler Harry Buser zwischen 1976 und 1980 geschaffen – wurden auf Wunsch der Stadt Zürich erhalten. An der Decke brechen tellerartige Elemente mit bündig eingelassenen Leuchten die stark lineare Wirkung der Korridore. Die Wohnungen selbst wurden wie die Fassade lediglich neu gestrichen. Eine Verbindung zu den beiden obersten Geschossen schaffen die Zonen vor dem Lift. Die bis zur Fassade offen gestalteten Bereiche ermöglichen den Bezug zu aussen, erleichtern damit die Orientierung und bieten gleichzeitig auch Sitzgelegenheiten. Dabeischliesst an den eigentlichen Liftvorplatz jeweils ein gemeinschaftlich nutzbarer Raum an, der von den Architekten ebenfalls neu eingerichtet wurde. Wie bereits im Erdgeschoss entsteht auch hier durch die verwendeten Materialien und die Möblierung eine den Räumen

Adäquate Atmosphäre.

Mit dem radikalen Umbau der beiden obersten Geschosse schliesslich ist es den Architekten gelungen, im Altersheim Wildbach eine ganz neue Raumwahrnehmung zu schaffen. Anstelle trostloser Räume, die nur durch Kuppellichter Bezug zum Aussenraum hatten, ist eine Welt entstanden, die von spannungsvollen Durch- und Ausblicken lebt. Der mit Zedernholz und Glas eingefasste, auf zwei Ebenen liegende Innenhof mit freiem Blick zum Himmel findet seine Fortsetzung im mehrfach nutzbaren Saal, der in der Mitte zweigeschossig wird und sich mit einem eingeschossigen Flügel zur Aussenfassade öffnet. Dunkelgrüne Tapeten, eine zeitgemässe Version eines Kronleuchters und ein mit CNC gefertigtes dekoratives Wandelement als Sichtschutz zum Korridor lassen zusammen mit der Verkleidung aus Zedernholz eine warme, fast festliche Raumstimmung entstehen. Auf Zeder fiel die Wahl aufgrund der positiven Eigenschaften des Materials: Es ist aussen und innen einsetzbar, harzt nicht und schafft ein gutes Raumklima. Im Wellnessbereich erzeugen die Architekten mit den kleinteiligen Glaskeramiksteinen in Blau-, Grün- und Brauntönen nochmals eine andere Raumstimmung. Und selbst die Grossküche überrascht mit einem eigenwilligen Farbkonzept: Die üblicherweise weissen Keramikplatten sind hier pinkfarben. Mit der Vielfalt an Raumeindrücken, die sich im Haus zu einem stimmigen Ganzen fügen, unterstützen Gäumann Lüdi von der Ropp selbstbestimmtes Wohnen im Alter, das im Rahmen einer Institution vielfältige Aktivitäten und den Rückzug in die eigenen vier Wände bietet. Sie haben für Menschen, die in der Regel über einen nur mehr begrenzten Bewegungsradius verfügen, eine Vielfalt an spannungsvollen Räumen in erreichbarer Distanz geschaffen.

TEC21, Fr., 2010.09.24



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14. April 2008Jutta Glanzmann
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Bahnhof Visp

Der im Dezember eröffnete Lötschberg-Basistunnel hat Visp vom Industriestandort zum Verkehrsknotenpunkt gemacht. Die Zahl der Reisenden hat sprunghaft zugenommen, im Bahnhofquartier sind grössere Planungen im Gang. Mit dem Neubau von Bahnhof und Busterminal haben die Basler Architekten Steinmann & Schmid eine solide Basis für weitere Entwicklungen des Ortes gelegt.

Der im Dezember eröffnete Lötschberg-Basistunnel hat Visp vom Industriestandort zum Verkehrsknotenpunkt gemacht. Die Zahl der Reisenden hat sprunghaft zugenommen, im Bahnhofquartier sind grössere Planungen im Gang. Mit dem Neubau von Bahnhof und Busterminal haben die Basler Architekten Steinmann & Schmid eine solide Basis für weitere Entwicklungen des Ortes gelegt.

Seit dem Fahrplanwechsel am 9. Dezember 2007 ist Visp das neue Tor ins Oberwallis ge - worden. Sind hier bisher circa 400 000 Personen pro Jahr um- oder ausgestiegen, werden es künftig fast zehn Mal mehr sein. Der 2002 gefällte Entscheid der SBB, Visp und nicht das bekanntere Brig zum neuen Hauptverkehrsknotenpunkt zu machen, veränderte das Bahnhofsquartier grundlegend. Vom ursprünglichen Projekt, mit dem die Basler Architekten Steinmann & Schmid 1999 einen nationalen Studienauftrag für die Neugestaltung des Bahnhofs gewonnen hatten, blieb nur die Idee, die Gleise der Matterhorn Gotthard Bahn (MGB) und der SBB auf der Ebene des Bahndamms zusammenzufassen und den Bahnhof ebenerdig auf Stadtebene zu erschliessen. Für die zusätzlichen Gleise wurde das Gleisfeld Richtung Süden um rund 20 m verbreitert; zwölf Gebäude südlich des alten Bahndamms mussten für die Infrastrukturanlagen und die Hochbauten des Bahnhofs Platz machen, darunter Wohnund Geschäftsbauten, Lagerhallen, Werkstätten und das Hotel «Touring». Eine Erweiterung Richtung Norden kam aufgrund der bestehenden Gleisgeometrie nicht in Frage. Steigt man heute in Visp aus dem Zug, ist der radikale Neuanfang selbst dann spürbar, wenn man das erste Mal hier ist – weniger im Gleisbereich des Bahnhofs als auf dem neuen Bahnhofplatz, wo sich jetzt auch der Busterminal für die vierzehn von Visp abgehenden Postautolinien befi ndet. An verschiedenen Stellen wird noch gebaut, einzelne Gebäude stehen aufgrund der neuen städtebaulichen Situation an exponierter Lage. Die Bauzeit für das 120-Millionen-Projekt war kurz: Nach einer intensiven Planungsphase blieben für die Realisierung der Perron- und Gleisanlagen sowie den Hochbau knapp drei Jahre. Gleichzeitig wirkt der momentane Zustand wie eine Metapher für den Aufbruch, den man sich in Visp aufgrund der neuen Ausgangslage verspricht. Mit dem Zug ist Bern in einer Stunde, Zürich und Basel in zwei Stunden erreichbar.

Städtebaulicher Akzent für die Zukunft

Kernstück des neuen Bahnhofs ist das fünfgeschossige Aufnahme- und Dienstleistungsgebäude. Der schmale, über 100 m lange Baukörper liegt parallel zum Bahndamm, der Visp in einen nördlichen, vorwiegend durch die Industrieanlagen der Lonza-Werke geprägten Teil und einen südlichen Siedlungsbereich trennt. Das Volumen ist dem Bahndamm quasi übergestülpt und wird so zur räumlichen Verbindung zwischen höher liegendem Bahntrassee und Stadtebene. Im entstehenden Bahnhofquartier setzt es – zusammen mit der über 400 m langen Stützmauer entlang des Bahndamms – einen ersten starken Akzent. Der ganz in Glas gehüllte Bau beherbergt in den unteren beiden Geschossen kommerzielle Nutzungen wie Café, Läden, Kiosk und die Kundenplattform von SBB und MGB. In den oberen drei Etagen befinden sich je rund 1300 m² Büroflächen. Sowohl bahn- als auch platzseitig ist das unterste Geschoss durch die zurückspringende Fassade klar als Sockel ausgebildet. In den oberen Stockwerken überspielt die äussere Verglasung der doppelschaligen Fassade die unterschiedliche Nutzung und verleiht dem Volumen einen homogenen, an trüben Tagen fast finsteren Ausdruck; ein Eindruck, der sich ändern mag, sobald die jetzt noch leeren Räume belebt sein werden. Bei guten Lichtverhältnissen spiegeln sich die umliegenden Berge in den Glaselementen, die geschossweise zueinander gekippt sind, und lassen ein sich stetig wechselndes Fassadenbild entstehen. Aufgrund seiner Lage betontdas Volumen von aussen die räumliche Trennung des Ortes durch den Bahndamm. Ganz anders im Innern: Von den oberen drei Geschossen geht der Blick durch die raumhohe Verglasung rundum in alle vier Himmelsrichtungen und ermöglicht eine Sicht auf Visp, die es so bisher nicht gegeben hat.

Schlichte Formen und klare Farben im Infrastrukturbereich

Für die Perrondächer entwickelten Steinmann & Schmid eine eigene Lösung, die von den üblichen Standarddächern der SBB abweicht. Dunkle, rechteckige Stahlstützen tragen die schlichte Konstruktion aus Holzelementen und Stahlträgern. In die helle Untersicht eingelassene Lichtbänder bringen beim Eindunkeln ein verspieltes Element in die formal strenge Komposition – ein Thema, das in der Personenunterführung und im leicht zurückversetzten Eingangsgeschoss wiederkehrt. Von den Perrons führen Treppen und Rampen, deren Einschnitte mit rostroten Stahlplatten ausgekleidet sind, in die Personenunterführung, die stadtseitig in den Bahnhofplatz übergeht. Dabei wirkt die Brandmauer des Gebäudes direkt gegenüber – ein Relikt aus einem Quartierplan der frühen 1990er-Jahre – leider nicht besonders einladend auf Reisende. Am nördlichen Ausgang der Fussgängerverbindung befi nden sich das neue Stellwerk und der zweite, neu gestaltete Zugang mit Veloabstellplätzen. Ein bemerkenswertes Detail: Runde Lichtstelen mit Birkenmuster begleiten die Fussgänger zum Eingang der Unterführung. Parallel zur Personen- liegt die Strassenunterführung, die um rund 20 m verlängert wurde und südseitig in einen neu geschaffenen Kreisel mündet. Von hier wird das um 150 Plätze ergänzte Bahnhofparking erschlossen. Dieses ist mit dem Untergeschoss des Bahnhofs über einen grosszügig gestalteten Zwischenbereich verbunden, wo sich Kurzzeitparkplätze befinden. Die 14 in unmittelbarer Nachbarschaft des neuen Dienstleistungsgebäudes fächerartig aufgereihten Haltekanten des neuen Busterminals von Postauto Wallis werden durch ein 100 m langes, diagonal verzogenes und an den Enden abgerundetes Betondach geschützt. Zusammen mit den Pilzstützen und den rot eingefärbten Haltekanten bildet der Terminal ein monolithisches Element, das verspielter und leichter wirkt als sein formal strengeres Gegenüber. Durch unterschiedlich grosse Oberlichtkuppeln fällt Tageslicht, abends taucht ein raffi niertes Beleuchtungskonzept den Busbahnhof in ein leicht schimmerndes, glänzendes Licht. Die an den Terminal anschliessende Grünanlage wird gegenwärtig realisiert, ebenso wie weitere Umgebungsarbeiten, die bis Mai 2008 abgeschlossen sein sollen. Seitens der Gemeinde, die sich bereits im Rahmen des Bahnhofneubaus mit rund 24 Millionen Frankendafür eingesetzt hat, dass dieser nicht zu einer reinen Umsteigeplattform wird, sind weitere Massnahmen geplant, um Visp für Einheimische und Besucher attraktiver zu machen. Dazu gehören laut Gemeindevizepräsident Niklaus Furger ein übergeordnetes Beleuchtungskonzept und kurzfristige Eingriffe im Zusammenhang mit der Möblierung des öffentlichen Raums, die man in nächster Zeit in Angriff nehmen will.

Ortschaft im Aufbruch

Die Aufwertung des Quartiers rund um den Bahnhof steht erst am Anfang. Durch die optimale Anbindung an den regionalen und den nationalen öffentlichen Verkehr ist Visp zu einem attraktiven Standort geworden – nicht nur als Arbeitsort, was die Gemeinde mit 6700 Einwohnern und 8400 Arbeitsplätzen ja bisher schon war, sondern auch als Wohnort für neue Einwohnerschichten. Laut Niklaus Furger hat die Wohnbautätigkeit im Ort in den letzten Jahren deutlich zugenommen: «Aktuell sind Projekte für Investitionen von rund 50 bis 60 Millionen Franken in der Pipeline.» Die rund 3600 m² Büroflächen im neuen Bahnhofgebäude waren bereits vor dem Bezug praktisch alle verkauft. Für zwei Areale in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs, die aufgrund der Konzentration der Umsteigebeziehungen frei geworden sind, haben Steinmann & Schmid Testplanungen durchgeführt. Auf dem Postareal, dem bisherigen Standort der Postautos, sollen 3000 m² Verkaufsflächen und 55 Wohnungen entstehen. Für das ehemalige Gleisfeld der MGB sind eine Überbauung mit Parkplätzen im Untergeschoss, Verkaufsflächen und öffentliche Nutzungen im Erdgeschoss sowie rund 70 Wohnungen geplant. Beide Projekte, für die im April beziehungsweise Ende 2008 die Baueingaben vorliegen sollen, führen zu einer städtebaulichen Verdichtung des Quartiers rund um den Bahnhof. Visp ist gewillt, die Chance zu packen. Die Ausgangslage jedenfalls könnte nicht besser sein, schrieb doch «Tages- Anzeiger Online» am 6. März: «Deutschschweizer strömen ins Wallis». An Wochenenden stosse der neu gebaute Bahnhof bereits an seine Kapazitätsgrenzen, der Walliser Tourismusdirektor Urs Zenhäusern fordere deshalb den Vollausbau des Lötschberg-Basistunnels auf durchgehend zwei Röhren.

TEC21, Mo., 2008.04.14



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